Urteil des VG Köln vom 10.01.2003

VG Köln: direkte demokratie, versendung, abstimmung, hauptsache, freiheit, stimmabgabe, neutralität, gemeindeordnung, verwaltung, exekutive

Verwaltungsgericht Köln, 4 L 3130/02
Datum:
10.01.2003
Gericht:
Verwaltungsgericht Köln
Spruchkörper:
4. Kammer
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
4 L 3130/02
Tenor:
1. Soweit die Beteiligten das Verfahren übereinstimmend in der
Hauptsache für erledigt erklärt haben, wird das Verfahren eingestellt.
Im Übrigen wird der Antrag abgelehnt.
Die Kosten des Verfahrens tragen die Antragsteller und die
Antragsgegnerin je zur Hälfte.
2. Der Streitwert wird auf 4.000,-- Euro festgesetzt.
G r ü n d e
1
I.
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Am 15.07.2002 fasste der Rat der Antragsgegnerin den Planungsbeschluss zum
Neubau eines sogenannten Kombi-Bades in Leverkusen Opladen. In diesem Bad, das
auf dem Gelände des bisherigen Freibades "Wiembachtal" erbaut werden soll, sollen
die Nutzungen der Bäder Hallenbad Opladen, Robert-Blum-Straße und des genannten
Freibades "Wiembachtal" zusammengeführt werden, d.h., dass diese Bä- der dann
geschlossen werden sollen. Die drei in Rede stehenden Bäder sind unstrei- tig
sanierungs- bzw. modernisierungbedürftig.
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Die Antragsteller sind Mitinitiatoren eines gegen diesen Planungsbeschluss des Rates
gerichteten Bürgerbegehrens, das am 14.10.2002 bei der Antragsgegnerin eingereicht
wurde.
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Mit Beschlüssen vom 09.12.2002 entschied der Rat der Antragsgegnerin, dass das
Bürgerbegehren zulässig sei und dass der Rat diesem nicht folgen werde. Der
Oberbürgermeister setzte in der Folge als Termin für die Durchführung des Bürger-
entscheides den 09.02.2003 fest.
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Die Verwaltung beschloss, die Bürgerinnen und Bürger im Vorfeld des Bürger-
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entscheides mit einem Faltblatt über den geplanten Neubau des Kombi-Bades in
Opladen zu unterrichten. Bei dem Faltblatt handelt es sich um eine Neuauflage der
Sonderausgabe der "Sportpark Leverkusen news", die bereits im Frühjahr 2002 in allen
öffentlichen Gebäuden und Schwimmbädern der Antragsgegnerin ausgelegt worden
war. Dem Faltblatt beigefügt werden soll ein Anschreiben des Oberbürger- meisters.
Wegen der Einzelheiten der Inhaltes des Faltblattes und des ursprünglich geplanten
Anschreibens des Oberbürgermeisters wird auf den Verwaltungsvorgang der
Antragsgegnerin (Bl. 114,117,118) Bezug genommen. Das Anschreiben nebst Faltblatt
soll Mitte bis Ende Januar 2003 an alle Leverkusener Haushalte versendet werden. Die
Kosten für Herstellung und Versendung sollen aus gemeindlichen Haushaltsmitteln
bestritten werden.
Am 21.12.2002 haben die Antragsteller um die Gewährung vorläufigen Rechts-
schutzes nachgesucht.
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Sie sind der Ansicht, dass es der Antragsgegnerin in der Zeit vor der Durchfüh- rung des
Bürgerentscheides nicht erlaubt sei, sich öffentlich für einen bestimmten Standpunkt in
der zur Entscheidung gestellten Frage des Bürgerentscheides einzu- setzen. Daher sei
es ihr zu untersagen, die genannten Publikationen an alle Lever- kusener Haushalte zu
versenden. Denn der Rat habe mit seinem Beschluss, dem Bürgerbegehren nicht zu
folgen, seine Entscheidungskompetenz an die Bürger ab- gegeben. Er habe mit diesem
Beschluss bereits hinreichend Stellung in der Sache bezogen, so dass ein
weitergehendes Bedürfnis, die Gemeindemitglieder nochmals zu unterrichten, nicht
anzunehmen sei. Es seien damit die allgemein durch die Ge- setzgebung und die
Rechtsprechung gezogenen Grenzen für die Öffentlichkeitsarbeit der Exekutive im
Vorfeld von Wahlen anzuwenden, wonach die Befugnis der Exeku- tive, die Bürger
sachlich zu informieren, mit zunehmender zeitlicher Nähe zum Wahl- termin hinter dem
Gebot zurückzustehen habe, die Willensbildung des Volkes vor den Wahlen von
staatlicher Einflussnahme freizuhalten.
