Urteil des VG Köln vom 16.11.2006

VG Köln: öffentliche sicherheit, erwerb, untätigkeitsklage, auflage, beschränkung, munition, vollstreckung, waffengesetz, waffenrecht, erlass

Verwaltungsgericht Köln, 20 K 1766/05
Datum:
16.11.2006
Gericht:
Verwaltungsgericht Köln
Spruchkörper:
20. Kammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
20 K 1766/05
Tenor:
Der Beklagte wird unter Abänderung der am 07.10.2004 erteilten Waf-
fenbesitzkarte Nr. 000/00 und unter Aufhebung des
Widerspruchsbescheides der Bezirksregierung Köln vom 21.04.2005
verpflichtet, dem Kläger eine inhaltlich unbe- schränkte
Waffenbesitzkarte gemäß § 14 Abs. 4 WaffG zu erteilen.
Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte
darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in
Höhe von 110% des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht
der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
T a t b e s t a n d :
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Der Kläger ist Sportschütze und Inhaber der vom Beklagten erteilten Waffenbe-
sitzkarten Nr. 0000/0, 000/ 00 A, 00/00, 000/00 und 000/00. Am 06.09.2004 beantragte
der Kläger beim Beklagten die Erteilung einer „gelben Waffenbesitzkarte für
Sportschützen" und einer Munitionserwerbsberechtigung. Als zu erwerbende Waffe gab
er an: „Repetiergewehr, Kaliber 8 x 57, Mehrlader". Auf diesen Antrag hin erteilte der
Beklagte dem Kläger unter dem 07.10.2004 eine Waffenbesitzkarte (Nr. 000/00) gem. §
14 Abs. 4 WaffG mit folgendem Inhalt: „Die Waffenbesitzkarte berechtigt zum Erwerb
vom Repetierbüchsen (ausgenommen Un- terhebelrepetierbüchsen und
Halbautomaten) bis zum Kaliber 8 mm und der dafür bestimmten Munition".
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Am 26.10.2004 erhob der Kläger Widerspruch gegen die Einschränkung in der erteilten
waffenrechtlichen Erlaubnis, wie sie in dem Feld „Amtliche Eintragungen" verfügt
worden war. Zur Begründung machte er geltend, dass diese Einschränkung nicht
zulässig sei, weil sie der eindeutigen Bestimmung des § 14 Abs. 4 WaffG wi-
derspreche. Der Beklagte half dem Widerspruch nicht ab und legte den Vorgang unter
dem 03.01.2005 der Bezirksregierung Köln zur Entscheidung vor.
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Der Kläger hat am 22.03.2005 Untätigkeitsklage erhoben, gerichtet auf Ausstel- lung der
gelben Waffenbesitzkarte im gesetzlichen Umfang.
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Die Bezirksregierung Köln wies den Widerspruch des Klägers mit Widerspruchs-
bescheid vom 21.04.2005 als unbegründet zurück; der Kläger hat den Wider-
spruchsbescheid mit Schriftsatz vom 29.04.2005 in das Klageverfahren mit einbezogen.
Zur Begründung der Klage trägt er vor: Die Klage sei als Untätigkeitsklage zulässig, und
zwar bereits im Zeitpunkt der Kla- geerhebung. Bei der vom Beklagten vorgenommenen
Beschränkung handele es sich nicht um eine selbständige anfechtbare Auflage,
sondern um eine Inhaltsbestimmung gem. § 36 Abs. 2 VwVfG. Zur Sache selbst führt er
aus, dass § 14 Abs. 4 WaffG eine Sonderregelung zu den Grundtatbeständen der §§ 10,
4, 8 WaffG darstelle und für alle dort aufgeführten Waffenarten gelte; es handele sich
eben um keine alternative Auflistung. Erst recht ergebe sich daraus keine Beschränkung
auf bestimmte Kaliber. Daher müsse er, der Kläger, keinen Bedürfnisnachweis je
Waffenart/Kaliberart erbringen, wie es der Be- klagte von ihm fordere. Dies ergebe sich
auch sowohl aus einer systematischen Ge- setzesauslegung als auch der
Gesetzeshistorie; zugleich ergebe sich daraus, dass auch - wie es die Bezirksregierung
Köln getan habe - § 9 WaffG nicht auf § 14 Abs. 4 WaffG angewandt werden könne.
