Urteil des VG Köln vom 25.02.2003
VG Köln: grundstück, aufschiebende wirkung, anfang, abfallentsorgung, ermessensfehler, zahl, volumen, stadt, wahrscheinlichkeit, gegenleistung
Verwaltungsgericht Köln, 14 K 3572/02
Datum:
25.02.2003
Gericht:
Verwaltungsgericht Köln
Spruchkörper:
14. Kammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
14 K 3572/02
Tenor:
Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
Tatbestand Der Kläger ist Eigentümer des Grundstücks C. 0 a in H. . Das Grundstück ist
mit einem Einfamilienhaus bebaut, das der Kläger bis zum 22.04.2002 mit seiner
Ehefrau bewohnte. Zum 01.01.1997 wurde die Abfallentsorgung im Gebiet der Stadt H.
durch den Beklagten übernommen. Dieser erließ für die Jahre 1997 bis 2001 jeweils
einen Vorausleistungsbescheid und einen endgültigen Abfallgebührenbescheid. In dem
ersten Vorauszahlungsbescheid vom Februar 1997 wurden für das Grundstück des
Klägers Gebühren für einen 240-Liter- Restabfallbehälter und ein 240-Liter-
Bioabfallgefäß festgesetzt. Dem Bescheid lag ein Informationsblatt bei, in welchem
unter anderem darauf hingewiesen wurde, dass die Gebühren sich ausschließlich an
Anzahl und Größe der Restabfallbehälter orientieren. Ferner wurde darauf hingewiesen,
dass die Gebührenerhebung auf den Datenbeständen der Mitgliedskommunen beruhe.
Möglich sei, dass im Einzelfall Art und Anzahl der Abfallgefäße nicht korrekt erfasst
seien. In diesem Fall werde um Nachricht gebeten. Unter dem 03.03.1997 legte der
Kläger gegen diesen Bescheid Widerspruch ein, da er keinen 240-Liter-
Bioabfallbehälter, sondern lediglich einen solchen mit einem Volumen von 120 Litern
vorhalte. Diesem Widerspruch half der Beklagte ab.
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Unter dem 08.03.1997 beantragte der Kläger beim Beklagten die Zulassung einer
Abfallbehältergemeinschaft für die Abfallfraktion Bioabfall mit dem Grundstück C. 0.
Zugleich bat der Kläger um den Austausch seiner bisherigen 240-Liter- Restabfalltonne
gegen ein 120-Liter-Gefäß. In der Folgezeit wurde das auf dem Grundstück des Klägers
vorhandene Bioabfallgefäß abgeholt, zu einem Austausch des Restmüllgefäßes kam es
jedoch nicht. Der Kläger wurde aber rückwirkend zum 01.01.1997 nur zu Abfallgebühren
für einen 120-Liter-Restabfallbehälter herangezo- gen.
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Mit Schreiben vom 07.11.2001 wies der Beklagte den Kläger darauf hin, dass bei einer
Überprüfung des Abfallbehälterbestandes festgestellt worden sei, dass sich auf dem
Grundstück ein 240-Liter-Restabfallbehälter befinde. Er gehe davon aus, dass dieser
Bestand seit Anfang 1997 vorhanden sei und werde einen entsprechend korrigierten
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Gebührenbescheid erstellen. Unter dem 15.11.2001 widersprach der Kläger der
beabsichtigten Korrektur unter Hinweis auf den von ihm im Jahre 1997 beantragten
Behälterwechsel. Der Beklagte veranlasste daraufhin, dass das auf dem Grundstück
des Klägers vorhandene 240-Liter-Restabfallgefäß am 30.11.2001 gegen ein 120-Liter-
Gefäß ausgetauscht wurde.
Unter dem 08.03.2002 erließ der Beklagte einen Bescheid, mit welchem er für die Zeit
vom 01.01.1998 bis zum 30.11.2001 zusätzliche Gebühren für einen 240- Liter-
Restabfallbehälter festsetzte (insgesamt 334,26 EUR). In einem Schreiben an den
Kläger vom selben Tag erläuterte er den Gebührenbescheid. Er habe in seinem
Informationsblatt und auch in der Tagespresse darauf hingewiesen, dass der
Behälterbestand für die Gebührenbemessung maßgeblich sei und dass er auf Hinweise
in Bezug auf fehlerhafte Daten angewiesen sei. Spätestens bei Erhalt der
Gebührenbescheide Anfang 1998, Anfang 1999, Anfang 2000 und Anfang 2001 habe
dem Kläger bewusst werden müssen, dass der Beklagte davon ausgehe, auf dem
Grundstück des Klägers befinde sich lediglich ein 120-Liter-Restabfallbehälter.