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Die Antragsteller haben ursprünglich sinngemäß beantragt, der Antragsgegnerin im
Wege der einstweiligen Anordnung sowohl die Versendung des Faltblattes als auch des
Anschreibens des Oberbürgermeisters zu untersagen.
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Im heutigen Erörterungstermin hat die Antragsgegnerin zugesagt, einige Formu-
lierungen in dem Anschreiben des Oberbürgermeisters zu modifizieren bzw. ganz zu
streichen. Wegen der Einzelheiten der insoweit zugesagten Änderungen wird auf das
Protokoll des heutigen Erörterungstermins vor der Kammer Bezug genommen.
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Daraufhin haben die Beteiligten das Verfahren übereinstimmend teilweise in der
Hauptsache für erledigt erklärt.
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Nunmehr beantragen die Antragsteller noch,
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der Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung zu untersagen, das
geplante Faltblatt (Bl. 117 f. der Verwaltungsvorgänge) zum Thema Kom- bi-Bad
Opladen an die Bürger der Stadt Leverkusen zu versenden und die Kosten hinsichtlich
des erledigten Verfahrensteils der Antragsgegnerin aufzu- erlegen.
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Die Antragsgegnerin beantragt,
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den Antrag abzulehnen.
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Sie ist der Ansicht, dass den Antragstellern der begehrte Unterlassungsanspruch nicht
zustehe. Sie sei im Vorfeld eines Bürgerentscheides nicht zur Neutralität verpflichtet,
sondern sei befugt, die vom Rat getroffene Entscheidung dem Bürger gegenüber zu
vertreten. Im Übrigen stehe den Antragstellern als Vertretern eines Bürgerbegehrens
unter keinem rechtlichen Aspekt ein Recht auf Überprüfung der Öffentlichkeitsarbeit der
Gemeinde zu.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der
Gerichtsakte und den von der Antragsgegnerin beigezogenen Verwaltungsvorgang
Bezug genommen.
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II.
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Das Verfahren ist in entsprechender Anwendung von § 92 Abs. 3 VwGO einzustellen,
soweit die Beteiligten dieses übereinstimmend in der Hauptsache für erledigt erklärt
haben.
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Im Übrigen war der Antrag abzulehnen, da er zwar zulässig, aber unbegründet ist.
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Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung gemäß § 123 Abs. 1 VwGO ist
zulässig. Den Antragstellern steht die gemäß § 42 Abs. 2 VwGO analog erforderliche
Antragsbefugnis zu, da eine Verletzung von Regelungen betreffend die
ordnungsgemäße Durchführung eines Bürgerentscheidverfahrens, die auch Rechte der
einzelnen Mitglieder des zulässigen Bürgerbegehrens betreffen, möglich erscheint.
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Der Antrag, der nunmehr nur noch die Versendung des Informationsblattes der
Gemeinde betreffend das Kombi-Bad Opladen an die Leverkusener Bürger zum
Gegenstand hat, ist jedoch unbegründet. Es fehlt an einem für den Erlass einer
einstweiligen Anordnung erforderlichen Anordnungsanspruch gemäß § 123 Abs. 1
VwGO. Der geltend gemachte Unterlassungsanspruch besteht nicht.
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Ein solcher Unterlassungsanspruch ergibt sich nicht etwa - wie die Antragsteller meinen
- aus den durch die Rechtsprechung anerkannten Grenzen der Öffentlichkeitsarbeit der
Exekutive in Vorwahlzeiten, die, da diese auch auf die Kommunalwahl anzuwenden
seien, auch im Vorfeld der Durchführung eines Bürgerentscheides Geltung
beanspruchten.
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Zwar ist es richtig, dass die in der Rechtsprechung anerkannte, aus den
verfassungsrechtlichen Prinzipien der Freiheit und der Gleichheit der Wahl gem. Art. 20
Abs. 2, 38 Abs. 1, 28 Abs. 1 GG hergeleitete Neutralitätspflicht staatlicher Organe bei
Wahlen auch im Bereich der Kommunalwahlen gilt.
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Es ist jedoch anerkannt, dass im Falle von Abstimmungen durch das Volk, also etwa
Volksentscheiden oder wie hier - Bürgerentscheiden - die bei Wahlen geltenden
Grundsätze nicht uneingeschränkt gelten,
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Vgl. Sachs in: Sachs, Grundgesetz, 2. Aufl. 1999, Art. 20 Rn. 18; Schmidt-
Bleibtreu/Klein, Grundgesetz, 9. Aufl. 1999, § 38, Rn. 12 d.; Oebbecke, Die rechtlichen
Grenzen amtlicher Einflussnahme, in: BayVBl. 1998, 641 ff.; Bay- VerfGH, Urteil vom
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19.01.1994 - NVwZ-RR 1994, 529 ff. (530): im Ergebnis auch: Morlok/Voss, Grenzen der
staatlichen Informationstätigkeit bei Volksent- scheiden, in: BayVBl. 1995, 513ff..
