Urteil des VG Köln vom 10.03.2009

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Verwaltungsgericht Köln, 14 L 1848/08
Datum:
10.03.2009
Gericht:
Verwaltungsgericht Köln
Spruchkörper:
14. Kammer
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
14 L 1848/08
Tenor:
1. Der Antrag wird abgelehnt.
Die Kosten des Verfahrens trägt die Antragstellerin.
2. Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 5.000,00 Euro festgesetzt.
Gründe
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Der Antrag der Antragstellerin,
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1. den Antragsgegner vorläufig im Wege der einstweiligen Anordnung gem. § 123 Abs.
1 VwGO zu verpflichten, die auf ihrem Grundstück, N.-----straße 000, 5000 Köln
stehenden beiden Naturdenkmale, die Platane (NDI - Nr. 000.00 0) und die
Rosskastanie (NDI - Nr. 000.00 0), zu fällen,
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2. hilfsweise, den Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten,
über die Fällung nach der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu entscheiden,
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hat keinen Erfolg.
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Nach § 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO kann das Verwaltungsgericht eine einstweilige
Anordnung zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges
Rechtsverhältnis treffen, wenn diese Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile
oder zur Verhinderung drohender Gewalt oder aus anderen Gründen nötig erscheint.
Voraussetzung ist, dass der Antragsteller einen Anordnungsgrund, mithin die
Eilbedürftigkeit, und einen Anordnungsanspruch, d.h. ein subjektives öffentliches Recht
auf das begehrte Verwaltungshandeln glaubhaft gemacht hat.
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Dabei ist das Gericht entsprechend dem Sicherungszweck des Anordnungsverfahrens
grundsätzlich auf den Ausspruch einer vorläufigen Regelung beschränkt, die der
Entscheidung im Hauptsacheverfahren nicht vorgreifen darf. Nur ausnahmsweise ist
eine Vorwegnahme der Hauptsache wegen des verfassungsrechtlichen Gebots
effektiven Rechtsschutzes zulässig. Mit ihrem Antrag erstrebt die Antragstellerin eine
Vorwegnahme der von ihr erhobenen allgemeinen Leistungsklage. Bei Stattgabe ihres
vorliegenden Antrages gem. § 123 VwGO wäre sie faktisch so gestellt, als hätte sie
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bereits jetzt mit ihrer auf Fällung der Platane und der Rosskastanie gerichteten
Leistungsklage obsiegt. Der Erlass einer die Hauptsache vorwegnehmenden
einstweiligen Anordnung nach § 123 Abs. 1 VwGO setzt im Rahmen des
Anordnungsgrundes voraus, dass die gerichtliche Regelung zur Gewährung eines
effektiven Rechtsschutzes schlechterdings notwendig ist, weil der Antragsteller sonst
Nachteile zu erwarten hätte, die für ihn unzumutbar wären,
vgl. Kopp/Schenke, VwGO, 14. Aufl. 2005, § 123 Rdnr. 13 ff.; Schoch, in: Schoch/
Schmidt-Aßmann/ Pietzner, VwGO, § 123 Rdnr. 141.
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Sind wirtschaftliche Nachteile betroffen, ist dies in der Regel nur dann anzunehmen,
wenn es um existentielle Belange geht und der Antragsteller ohne Erlass der begehrten
Anordnung in seiner wirtschaftlichen Existenz gefährdet wäre, vgl. Hess. VGH,
Beschluss vom 09.06.1992 - 9 TG 2795/91, NVwZ-RR 1993, 145(146); OVG NRW,
Beschluss vom 02.06.1992 - 19 B 358/92 - NWVBl 1993, 58.
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Neben dem Erfordernis einer besonderen Dringlichkeit setzt eine die Hauptsache
vorwegnehmende einstweilige Anordnung weiter voraus, dass der geltend gemachte
Anordnungsanspruch mit einem hohen Grad an Wahrscheinlichkeit besteht.
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Hiervon ausgehend hat der Antrag keinen Erfolg. Der Antragstellerin hat bereits nicht
glaubhaft gemacht, dass der geltend gemachte Anordnungsanspruch mit dem für eine
die Hauptsache vorwegnehmende Anordnung erforderlichen hohen Grad der
Wahrscheinlichkeit besteht. Nach der im vorläufigen Rechtsschutzverfahren nur
möglichen und auch nur gebotenen summarischen Prüfung der Sach- und Rechtslage
kann nicht festgestellt werden, dass die Antragstellerin eindeutig ohne jeden Zweifel
verlangen kann, dass der Antragsgegner die in Rede stehenden Bäume auf seine
Kosten fällt.
