Urteil des VG Köln vom 13.01.2011

VG Köln (arzneimittel, name, vorschrift, gefahr, verhandlung, grad, veröffentlichung, verwaltung, inhalt, staatliches handeln)

Verwaltungsgericht Köln, 13 K 3033/09
Datum:
13.01.2011
Gericht:
Verwaltungsgericht Köln
Spruchkörper:
13. Kammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
13 K 3033/09
Tenor:
Soweit die Beteiligten den Rechtsstreit übereinstimmend in der
Hauptsache für erledigt erklärt haben, wird das Verfahren eingestellt.
Der Beklagte wird unter teilweiser Aufhebung seines
Ablehnungsbescheides vom 31. Juli 2007 verpflichtet, der Klägerin
Zugang zu folgenden Informationen zu gewähren:
1. Name, Titel, Akademischer Grad, Berufs- und Funktionsbezeichnung
von sämtlichen Mitgliedern des Unterausschusses Arzneimittel;
2. Name, Titel, Akademischer Grad, Berufs- und Funktionsbezeichnung
von sämtlichen Personen, die als Gutachter, Sachverständige oder in
sonstiger Weise eine Stellungnahme im Verfahren zur Änderung der
Anlage IV der Arzneimittelrichtlinie zum Therapiehinweis zu dem
Wirkstoff N. abgegeben haben;
3. sämtliche im Rahmen der Nutzenbewertung des Wirkstoffs N. vom
Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen erteilten
Aufträge und Konkretisierungen an Sachverständige;
4. Sitzungsprotokolle aller Beratungen des Unterausschusses
Arzneimittel, soweit sie den Wirkstoff N. betreffen.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens tragen die Klägerin zu zwei Siebteln und der
Beklagte zu fünf Siebteln.
Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der
jeweilige Vollstreckungsschuldner darf die Vollstreckung durch den
jeweiligen Vollstreckungsgläubiger durch Sicherheitsleistung oder
Hinterlegung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils zu
vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht der jeweilige
Vollstreckungsgläubiger zuvor Sicherheit in Höhe des zu
vollstreckenden Betrages leistet.
T a t b e s t a n d :
1
Die Klägerin begehrt von dem beklagten Gemeinsamen Bundesausschuss Auskünfte
im Zusammenhang mit der Änderung eines Therapiehinweises.
2
Die Klägerin vertreibt als pharmazeutisches Unternehmen u.a. das Fertigarzneimittel "T.
(r)" mit dem Wirkstoff N. , das in den Darreichungsformen als Granulat, als Kau- und als
Filmtabletten verfügbar ist. Nach den Angaben in der Fachinformation der Klägerin für
dieses Arzneimittel ist T. (r)
3
"indiziert als Zusatzbehandlung bei Patienten ab 6 Monaten, die unter einem
leichten bis mittelgradigen persistierenden Asthma leiden, das mit einem
inhalativen Kortikoid nicht ausreichend behandelt und das durch die bedarfsweise
Anwendung von kurz wirksamen ß-Sympathomimetika nicht ausreichend unter
Kontrolle gebracht werden kann."
4
Mit Beschluss vom 15. November 2007 ergänzte der Beklagte nach Vorbereitung dieser
Entscheidung in dessen Unterausschuss Arzneimittel die Anlage 4 der Richtlinie über
die Verordnung von Arzneimitteln in der vertragsärztlichen Versorgung (Arzneimittel-
Richtlinie) um einen Therapiehinweis zu N. , in dem es unter anderem heißt:
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"Empfehlungen zur Wirtschaftlichen Verordnungsweise
6
Die Therapie der ersten Wahl des Asthmas ist im Erwachsenenalter die
Kombination von inhalativen Kortikosteroiden (ICS) mit langwirksamen
Betasympathomimetika, wenn ICS in niedriger bis mittlerer Dosis beim mittelgradig
persistierenden Asthma nicht ausreichend ist. Es stehen neben der Erhöhung der
ICS-Dosis weitere Alternativen zur Verfügung. Die Auswahl richtete sich in erster
Linie nach dem Nebenwirkungsprofil und nach dem Preis.
7
N. verteuert die Therapie erheblich und ist von daher nur angezeigt, wenn keine
der anderen Behandlungsoptionen in Betracht kommen. Der Einsatz ist nur
wirtschaftlich in Kombination mit ICS, wenn eine Monotherapie mit ICS in niedriger
bis mittlerer Dosis beim mittelgradig persistierenden Asthma nicht ausreichend ist.
N. ist im Erwachsenenalter weder zur Behandlung des Asthmas - auch nicht des
Belastungsasthmas - noch der saisonalen allergischen Rhinitis allein Therapie der
Wahl.
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Der Einsatz von N. als Monotherapie des Asthmas ist ab einem Alter von 15 Jahren
nicht zugelassen. Das gleiche gilt für schwergradiges persistierendes Asthma in
allen Altersstufen und die chronisch obstruktive Lungenerkrankung (COPD).
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Vor dem Hintergrund, dass eine Überlegenheit gegenüber ICS bei Kindern nicht
belegt ist und auch das Längenwachstum in der Regel nur unerheblich verzögert
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wird bei ansonsten vergleichbaren Nebenwirkungen, ist die Monotherapie mit N. im
Alter zwischen 2 und 14 Jahren mit leichtem persistierenden Asthma nur indiziert,
wenn die Kinder nicht in der Lage sind, Kortikosteroide zu inhalieren oder
Nebenwirkungen auftreten, wie zum Beispiel ein erheblich verzögertes
Längenwachstum, die gegen den Einsatz von ICS sprechen. Dies entspricht der
aktuellen Zulassung des Arzneimittels. Angesichts der heutigen Möglichkeiten zur
Inhalation dürfte diese Ausnahme sehr selten sein.