So hat die Rechtsprechung aus den grundlegenden Unterschieden, die zwischen
Wahlen und Abstimmungen bestehen, hergeleitet, dass das Gebot der Neutralität des
Staates und seiner Organe bei Volksentscheiden bzw. Bürgerentscheiden nicht gilt.
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BayVGH, Beschluss vom 17.03.1997, BayVBl. 1997, 435 f.; BayVGH, Beschluss vom
10.01.2000, NVwZ-RR 2000, 454 f. zuletzt: VG Darmstadt, Beschluss v. 17.01.2002,
NVwZ-RR 2002, 365 f. zum Bürgerentscheid in NRW:
Held/Becker/Decker/Kirchof/Krämer/Wansleben, Kommunalverfassungsrecht Nordrhein-
Westfalen, § 26 Ziff. 6.
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Dem schließt sich die Kammer an. Bei einem Bürgerentscheid handelt es sich, anders
als bei einer Bundestags-, Landtags- oder Kommunalwahl, nicht um den Grundakt
demokratischer Legitimation staatlicher Herrschaft, sondern um eine Abstimmung über
eine einzelne Sachfrage, in der sich die Position der Ratsmehrheit und jene eines
zulässigen Bürgerbegehrens gegenüberstehen. Eine "Neutralität" der staatlichen Seite
ist nach den Regelungen über das Bürgerbegehren und den Bürgerentscheid nach der
Gemeindeordnung von vornherein ausgeschlossen, da der Rat gemäß § 26 Abs. 6 Satz
3 GO NRW im Falle eines zulässigen Bürgerbegehrens entscheiden muss, ob er
diesem folgt oder nicht. Somit muss er in der Sache Stellung beziehen. Es liegt dann
aber auf der Hand, dass es ihm in der Folge nicht verwehrt werden kann, seinen
Standpunkt der Bürgerschaft zur Kenntnis zu geben und dafür zu werben. Jede andere
Handhabung würde zu einer groben Ungleichbehandlung der von allen Bürgern
demokratisch gewählten Ratsmehrheit und dem regelmäßig nur von einem Teil der
Bürgerschaft repräsentierten Bürgerbegehren führen, welche auch mit der Struktur der
nordrhein-westfälischen Gemeindeverfassung nicht vereinbar wäre. Mit Bürgerbegehren
und Bürgerentscheid sind zwei Elemente der direkten Demokratie in die
Gemeindeordnung aufgenommen worden. Ihre Inanspruchnahme in den im Gesetz
vorgesehenen Einzelfällen führt aber nicht dazu, dass - von einem in der Sache
erfolgreichen Bürgerentscheid abgesehen - die Entscheidungszuständigkeit der
Repräsentativorgane beschnitten oder gar - wie es den Antragstellern offensichtlich
vorschwebt - die repräsentative Demokratie bis zur Entscheidung über den
Bürgerentscheid durch die direkte Demokratie ersetzt würde. Dürfen die Organe der
Gemeinde somit ungeachtet eines bevorstehenden Bürgerentscheids weiterhin tätig
werden, so sind sie nach § 23 GO NW aber auch zur Unterrichtung der Bürger
verpflichtet.
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Im Übrigen ist ein verantwortlicher Umgang mit dem Instrument des Bürgerentscheides
auch nur gewährleistet, wenn die Abstimmungsberechtigten wissen, worüber sie
entscheiden, welche Vor- und Nachteile ihre Entscheidung mit sich bringt und welche
Konsequenzen sie haben kann. Denn die Bürger entscheiden bei der konkreten
Abstimmung zwar nur über eine einzelne Frage. Diese kann jedoch für die Gemeinde
und damit ihre Bürgerinnen und Bürger sehr weitreichende, schwer zu überschauende
finanzielle, wirtschaftliche oder politische Auswirkungen haben. Daher ist es
unabdingbar, dass den Abstimmungsberechtigten der Zugang zu umfassenden
Informationen und verschiedenen Argumenten beider Seiten eröffnet wird.
