Urteil des VG Köln vom 16.01.2004
VG Köln: zivildienst, wehr, fachhochschule, student, immatrikulation, ausbildung, beendigung, unterbrechung, amt, betriebswirtschaft
Verwaltungsgericht Köln, 26 K 2185/03
Datum:
16.01.2004
Gericht:
Verwaltungsgericht Köln
Spruchkörper:
26. Kammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
26 K 2185/03
Tenor:
Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens, für das Gerichtskosten nicht
erhoben werden.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf
die Voll- streckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe
des beizutreibenden Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor
der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
T a t b e s t a n d :
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Der Kläger wendet sich gegen die im Bescheid vom 13. Januar 2003 auf den letzten
Tag des Monats August 1998 festgesetzte Förderungshöchstdauer. Er be- gehrt unter
Hinweis darauf, dass er in der Zeit vom 01. April 1996 bis zum 30. April 1997 seinen
Grundwehr- bzw. Zivildienst ableistete, die Festsetzung auf den letzten Tag des Monats
August 1999.
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Der Kläger studierte ab dem Sommersemester 1995 an der Fachhochschule Nürtingen
Betriebswirtschaft. Das erste Praxissemester wurde dem Kläger aufgrund seiner
beruflichen Vorbildung erlassen. In der Zeit vom 01. April 1996 bis zum 02. Juni 1996
leistete er seinen Grundwehrdienst und in der Zeit vom 03. Juni 1996 bis zum 30. April
1997 seinen Zivildienst ab.
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Am 23. Januar 1996 stellte der Kläger einen Weiterförderungsantrag für Ausbil-
dungsförderung. Hierbei teilte er dem Studentenwerk Hohenheim am 12. April 1996 mit,
dass er seit dem 01. April 1996 seinen Wehrdienst ableiste, sein Studium jedoch
parallel fortsetzen und auch an den Prüfungen teilnehmen werde. Auf Nachfrage des
Studentenwerkes Hohenheim teilte die Fachhochschule Nürtingen mit, dass im Falle
des Klägers kein Antrag für ein Urlaubssemester vorliege. In der Folgezeit erfolgte
weder eine Beurlaubung noch eine Exmatrikulation. Darauf hin lehnte das Studen-
tenwerk Hohenheim den Antrag des Klägers auf Weiterförderung mit der Begrün- dung
ab, durch die gleichzeitige Ableistung des Zivildienstes könne er seine Arbeits- kraft
nicht voll für die Ausbildung einsetzen, so dass eine förderungsfähige Ausbil- dung im
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Sinne des Gesetzes nicht vorliege. Am 11. März 1997 reichte der Kläger im Rahmen
des Widerspruchsverfahrens einen Nachweis über (erfolgreiche) Prüfungs- leistungen
während des Grundwehr- bzw. Zivildienstes ein. Mit Widerspruchsbe- scheid vom 12.
März 1997 wies das Regierungspräsidium Stuttgart den Widerspruch des Klägers
gegen den Bescheid des Studentenwerkes Hohenheim vom 14. August 1996 zurück.
Mit dem angegriffenen Feststellungs- und Rückzahlungsbescheid vom 13. Janu- ar
2003 stellte das Bundesverwaltungsamt die Höhe der Darlehensschuld mit 3.148,28
EUR und das Ende der Förderungshöchstdauer auf den letzten Tag des Monats August
1998 fest. Ferner setzte es den Rückzahlungsbeginn auf den 30. September 2003 fest.
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Gegen diesen Bescheid erhob der Kläger am 28. Januar 2003 Widerspruch und
beantragte sowohl einen leistungsabhängigen als auch einen studiendauerabhängi-
gen Teilerlass der Darlehensschuld. Zur Begründung führte er u.a. aus, dass gemäß §
15a Abs. 1 Nr. 2 BAföG die Förderungshöchstdauer bei einem Fachhochschulstu- dium
mit Praxiszeiten 8 Semester betrage. Im Rahmen seines Studiums habe er im 6.
Semester ein sechsmonatiges Praktikum abgeleistet. Das Amt für Ausbildungsför-
derung des Studentenwerks Hohenheim habe er über die Ableistung des Wehr- bzw.
Zivildienstes unterrichtet. Durch die Ableistung von Wehr- bzw. Zivildienst werde die
Förderungshöchstdauer unterbrochen und müsse neu festgelegt werden. Aufgrund der
Unterbrechung in der Zeit von April 1996 bis April 1997 müsse das Ende der
Förderungshöchstdauer auf den letzten Tag des Monats April 2000 festgesetzt wer- den.
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Unter dem 24. Februar 2003 teilte das Amt für Ausbildungsförderung des Stu-
dentenwerkes Hohenheim dem Bundesverwaltungsamt auf Anfrage mit, der Wehr- bzw.
Zivildienst könne nicht als Grund für die Überschreitung der Förderungshöchst- dauer
anerkannt werden, da der Kläger während dieser Zeit nicht von der Fachhoch- schule
Nürtingen beurlaubt gewesen sei.