Für alle Altersgruppen gilt, dass beim Belastungsasthma der hohe Preis nur
gerechtfertigt ist bei Unverträglichkeit gegen inhalative kurzwirksame
Betasympathomimetika."
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Dieser Beschluss wurde im Bundesanzeiger vom 3. April 2008 bekanntgemacht.
12
Bereits unter dem 1. Juni 2007 hatte die Klägerin unter Berufung auf das
Informationsfreiheitsgesetz den Beklagten gebeten, Auskünfte zu erteilen über
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1. Name, Titel, Akademischer Grad, Berufs- und Funktionsbezeichnung von
sämtlichen Mitgliedern des Unterausschusses Arzneimittel,
2. Name, Titel, Akademischer Grad, Berufs- und Funktionsbezeichnung von
sämtlichen Personen, die als Gutachter, Sachverständiger oder in sonstiger Weise
eine Stellungnahme im Verfahren zur Änderung der Anlage 4 der derzeit gültigen
Arzneimittelrichtlinie um einen Therapiehinweis zu N. abgegeben haben,
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und Akteneinsicht zu gewähren oder Information in sonstiger Weise zur Verfügung
stellen zu
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3. Auftragserteilung an das Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im
Gesundheitswesen (IQWiG) einschließlich Auftragskonkretisierung;
4. sämtliche im Rahmen der Nutzenbewertung von N. vom IQWiG eingeholten
Sachverständigengutachten einschließlich der erteilten Aufträge samt
Konkretisierungen;
5. Evaluation des IQWiG-Berichtes durch den Gemeinsamen Bundesausschuss;
6. Sitzungsprotokolle aller Beratungen des Unterausschusses Arzneimittel, soweit
sie N. betreffen;
7. Voten der Patientenvertreter;
8. tragende Gründe der beabsichtigten Entscheidung.
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18
Unter dem 31. Juli 2007 lehnte der Beklagte den Antrag im wesentlichen mit der
Begründung ab, dass dem Anliegen nicht entsprochen werden könne, weil alle
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erbetenen Informationen während der laufenden Beratungen des Gemeinsamen
Bundesausschusses und des Unterausschusses Arzneimittel nach der
Geschäftsordnung des Gemeinsamen Bundesausschusses der Vertraulichkeit
unterlägen.
Am 23. Juli 2008 legte die Klägerin Widerspruch ein und machte zur Begründung
geltend, dass die Ablehnung des Informationsbegehrens fehlerhaft sei, weil der
Gemeinsame Bundesausschuss als Behörde den Vorschriften des
Informationsfreiheitsgesetzes unterliege und auch Vertraulichkeitsvorschriften der
Geschäftsordnung dem Informationsbegehren nicht entgegengehalten werden könnten.
Schließlich lägen auch keine sonstigen Versagungsgründe vor.
20
Nachdem die Klägerin an die Bescheidung durch einen rechtsmittelfähigen Bescheid
erinnert und der Beklagte sich daraufhin erneut auf die Unanwendbarkeit des
Informationsfreiheitsgesetzes berufen hatte, hat die Klägerin am 8. Mai 2009 Klage
erhoben.
21
Zur Begründung hat sie im wesentlichen ausgeführt: Die Klage sei als
Verpflichtungsklage in der Form der Untätigkeitsklage auch auf dem
Verwaltungsrechtsweg zulässig, weil eine abdrängende Sonderzuweisung an die
Sozialgerichtsbarkeit nicht ersichtlich sei. Der Beklagte unterliege dem
Informationsfreiheitsgesetz, weil der Gemeinsame Bundesausschuss eine Behörde sei.
Er erfülle alle Begriffsmerkmale des maßgeblichen Behördenbegriffs; Behörde sei, wer
funktional als öffentliche Verwaltung tätig werde. Verwaltung im formellen Sinne sei jede
Tätigkeit einer Verwaltungsbehörde, gleichgültig, ob sie Tätigkeit im materiellen Sinn
oder Rechtsetzung sei. Ausgenommen sein sollte nach der Gesetzesbegründung nur
der spezifische Bereich der Wahrnehmung parlamentarischer Angelegenheiten. Auch
untergesetzliche Normsetzung sei Verwaltung.
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Das Auskunftsbegehren sei in jedem Einzelpunkt vom Informationsfreiheitsgesetz
gedeckt; die Ablehnungs- und Versagungsgründe dieses Gesetzes stünden in keinem
Einzelpunkt entgegen. Auch der von ihr eingeschaltete Bundesbeauftragte für den
Datenschutz und die Informationsfreiheit teile diesen Standpunkt.
23
Die Klägerin hat zunächst den im Verwaltungsverfahren gestellten Antrag - im Hinblick
auf die zwischenzeitlich erfolgte Veröffentlichung der Tragenden Gründe jedoch ohne
das Begehren zu Ziffer 8 - angekündigt. In der mündlichen Verhandlung hat der Vertreter
des Beklagten seine schriftsätzliche Zusage wiederholt, der Klägerin die
Auftragserteilung an das Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen
einschließlich der Auftragskonkretisierung bezüglich des Verfahrens zum
Therapiehinweis zu dem Wirkstoff N. bis zum 31. Januar 2011 zu übersenden.