Spätestens zu diesem Zeitpunkt sei er verpflichtet gewesen, den Beklagten über den
unterlassenen Behälteraustausch zu informieren. Da ein entsprechender Hinweis nicht
eingegangen sei, müsse der Beklagte nunmehr die Gebühren nacherheben. Für das
Jahr 1997 sei jedoch inzwischen Verjährung eingetreten.
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Mit Schreiben vom 18.03.2002 legte der Kläger Widerspruch gegen den
Nachveranlagungsbescheid ein und führte zur Begründung aus: Es handele sich um
einen Fehler des Beklagten. Zudem sei auf seinem Grundstück nicht soviel Abfall
angefallen, dass er ein 240-Liter-Gefäß benötigt habe. Mit Bescheid vom 02.04.2002
wies der Beklagte den Widerspruch zurück. Zur Begründung wiederholte er im
wesentlichen die Ausführungen im Nachveranlagungsbescheid.
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Am 25.04.2002 hat der Kläger die vorliegende Klage erhoben und zugleich beantragt,
die aufschiebende Wirkung seiner Klage anzuordnen (14 L 1011/02). Diesen Antrag hat
die Kammer ebenso wie einen weiteren Antrag des Klägers auf Gewährung vorläufigen
Rechtsschutzes vom 23.05.2002 (14 L 1241/02) abgelehnt.
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Zur Begründung seiner Klage wiederholt und vertieft der Kläger seinen bisherigen
Vortrag und macht ergänzend geltend, er habe sich keine Gedanken über den
unterbliebenen Austausch der Gefäße gemacht. Maßgeblich zu berücksichtigen sei
jedoch, dass er unmittelbar bei dem Beklagten die Behälterumstellung beantragt habe.
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Der Kläger beantragt sinngemäß,
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den Bescheid des Beklagten vom 08.03.2002 in der Gestalt des
Widerspruchsbescheides vom 02.04.2002 aufzuheben.
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Der Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Er wiederholt ebenfalls seinen bisherigen Vortrag und trägt ergänzend vor, die
Nachveranlagung sei im Interesse der Gleichbehandlung aller Abgabeschuldner
geboten.
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Wegen der übrigen Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der
Gerichtsakten im vorliegenden Verfahren und in den Verfahren 14 L 1011/02 und 14 L
1241/02 sowie auf die beigezogenen Verwaltungsvorgänge ergänzend Bezug
genommen. Entscheidungsgründe Die Kammer kann gemäß § 101 Abs. 2 der
Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) ohne mündliche Verhandlung entscheiden,
nachdem die Beteiligten sich hiermit einverstanden erklärt haben.
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Die Klage ist unbegründet. Der Nachveranlagungsbescheid vom 08.03.2002 in der
Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 02.04.2002 ist rechtmäßig und verletzt den
Kläger nicht in seinen Rechten. Die Kammer hat zur Rechtmäßigkeit der angefochtenen
Bescheide bereits in ihrem Beschluss vom 13.06.2002 in dem Eilverfahren 14 L 1241/02
folgendes ausgeführt:
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„Die Bestandskraft der bereits ergangenen Gebührenbescheide für die betreffenden
Jahre steht der Nachforderung bis zur Verjährungsgrenze - die hier für die Jahre 1998
bis 2001 noch nicht eingetreten ist - nicht entgegen. Dies ergibt sich aus § 12 Abs. 1 des
Kommunalabgabengesetzes für das Land Nordrhein-Westfalen - KAG NRW -, wonach
die Regelungen über die Aufhebung und Änderung von Steuerbescheiden der §§ 172
bis 177 Abgabenordnung - AO -, die eine Nacherhebung nur unter genau festgelegten
einschränkenden Voraussetzungen zulassen, gerade nicht für anwendbar erklärt
werden. Auch ist in § 12 Abs. 1 KAG NRW die Vorschrift des § 164 AO über die
Steuerfestsetzung unter Vorbehalt der Nachprüfung nicht übernommen worden. Die
Nichtübernahme beider Gruppen von Vorschriften ergänzt sich gegenseitig zu der
gesetzgeberischen Absicht, die Nacherhebung unbeschränkt zuzulassen. Denn unter
dieser Voraussetzung erübrigt sich eine Festsetzung unter Vorbehalt, wie umgekehrt
bekräftigt wird, dass die Möglichkeit der Nacherhebung nicht von einem Vorbehalt der
Nachprüfung abhängig sein soll. Eine Einschränkung der Nachforderungsmöglichkeit
folgt auch nicht aus § 130 Abs. 2 AO, da die Nacherhebung nach § 130 Abs. 1 AO zu
beurteilen ist, der die Zurücknahme eines belastenden Verwaltungsaktes ohne
besondere Beschränkungen zuläßt. Die früheren Gebührenbescheide für die Jahre
1998 bis 2001 sind ausschließlich belastende Verwaltungsakte, die weder einen
Verzicht noch einen Erlass hinsichtlich der fehlerhaft nicht veranlagten Gebühren
beinhalten, vgl. Oberverwaltungsgericht NRW, Urteil vom 27.07.1990 - 9 A 2384/88 -;
VG Köln, Urteil vom 13.08.1996 - 14 K 2914/95 - .