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Die Antragstellerin kann ihr Begehren weder auf § 5 Satz 2 der ordnungsbehördlichen
Verordnung der Stadt Köln über die Naturdenkmale vom 29.08.1994 i.d.F. der
Änderungsverordnung vom 03.01.2002 (VO) noch auf § 34 Abs. 4 lit c) Satz 2 LG NRW
mit der erforderlichen Eindeutigkeit stützen. Nach § 5 Satz 2 der VO obliegt dem
Antragsgegner als Untere Landschaftsbehörde die Erhaltung der Verkehrssicherheit des
Naturdenkmals. Selbst wenn die Fällung beider Naturdenkmale aus Gründen der
Verkehrssicherheit geboten wäre, ist zweifelhaft, ob der Antragsgegner auf der
Grundlage von § 5 Satz 2 der VO zur Vornahme der Fällung verpflichtet ist. Die Fällung
der Bäume ist keine Maßnahme zur „Erhaltung der Verkehrssicherheit des
Naturdenkmals", weil sie nicht der Erhaltung, sondern der Beseitigung der
Naturdenkmale dient. Nach dem Wortlaut des § 5 Satz 2 VO („Erhaltung der
Verkehrssicherheit des Naturdenkmals") spricht Überwiegendes dafür, dass die dem
Antragsgegner nach der ordnungsbehördlichen VO obliegenden
Verkehrssicherungsmaßnahmen auf solche Maßnahmen beschränkt sind, die auf den
Erhalt des Naturdenkmals und nicht auf dessen Beseitigung gerichtet sind. Eine
Verpflichtung des Antragsgegners zur Fällung der Naturdenkmale kann mit der
erforderlichen Eindeutigkeit auch nicht aus der gesetzlichen Regelung des § 34 Abs. 4
lit. c) Satz 2 LG NRW hergeleitet werden, die vorliegend gem. § 42 lit. a) Abs. 2 u. 3 LG
NRW entsprechende Anwendung findet. Nach dieser Bestimmung obliegen
Maßnahmen aus Gründen der Verkehrssicherungspflicht den Grundstückseigentümern
und -eigentümerinnen ausschließlich im Rahmen des Zumutbaren. Die untere
Landschaftsbehörde ist hiernach zur Durchführung von Maßnahmen der
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Verkehrssicherungspflicht verpflichtet, die das Maß des Zumutbaren überschreiten. Ob
die auf die Untere Landschaftsbehörde übergehende Verkehrssicherungpflicht auch
Maßnahmen umfasst, die zu einer Beseitigung des Naturdenkmals führen, ist nicht
eindeutig. Zwar ist der Wortlaut der Bestimmung („Maßnahmen aus Gründen der
Verkehrssicherungspflicht") für eine solche Auslegung offen. Gegen eine Verpflichtung
der Behörde zur Beseitigung des Naturdenkmals spricht aber der Zweck des gesetzlich
bestimmten Übergangs der Verkehrssicherungspflicht auf die Landschaftsbehörde.
Dieser besteht darin, den Grundstückseigentümer von der Verkehrssicherungspflicht als
„Gegenleistung" dafür zu entbinden, dass er auf seinem Grundstück den Erhalt eines
geschützten Naturdenkmals im öffentlichen Interesse zu dulden hat,
vgl. die Begründung des Ausschusses für Umwelt und Naturschutz, Landwirtschaft und
Verbraucherschutz für die mit Gesetz vom 19.06.2007, GV NRW S. 226 erfolgte
Einfügung des § 34 Abs. 4 lit. c) LG NRW, mit der darauf hingeweisen wird, dass die
Verkehrssicherungspflicht auf die unteren Landschaftsbehörden übergeht, „sobald z.B.
die zur Erhaltung eines als Naturdenkmals geschützten Baumes erforderlichen Pflege-
und sonstigen - maßnahmen über das hinausgehen, was im Rahmen der Sozialbindung
des Eigentums noch zumutbar sind", LT-Drs. 14/4470, S. 53.
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Die von der Antragstellerin begehrte Fällung der Bäume dient aber nicht dem Erhalt der
Naturdenkmale. Selbst wenn die gem. § 34 Abs. 4 lit. c) LG NRW auf die
Landschaftsbehörde übergegangene Verkehrssicherungspflicht auch die Beseitigung
des Naturdenkmals umfassen würde, ist zweifelhaft, ob die begehrte Fällung der beiden
Bäume auf dem Grundstück der Antragstellerin die Grenze des Zumutbaren
überschreitet. Die Antragstellerin hat einen unzumutbaren Kostenaufwand - etwa durch
Vorlage eines Kostenvoranschlages - nicht glaubhaft gemacht. Sie behauptet lediglich,
dass für die Fällung eines Baumes nebst Anmietung eines Krans und dem Bau eines
Fahrweges Kosten in Höhe von jeweils 6.500,00 EUR -10.000,00 EUR anfielen. Dass
die Kosten für die Fällung eines Baumes weitaus geringer anzusetzen sind - nämlich
zwischen 3.000,00 EUR und 4.000,00 EUR je Baum - hat der Antragsgegner
nachvollziehbar dargelegt durch Vorlage einer Rechnung in Höhe von 2.618,00 EUR,
mit der die Kosten für die Fällung eines vergleichbaren Baumes abgerechnet wurden.
