Urteil des VG Köln vom 19.10.2007

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Verwaltungsgericht Köln, 25 K 3029/06
Datum:
19.10.2007
Gericht:
Verwaltungsgericht Köln
Spruchkörper:
25. Kammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
25 K 3029/06
Tenor:
Die Klage wird abgewiesen. Die Klägerin trägt die Kosten des
Verfahren.
T a t b e s t a n d Die Parteien streiten über die richtige Festsetzung einer
Baugenehmigungsgebühr.
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Die Klägerin beantragte eine Baugenehmigung für die Errichtung eines vierstöckigen
Mehrfamilienhauses mit 7 Wohneinheiten und einer Tiefgarage von 228 qm Fläche für 7
Stellplätze. Die Beklagte stufte das Vorhaben als sogenannten „kleinen Sonderbau"
i.S.v. § 54 der Bauordnung für das Land Nordrhein-Westfalen (BauO NRW) ein und
erhob mit Bescheid vom 27. Juli 2005 gemäß Ziffer 2.4.1.2 des Allgemeinen
Gebührentarifs (AllgGT) zur Allgemeinen Verwaltungsgebührenordnung (AVerwGebO
NRW) einen Gebührenvorschuss in Höhe von 4.005,00 EUR. Hiergegen legte die
Klägerin rechtzeitig Widerspruch ein. Am 10. Oktober 2005 erteilte die Beklagte die
Baugenehmigung für das Vorhaben „Errichtung eines Mehrfamilienhauses mit
Tiefgarage". Mit Gebührenbescheid vom gleichen Tage setzte sie die Gebühr für die
Baugenehmigung abschließend auf 4.325,00 EUR und den noch zu zahlenden Betrag
auf 320,00 EUR fest. Dabei legte sie eine Rohbausumme von aufgerundet 432.500,00
EUR (348.529,79 EUR für das Wohngebäude und von 83.629,15 EUR für die
Tiefgarage) zugrunde. Die Klägerin erhob auch gegen diesen Gebührenbescheid
Widerspruch. Zwar sei die Rohbausumme richtig angesetzt worden. Jedoch handele es
sich nicht um einen Sonderbau, sondern um ein Vorhaben nach § 68 Abs. 1 BauO
NRW, weshalb die Gebühr sich nach Ziffer 2.4.1.1 des AllgGT zur AVerwGebO NRW
(GebT) richte und lediglich 2.595,00 EUR betrage.
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Mit Widerspruchsbescheid vom 24. Mai 2006, zugestellt am 27. Mai 2006, wies die
Bezirksregierung Köln die Widersprüche gegen die beiden Gebührenbescheide zurück.
Da die Tiefgarage baulich mit dem darauf stehenden Wohnhaus verbunden sei und zu
dessen statischem System gehöre, handele es sich um ein Gebäude, das einen
Sonderbau nach § 54 BauO NRW darstelle. Die Prüfung des Vorhabens habe im
Rahmen eines Verwaltungsverfahrens erfolgen müssen, die Gebührenberechnung
könne nur nach der für die Genehmigung von Sonderbauten geltenden Tarifstelle
erfolgen.
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Am 26. Juni 2006 hat die Klägerin Klage erhoben, mit der sie Folgendes vorträgt: Für
die Gebührenberechnung sei einheitlich darauf abzustellen, dass das Gebäude in erster
Linie Wohnzwecken diene und die Tiefgarage nur eine Nebenfunktion erfülle. Insofern
handele es sich bei dem Gebäude nicht um einen Sonderbau. Auch separat betrachtet
sei die Tiefgarage kein Sonderbau, da ein erhöhtes Prüfprogramm insofern nicht
stattgefunden habe. Soweit die Tiefgarage dennoch als Sonderbau einzustufen sei,
müsse die Gebühr aber jedenfalls geteilt werden. Die erhöhte Gebühr dürfe nur für die
Genehmigung der Tiefgarage festgesetzt werden, da ein erhöhter Prüfungsaufwand
jedenfalls nur für diesen Bereich angefallen sein könne. Die Einführung verschiedener
Genehmigungsverfahren je nach Schwierigkeitsgrad des Bauvorhabens müsse sich
auch in einer gebührenrechtlichen Aufspaltung innerhalb eines Bauvorhabens
widerspiegeln. Die Klägerin verweist insoweit auf eine Entscheidung des BayVGH.