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Mit Widerspruchsbescheid vom 06. März 2003 wies das Bundesverwaltungsamt den
Widerspruch des Klägers zurück und verwies zur Begründung auf das Schreiben des
Amtes für Ausbildungsförderung vom 24. Februar 2003.
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Mit Bescheid vom gleichen Tage lehnte das Bundesverwaltungsamt den Antrag auf
Gewährung eines Teilerlasses wegen vorzeitiger Beendigung des Studiums ab. Zur
Begründung führte es aus, der Kläger habe die Prüfung nicht innerhalb der Frist von
zwei Monaten vor dem Ende der Förderungshöchstdauer erfolgreich beendet. Aus
welchem Grund dies geschehen sei, sei nicht entscheidend. Auch wenn sich die
Studiendauer durch von dem Studenten nicht zu vertretende Umstände (z.B. Krank- heit
des Prüfers o.ä.) verlängert habe, sei die Gewährung des Teilerlasses zwingend
ausgeschlossen.
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Gegen die Ablehnung des Teilerlasses wegen vorzeitiger Beendigung des Studi- ums
erhob der Kläger am 14. April 2003 Widerspruch.
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Am 11. April 2003 hat der Kläger Klage gegen die Festsetzung der
Förderungshöchstdauer erhoben. Die Kammer hat den Rechtsstreit mit Beschluss vom
01. Dezember 2003 der Berichterstatterin als Einzelrichterin zur Entscheidung
übertragen. Die Beteiligten haben auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung
verzichtet.
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Zur Begründung der Klage wiederholt und vertieft der Kläger seine bisherigen
Ausführungen. Insbesondere führt er nochmals aus, dass er sei Studium während des
Wehr- bzw. Zivildienstes fortgeführt habe. Er habe mit großem Engagement und einer
erheblichen Doppelbelastung das Studium weitergeführt. Er sei aufgrund seines
Engagements doppelt bestraft. Weder habe er für die Zeit seines Zivildienstes
Ausbildungsförderung erhalten noch sei das Ende der Förderungshöchstdauer
hinausgeschoben worden. Seinen Zivildienst habe er täglich von 07.30 Uhr bis 16.30
Uhr abgeleistet, so dass zu keiner Zeit die Möglichkeit bestanden habe, die
Vorlesungen zu besuchen. Das Studium sei somit faktisch unterbrochen gewesen.
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Der Kläger beantragt sinngemäß,
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die Beklagte unter Abänderung des Bescheides des Bundesverwaltungsamtes vom 13.
Januar 2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 06. März 2003 zu
verpflichten, die Förderungshöchstdauer auf den letzten Tag des Monats August 1999
festzusetzen.
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Die Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Zur Begründung verweist sie auf das Schreiben des Amtes für Ausbildungsförderung
vom 24. Februar 2003. Außerdem trägt sie vor, dass der Student sich mit der
Immatrikulation auf einen bestimmten Studienort festlege und - zumindest konkludent -
die Erklärung abgebe, die gewählte Ausbildung tatsächlich betreiben zu wollen. Der
Kläger sei während des Grundwehr- bzw. Zivildienstes nicht beurlaubt gewesen.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der
Gerichtsakte sowie des beigezogenen Verwaltungsvorganges der Beklagten Bezug
genommen. Diese Unterlagen waren Gegenstand der Entscheidungsfindung.
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E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :
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Über die Klage kann gemäß § 6 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) durch die
Einzelrichterin und gemäß § 101 Abs. 2 VwGO mit Einverständnis der Beteiligten ohne
mündliche Verhandlung entschieden werden.
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Die zulässige Klage ist unbegründet. Der angegriffene Bescheid des
Bundesverwaltungsamtes vom 13. Januar 2003 in der Gestalt des
Widerspruchsbescheides vom 06. März 2003 ist rechtmäßig und der Kläger dadurch
nicht in seinen Rechten verletzt, § 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO. Der Kläger hat keinen
Anspruch auf die begehrte Änderung der Festsetzung der Förderungshöchstdauer.
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Die Beklagte hat die Förderungshöchstdauer zu Recht gemäß § 18 Abs. 5 a
Bundesausbildungsförderungsgesetz (BAföG) auf August 1998 festgesetzt. Die
Förderungshöchstdauer für das klägerische Studium der Betriebswirtschaft an einer
Fachhochschule beträgt acht Semester. Dies folgt aus § 15a Abs. 1 Satz 2 Nr. 2.b)
BAföG.
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Die Förderungshöchstdauer für das im Sommersemester 1995 aufgenommene Studium
endete daher mit Ablauf des Sommersemesters 1998, also im August 1998.
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Der Kläger hat keinen Anspruch darauf, dass die Förderungshöchstdauer wegen der
während des Studiums erfolgten Ableistung des Grundwehr- bzw. Zivildienstes erhöht
wird. Die Regelungen, die eine Erhöhung der Förderungshöchstdauer vorsehen (z.B. §
5a BAföG für Ausbildungszeiten im Ausland, § 15a Abs. 3 BAföG n.F. bzw. § 8
FörderungshöchstdauerV wegen Erwerb bestimmter Sprachkenntnisse), erfassen nicht
die Ableistung des Grundwehrdienstes.