Daraufhin haben die Beteiligten den Rechtsstreit insoweit in der Hauptsache für erledigt
erklärt (ursprüngliches Begehren zu Ziffer 3.). Weiter hat der Vertreter des Beklagten
zwei im Rahmen der Nutzenbewertung des Wirkstoffs N. vom Institut für Qualität und
Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen eingeholte Sachverständigengutachten in
Kopie überreicht und zugleich erklärt, dass keine weiteren schriftlichen Gutachten
sondern nur mündliche Stellungnahmen eingeholt worden seien. Im Hinblick darauf
haben die Beteiligten den Rechtsstreit insoweit übereinstimmend in der Hauptsache für
erledigt erklärt, als Akteneinsicht in sämtliche im Rahmen der Nutzenbewertung des
Wirkstoffs N. vom IQWiG eingeholten Sachverständigengutachten (Teile des
ursprünglichen Begehrens zu Ziffer 4.) - jedoch nicht bezüglich der erteilten Aufträge
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und Konkretisierungen - begehrt worden ist. Im Hinblick auf die schriftsätzlichen
Angaben des Beklagten, dass vom Beklagten keine Evaluation des IQWiG-Berichts zum
Wirkstoff N. durchgeführt worden sei, haben die Beteiligten den Rechtsstreit auch
insoweit übereinstimmend in der Hauptsache für erledigt erklärt (Ziffer 5 des
ursprünglichen Begehrens).
Die Klägerin beantragt nunmehr,
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den Beklagten zu verpflichten, der Klägerin Zugang zu folgenden Informationen zu
gewähren:
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1. Name, Titel, Akademischer Grad, Berufs- und Funktionsbezeichnung von
sämtlichen Mitgliedern des Unterausschusses Arzneimittel;
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2. Name, Titel, Akademischer Grad, Berufs- und Funktionsbezeichnung von
sämtlichen Personen, die als Gutachter, Sachverständige oder in sonstiger Weise
eine Stellungnahme im Verfahren zur Änderung der Anlage IV der
Arzneimittelrichtlinie zum Therapiehinweis zu dem Wirkstoff N. abgegeben haben;
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3. sämtliche im Rahmen der Nutzenbewertung des Wirkstoffs N. vom Institut für
Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen erteilten Aufträge und
Konkretisierung an Sachverständige;
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4. Sitzungsprotokolle aller Beratungen des Unterausschusses Arzneimittel, soweit
sie den Wirkstoff N. betreffen;
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5. Voten der Patientenvertreter, soweit sie den Wirkstoff N. betreffen.
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Der Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Er trägt zur Begründung vor, dass er nicht dem Geltungsbereich des
Informationsfreiheitsgesetzes unterliege, jedenfalls nicht beim Erlass von Richtlinien wie
der Änderung der Arzneimittel-Richtlinie, weil es sich bei den Richtlinien um
untergesetzliche Rechtsnormen handele. Beim Erlass von Richtlinien nehme der
Beklagte keine Aufgaben öffentlicher Verwaltung wahr und sei deshalb auch keine
Behörde, auf den das Informationsfreiheitsgesetz anwendbar sei. Aber selbst wenn man
davon ausgehe, stünden den einzelnen Auskunftsbegehren jeweils Versagungsgründe
entgegen, die im einzelnen näher ausgeführt werden.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird Bezug genommen
auf den weiteren Inhalt der von den Beteiligten gewechselten Schriftsätze und der von
ihnen vorgelegten Unterlagen.
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E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :
41
Soweit die Beteiligten den Rechtsstreit in der mündlichen Verhandlung
übereinstimmend in der Hauptsache für erledigt erklärt haben, nämlich hinsichtlich der
ursprünglichen Begehren zu Ziffern 3. und 5. sowie teilweise zu Ziffer 4. bezüglich der
vom IQWiG einholten Sachverständigengutachten, ist das Verfahren in entsprechender
Anwendung des § 92 Abs. 3 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) eingestellt
worden. Insoweit war nur noch über die Kosten zu entscheiden.
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Die Klage hat in dem aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Umfang überwiegend
Erfolg.
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Die Klägerin hat gegen den Beklagten einen Anspruch auf die von ihr nach der
teilweisen Erledigung der Hauptsache noch begehrten Informationen mit Ausnahme von
Information über die Voten der Patientenvertreter (Ziffer 5. des Klageantrags).
44
Dieser Anspruch ergibt sich aus § 1 Abs. 1 des Gesetzes zur Regelung des Zugangs zu
Informationen des Bundes - Informationsfreiheitsgesetz (IFG) vom 5. September 2005
(BGBl. I S. 2722), wonach jeder nach Maßgabe dieses Gesetzes gegenüber den
Behörden des Bundes einen Anspruch auf Zugang zu amtlichen Informationen hat. Für
sonstige Bundesorgane und - einrichtungen gilt dieses Gesetz, soweit sie öffentlich-
rechtliche Verwaltungsaufgaben wahrnehmen. Entgegen der Rechtsauffassung des
Beklagten gilt dieses Gesetz für den Beklagten auch bei der hier in Rede stehenden
Änderung der Arzneimittel-Richtlinie. Dabei kann dahinstehen, ob es sich bei dem
Beklagten um eine Behörde handelt und das IFG deshalb nach § 1 Abs. 1 Satz 1 IFG
anwendbar ist; denn der Beklagte nimmt auch beim Erlass von Richtlinien auf der
Grundlage des § 92 des Sozialgesetzbuchs (SGB) Fünftes Buch (V) - Gesetzliche
Krankenversicherung - vom 20. Dezember 1988 (BGBl. I S. 2477), zuletzt geändert
durch Gesetz vom 14. April 2010 (BGBl. I S. 410), bei denen es sich um
untergesetzliche Rechtsnormen handelt,
45
so Bundessozialgericht (BSG), Urteil vom 31. Mai 2006 - B 6 KA 13/05 R -,
Entscheidungen des Bundessozialgerichts 96, S. 261, 280,
46
öffentlich-rechtliche Verwaltungsaufgaben wahr, so dass das IFG jedenfalls über die
Satz 1 ergänzende Vorschrift des § 1 Abs. 1 Satz 2 IFG anwendbar ist.