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Der Gemeinde ist es mithin nicht nur erlaubt, sondern sie ist sogar verpflichtet, im
Rahmen des Sachlichkeitsgebotes ihren Standpunkt den Bürgerinnen und Bürgern im
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Vorfeld des Bürgerentscheides mitzuteilen. Dem Einwand der Antragsteller, die
Gemeinde habe im Vorfeld ihres Beschlusses, dem Bürgerbegehren nicht zu folgen,
hinreichend Gelegenheit gehabt, ihren Standpunkt darzutun, kann nicht gefolgt werden.
Denn dem Bürger wird erst jetzt - im Nachgang zu diesem Ratsbeschluss - die Frage zur
Entscheidung vorgelegt, ob er der Ansicht des Bürgerbegehrens oder derjenigen der
Ratsmehrheit folgen wolle. Mithin werden viele Bürgerinnen und Bürger sich erst jetzt
mit der Frage auseinandersetzen, ob und ggfls. wie sie sich entscheiden sollen. Das
Informationsrecht der Bürgerinnen und Bürger und die Informationspflicht der
Gemeindeorgane bestehen also gerade in dem Zeitraum zwischen der Ablehnung des
Rates, dem Bürgerbegehren zu folgen und dem Zeitpunkt des Bürgerentscheides.
Auch wenn den Rat und den ihn repräsentierenden Bürger- bzw. Oberbürgermeister
kein Neutralitätsgebot trifft, diese sogar im Gegenteil nicht nur berechtigt, sondern sogar
verpflichtet sind, die Bevölkerung im Zusammenhang mit Bürgerentscheiden auch über
die Position der gewählten Volksvertretung aufzuklären, um eine sachgerechte
Stimmabgabe zu ermöglichen, sind sie dennoch in ihren Äußerungen nicht vollständig
frei. In amtlicher Eigenschaft abgegebene Äußerungen müssen vielmehr sachlich, also
weder bewusst irreführend, falsch oder ausschließlich polemisch sein.
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Vgl. im Einzelnen BayVerfGH, Entscheidung vom 19.01.1994, a. a. O.; BayVGH,
Beschluss vom 17.03.1997 a.a.O.; BayVGH, Beschluss vom 10.01.2000 a.a.O.; VG
Darmstadt, a.a.O.; Oebbecke a.a.O..
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Darüber hinaus sind nach allgemeiner Ansicht die Wahlrechtsgrundsätze der Art. 28
Abs. 1 Satz 2 und Art. 38 Abs. 1 GG auch auf Abstimmungen in den Gemeinden
entsprechend anwendbar.
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Vgl. für den Bürgerentscheid in NRW: Rehn/Cronauge, Gemeindeordnung für
Nordrhein-Westfalen, § 26, VIII 1. Oebbecke, aaO; BayVerfGH, Urteil vom 19.01.1994
aaO.; BayVGH, Beschluss vom 10.01.2000 aaO.
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Dies gilt insbesondere für den Grundsatz der Freiheit der Abstimmung, welcher u. a.
besagt, dass der Bürger bei seiner Entscheidung nicht in einer seine Meinungsbildung
unzulässig einschränkenden Weise staatlich beeinflusst werden darf. Für die
Äußerungen amtlicher Stellen zum Thema einer Abstimmung bedeutet dies, dass die
Äußerungen sachlich-argumentierend und wahr sein müssen.
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Unbeschadet der Tatsache, dass der Oberbürgermeister als Vertreter und Repräsentant
des Rates somit nicht nur berechtigt, sondern sogar verpflichtet ist, die Bürger über die
von diesem hinsichtlich des Bürgerentscheids eingenommene Haltung zu informieren,
ist er zugleich auch gehalten, bei dieser Information das Sachlichkeitsgebot zu wahren
und jeden Anschein einer unzulässigen, die Entscheidungsfreiheit der Bürger
tangierenden Einflussnahme zu vermeiden. Diese Verpflichtung ergibt sich nicht nur aus
der Tatsache, dass er nach der Satzung der Antragsgegnerin über das Verfahren bei
Einwohneranträgen, Bürgerbegehren und Bürgerentscheiden vom 23. Oktober 1996 in
Verbindung mit den in § 3 Abs. 4 für entsprechend anwendbar erklärten Vorschriften des
Kommunalwahlgesetzes die Stellung eines Wahl- bzw. Abstimmungsleiters einnimmt,
die ihn zu Zurückhaltung im Hinblick auf den Wahl- bzw. Abstimmungsvorgang
verpflichtet. Der von der Gesamtheit der Bürger gewählte Oberbürgermeister ist neben
seiner Stellung als Repräsentant des Rates zugleich auch Repräsentant der gesamten
Gemeinde und ihrer Bürger, zu denen auch die Initiatoren des Bürgerbegehrens
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gehören.