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Der Kläger beantragt,
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den Beklagten unter Abänderung seines Bescheides vom 07.10.2004 sowie unter
Aufhebung des Widerspruchsbescheides der Bezirksregierung Köln vom 21.04.2005 zu
verpflichten, dem Kläger eine gelbe Waffenbesitzkarte gem. § 14 Abs. 4 WaffG ohne die
entsprechende Einschränkung: „Diese WBK berechtigt zum Erwerb von
Repetierbüchsen (ausgenommen Unterhebel-Repetierbüchsen und Halbautomaten) bis
zum Kaliber 8 mm Zentralfeuer und der dafür bestimmten Munition" zu erteilen.
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Der Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Er hält die Voraussetzungen für die Erhebung einer Untätigkeitsklage nach § 75 VwGO
nicht gegeben und vertritt die Auffassung, dass vorliegend eine einschränkende Auflage
Streitgegenstand sei, wie es auch die Bezirksregierung in dem Widerspruchsbescheid
angenommen habe. Auch bei einer gelben Waffenbesitzkarte werde ein Bedürfnis i.S.d.
§ 14 Abs. 2 WaffG für alle auf Grundlage des § 14 Abs. 4 WaffG erwerbbaren Waffen
gefordert, der Bedürfnisnachweise richte sich nach § 14 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 WaffG.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der
Gerichtsakte sowie der vom Beklagten und der Bezirksregierung Köln vorgelegten
Verwaltungsvorgänge Bezug genommen.
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E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :
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Die Klage ist als Verpflichtungsklage zulässig.
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Der Kläger hat die ursprünglich in Form der Untätigkeitsklage erhobene Klage nach
Erlass der Widerspruchsentscheidung der Bezirksregierung Köln unter Einbeziehung
des Widerspruchsbescheides in zulässiger Weise als Verpflichtungsklage fortgeführt. Er
hat zutreffend einen Verpflichtungsantrag gestellt, denn seinem inhaltlich unbe-
schränkten Antrag auf Erteilung einer sog. gelben Waffenbesitzkarte für Sportschüt- zen
nach § 14 Abs. 4 WaffG hat der Beklagte nur eingeschränkt, nämlich mit dem im
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Tatbestand wiedergegebenen Zusatz in dem Feld „Amtliche Eintragungen",
stattgegeben. Mit der vom Beklagten somit vorgenommenen Eingrenzung des Kreises
der zu erwerbenden Waffen, der Kaliberart und der Munitionsart, ist dem Antrag des
Klägers nur inhaltlich beschränkt entsprochen worden. Eine isoliert angreifbare Auflage
i.S.d. § 36 Abs. 2 Nr. 4 VwVfG NRW - in diesem Fall wäre eine Anfechtungsklage die
richtige Klageart gewesen - hat der Beklagte hingegen nicht erlassen.
Die Klage ist auch begründet.
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Der Kläger hat einen Anspruch auf Erteilung einer inhaltlich unbeschränkten (gelben)
Waffenbesitzkarte für Sportschützen nach § 14 Abs. 4 Satz 1 WaffG. Nach dieser
Vorschrift wird Sportschützen nach Abs. 2 abweichend von § 10 Abs. 1 Satz 3 WaffG
eine unbefristete Erlaubnis erteilt, die zum Erwerb von Einzellader- Langwaffen mit
glatten und gezogenen Läufen, von Repetier-Langwaffen mit gezogenen Läufen sowie
von einläufigen Einzellader-Kurzwaffen für Patronenmunition und von mehrschüssigen
Kurz- und Langwaffen mit Zündhütchenzündung (Perkussionswaffen) berechtigt.
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Die Voraussetzungen dieser Vorschrift sind erfüllt. Der Kläger ist Sportschütze i.S.d. §
14 Abs. 2 WaffG und hat für die die erste zu erwerbende Waffe i.S.d. § 14 Abs. 4 WaffG
auch den nach Auffassung des Beklagten erforderlichen Bedürfnisnachweis erbracht.
