Urteil des VG Köln vom 29.04.2008

VG Köln: landschaftsplan, härte, sinn und zweck der norm, bebauungsplan, naturschutzgebiet, befreiung, landwirtschaft, gemeinde, anfechtungsklage, grundstück

Verwaltungsgericht Köln, 14 K 6873/05
Datum:
29.04.2008
Gericht:
Verwaltungsgericht Köln
Spruchkörper:
14. Kammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
14 K 6873/05
Tenor:
Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
T a t b e s t a n d :
1
Der Kläger war von den Eheleuten B. mit der Vermarktung ihrer ehemaligen
Grundstücke Gemarkung V. , Flur 0, Flurstücke 000, 0000, 00000, 0000, 0000, 0000 und
0000 beauftragt. Ursprünglich war er Träger der Erschließung für diese Grundstücke, die
mittlerweile verkauft worden sind.
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Die Grundstücke liegen im Geltungsbereich des Bebauungsplanes Nr. 00 „I. „ der
Gemeinde P. , der am 28. November 1974 in Kraft getreten ist. Für die südlichen Teile
der genannten Flurstücke setzt der Bebauungsplan ein allgemeines Wohngebiet fest.
Die Baugrenze fällt am nördlichen Ende mit der Grenze des Wohngebiets zusammen.
Für die weiter nördlich gelegenen Teile der genannten Flurstücke setzt der
Bebauungsplan Flächen für die Landwirtschaft fest. Vom Wendehammer „I1. „
ausgehend besteht ein Leitungsrecht für die Gemeinde P. , das dann hinter der
Baugrenze nach Osten abknickt.
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Diese - d.h. die nördlichen Teile, für die der Bebauungsplan „Flächen für die
Landwirtschaft" festsetzte - Flächen wurden am 19. April 1996 durch den
Landschaftsplan Nr. 0 „Mittlere Dhünn" des Rheinisch - Bergischen Kreises überplant.
Insoweit wurde für die Flächen ein Naturschutzgebiet, nämlich das Naturschutzgebiet
„Bechsiefen" und „Hundberger Siefen" festgesetzt. In den textlichen Festsetzungen des
Landschaftsplanes wird diesbezüglich u.a. ausgeführt:
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„A. Zur Erreichung des Schutzzwecks ist verboten:... 13. Hecken, Gebüsche, Feld- und
Ufergehölze, Einzelbäume, Baumgruppen, Baumalleen sowie Baumreihen und
Gehölzstreifen teilweise oder gänzlich zu beseitigen oder zu beschädigen....20. Flächen
außerhalb der Straßen und Wege, Park- und Stellplätze zu betreten.....24. Grünland
umzubrechen, zu drainieren oder in eine andere Nutzung zu überführen.....26. Bäume,
Sträucher, Kräuter, Stauden, sonstige Pflanzen oder Tiere einzubringen.
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E. 2.1 - 5/10: Beibehaltung der bestehenden Grünlandnutzung einschließlich der
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bestehenden Bewirtschaftungsintensität. Im Falle einer Aufgabe der Nutzung,
Entwicklung von standortgerechten, extensiven Grünlandgesellschaften durch
regelmäßige Pflegemaßnahmen sowie von artenreichen Hochstaudenfluren durch
abschnittsweise Mahd in mehrjährigem Turnus."