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Indem § 1 Abs. 1 Satz 1 IFG auf den Behördenbegriff abstellt und damit § 1 Abs. 4 des
Verwaltungsverfahrensgesetzes (VwVfG) in der Bekanntmachung vom 23. Januar 2003
(BGBl. I S. 102) in Bezug nimmt, erfasst die Vorschrift jede Stelle, die Aufgaben der
öffentlichen Verwaltung wahrnimmt. Unter öffentlicher Verwaltung ist die gesamte
Tätigkeit der Exekutive zu verstehen, unabhängig davon, ob es sich um eine Tätigkeit
materiell verwaltender Art handelt,
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vgl. dazu Franßen in Franßen/Seidel, Das Informationsfreiheitsgesetz
Nordrhein-Westfalen, 2007, § 2 Rn. 239; Bischopink, Nordrhein-Westfälische
Verwaltungsblätter (NWVBl.) 2003, 245, 247.
49
Eine Verwaltungstätigkeit liegt dann vor, wenn eine Stelle aus dem Bereich der
Exekutive und nicht der Legislative oder der Judikative tätig wird. Darunter fällt auch die
Schaffung untergesetzlicher Rechtsnormen.
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Für sonstige Bundesorgane und -einrichtungen, die nicht die Merkmale des
Behördenbegriffs erfüllen, kommt es nach § 1 Abs. 2 S. 2 IFG für die Anwendbarkeit des
IFG darauf an, ob sie öffentlich-rechtliche Verwaltungsaufgaben wahrnehmen.
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Für den Begriff der Verwaltungstätigkeit im Sinne von § 2 Abs. 1 des Gesetzes über die
Freiheit des Zugangs zu Informationen für das Land Nordrhein-Westfalen vom 27.
November 2001 (GV. NRW S. 806) - IFG NRW - hat das Oberverwaltungsgericht für das
Land Nordrhein-Westfalen (OVG NRW),
52
Urteil vom 7. Oktober 2010 - 8 A 875/09 - juris,
53
entschieden, dass dieser sowohl die Verwaltung im formellen als auch im materiellen
Sinne erfasst, und zur Begründung vor allem auf den Zweck der Vorschrift verwiesen.
Nichts anderes gilt für das IFG (des Bundes); auch der Sinn und Zweck von § 1 Abs. 1
IFG legen ein weites funktionales Verständnis des Begriffes der Verwaltungsaufgaben
nahe.
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vgl. dazu OVG NRW, Urteil vom 2. November 2010 - 8 A 475/10 -
Lebensmittelbuch-Kommission - juris.
55
Zweck auch des IFG ist es, staatliches Handeln transparent zu machen und durch den
freien Zugang zu Informationen nicht nur die Nachvollziehbarkeit, sondern auch die
Akzeptanz behördlicher Entscheidungen zu steigern. Dementsprechend war es
Intention des Gesetzgebers, einen möglichst weiten und umfassenden
Informationsanspruch zu schaffen und die Ausschlussgründe eng zu fassen,
56
BT-Drs. 15/4493, S. 6.
57
Danach umfasst der überkommene Begriff der Verwaltungsaufgaben sowohl die
Verwaltung im formellen als auch im materiellen Sinne und damit auch die dem
Beklagten durch § 92 Abs. 1 SGB V zugewiesene Aufgabe, Richtlinien u.a. über die
Verordnung von u.a. Arzneimitteln zu beschließen, die nach § 92 Abs. 2 Satz 7 SGB V
ausdrücklich auch Therapiehinweise zu Arzneimitteln umfassen.
58
Ist der Beklagte damit tauglicher Adressat eines Informationsanspruchs nach dem IFG
auch im Bereich seiner Richtlinientätigkeit nach dem SGB V, muss er entsprechenden
Auskunftsbegehren nachkommen, soweit nicht im einzelnen Ausschluss- oder
Versagungsgründe nach dem IFG entgegenstehen.
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1. Soweit die Klägerin mit dem Klageantrag zu 1. Auskunft über Name, Titel,
Akademischer Grad und Berufs- und Funktionsbezeichnung von sämtlichen
Mitgliedern des Unterausschusses Arzneimittel begehrt, stehen solche
Ausschlussgründe nicht entgegen.
60
61
Das gilt zunächst für den Schutz personenbezogener Daten, auf den der Beklagte sich
allerdings auch nicht berufen hat. Nach § 5 Abs. 1 IFG NRW darf der Zugang zu
personenbezogenen Daten nur gewährt werden, soweit das Informationsinteresse des
Antragstellers das schutzwürdige Interesse des Dritten am Ausschluss des
Informationszugangs überwiegt oder der Dritte eingewilligt hat. Zwar handelt es sich bei
den von der Klägerin erfragten Angaben zu den Mitgliedern des Unterausschusses
Arzneimittel sämtlich um personenbezogene Daten, jedoch ist die Informationserteilung
dennoch nicht ausgeschlossen, weil das Informationsinteresse des Antragstellers nach
§ 5 Abs. 3 IFG das schutzwürdige Interesse des Dritten am Ausschluss des
Informationszugangs in der Regel dann überwiegt, wenn sich die Angabe auf Name,
Titel, akademischen Grad, Berufs- und Funktionsbezeichnung beschränkt und der Dritte
als Gutachter, Sachverständiger oder in vergleichbarer Weise eine Stellungnahme in
einem Verfahren abgegeben hat. Diese Voraussetzungen liegen hier vor. Die
gewünschten Angaben beschränken sich auf die in der Vorschrift angeführten Daten.