Mit diesem Kostenaufwand ist die Zumutbarkeitsgrenze nicht offensichtlich
überschritten. Hier ist insbesondere zu berücksichtigen, dass die Antragstellerin als
Grundstückseigentümerin in der Vergangenheit von den vom Antragsgegner an ihrem
Baumbestand durchgeführten wertsteigernden Pflege- und Erhaltungsmaßnahmen nicht
unwesentlich profitiert hat. Ungeachtet dessen ist jedenfalls hinsichtlich der streitigen
Platane zweifelhaft, ob deren Fällung aus Gründen der Verkehrssicherungspflicht
überhaupt geboten ist. Zwar gelangt das von der Antragstellerin in Auftrag gegebene
Gutachten des Dipl. Forstwirts Läufer vom 26.11.2007 zu dem Ergebnis, dass die
Platane nicht bruchsicher ist. Das zeitnähere, vom Antragsgegner veranlasste
Gutachten des Forstwirtschaftbetriebs Menke vom 14.01.2008 schätzt die Platane
demgegenüber als stand- und bruchsicher ein. Durchgreifende Bedenken gegen die
Richtigkeit des Gutachtens Menke bestehen aus Sicht des Gerichts nicht. Der
Antragsgegner hat im vorliegenden Eilverfahren unwidersprochen darauf hingewiesen,
dass das Gutachten Menke - wie auch das Gutachten Meurer aus dem Jahre 2005 - das
für die Beurteilung der Bruchsicherheit maßgebliche Residialvolumen (Restwandstärke)
der Platane mit dem nach neuesten Stand der Technik zur Verfügung stehenden
Messverfahren, der sog. Flächenmessung ermittelt habe. Dieses Messverfahren gelangt
nach den unwidersprochen gebliebenen Angaben des Antragsgegners zu
messgenaueren Ergebnissen als die auf vereinzelten Bohrungen beruhende
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Ermittlungsmethode des Gutachters Läufer.
Im Übrigen hat die Antragstellerin auch den erforderlichen Anordnungsgrund nicht
glaubhaft gemacht. Die Standsicherheit der Rosskastanie ist nach den Feststellungen
des Antragsgegners aufgrund eines Pilzbefalls zwar nicht mehr gewährleistet. Einer
Verpflichtung des Antragsgegners zur Fällung der Rosskastanie im Wege der
einstweiligen Anordnung bedarf es aber nicht. Den von der Rosskastanie ausgehenden
Gefahren kann die Antragstellerin dadurch begegnen, das sie die Rosskastanie selbst
fällt. Der Antragsgegner hat ihr mit Bescheid vom 08.10.2008 die hierzu erforderliche
Erlaubnis erteilt. Sollte die Fällung des Baumes - entgegen den obigen Ausführungen
zum Anordnungsanspruch - von der dem Antragsgegner obliegenden
Verkehrssicherungspflicht umfasst sein, kann sich die Antragstellerin die ihr durch die
Fällung entstehenden Kosten nach den Grundsätzen der öffentlich-rechtlichen
Geschäftsführung ohne Auftrag und des öffentlich- rechtlichen Erstattungsanspruch vom
Antragsgegner erstatten lassen,
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vgl. VG Frankfurt/Oder, Urteil vom 29.04.2003 - 7 K 300/00 -, Juris.
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Hinsichtlich der Platane ist ebenfalls ein Anordnungsgrund nicht gegeben. Die Fällung
der Platane ist nicht dringend geboten, weil deren Stand- und Bruchsicherheit nach den
Feststellungen des Gutachters Menke noch gegeben ist.
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Der hilfsweise geltend gemachte Bescheidungsantrag hat schließlich auch keinen
Erfolg. Die Antragstellerin ist dadurch, dass es der Antragsgegner abgelehnt hat, die
Naturdenkmale selbst zu fällen, nicht in ihren Rechten - namentlich auch nicht in ihrem
Recht auf fehlerfreie Ermessensausübung - verletzt. Mit der Fällung der in Rede
stehenden Bäume verlangt die Antragstellerin nicht den Erlass eines im Ermessen des
Antragsgegners stehenden Verwaltungsaktes, sondern ein schlicht hoheitliches
Tätigwerden des Antragsgegners, das dieser nach den obigen Ausführungen aller
Voraussicht nach zu Recht abgelehnt hat.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Die Streitwertfestsetzung folgt
aus §§ 53 Abs. 3 Nr. 2, 52 Abs. 1 GKG. Hierbei hat das Gericht wegen der Vorläufigkeit
des vorliegenden Verfahrens die Hälfte des Auffangstreitwertes von 5.000,00 EUR für
jedes Naturdenkmal zugrundegelegt.
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