Urteil des VG Köln vom 03.09.1998

VG Köln (gerichtshof der europäischen gemeinschaften, egv, öffentliches recht, aufhebung, dienstleistungsfreiheit, norm, eugh, verfügung, interesse, 1995)

Verwaltungsgericht Köln, 20 K 1290/98
Datum:
03.09.1998
Gericht:
Verwaltungsgericht Köln
Spruchkörper:
20. Kammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
20 K 1290/98
Tenor:
Die Klage wird abgewiesen. Die Klägerin trägt die Kosten des
Verfahrens.
T a t b e s t a n d
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Die Klägerin ist ein britisches Unternehmen, dessen gewerbliche Tätigkeit sich auf den
Verkauf und das Leasing von Ausrüstungen für Laserspiele, den Betrieb von
Laserspielanlagen und den Vertrieb entsprechender Spielsysteme im Wege des
Franchising erstreckt. Da sie Laserspielsysteme auch in Deutschland vertreiben möchte,
schloß sie unter dem 21./29. Mai 1997 mit der P. GmbH aus C. einen Franchisevertrag;
diese hatte bereits mit einem Vorgängerun- ternehmen der Klägerin
Geschäftsbeziehungen unterhalten. Nach dem Vertragsin- halt steht der P. GmbH u.a.
das Recht zu, von dem Warenzeichen und dem geis- tigen Eigentum an dem
Laserspielsystem, von dem Know-how etc. der Klägerin Gebrauch zu machen, ferner
soll danach ein sog. „Laserdrome" in C. errichtet werden; wegen weiterer Einzelheiten
des Vertrages wird auf Blatt 9 bis 18 der Ge- richtsakte Bezug genommen.
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Bereits im Juli 1994 hatte die P. GmbH in C. ein Laserdrome eingerichtet. Mit
Ordnungsverfügung vom 14. September 1994 untersagte der Funktionsvorgän- ger der
Beklagten (im folgenden einheitlich: die Beklagte) der P. GmbH ab dem Tage der
Zustellung der Verfügung in dem Laserdrome „Spielabläufe" zu ermögli- chen bzw. zu
dulden, die ein gezieltes Beschießen von Menschen mittels Laserstrahl oder sonstiger
technischer Einrichtungen (wie z.B. Infrarot), also aufgrund einer Tref- ferregistrierung
ein sog. „spielerisches Töten" von Menschen zum Gegenstand ha- ben. Ferner wurde
die sofortige Vollziehung der Verfügung angeordnet. Gegen diese Verfügung legte die
P. GmbH erfolglos Widerspruch ein; ferner stellte sie einen Antrag auf Gewährung
vorläufigen Rechtsschutzes, der im Beschwerdeverfahren von dem
Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen abgelehnt wur- de. Am 21.
November 1995 erhob die P. GmbH gegen die Verfügung Klage.
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Mit Schreiben vom 11. Juli und vom 13. August 1997 wandte sich die Klägerin an die
Beklagte mit dem Antrag, die gegen die P. GmbH gerichtete Ordnungsverfü- gung vom
14. September 1994 zurückzunehmen. Sie verwies darauf, daß ihr gemäß dem mit der
P. GmbH geschlossenen Vertrag eine Franchisegebühr erst dann zustehe, wenn das
Laserdrome in Betrieb sei. Dem stehe die Ordnungsverfügung entgegen. Diese verletze
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ihr Recht auf Dienstleistungsfreiheit gemäß Art. 59 des Ver- trages zur Gründung der
Europäischen Gemeinschaft - EGV -.
Unter dem 15. September 1997 teilte die Beklagte den Prozeßbevollmächtigten der
Klägerin mit, daß die Entscheidung in dem verwaltungsgerichtlichen Verfahren der P.
GmbH gegen sie selbst (VG Köln - 20 K 8466/95 -), in dem die besagte
Ordnungsverfügung im Streit sei, abzuwarten sei. Im übrigen verwies sie auf ihre
Schriftsätze in diesem Verfahren und die Ausführungen in dem o.g. Beschluß des OVG
NW, die den Prozeßbevollmächtigten der Klägerin, die auch die P. GmbH verträten,
bekannt seien.
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Mit Schreiben vom 17. Oktober 1997 erhob die Klägerin gegen den „Versa-
gungsbescheid vom 15. September 1997" Widerspruch. Zur Begründung führte sie aus:
Sie habe mit ihrem Schreiben vom 11. Juli 1997 den Erlaß eines Verwaltungs- aktes
beantragt; als solcher sei die Aufhebung einer Ordnungsverfügung aufzufas- sen. Die
Beklagte habe sich geweigert, die Ordnungsverfügung zurückzunehmen. Diese
Entscheidung stelle einen Verwaltungsakt dar, aus diesem Grunde sei ein Wi-
derspruch statthaft.