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Vgl. Begründung des Gesetzentwurfs der Bundesregierung Besonderer Teil zu Nr. 10 (
§ 15a BAföG), Bundesrats - Drucksache 585/00, S. 53 „sonstige Aus- nahmen sind nicht
vorgesehen".
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Vielmehr ist es im Falle der Ableistung des Grundwehrdienstes lediglich möglich,
gemäß § 15 Abs. 3 Nr. 1 BAföG über die Förderungshöchstdauer hinaus für eine
angemessene Zeit Ausbildungsförderung zu erhalten.
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Vgl. BVerwG, Urteil vom 7. Februar 1980 - 5 C 38/78 -, DÖV 1980, 801 ff. und Urteil vom
19. Juni 1980 - 5 C 59/78 -, Buchholz 436.36 § 15 Nr. 7 (allerdings nur für ein, nicht für
zwei Semester).
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Gleiches muss nach Auffassung des Gerichts für den Zivildienst gelten, da er an die
Stelle des Wehrdienstes tritt.
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Darüber hinaus käme eine Erhöhung der Förderungshöchstdauer für Zeiten einer
förmlichen Beurlaubung in Betracht.
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Vgl. BVerwG, Urteil vom 7. Februar 1980 - 5 C 38/78 -, a.a.O. „ Die Anrechnung kann
der Auszubildende nur dadurch vermeiden, dass er sich für die Dauer der
Unterbrechung von der Hochschule beurlauben lässt." OVG NRW, Urteil vom 25. April
1990 - 16 A 1825/87 - m.w.N. bei juris.
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Der Kläger war aber während der Zeit seines Grundwehr- bzw. Zivildienstes nicht
beurlaubt, sondern weiter eingeschrieben. Mit der Immatrikulation legt sich der Student
auf einen bestimmten Studiengang fest und gibt auch - zumindest konkludent - die
Erklärung ab, die gewählte Ausbildung tatsächlich betreiben zu wollen. Wer eine solche
Erklärung abgibt, kann grundsätzlich nicht mit dem Einwand gehört werden, er habe
tatsächlich sein Studium gar nicht betrieben. Denn hiermit würde er sich zu seinen
eigenen hochschulrechtlichen Erklärungen in Widerspruch setzen und versuchen, aus
seinem Verstoß gegen seine Pflicht zum ordnungsgemäßen Studium Rechtsvorteile
abzuleiten. Das verstößt gegen das Verbot unzulässiger Rechtsausübung. Zwar ist es
dem Studenten nicht verwehrt, den mit der Immatrikulation bewirkten Anschein, ein
reguläres Studium aufnehmen und durchführen zu wollen, zu widerlegen,
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vgl. BVerwG, Urteil vom 27. April 1993 - 11 C 26/92 -, BVerwGE 92, 246 ff., das diese
Widerlegung für den Fall eines während des Grundwehrdienstes abgelei-steten
Teilzeitstudiums verneinte.
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Dies ist im Fall des Klägers aber gerade nicht geschehen. Er selbst trägt vor, sein
Studium mit sehr viel Engagement trotz seines Zivildienstes (erfolgreich) fortgesetzt zu
haben. Dies zeigt, dass der Kläger trotz seines Zivildienstes sein Studium in seiner
verbliebenen freien Zeit bewusst und erfolgreich weitergeführt hat, was neben dem
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schnelleren Studienfortschritt (so konnte er, wie er selbst einräumte, sein Studium
unmittelbar nach dem Ende des Zivildienstes - intensiviert - fortsetzen) u.a. den Vorteil
bot, die Krankenversicherung als Student und sonstige Studenten gewährte
Ermäßigungen in Anspruch zu nehmen. Selbst die Tatsache, dass der Kläger entgegen
den rechtlichen Vorschriften nicht exmatrikuliert worden ist, führt zu keiner anderen
rechtlichen Bewertung. Selbst wenn der Kläger durch eine Fehlauskunft des
Studentenwerkes bestimmt worden wäre, sich nicht beurlauben zu lassen, würde dies
ebenfalls nicht zu einer anderen rechtlichen Bewertung führen.
Die Bewertung ändert sich auch nicht dadurch, dass der Kläger, wie er es formuliert,
einen überobligatorischen Einsatz erbrachte. Insoweit befindet er sich in der
Gesellschaft vieler Studenten, die ebenfalls etwa durch notwendige Erwerbstätigkeit
neben dem Studium, Gremientätigkeit, Behinderungen oder Schwangerschaft sowie
Kindererziehung und -pflege unter erhöhten Belastungen studieren und allenfalls
gemäß § 15 Abs. 3 BAföG eine über die Förderungshöchstdauer hinausgehende
Ausbildungsförderung erlangen können. Die Festlegung der Förderungshöchstdauer
wird nicht durch den - im Streitfall im Übrigen kaum zuverlässig beleg- und
überprüfbaren - Einsatz für studienfremde Zwecke neben dem Studium bestimmt.
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Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 154 Abs. 1, 188 Satz 2 VwGO.
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Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i.V.m. den
§§ 708 Nr. 11, 711 Zivilprozessordnung (ZPO).
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