Die Mitglieder des Unterausschusses Arzneimittel werden bei dieser Tätigkeit auch kraft
ihrer besonderen Sachkunde und Zugehörigkeit zu einer der den Gemeinsamen
Bundesausschuss bildenden Gruppe in einer einem Gutachter oder Sachverständigen
vergleichbaren Weise tätig; auch sind besondere Umstände, die eine Ausnahme vom
Regelfall erfordern, weder geltend gemacht noch sonst ersichtlich, so dass das
Informationsinteresse der Klägerin das Interesse der Mitglieder des Unterausschusses
Arzneimittel überwiegt; auf deren Einwilligung kommt es dann nicht an.
62
Des Weiteren greift auch der Ausschlussgrund des § 3 Nr. 3 b) IFG nicht zugunsten des
Beklagten ein. Nach dieser Vorschrift besteht ein Anspruch auf Informationszugang
nicht, wenn und solange die Beratungen von Behörden beeinträchtigt werden.
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Bei der Auslegung dieser Bestimmung besteht Einigkeit, dass aus systematischen
Gründen auch bei Buchst. b) ebenso wie bei Ziffer 3 a) die "notwendige Vertraulichkeit"
beeinträchtigt werden muss. Hinsichtlich der hier in Rede stehenden Namen, Titel,
akademischer Grade sowie Berufs- und Funktionsbezeichnungen steht der
Anwendbarkeit schon entgegen, dass diese personenbezogenen Daten nicht
Gegenstand der Beratungen des Unterausschusses sind. Der Begriff "Beratung" ist
objektivrechtlich im Sinne des Beratungsprozesses, des Beratungsgegenstandes, des
Beratungsverlaufs oder des Beratungsergebnisses geprägt, während es bei den
erfragten personenbezogenen Daten um subjektive Aspekte der Teilnehmer an der
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Beratung geht, nicht aber um die Beratung oder deren Beeinträchtigung selbst.
Unabhängig von dem Vorstehenden fehlt es aber an dem zeitlichen Moment dieses
Ablehnungsgrundes. Der durch die Vorschrift beabsichtigte Schutz greift nämlich nur
ein, "solange" die Beratungen von Behörden beeinträchtigt werden. Hier sind die
Beratungen aber mit dem Beschluss zu dem Therapiehinweis zu N. am 15. November
2007, spätestens mit dessen Veröffentlichung im Bundesanzeiger am 3. April 2008
abgeschlossen, so dass eine Beeinträchtigung dieser Beratungen zu diesem konkreten
Therapiehinweis ausgeschlossen erscheint.
65
Aber auch wenn man nicht auf die Beeinträchtigung eines konkreten
Beratungsgegenstandes abstellen und den Schutzbereich weiter auch auf zukünftige
Beratungen zu anderen Therapiehinweisen oder sonstigen Änderungen der
Arzneimittel-Richtlinie erstrecken wollte, scheidet dieser Ablehnungsgrund hier aus.
Dahingehend ist wohl der Vortrag des Beklagten zu verstehen, dass auf spätere
Folgewirkungen in dem Sinne abzustellen sei, dass bei Bekanntwerden die Gefahr
bestünde, dass die Mitglieder des Unterausschusses Arzneimittel
Einflussnahmeversuchen interessierter Kreise ausgesetzt würden, was es zu verhindern
gelte. Durch solche Versuche der Einflussnahme würden die Beratungen jedoch nicht
beeinträchtigt. Unter Beeinträchtigung ist die ernsthafte Möglichkeit der
Beeinträchtigung des Schutzguts zu verstehen,
66
vgl. Schoch, IFG, 2009, § 3, Rdnr. 126.
67
Das Schutzgut der Vertraulichkeit der Beratung und der unbeeinflussten
Entscheidungsfindung sind aber nicht schon bei dem Versuch einer wie auch immer
gearteten Einflussnahme gefährdet, sondern erst, wenn das Ausschussmitglied dieser
Versuchung erliegt. Es kann aber nicht allen Ernstes angenommen werden - und das
wird der Beklagte auch nicht behaupten wollen -, dass die Mitglieder des
Unterausschusses Arzneimittel "ernsthaft" gefährdet sind, solchen Einflussnahmen zu
erliegen. Bei den - dem Gericht allerdings auch nicht bekannten - Mitgliedern das
Unterausschusses sollte es sich um "gestandene" fachkompetente Vertreter ihrer
Disziplin und entsendenden Gruppen handeln, die bei solchen Versuchen nicht
ernsthaft gefährdet sind. Wenn - wie der Vertreter des Beklagten in der mündlichen
Verhandlung vorgetragen hat - diese Einflussnahmen darin bestehen, dass nachträglich
einzelne Entscheidungen des Beklagten öffentlich kritisiert und die Entscheidungsträger
diffamiert werden, so bezieht sich diese Kritik regelmäßig auf das
Entscheidungsgremium als Ganzes, nicht aber auf einzelne Mitglieder persönlich. Es
kommt hinzu, dass der Unterausschuss die Entscheidung nur vorbereitet und die
eigentlich Entscheidung vom Plenum als Beschlussgremium getroffen wird.
