Urteil des VG Köln vom 17.10.2008

VG Köln: subjektives recht, arzneimittel, generikum, form, rechtsverletzung, bestandteil, unternehmer, gleichheit, vorfrage, zusammensetzung

Verwaltungsgericht Köln, 18 K 2937/08
Datum:
17.10.2008
Gericht:
Verwaltungsgericht Köln
Spruchkörper:
18. Kammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
18 K 2937/08
Tenor:
Die Klage wird abgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens einschließlich der
außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen.
T a t b e s t a n d
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Die Klägerin ist Inhaberin der Zulassungen für die Arzneimittel F1. 10 mg und F1. 20 mg
mit dem arzneilich wirksamen Bestandteil Ebastine. Ursprüngliche Zulassungsinhaberin
war die B. GmbH in Ismaning.
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Am 04.09.2006 stellte die Beigeladene für die Arzneimittel F. 10 mg Filmtabletten und F.
20 mg Filmtabletten einen Antrag auf Zulassung als Generikum. Als
Referenzarzneimittel führte sie die beiden Arzneimittel der Klägerin an. Den
Antragsunterlagen beigefügt war u.a. eine Bioäquivalenzstudie.
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Mit Bescheiden vom 06.11.2007 erteilte die Beklagte die begehrte Zulassung für die
Arzneimittel F. 10 mg Filmtabletten und F. 20 mg Filmtabletten.
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Mit Schreiben vom 21.11.2007 erhob die Rechtsvorgängerin der Klägerin gegen beide
Zulassungsbescheide Widerspruch. Zur Begründung führte sie im Wesentlichen aus,
die Zulassungen seien unter Verstoß gegen § 25 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AMG, § 24 b AMG
erteilt worden. Die Voraussetzungen für eine Bezugnahme auf Unterlagen der
Rechtsvorgängerin der Klägerin lägen nicht vor, da die Beigeladene den nach § 24 b
Abs. 2 Satz 1 AMG erforderlichen Nachweis der Bioäquivalenz nicht erbracht habe. Die
Arzneimittel beider wiesen unterschiedliche Freigabeeigenschaften auf. In den
Arzneimitteln der Beigeladenen sei der arzneilich wirksame Bestandteil Ebastine in
nicht mikronisierter Form enthalten, bei den Referenzarzneimitteln der
Rechtsvorgängerin der Klägerin werde Ebastine hingegen in mikronisierter Form
verwendet. Eine dem Widerspruch beigefügte Studie zu vergleichbaren Arzneimitteln
habe ergeben, dass Ebastine in nicht mikronisierter Form im Vergleich zu mikronisierter
Ebastine lediglich die halbe Bioverfügbarkeit aufweise. Die Vorschrift des § 24 b AMG
schütze insoweit auch subjektive Rechte der Rechtsvorgängerin der Klägerin.
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Mit Widerspruchsbescheid vom 18.02.2008 wies die Beklagte den Widerspruch zurück.
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Der Widerspruch sei mangels Widerspruchsbefugnis unstatthaft, jedenfalls aber
unbegründet. Der nach § 24 b Abs. 2 Satz 1 AMG erforderliche Nachweis der
Bioäquivalenz sei nicht drittschützend.
Am 17.03.2008 hat die Klägerin wegen beider Zulassungsbescheide die Klage 18 K
2027/08 erhoben. Mit Beschluss vom 23.04.2008 hat die Kammer das Verfahren
abgetrennt, soweit die Klage sich auf das Arzneimittel F. 20 mg Filmtabletten bezogen
hat. Das Verfahren wird seitdem unter dem vorliegenden Aktenzeichen fortgeführt.
Gegenstand des Verfahrens 18 K 2027/08 ist das Arzneimittel F. 10 mg Filmtabletten.
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Mit (rechtskräftigem) Beschluss vom 26.06.2008 - 18 L 851/08 - ordnete die Kammer auf
Antrag der Beigeladenen die sofortige Vollziehung der ihr erteilten
Zulassungsbescheide an.
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Zur Begründung der Klage trägt die Klägerin im Wesentlichen vor: Die Voraussetzungen
für eine Bezugnahme auf die Unterlagen der Klägerin lägen nicht vor, da der Nachweis
der Bioäquivalenz nicht erbracht worden sei. Die Klägerin werde deshalb in ihren
subjektiven Rechten verletzt. Artikel 14 GG und § 24 b AMG gewährten dem
Vorantragsteller einen eigentumsähnlichen Schutz der von ihm eingereichten
Unterlagen. Aufgrund der niedrigen Bioverfügbarkeit des Wirkstoffs Ebastine in der
Formulierung der Beigeladenen würden letztlich auch der Wirkstoff und das
Referenzarzneimittel der Klägerin diskreditiert. Durch die Bezugnahme auf die
Unterlagen der Klägerin werde der darin verkörperte Wert gemindert und die Klägerin im
Wettbewerb benachteiligt. Die Klägerin werde deshalb auch in ihren Grundrechten aus
Art. 12 und 14 GG verletzt.
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Die Klägerin beantragt,
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den Zulassungsbescheid vom 06.11.2007 für das Arzneimittel F. 20 mg Filmtabletten in
der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18.02.2008 aufzuheben.
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Die Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Sie trägt vor: Der Umfang des Drittschutzes sei auch nach Inkrafttreten des 14.