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Die Klägerin beantragt,
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die Gebührenbescheide vom 27. Juli 2005 und 10. Oktober 2005 sowie den
Widerspruchsbescheid vom 24. Mai 2006 aufzuheben, soweit eine über 2.595,00 EUR
hinausgehende Gebühr festgesetzt wurde.
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Die Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Sie trägt Folgendes vor: Die Einordnung der Tiefgarage als Sonderbau ergebe sich
bereits daraus, dass sie der Garagenverordnung als sog. Sonderbauverordnung
unterliege. Aufgrund der baulichen Verbindung von Wohngebäude und Garage zu
einem Gesamtgebäude könne das Vorhaben nur einheitlich abgerechnet werden. Der
Gebührentarif stelle auf die Genehmigung von Gebäuden und nicht von Gebäudeteilen
ab. Soweit Gebäudeteile verschieden genutzt würden, werde dies gebührenrechtlich
durch Tarifstelle 2.1.2 berücksichtigt. Da der Prüfungsaufwand für das Gebäude wegen
der Garage erhöht gewesen sei, sei die erhöhte Gebühr zugrunde zu legen gewesen.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte
sowie die von der Beklagten vorgelegten Verwaltungsakten Bezug genommen.
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E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
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Die Klage ist unbegründet.
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Die Gebührenbescheide der Beklagten vom 27. Juli 2005 und 10. Oktober 2005, soweit
sie angefochten sind, sowie der Widerspruchsbescheid der Bezirksregierung Köln vom
24. Mai 2006 sind rechtmäßig und verletzen die Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 113
Abs. 1 Satz 1 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO).
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Rechtsgrundlage für die erhobene Baugenehmigungsgebühr ist § 1 Abs. 1 Nr. 1, § 2 des
Gebührengesetzes für das Land Nordrhein-Westfalen (GebG NRW) i.V.m. § 1
AVerwGebO NRW und dem in der Anlage hierzu geregelten Allgemeinen
Gebührentarif.
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Die Beklagte hat die Baugenehmigungsgebühr zu Recht in Höhe von 4.325,00 EUR auf
der Grundlage der Ziffer 2.4.1.2 des AllgGT erhoben. Nach dieser Tarifstelle entsteht
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eine Gebühr in Höhe von 10 v.T. der - vorliegend nicht bestrittenen - Rohbausumme für
die Entscheidung über die Erteilung der Baugenehmigung für die Errichtung von
Gebäuden i.S.v. § 68 Abs. 1 Satz 1 BauO NRW, die Sonderbauten (§ 54 BauO NRW)
sind.
Bei dem genehmigten Bauvorhaben handelt es sich um ein Gebäude i.S.v. § 68 Abs. 1
S. 1 BauO NRW. Gemäß § 2 Abs. 2 BauO NRW sind Gebäude selbständig benutzbare,
überdachte bauliche Anlagen, die von Menschen betreten werden können und geeignet
oder bestimmt sind, dem Schutz von Menschen, Tieren oder Sachen zu dienen. Diese
Kriterien werden vorliegend von dem Gesamtprojekt „Mehrfamilienhaus mit Tiefgarage"
erfüllt, nicht aber von dem Wohnhausteil oder dem Garagenteil allein. Der
Wohnhaustrakt ist nicht selbständig benutzbar, da die Mauern und Stützen der
Tiefgarage in die Statik des Wohnhauses eingebunden sind, das Wohnhaus in seiner
vorliegenden Form also existenziell von der darunter liegenden Tiefgarage abhängig ist.