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Am 18. Februar 1998 hat die Klägerin Klage erhoben, zu deren Begründung sie im
wesentlichen ihr bisheriges Vorbringen vertieft und ergänzend ausführt: Ihr Wider-
spruch sei bislang unbearbeitet geblieben. Aufgrund der dreimonatigen Untätigkeit der
Beklagten sei ein Widerspruchsverfahren entbehrlich geworden. Sie sei klagebe- fugt
und habe einen Anspruch auf Aufhebung der Ordnungsverfügung. Der Rechts- streit sei
darüber hinaus gemäß Art. 177 EGV dem Gerichtshof der Europäischen
Gemeinschaften (EuGH) zur Vorabentscheidung vorzulegen; wegen des Vorbringens
insoweit wird auf Blatt 47 und 48 der Gerichtsakte verwiesen.
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Mit Urteil vom 03. September 1998 hat die Kammer die Klage der P. GmbH gegen die
Ordnungsverfügung vom 14. September 1998 abgewiesen.
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Die Klägerin beantragt,
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die Beklagte zu verpflichten, die Ordnungsverfügung vom 14. September 1994 in der
Gestalt des Widerspruchsbescheides der Bezirksregierung Köln vom 06. November
1995, gerichtet an die Firma P. GmbH, aufzuhe- ben.
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Die Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Sie ist der Auffassung, die Klage sei nicht zulässig, weil die im Klageantrag der Klägerin
aufgeführten Bescheide nicht an diese, sondern an die P. GmbH gerichtet seien.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird ergänzend auf den
Inhalt der Gerichtsakte dieses Verfahrens und der Verfahren VG Köln - 20 L 1955/94
bzw. 20 K 8466/95 - sowie die von der Beklagten beigezogenen Verwaltungsvorgänge
Bezug genommen.
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E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :
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Die Klage ist unzulässig.
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Der Klägerin fehlt die Klagebefugnis gemäß § 42 Abs. 2 VwGO. Die Klagebefugnis ist
nicht gegeben, wenn die behaupteten Rechte unter Zugrundelegung des
Klagevorbringens offensichtlich und eindeutig nach keiner Betrachtungsweise bestehen
oder dem Kläger zustehen können, eine Verletzung subjektiver Rechte also nicht in
Betracht kommt,
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vgl. etwa Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 17. Juni 1993 - 3 C 3.89 -, BVerwGE 92,
313, 316; Kopp/Schenke, VwGO, 11. Auflage 1998, § 42 Rdnr. 65 m.w.N.
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Der Kläger muß hinreichend substantiiert Tatsachen vortragen, die es zumindest als
möglich erscheinen lassen, daß er durch die Ablehnung oder Unterlassung des
begehrten Verwaltungsaktes in einer eigenen rechtlichen Position beeinträchtigt wird,
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vgl. etwa Oberverwaltungsgericht für das Land Niedersachsen, Urteil vom 12. Juni 1987
- 7 B 40/87 -, NVwZ 1987, 999, 1000.
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Es genügt nicht für die Begründung der Klagebefugnis, daß mit einem Rechtssatz und
einem darauf gestützten Verwaltungsakt Reflexwirkungen zu Gunsten oder zu Lasten
eines Bürgers verbunden sind oder sein können,
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vgl. etwa Bayerischer Verwaltungsgerichtshof, Beschluß vom 26. Januar 1993 - 3 CE
93.79 -, BayVBl. 1993, 243.
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Vorliegend ist von vornherein und nach jeder Betrachtungsweise keine
Anspruchsgrundlage erkennbar, auf die die Klägerin ihr Begehren auf Aufhebung der
Ordnungsverfügung der Beklagten vom 14. September 1994 in der Fassung des
Widerspruchsbescheides der Bezirksregierung Köln vom 06. November 1995, gerichtet
an die P. GmbH, stützen könnte. Denn soweit die Klägerin durch die Untersagung
bestimmter Spielabläufe in dem Laserdrome mit der Ordnungsverfügung der Beklagten
vom 14. September 1994 überhaupt tatsächlich belastet wird, handelt es sich lediglich
um einen Rechtsreflex. § 14 Abs. 1 Ordnungsbehördengesetz für das Land Nordrhein-
Westfalen, auf den die Ordnungsverfügung gestützt ist, entfaltet zumindest im
vorliegenden Zusammenhang für die Klägerin nicht einmal einen Anspruch auf
ermessensfehlerfreie Entscheidung bzw. einen solchen auf Einbeziehung ihrer
Interessen in die Abwägung. Die Maßnahme der Beklagten ist alleine im Interesse der
Wahrung der öffentlichen Ordnung und damit zur Wahrung der Belange der
Allgemeinheit ergangen. Individuelle Rechte von Dritten - vor allem solche der Klägerin
- sind nicht Regelungsgegenstand der Ordnungsverfügung.