Änderungsgesetzes nicht anders zu bewerten. Die Frage der Bioäquivalenz betreffe
kein subjektives Recht der Klägerin.
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Die Beigeladene beantragt ebenfalls,
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die Klage abzuweisen.
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Zur Begründung macht auch sie die fehlende Verletzung eines subjektiven Rechts der
Klägerin geltend.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der
Gerichtsakte des vorliegenden Verfahrens, der Verfahren 18 K 2027/08 und 18 L 851/08
sowie der beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Beklagten Bezug genommen.
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E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
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Die Entscheidung ergeht im Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche
Verhandlung, § 101 Abs. 2 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO).
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Die Anfechtungsklage hat keinen Erfolg.
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Die Klage ist zwar zulässig, insbesondere ist die Klägerin klagebefugt gemäß § 42 Abs.
2 VwGO, weil hierfür die Möglichkeit einer Rechtsverletzung ausreicht. Eine Verletzung
von Rechten der Klägerin ist indes nicht von vornherein und nach jeder
Betrachtungsweise ausgeschlossen.
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Die Klage ist jedoch unbegründet. Der Zulassungsbescheid vom 06.11.2007 für das
Arzneimittel F. 20 mg Filmtabletten in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom
18.02.2008 verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO. Der
zwischen den Beteiligten allein streitige Nachweis der Bioäquivalenz gemäß § 24 b
Abs. 2 Satz 1 AMG vermag eine subjektive Rechtsverletzung der Klägerin nicht zu
begründen.
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Die Kammer hat bereits zu § 24 a AMG a.F. ausgeführt, dass ein innovativer
Unternehmer nicht vor jedweder Konkurrenz geschützt wird. Ausgehend hiervon diente
allein die zehnjährige Schutzfrist des § 24 a Satz 3 AMG a.F. dem Schutz des
Originalherstellers.
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VG Köln, Beschluss vom 11.11.2005 - 18 L 1299/05 -, Pharma Recht 2006, 34; vgl. auch
VG Köln, Beschluss vom 21.12.2000 - 24 L 1922/00 -, Pharma Recht 2001, 68 m.w.N.
und das nachfolgende Urteil vom 27.08.2003 - 24 K 5634/00 -, Juris.
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Der Drittschutz des § 24 a AMG a.F. umfasste deshalb auch nicht den Aspekt der
sogenannten „wesentlichen Gleichheit", insbesondere der Bioäquivalenz von
Generikum und Referenzarzneimittel. Hierbei handelte es sich nur um eine Vorfrage zu
der von der Behörde zu treffenden Entscheidung über einen Rückgriff auf
Zulassungsunterlagen eines Vorantragstellers, die lediglich der Arzneimittelsicherheit
diente.
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VG Köln, Urteil vom 27.08.2003 - 24 K 5634/00 - a.a.O. m.w.N..
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Ein subjektives Recht auf weitergehenden Unterlagenschutz ergab sich überdies weder
aus Art. 12 und Art. 14 GG noch aus europäischem Recht, insbesondere nicht aus Art.
10 Abs. 1 lit. a) iii) der Richtlinie 2001/83/EG.
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VG Köln, Beschluss vom 11.11.2005 - 18 L 1299/05 -, a.a.O..
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An diesen Ausführungen zum Drittschutz des innovativen Unternehmers ist auch nach
Inkrafttreten des 14. Gesetzes zur Änderung des Arzneimittelgesetzes vom 29. August
2005 festzuhalten. In § 24 b Abs. 2 Satz 1 AMG n.F. werden die näheren Anforderungen
für eine Zulassung als Generikum nunmehr ausdrücklich geregelt. Die Zulassung als
Generikum im Sinne von Absatz 1 der Vorschrift hat danach zur Voraussetzung, dass
das betreffende Arzneimittel die gleiche Zusammensetzung der Wirkstoffe nach Art und
Menge sowie die gleiche Darreichungsform wie das Referenzarzneimittel aufweist und
dass die Bioäquivalenz durch Bioverfügbarkeitsstudien nachgewiesen wurde.
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Anhaltspunkte dafür, dass der Gesetzgeber dem innovativen Unternehmer durch diese
Regelung ein weitergehendes subjektives Recht als bei § 24 a AMG a.F. einräumen
wollte, bestehen nicht. Durch die neue Regelung wird der auch bislang schon zu
berücksichtigende objektiv-rechtliche Aspekt der „wesentlichen Gleichheit" von
Generikum und Referenzarzneimittel lediglich näher konkretisiert bzw. präzisiert. Zur
Vermeidung von Wiederholungen nimmt die Kammer wegen der Begründung im
Einzelnen Bezug auf die Ausführungen in dem rechtskräftigen Beschluss vom
26.06.2008 - 18 L 851/08 -. Die Klägerin hat auch nach Ergehen des Beschlusses keine
tatsächlichen oder rechtlichen Umstände vorgetragen, die zu einer abweichenden
Beurteilung hätten führen können. Die Kammer hält nach erneuter Überprüfung der
Sach- und Rechtslage an ihrer Auffassung fest.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 und 162 Abs. 3 VwGO. Die
außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen sind erstattungsfähig und waren der
unterliegenden Klägerin aus Gründen der Billigkeit aufzuerlegen, weil die Beigeladene
einen Antrag gestellt und sich damit gemäß § 154 Abs. 3 VwGO einem Kostenrisiko
ausgesetzt hat.
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