Eine selbständige Nutzbarkeit der Tiefgarage in ihrer vorliegend konzipierten Form
scheitert jedenfalls an der ohne darüberliegendes Wohnhaus fehlenden Überdachung,
d.h. einer Vorrichtung, die Niederschläge dauerhaft sicher ableiten kann. Demgemäß
kann auch lediglich eine Tiefgarage, die sich außerhalb der Grundrissfläche des
Hauptgebäudes befindet, in der Regel als eigenständiges Gebäude angesehen werden,
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vgl. etwa BayVGH, Urteil vom 28. November 2000 - 23 B 00.2053 -, in BayVBl. 2001,
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Das Gebäude ist auch ein solches i.S.v. § 68 Abs. 1 S.1 BauO NRW. Da das Gebäude
ein Wohnhaus mittlerer Höhe sowie eine sog. Mittelgarage umfasst, ist § 68 Abs. 1 Satz
3 BauO NRW nicht anwendbar mit der Folge, dass für das Gebäude insgesamt das
vereinfachte Genehmigungsverfahren nach § 68 Abs. 1 Satz 1 BauO NRW durchgeführt
werden konnte.
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Schließlich ist das vorliegende Gebäude auch ein Sonderbau nach § 54 BauO NRW.
Sonderbauten nach dieser Vorschrift sind bauliche Anlagen und Räume besonderer Art
oder Nutzung, für die (u.a.) im Einzelfall zur Verwirklichung der allgemeinen
Anforderungen nach § 3 Abs. 1 Satz 1 BauO NRW besondere Anforderungen gestellt
werden. Damit zeichnet sich der Sonderbau typischerweise durch sein besonderes, vom
normalen Wohnungsbau abweichendes Gefahrenpotential aus, das zu höheren (oder
niedrigeren, vgl. § 54 Abs. 1 S. 2 BauO NRW) Prüfungsanforderungen führt. Ein solcher
Fall liegt hier vor. Aufgrund der in das Gebäude integrierten Mittelgarage war es trotz
vereinfachtem Genehmigungsverfahren notwendig, zusätzlich zu den im normalen
Wohnungsbau vorgesehenen Prüfungen die Vereinbarkeit des Vorhabens mit den
Anforderungen der Nordrhein-Westfälischen Verordnung über den Bau und Betrieb von
Garagen (GarVO NRW) zu prüfen (§ 68 Abs. 1 S. 4 Nr. 4 BauO NRW). Die an das
vorliegende Gebäude zu stellenden besonderen Anforderungen erstreckten sich
entsprechend der einschlägigen Regelungen der GarVO NRW (z.B. §§ 10, 12, 13, 17
GarVO NRW) etwa auf Brandschutzeinrichtungen und -vorkehrungen, Rettungswege,
Ausgänge usw., wie dies in § 54 Abs. 2 Nr. 5 und Nr. 7 BauO NRW auch ausdrücklich
vorgesehen ist. Der Einstufung des Gebäudes als Sonderbau stünde nach Auffassung
des Gerichts auch nicht die - durchaus naheliegende - Annahme entgegen, das
Gebäude diene in erster Linie Wohnzwecken und die Tiefgarage erfülle demgegenüber
lediglich eine Nebenfunktion (vgl. hierzu auch § 67 Abs. 1 und Abs. 7 BauO NRW).
Maßgeblich hinsichtlich der Einstufung eines Gebäudes als Sonderbau ist nicht allein
sein Hauptzweck, sondern ob an seine Ausführung aufgrund der besonderen Art und
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Nutzung auch nur von Gebäudeteilen besondere Anforderungen gestellt werden, die für
den Gesamtcharakter des Gebäudes und das damit verbundene Gefahrenpotential nicht
ganz unwesentlich sind. Letzteres ist jedenfalls bei einer in die Statik eines
Wohngebäudes mit 7 Wohneinheiten integrierten Mittel-Tiefgarage mit 7 Stellplätzen der
Fall.