68
Auch § 3 Nr. 4 IFG steht der Auskunftserteilung nicht entgegen. Nach dieser Vorschrift
besteht der Anspruch auf Informationszugang nicht, wenn die Information einer durch
Rechtsvorschrift oder durch die Allgemeine Verwaltungsvorschrift zum materiellen und
organisatorischen Schutz von Verschlusssachen geregelten Geheimhaltungs- oder
Vertraulichkeitspflicht oder einem Berufs- oder besonderen Amtsgeheimnis unterliegt.
Da es vorliegend nicht um den Schutz als geheim eingestufter Informationen geht und
die Mitgliedschaft im Unterausschuss Arzneimittel auch keinen Beruf darstellt, kann es
nur um den Informationsschutz durch ein besonderes Amtsgeheimnis gehen. Der
Beklagte beruft sich insoweit auf § 27 der Geschäftsordnung des Gemeinsamen
Bundesausschusses in der Fassung vom 17. Juli 2008 (Bundesanzeiger S. 3256) - GO
69
G-BA n.F. Nach Abs. 1 dieser Vorschrift sind die Beratungen und Beschlussfassungen
des Gemeinsamen Bundesausschusses von bestimmten Ausnahmen abgesehen nicht
öffentlich (Satz 1). Der Hergang der nicht öffentlichen Beratungen und das
Stimmenverhältnis bei der Beschlussfassung sind von allen Beteiligten vertraulich zu
behandeln (Satz 2). Das gilt auch für die Beratungsunterlagen (Satz 3). Die Vorschrift
gilt zwar nicht nur für die Beratungen des Plenums als Beschlussorgan, sondern - wie
sich schon aus den vorgesehenen Ausnahmen ergibt - auch für die Beratungen der
Unterausschüsse. Sie erfasst aber - wie sich ganz deutlich aus dem Wortlaut von Satz 2
der Vorschrift ergibt - nur den "Hergang" der nicht öffentlichen Beratungen selbst und
bezieht sich nicht auf die Teilnehmer an den Beratungen. Auch aus der Pflicht zur
vertraulichen Behandlung des Stimmenverhältnisses bei den Beschlussfassungen lässt
sich kein Verbot der Offenbarung von Namen, Titel, akademischen Graden und
Funktions- und Berufsbezeichnungen der Mitglieder des Unterausschusses Arzneimittel
ableiten, denn das Stimmenverhältnis wird in einem abstrakten Verhältnis der Ja- und
Nein-Stimmen angegeben, ohne zugleich die Individualität der Teilnehmer an der
Beschlussfassung preiszugeben, was nach den Angaben des Vertreters des Beklagten
in der mündlichen Verhandlung auch in der Praxis nicht geschieht.
2. Nichts wesentlich Anderes gilt für die Information zu Name, Titel, Akademischer
Grad, Berufs- und Funktionsbezeichnung von sämtlichen Personen, die als
Gutachter, Sachverständige oder in sonstiger Weise eine Stellungnahme im
Verfahren zur Änderung der Anlage IV der Arzneimittel-Richtlinie zum
Therapiehinweis zu dem Wirkstoff N. abgegeben haben. Hinsichtlich des
Schutzes personenbezogener Daten gem. § 5 IFG überwiegt auch hier das
Informationsinteresse der Klägerin. Hier ist sogar zweifelsfrei, dass die als
Gutachter, Sachverständige oder in sonstiger Weise im Verfahren tätig
gewordenen Personen § 5 Abs. 3 IFG unterfallen, da diese dort ausdrücklich
aufgeführt sind.
70
71
Ebenso wenig wie bei den Mitgliedern des Unterausschusses Arzneimittel greift auch
hier der Versagungsgrund des § 3 Nr. 3 b) IFG ein, weil die Beratungen zu dem
Therapiehinweis zu N. zwischenzeitlich abgeschlossen sind, jedenfalls aber auch bei
den Gutachtern und Sachverständigen nicht die ernsthafte Gefahr besteht, dass die
Versuche Dritter tatsächlich Einfluss auf zukünftige Gutachten und Expertisen haben.
72
Für den Versagungsgrund des § 3 Nr. 4 IFG gilt ebenfalls nichts Abweichendes, weil
sich ein etwa nach § 27 Abs. 1 Satz 2 GO G-BA n.F. zu wahrendes Amtsgeheimnis nicht
auf Name, Titel, Akademische Grade sowie auf Berufs- und Funktionsbezeichnungen
bezieht.
73
3. Auch hinsichtlich der mit dem Klageantrag zu 3. weiter begehrten Information über
sämtliche im Rahmen der Nutzenbewertung des Wirkstoffs N. vom IQWiG erteilten
Aufträge und Konkretisierungen an Sachverständige hat die Klägerin gegen den
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Beklagten ebenfalls einen Auskunftsanspruch. Hinsichtlich der ursprünglich
ebenfalls begehrten Information über vom IQWiG eingeholte
Sachverständigengutachten hat der Beklagte in der mündlichen Verhandlung die
im Peer Review-Verfahren eingeholten Gutachten der Herren Priv.-Doz. Dr. S. und
Prof. Dr. L. in Fotokopie übergeben, nicht aber die diesen Gutachten
zugrundeliegenden Aufträge des Instituts an die Gutachter und etwaige
Konkretisierungen dieses Auftrags. Da der Beklagte insoweit keine
Ausschlussgründe geltend gemacht hat, war er antragsgemäß zu verpflichten.
Sollte sich herausstellen, dass diese Aufträge oder die Konkretisierungen nicht zu
offenbarende personenbezogene Daten - etwa Angaben zu den Honoraren für die
Gutachten - enthalten, wäre der Beklagte gegebenenfalls berechtigt, diese zu
schwärzen.