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Abfallgebühren werden als Gegenleistung für die Inanspruchnahme öffentlicher
Einrichtungen und Anlagen erhoben, § 4 Abs. 2 KAG NRW. Eine solche
Inanspruchnahme liegt hier vor. Der Antragsteller hat den 240-Liter- Restabfallbehälter
genutzt; er ist regelmäßig angefahren und geleert worden. Dass er möglicherweise nicht
immer vollständig befüllt war, ist unerheblich. Soweit der Tatbestand der
„Inanspruchnahme" der gebührenpflichtigen Leistung über die tatsächliche Nutzung
hinaus auch ein Element der Willentlichkeit voraussetzt,
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vgl. Oberverwaltungsgericht NRW, Urteil vom 02.12.1996 - 9 A 2448/96 -, S. 12 ff. mit
weiteren Nachweisen,
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ist auch dieses vorliegend vorhanden. Willentlichkeit ist nämlich dann anzunehmen,
wenn der Nutzer nach den gesamten Umständen des Einzelfalles mit hinreichender
Wahrscheinlichkeit mit der Verwirklichung des Gebührentatbestandes rechnen muss
und er in Ansehung dieser Umstände sein Verhalten beibehält,
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so Oberverwaltungsgericht NRW a.a.O.
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Hier wusste der Antragsteller in dem streitgegenständlichen Zeitraum, dass der 240-
Liter-Behälter auf dem Grundstück vorhanden war und nutzte diesen auch zur
Entsorgung der auf seinem Grundstück anfallenden Abfälle.
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Die Entscheidung, die nunmehr als fehlerhaft erkannten Gebührenbescheide für die
Jahre 1998 bis 2001 nach § 130 Abs. 1 AO i.V.m. § 12 Abs. 1 Nr. 3 lit. b KAG NRW
aufzuheben, stand im Ermessen des Beklagten. Diese Entscheidung kann durch das
Verwaltungsgericht nach § 114 VwGO nur eingeschränkt auf Ermessensfehler überprüft
werden. Solche Ermessensfehler sind nicht ersichtlich, insbesondere steht der vom
Antragsteller im Jahre 1997 gestellte Antrag auf Reduzierung des Behältervolumens auf
120 Liter der Nacherhebung nicht entgegen. Der Antragsgegner hat den Behälter in der
Folgezeit nicht ausgetauscht. Der Antragsteller konnte zwar zunächst damit rechnen,
dass die Abfallbehälter demnächst ausgetauscht würden. Insoweit wäre ihm
möglicherweise Vertrau- ensschutz zu gewähren. Zu dem vorliegend relevanten
Zeitpunkt, dem 01.01.1998, musste ihm indes klar sein, dass ein Austausch der beiden
Behälter nicht mehr erfolgen würde, weil der entsprechende Antrag beim Antragsgegner
offenbar in Vergessenheit geraten war. Der Antragsteller hätte sich nunmehr an den
Antragsteller wenden und diesen auf das Versäumnis hinweisen müssen. Dies musste
dem Antragsteller auch klar sein, denn der Antragsgegner hatte seinem
Gebührenbescheid vom Februar 1997 ein Informationsblatt beigelegt, in welchem er auf
die Möglichkeit eines fehlerhaften Datenbestandes hinwies und zur Mitteilung eines
abweichenden Behälterbestandes aufforderte. Dieses Informationsblatt hat der
Antragsteller offenbar auch genau zur Kenntnis genommen, denn er wies wenige Tage
nach seinem Erhalt den Antragsgegner darauf hin, dass zwischen dem in dem
Gebührenbescheid zugrundegelegten und dem tatsächlich auf dem Grundstück
vorhandenen Behälterbestand zuungunsten des Antragstellers eine Abweichung
bestand. Außerdem machte der Antragsteller wiederum wenige Tage später von der
Möglichkeit Gebrauch, eine Behältergemeinschaft und eine Reduzierung des
Behältervolumens zu beantragen. Auch auf diese Möglichkeiten war in dem
Informationsblatt hingewiesen worden.