Eine Aufteilung der Baugenehmigungsgebühr dahin, dass die erhöhte Gebühr nach
Ziffer 2.4.1.2 des Allgemeinen Gebührentarifs nur anteilmäßig für die Genehmigung der
Tiefgarage erhoben werden könnte und im Übrigen nach Tarifstelle 2.4.1.1 festzusetzen
wäre, kann nicht erfolgen. Der Allgemeine Gebührentarif stellt unter 2.4.1 für die
Festsetzung von Baugenehmigungsgebühren ausdrücklich auf das jeweilige Gebäude
ab und steht damit einer Aufteilung nach Gebäudeteilen entgegen. Zudem ist vorliegend
nur eine Baugenehmigung beantragt und erteilt worden, und dies auch zu Recht, da das
gesamte Projekt einheitlich nach den Prüfungsvorgaben des vereinfachten
Genehmigungsverfahrens gemäß § 68 Abs. 1 Satz 1 BauO NRW zu behandeln war.
Insofern unterscheidet sich der vorliegende Fall von dem vom Bayerischen
Verwaltungsgerichtshof entschiedenen, auf den die Klägerseite sich beruft,
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Bay. VGH, Urteil vom 17. Februar 2005 - 2 B 02.2691 -.
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Dort hielt das Gericht die Erhebung einer einheitlichen Baugenehmigungsgebühr im
Wesentlichen deshalb für rechtswidrig, weil für das genehmigte Projekt - ein Wohnhaus
mit zugehöriger Großgarage - zwei unterschiedliche Prüfprogramme anzuwenden
gewesen wären, nämlich das vereinfachte Genehmigungsverfahren für das Wohnhaus
und das normale Genehmigungsverfahren für die Großgarage als „großem Sonderbau",
und somit nach Auffassung des Gerichts zwei Baugenehmigungen mit gesonderter
Gebührenberechnung hätten erteilt werden müssen. Da es sich vorliegend nicht um ein
solches sog. „gemischtes Vorhaben" mit unterschiedlichen Genehmigungsverfahren
handelt, sind die dortigen Überlegungen auf diesen Fall nicht übertragbar.
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Bedenken gegen eine Vereinbarkeit der im Allgemeinen Gebührentarif zur Allgemeinen
Verwaltungsgebührenordnung NRW verordneten Gebührenregelung bei
Baugenehmigungen mit übergeordnetem Recht bestehen ebenfalls nicht. Insbesondere
ist kein Verstoß gegen den Grundsatz der Gebührengerechtigkeit (Art. 3 Abs. 1 GG)
erkennbar. Pauschalisierungen und Typisierungen sind im Gebührenrecht nicht
vermeidbar und grundsätzlich zulässig. Das unter dem Aspekt des
Verwaltungsaufwandes erfolgte gebührenmäßige Abstellen des Verordnungsgebers auf
Gebäude und die Differenzierung nach vereinfachtem Genehmigungsverfahren,
vereinfachtem Genehmigungsverfahren mit erhöhtem Prüfungsaufwand für „kleine
Sonderbauten" sowie normalem Genehmigungsverfahren ist nachvollziehbar und nicht
offensichtlich willkürlich. Soweit aufgrund der Vorgaben des § 3 des Gebührengesetzes
NRW eine weitere Differenzierung unter dem Aspekt des Nutzens der Amtshandlung für
den Gebührenschuldner erforderlich ist, hat der Verordnungsgeber dem durch die
anteilige Ermittlung der Rohbauwerte je nach Nutzungsart hinreichend Rechnung
getragen.
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Vgl. OVG NW, Beschluss vom 20. Juli 2004 - 9 A 201/02 -, DÖV 2004, 1014.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs.1 VwGO.
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