75
4. Die Klägerin hat schließlich gegen den Beklagten auch einen Anspruch auf
Zugang zu den Sitzungsprotokollen aller Beratungen des Unterausschusses
Arzneimittel, soweit sie den Wirkstoff N. betreffen.
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Der von dem Beklagten in erster Linie angeführte Versagungsgrund des § 3 Nr. 4 IFG,
wonach - wie dargelegt - als geheim eingestufte Informationen, Berufsgeheimnisse und
besondere Amtsgeheimnisse geschützt sind, greift nicht ein, weil - was hier allein in
Betracht kommt - das Amtsgeheimnis der Mitglieder des Unterausschusses Arzneimittel
durch die Veröffentlichung der Sitzungsprotokolle nicht berührt wird. Nach § 27 Abs. 1
Satz 2 GO G-BA n.F. sind der Hergang der nicht öffentlichen Beratungen und das
Stimmenverhältnis bei der Beschlussfassung von den Beteiligten vertraulich zu
behandeln. Der Hergang der Beratungen und das Stimmenverhältnis werden aber im
Protokoll nicht festgehalten. Nach der Bestimmung des § 16 GO G-BA n.F., die gem. §
20 Abs. 1 GO G-BA n.F. auch für die Durchführung der Sitzungen des
Unterausschusses gilt, hat die über die Beratungen zu fertigende Niederschrift Ort, Tag,
Beginn und Ende der Sitzung sowie die Namen der Anwesenden unter Angabe der
Eigenschaft, in der sie mitwirken, zu enthalten (Satz 2). Weiterhin hat sie das
wesentliche Ergebnis der Beratungen wiederzugeben (Satz 3); Beschlüsse sind im
Wortlaut aufzuführen (Satz 4). Ausdrücklich ist in Satz 5 bestimmt, dass der Niederschrift
nicht entnommen werden darf, wie das einzelne Mitglied abgestimmt hat. Nach dem so
dargestellten Inhalt der Niederschrift wird das Amtsgeheimnis nach § 27 Abs. 1 Satz 2
GO G-BA n.F. bei einer Veröffentlichung der Sitzungsprotokolle nicht verletzt, da der
durch das Amtsgeheimnis geschützte Hergang der Beratungen und das
Stimmenverhältnis nach § 16 GO G-BA n.F. nicht protokolliert werden, sondern nur das
Ergebnis der Beratung und die Beschlüsse im Wortlaut. Nach den Schilderungen des
Vertreters des Beklagten in der mündlichen Verhandlung entspricht der in § 16 GO G-
BA n.F. vorgesehene Protokollinhalt auch dem tatsächlich protokollierten Inhalt. Danach
werden im Protokoll der Anlass für die Behandlung eines Tagesordnungspunktes, ein
Hinweis auf die Diskussion über den Tagesordnungspunkt und das Ergebnis der
Beratungen festgehalten. Das genaue Stimmenverhältnis bei der Beschlussfassung
78
wird nicht protokolliert, bei unterschiedlichen Voten der verschiedenen "Bänke" wird
dies regelmäßig festgehalten.
Das Vorstehende erhellt zugleich, dass der weiter vom Beklagten angeführte
Versagungsgrund des § 3 Nr. 3 b) IFG ebenfalls nicht eingreift. Die notwendige
Vertraulichkeit der Beratungen des Unterausschusses Arzneimittel wird durch eine
Bekanntgabe der Sitzungsprotokolle des Unterausschusses mit diesem Inhalt nicht
beeinträchtigt. Allerdings ist dem Beklagten insoweit zuzugeben, dass trotz des
Abschlusses der Beratungen des Unterausschusses zu dem Therapiehinweis zu N. die
Vertraulichkeit der Beratungen bei einer Veröffentlichung der Sitzungsprotokolle
ernsthaft gefährdet sein kann. Das muss oder kann jedenfalls immer dann angenommen
werden, wenn das einzelne Unterausschussmitglied sich im Unterausschuss - sei es bei
seinem Abstimmungsverhalten, sei es beim Inhalt seiner Diskussionsbeiträge, sei es
hinsichtlich der Teilnahme an der Diskussion überhaupt - in Kenntnis der
Veröffentlichung des Sitzungsprotokolls anders verhält als ohne deren Veröffentlichung.
Wenn ein Sitzungsteilnehmer weiß, dass das Sitzungsprotokoll später öffentlich
gemacht wird oder gemacht werden kann, besteht die ernsthafte Gefahr, dass er dies
bereits in der Sitzung berücksichtigt und sich in seinen Diskussionsbeiträgen - und sei
es nur in der Wortwahl - und möglicherweise sogar bei der Abstimmung anders verhält
als ohne die Veröffentlichung. Dann aber wäre die Beratung beeinträchtigt, weil die
ernste Gefahr eines Einflusses auf die Beratung bestünde.