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Spätestens mit Erhalt des Gebührenbescheides für das Jahr 1998 hätte der
Antragsteller erkennen müssen, dass der beantragte Behälteraustausch versehentlich
nicht erfolgt war. Aufgrund des im Februar 1997 erhaltenen Informationsblatts wusste er,
dass der Antragsgegner die Gebühren maßgeblich anhand der auf dem Grundstück
vorhandenen Abfallbehälter bemißt. Daraus, dass ihm lediglich ein 120-l-Gefäß
berechnet wurde, musste er daher schließen, dass der Antragsgegner davon ausging, er
halte lediglich ein solches Gefäß vor. Anhaltspunkte dafür, dass es für den nicht
erfolgten Behälteraustausch andere Gründe als ein Versehen - etwa Kostengründe oder
nicht in ausreichender Zahl vorhandene Gefäße - geben konnte, lagen nicht vor.
Vielmehr wusste der Antragsteller aufgrund des bei ihm im Zuge der Einrichtung einer
Behältergemeinschaft abgeholten Bioabfallbehälters, dass der Antragsgegner
Änderungsanträge nicht nur in seinen Gebührenbescheiden berücksichtigt, sondern
auch tatsächlich Veränderungen im Behälterbestand vornimmt. Für den Antragsgegner
war offensichtlich, dass der Antragsteller die Abfallentsorgung für eine so große Zahl
von Haushal- tungen betreibt, dass er nicht ohne weiteres den Behälterbestand auf
jedem Grundstück überblicken kann und deshalb ohne einen entsprechenden Hinweis
nur schwerlich auf die Abweichung zwischen auf dem Grundstück des Antragstellers
vorhandenem und den Gebührenbescheiden zugrundegelegten Behälterbestand
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aufmerksam werden würde. Dadurch, dass er es dennoch unterließ, den Antragsgegner
auf den unterbliebenen Austausch des Restmüllbehälters aufmerksam zu machen, hat
der Antragsteller deshalb in gleicher Weise wie dieser dazu beigetragen, dass bis
November 2001 der 240-Liter-Behälter auf seinem Grundstück stand."
Diesen Ausführungen ist der Kläger in der Folgezeit nicht substantiiert
entgegengetreten. Insbesondere hat er nichts vorgetragen, was die Entscheidung des
Beklagten, die ursprünglich gegen den Kläger erlassenen Gebührenbescheide
aufzuheben, als ermessensfehlerhaft erscheinen lassen könnte. Ein schutzwürdiges
Vertrauen des Klägers darauf, nicht nachträglich zu Abfallgebühren entsprechend dem
tatsächlich auf seinem Grundstück vorhandenen Behälterbestand herangezogen zu
werden, ergibt sich - wie bereits ausgeführt - insbesondere nicht daraus, dass er
gegenüber dem Beklagten und nicht gegenüber dessen Teilrechtsvorgängerin, der bis
zum 31.12.1996 für die Abfallentsorgung zuständigen Stadt H. , einen Antrag auf
Änderung der Ausstattung seines Grundstücks mit Abfallgefäßen gestellt hat. Auch
wenn der Kläger den Antrag auf Austausch der 240- Liter-Restabfalltonne gegen eine
solche mit einem Volumen von 120 Litern anders als einige Kläger in Parallelverfahren
unmittelbar bei dem Beklagten gestellt hat, musste ihm spätestens bei Erhalt des
Gebührenbescheides Anfang 1998 bewusst werden, dass der beantragte
Behälteraustausch bislang durch ein Versehen des Beklagten unterblieben war.
Anhaltspunkte dafür, dass der Beklagte den Behälteraustausch bewusst unterlassen
hatte, lagen nicht vor, zumal der Beklagte bei Übernahme der Abfallentsorgung
ausdrücklich darauf hingewiesen hatte, dass sich die Gebühren ausschließlich an
Anzahl und Größe der Abfallbehälter orientierten und der Kläger aufgrund der erfolgten
Abholung des Bioabfallgefäßes wusste, dass der Beklagte Anträge auf Änderung der
Behälterausstattung eines Grundstücks nicht nur gebührenrechtlich umsetzt, sondern
die beantragten Änderungen des Behälterbestandes auch tatsächlich durchführt.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.
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