An sonstige Bedingungen ist die Erteilung einer Erlaubnis nach § 14 Abs. 4 WaffG nicht
geknüpft; die Vorschrift betrifft den Erwerb der dort genannten Waffen durch
Sportschützen und ermöglicht eine zeitlich unbegrenzte Erwerbserlaubnis ohne
Voreintragung der erwerbbaren Waffen in die gelbe Waffenbesitzkarte. Die Fassung
dieser Regelung mit der Auflistung von vier Waffenarten stellt eine - vom Gesetzgeber
gewollte - Privilegierung der Sportschützen dar, die nach dem früheren Waffenrecht auf
Grundlage einer gelben Waffenbesitzkarte lediglich Einzellader-Langwaffen erwerben
konnten (§ 28 Abs. 2 Satz 1 WaffG a.F.). Für eine inhaltliche Beschränkung bei der
Erlaubniserteilung dergestalt, wie sie vom Beklagten vorgenommen worden ist, ist im
Hinblick auf die inhaltliche Fassung des § 14 Abs. 4 WaffG und auch angesichts seiner
Zielrichtung, Sportschützen den Erwerb bestimmter Waffen zu erleichtern, kein Raum.
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Vgl. VG Mainz, Urteil vom 22.06.2006 - 1 K 892/05.MZ -, juris.
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Auch aus § 9 Abs. 1 WaffG ergibt sich keine rechtliche Grundlage für die hier getroffene
inhaltliche Beschränkung. Nach dieser (allgemeinen) Bestimmung kann eine
waffenrechtliche Erlaubnis zur Abwehr von Gefahren für die öffentliche Sicherheit oder
Ordnung inhaltlich beschränkt werden, insbesondere um Leben und Gesundheit von
Menschen gegen die aus dem Umgang mit Schusswaffen oder Munition entstehenden
Gefahren und erhebliche Nachteile zu schützen. Hinsichtlich der in § 14 Abs. 4 WaffG
für Sportschützen aufgeführten Waffenarten und der entsprechenden Munition ist indes
der Gesetzgeber generell von einer als gering einzustufenden Gefährlichkeit für die
Allgemeinheit ausgegangen (und hat insoweit eine Privilegierung für Sportschützen
normiert). Ein Rückgriff auf § 9 Abs. 1 WaffG kann deshalb allenfalls dann in Betracht
kommen, wenn dies im konkreten Einzelfall auf Grund besonderer Umstände
abweichend zu beurteilen wäre.
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Vgl. VG Würzburg, Urteil vom 10.03.2005 - Nr. W 5 K 04.1515 -, juris.
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Für das Vorliegen eines solchen Ausnahmefalles ist hier aber weder etwas vorgetragen
noch ansonsten ersichtlich.
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Anzumerken ist, dass sich auch aus der Erlasslage in Nordrhein-Westfalen,
insbesondere dem Erlass des Innenministeriums NRW vom 19.11.2003, nicht ergibt,
dass von den Waffenbehörden bei der Ausstellung von gelben Waffenbesitzkarten
Einschränkungen der hier in Rede stehenden Art vorzunehmen sind, Ziff. 7 des Erlasses
spricht eher dagegen (die Verwaltungsvorschrift zu dem neuen Waffengesetz, das
bereits zum 01.04.2003 in Kraft getreten ist, ist im Übrigen immer noch nicht erlassen
worden).
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Da vorliegend allein der inhaltliche Umfang der vom Beklagten konkret erteilten gelben
Waffenbesitzkarte streitgegenständlich ist, bedurfte die von den Beteiligten
aufgeworfene Frage, inwieweit im Rahmen einer Bedürfnisprüfung bei einer
Erlaubniserteilung nach § 14 Abs. 4 WaffG auch die Voraussetzungen des § 14 Abs. 2
Satz 2 WaffG, insbesondere des § 14 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 WaffG, vorliegen müs- sen,
keiner Klärung. Dies gilt auch für die Frage eines Bedürfnisnachweises bei einem
Antrag auf Eintragung erworbener Waffen nach Maßgabe des § 14 Abs. 4 Satz 2 WaffG.
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Vgl. hierzu: VG Minden, Urteil vom 12.05.2006 - 8 K 2020/05 -, juris, m.N. aus der
bislang ergangenen Rechtsprechung; Apel/Bushart, Waffenrecht, Bd. 2: Waffengesetz,
Kommentar, 3.Auflage 2004, § 14 Rdnr. 25.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die
vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 167 Abs. 2 VwGO, 708 Nr.11, 711 ZPO.
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