Nach diesen Grundsätzen bestehen gegen eine Versendung des in Rede stehenden
Informationsblattes keine durchgreifenden Bedenken. Es enthält keine
Abstimmungsaufforderung an die Bürger, die in unzulässiger Weise in die Freiheit der
Entscheidungsfindung eingreifen könnte. Dafür, dass es sachlich falsch oder irreführend
wäre, ist ebenfalls nichts ersichtlich. Die von den Antragstellern hierzu gemachten
Angaben sind pauschal und geben für eine gezielte Irreführung der Bürgerinnen und
Bürger nichts her. Der Umstand alleine, dass in dem Faltblatt ganz überwiegend die
Vorteile des Neubaus des sog. Kombi-Bades dargestellt werden, begründet keinen
Verstoß gegen das Gebot der sachlichen Information durch die Gemeinde, sondern gibt
lediglich die von der Ratsmehrheit und der von ihr getragenen Verwaltung vertretene
Auffassung wieder. Auch der Umstand, dass für die Herstellung und Verbreitung des
Faltblattes öffentliche Mittel verwendet werden, ist als solcher nicht zu beanstanden. Er
ist eine zwingende Folge der Tatsache, dass die Gemeinde verpflichtet ist, die Bürger
über den von der Ratsmehrheit vertretenen Standpunkt zu informieren. Anhaltspunkte
dafür, dass Umfang, Ausstattung oder Kosten des Faltblattes grob unverhältnismäßig
wären, sind weder vorgetragen noch ersichtlich. Hierbei ist zum einen zu
berücksichtigen, dass der Gemeinde hinsichtlich der Angemessenheit der notwendigen
Information ein aus der Natur der Sache folgender breiter Beurteilungsspielraum
zustehen dürfte. Darüber hinaus handelt es sich nicht um ein aus Anlass der
beabsichtigten Information insgesamt neugeschaffenes Faltblatt, sondern im
wesentlichen um den Neudruck einer bereits vorhandenen Informationsbroschüre, die
bereits früher Verwendung gefunden hat.
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Die Kosten des Verfahrens waren den Antragstellern und der Antragsgegnerin gemäß
§§ 155 Abs. 1, 161 Abs. 2 VwGO je zur Hälfte aufzuerlegen. Dabei hat das Gericht
berücksichtigt, dass die Antragsteller mit ihrem nunmehr noch aufrechterhaltenen Antrag
unterlegen sind, § 154 Abs. 1 VwGO. Hinsichtlich des übereinstimmend für erledigt
erklärten Teils des Verfahrens entsprach es unter Berücksichtigung des bisherigen
Sach- und Streitstandes hingegen billigem Ermessen, der Antragsgegnerin die Kosten
des Verfahrens aufzuerlegen, da diese insoweit voraussichtlich unterlegen wäre, § 161
Abs. 2 VwGO.
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Denn im Gegensatz zu dem Informationsblatt der Gemeinde wäre die Versendung des
ursprünglich geplanten Begleitschreibens des Oberbürgermeisters der Antragsgegnerin
aus der Sicht der Kammer durchgreifenden rechtlichen Bedenken begegnet. Zwar ist es
auch nach Auffassung der Kammer und unter Zugrundelegung der dargelegten
Grundsätze nicht zu beanstanden, dass der Oberbürgermeister ein entsprechendes
Begleitschreiben an die Bürger der Stadt richtet. Bei der Abfassung des Schreibens ist
jedoch - wie ausgeführt - der besonderen Stellung des Oberbürgermeisters Rechnung
zu tragen. Dies hatte die Antragsgegnerin bei dem beabsichtigten Schreiben nicht
hinreichend berücksichtigt. Nach Auffassung der Kammer enthielt das Schreiben
nämlich ungeachtet der Tatsache, dass am Ende auf die unterschiedlichen
Möglichkeiten der Stimmabgabe hingewiesen wurde, nicht nur eine eindeutige
Empfehlung des Oberbürgermeisters für die Stimmabgabe mit "nein", sondern auch
sprachliche Formulierungen, die nicht mit der dargelegten Pflicht des
Oberbürgermeisters zur besonderen Sachlichkeit zu vereinbaren gewesen wären, die
dieser in seiner Funktion als Repräsentant der gesamten Gemeinde und
Abstimmungsleiter hier zu beachten hatte.
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Die Entscheidung über den Streitwert folgt aus den §§ 20 Abs. 3, 13 Abs. 1 GKG. Das
Gericht sieht es vorliegend als gerechtfertigt an, den vollen Auffangstreitwert zu Grunde
zu legen, da eine Entscheidung in der Hauptsache vorweggenommen wird.
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