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Eine solche Gefahr setzt aber voraus, dass aus dem Protokoll auf das Verhalten des
einzelnen Ausschussmitglieds geschlossen werden kann. Das ist nach dem Inhalt der
hier in Rede stehenden Protokolle des Unterausschusses Arzneimittel aber gerade nicht
der Fall. Nach dem durch § 16 GO G-BA n.F. vorgegebenen Inhalt der
Sitzungsniederschrift, dem nach den Schilderungen des Vertreters des Beklagten in der
mündlichen Verhandlung auch der tatsächliche Protokollinhalt entspricht, erlaubt der
Inhalt des Protokolls keinen Rückschluss auf das Verhalten des einzelnen Teilnehmers
an den Beratungen des Unterausschusses Arzneimittel. Nach § 16 Abs. 1 Satz 5 GO G-
BA n.F. ist sogar ausdrücklich festgeschrieben, dass der Niederschrift nicht entnommen
werden darf, wie das einzelne Mitglied abgestimmt hat. Weiter hat der Vertreter des
Beklagten in der mündlichen Verhandlung auf ausdrückliches Befragen des Gerichts, ob
in dem Protokoll Namen von Mitgliedern des Unterausschusses im Zusammenhang mit
ihren Äußerungen protokolliert würden, erklärt, dass dies in der Regel nicht bzw. nie der
Fall sei. Eine Ausnahme gelte nur für den Fall, dass ein Mitglied des Unterausschusses
auf seiner Namensnennung bestehe, was aber höchst selten sei. Danach erscheint es
so gut wie ausgeschlossen, dass aus den Sitzungsprotokollen des Unterausschusses
Arzneimittel, soweit sie die Beratungen zu dem Wirkstoff N. betreffen, der Name eines
Mitglieds - abgesehen von seiner Anwesenheit in der Sitzung (vgl. den Protokollinhalt
nach § 16 Abs. 1 Satz 2 GO G-BA n.F.) - in Zusammenhang mit seinem Verhalten in der
Sitzung gebracht werden kann. Dann aber besteht auch nicht die Gefahr, dass die
Mitglieder des Unterausschusses sich in Kenntnis der späteren Möglichkeit der
Veröffentlichung der Sitzungsniederschrift anders verhalten. Dann besteht auch nicht
die ernsthafte Gefahr einer Beeinträchtigung der Beratungen. Sollte wider Erwarten in
den Sitzungsprotokollen zu den Beratungen zu dem Therapiehinweis (abgesehen von
der Feststellung der Anwesenheit) dennoch ein Name eines Mitglieds des
Unterausschusses festgehalten sein - etwa weil das Mitglied auf seiner
Namensnennung bestanden hätte -, hätte der Beklagte diesen Namen in den der
Klägerin zugänglich zu machenden Fassungen der Sitzungsprotokolle zu schwärzen.
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5. Die Ausführungen zu Ziffer 4. des Klageantrags verdeutlichen zugleich, dass die
Klägerin gegen den Beklagte keinen Anspruch auf Zugang zu Informationen über
die Voten der Patientenvertreter hat, soweit sie den Wirkstoff N. betreffen. Denn in
dem Votum ist regelmäßig der oder die Name(n) des oder der Patientenvertreter(s)
vermerkt, so dass bekannt wird, welches Votum der Patientenvertreter abgegeben
hat. Damit wäre aber die notwendige Vertraulichkeit der Beratungen beeinträchtigt,
weil die ernsthafte Gefahr bestünde, dass der Patientenvertreter die spätere
Offenbarung seines Votums berücksichtigt. Auch wenn der Name des
Patientenvertreters nicht aus dem Votum hervorginge, wäre die dargelegte Gefahr
nicht von der Hand zu weisen. Da nämlich - wie der Vertreter des Beklagten in der
mündlichen Verhandlung erläutert hat - in der Regel nur wenige Patientenvertreter
- meist nur ein oder zwei - an den Sitzungen des Unterausschusses Arzneimittel
teilnehmen, ist bei ihnen ein Rückschluss auf das Votum leicht möglich, womit
zugleich eine Beeinträchtigung der Vertraulichkeit der Beratungen verbunden ist.
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6. Die Kostenentscheidung beruht hinsichtlich des streitig entschiedenen Teils der
Klage auf § 155 Abs. 1 Satz 1 VwGO und hinsichtlich des übereinstimmend in der
Hauptsache für erledigt erklärten Teils auf § 161 Abs. 2 VwGO. Hinsichtlich des für
erledigt erklärten Begehrens zu Ziff. 3 des ursprünglichen Klagebegehrens
(Auftragserteilung an das IQWiG) waren die Kosten dem Beklagten aufzuerlegen,
da die Klage mangels Vorliegens von Versagungsgründen auch insoweit
voraussichtlich Erfolg gehabt hätte und der Beklagte die Klägerin durch die
verbindliche Zusage, den Auftrag an das IQWiG vorzulegen, praktisch klaglos
gestellt hat. Hinsichtlich des weiter für erledigt erklärten Begehrens zu Ziff 5. des
ursprünglichen Klagebegehrens (Evaluation des IQWiG-Berichtes) entspricht es
billigem Ermessen, die Kosten des Verfahrens der Klägerin aufzuerlegen, weil sie
insoweit voraussichtlich unterlegen gewesen wäre; da der Beklagte keine
gesonderte Evaluation durchgeführt hat, die über das in den Tragenden Gründen
veröffentlichte Verfahren und Ergebnis hinausgeht, und er deshalb der Klägerin
auch keinen Zugang zu einer solchen gesonderten Evaluation verschaffen konnte.
Da von den ursprünglich insgesamt sieben Klagebegehren die Klägerin in einem
Begehren unterlegen ist und ihr bezüglich eines weiteren die Kosten aufzuerlegen
waren und der Beklagte in vier Punkten unterlegen ist und ihm hinsichtlich eines
weiteren Begehrens die Kosten aufzuerlegen waren, waren die Kosten im
Verhältnis zwei zu fünf aufzuteilen.
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Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO, § 708
Nr. 11, § 711 Satz 1 und 2 Satz 2 ZPO.
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Anlass, die Berufung zuzulassen, bestand nicht, § 124 a VwGO.
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