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Auch ansonsten sind keine Schutznormen des bundesdeutschen Rechts ersichtlich, die
der Klägerin einen Anspruch auf Aufhebung der Ordnungsverfügung vermitteln könnten.
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Die Klägerin kann sich insoweit schließlich nicht auf Art. 59 Abs. 1 EGV -
Dienstleistungsfreiheit - oder auf sonstige Bestimmungen des Gemeinschaftsrechts
berufen. Für das Gemeinschaftsrecht ist zwischen dem innerhalb eines bestimmten
Rechtsverhältnisses bestehenden Anspruch, dessen Entstehung von der Erfüllung der
in einer Norm vorgesehenen Tatbestandsmerkmale abhängt, und dem Interesse Dritter
an der Einhaltung dieser Norm zu unterscheiden. Die Befugnis zur Erhebung einer
Klage bei einem Gericht eines Mitgliedstaates, die darauf abzielt, die Einhaltung
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bestimmter Verpflichtungen - hier die Gewährung der Dienstleistungsfreiheit - durch
einen anderen durchzusetzen, setzt voraus, daß dem Kläger der Anspruch zusteht,
dessen konkrete Durchsetzung mit der Klage angestrebt wird; er darf nicht lediglich ein
Interesse an der Einhaltung einer bestimmten Norm geltend machen können. Die
Zulässigkeits- und sonstigen Verfahrensvoraussetzungen für eine Klage richten sich
dabei nach nationalem Recht. Es ist nicht zulässig, auf unmittelbar anwendbare
Vorschriften des Gemein- schaftsrechts eine Art Popularklage zu stützen; vielmehr
müssen die Vorschriften des Gemeinschaftsrechts, auf die eine Klage gestützt wird,
subjektive Rechte des einzelnen begründen,
vgl. Schlußanträge des Generalanwalts Capotorti in EuGH, Urteil vom 07. Juli 1981 -
Rs. 158/80 - ("Butterfahrten"), Slg. 1981, 1805, 1850, sowie das Urteil des EuGH selbst,
1838, Rdnrn. 44 und 46.
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Art. 59 Abs. 1 EGV ist jedoch keine rechtsbegründende Norm, die direkte individuelle
Ansprüche in Form eines subjektiv-öffentlichen Rechts begründet. Dem entspricht das
vom EGV vorgesehene Klagesystem, das keine Klage des einzelnen unmittelbar auf
Gewährung der Dienstleistungsfreiheit eröffnen will, sondern in Zusammenhang mit der
Dienstleistungsfreiheit nur entweder Verstoßverfahren (Art. 169, 170 EGV) oder
Vorlageverfahren durch nationale Gerichte (Art. 177 EGV) kennt,
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Troberg, in Groeben/Thiesing/Ehlermann, Kommentar zum EWG-Vertrag, Band 1, 4.
Auflage 1991, Art. 59 Rdnr. 31.
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Im vorliegenden Zusammenhang kann die Klägerin zudem, da sie nicht Adressatin der
Ordnungsverfügung und demnach nicht Beteiligte in dem durch diese begründeten
Rechtsverhältnis ist, lediglich ein Drittinteresse an der Einhaltung der Norm geltend
machen, was - wie gesehen - nicht ausreicht.
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Art. 5 EGV verleiht der Klägerin ebensowenig ein subjektiv-öffentliches Recht auf
Aufhebung der Ordnungsverfügung. Rechte einzelner können zwar aus Art. 5 EGV
abgeleitet werden, jedoch ist auch dies daran geknüpft, daß Individualinteressen
betroffen sind,
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Zuleeg, in Groeben/Thiesing/Ehlermann, a.a.O., Art. 5 Rdnr. 4.
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Ein unmittelbares Individualinteresse an der Aufhebung der Ordnungsverfügung kann
die Klägerin aber nicht geltend machen. Zudem wirkt die Vorschrift nur deklaratorisch,
soweit Verpflichtungen in anderen Bestimmungen des primären Gemeinschaftsrechts
bereits vollständig ausgeformt sind,
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Zuleeg, a.a.O. Rndr. 5 m.w.N.;
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dies trifft für die Gewährung der Dienstleistungsfreiheit in Art. 59 EGV zu.
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Angesichts der Unzulässigkeit der Klage mangels unmittelbarer Betroffenheit der
Klägerin durch die streitige Ordnungsverfügung kommt auch eine Vorlage des
Verfahrens an den EuGH nach Art. 177 EGV nicht in Betracht.
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Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.
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