Am 27. April 2001 stellte der Kläger beim Rheinisch - Bergischen Kreis einen Antrag auf
Befreiung von den Ge- und Verboten des Landschaftsgesetzes NRW (LG NRW)
hinsichtlich der im Naturschutzgebiet liegenden Flächen. Er beabsichtige, unmittelbar
vor den Baugrenzen bzw. unmittelbar an das Naturschutzgebiet anliegend drei
Einfamilienhäuser zu errichten, die im Naturschutzgebiet liegenden Flächen sollten den
Häusern zugeordnet einer gärtnerischen Nutzung zugeführt werden. Die Häuser sollten
an die hintere Baugrenze bzw. an das Naturschutzgebiet gesetzt werden, da quer zum
Grundstück die Schmutz- und Regenwasserkanaltrasse für I. liege; dadurch sei die
Grenze zum linken Grundstücksbereich bereits vorgegeben. Durch die vorhandene
Nachbargrenze auf der rechten Grundstücksseite ergebe sich innerhalb des Baufensters
im Bereich des Wendehammers somit eine Straßenfront von rd. 16 m², wodurch für das
gesamte Grundstück nur eine Bebauung mit einem freistehenden Einfamilienhaus
möglich wäre. Hinsichtlich der geplanten Lage der Einfamilienhäuser wird auf Bl. 7 BA II
Bezug genommen. Mit Bescheid des Rheinisch - Bergischen Kreises vom 2. Januar
2002 wurde der Kläger von den Ge- und Verboten des Landschaftsplanes „Mittlere
Dhünn", Naturschutzgebiet „Bechsiefen" und „Hundberger Siefen" für die genannten
Flächen befreit; die Umwandlung eine gärtnerische Fläche sei möglich. Zur Begründung
wurde hier u.a. ausgeführt, dass eine nicht beabsichtigte Härte im Sinne des § 69 Abs. 1
Satz 1 Buchst. a), aa) LG NRW vorliege.
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Gegen diesen Bescheid legte die Beigeladene Widerspruch ein. Zur Begründung wurde
ausgeführt, dass eine nicht beabsichtigte Härte nicht vorliege. Der Landschaftsplan sei
nämlich in Kenntnis der Festsetzungen durch den Bebauungsplan aufgestellt und
ausgestaltet worden. Die Überlagerung der landwirtschaftlichen Nutzung durch die
Belange des Naturschutzes sei daher vom Plangeber beabsichtigt gewesen, auch
könnten die Flächen weiterhin für die Landwirtschaft genutzt werden. Eine
„Überlagerung" von Baurecht und Naturschutzrecht liege nicht vor, da das Anlegen von
Hausgärten nicht zur Landwirtschaft im Sinne von § 201 BauGB gehöre.
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In der Folge änderte der Kläger seine Planung. Ein Einfamilienhaus war bereits errichtet
worden, die Scheune war zu einem Wohnhaus umgebaut worden. Geplant sei die
Errichtung eines weiteren Wohnhauses. Dadurch komme es zu einer Reduzierung der
geplanten Inanspruchnahme des Naturschutzgebietes für Hausgärten. Hinsichtlich der
Lage der errichteten bzw. geplanten Einfamilienhäuser und der beabsichtigten
Inanspruchnahme des Naturschutzgebiets wird auf Bl. 122 BA II Bezug genommen.
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Mit Widerspruchsbescheid vom 2. November 2005 hob die Bezirksregierung Köln den
Bescheid des Rheinisch - Bergischen - Kreises auf. Eine nicht beabsichtigte Härte liege
nicht vor. Dem Normgeber des Landschafsplanes seien die baurechtlichen
Festsetzungen bekannt gewesen, die Überlagerung der landwirtschaftlichen Nutzung
durch Belange des Naturschutzes sei damit beabsichtigt gewesen. Der Normgeber
habe den status quo der Flächen schützen wollen und habe nur im Fall einer Aufgabe
der landwirtschaftlichen Nutzung eine Weiterentwicklung der Flächen im Sinne der
Schutzziele des Naturschutzgebiets beabsichtigt. Eine Nutzung der Flächen für die
unmittelbar angrenzende Bebauung sei damit gleichsam ausgeschlossen worden. Auch
liege keine Härte vor, da die vom Kläger vorgelegte Begründung darauf abzielte, dass
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eine wirtschaftliche Nutzung der Baugrundstücke ohne die beantragten Gartenflächen
nicht möglich sei; gerade wirtschaftliche Belange seien jedoch für die Beurteilung einer
Härte nicht maßgeblich. Im Übrigen habe der Kläger auch nicht belegen können, dass
die wirtschaftliche Nutzung der Grundstücke durch das Leitungsrecht tatsächlich
eingeschränkt werde. Bereits die erfolgte Änderungsplanung mache deutlich, dass bei
einer gewissen Flexibilität in der Bauausführung ein adäquate Nutzung der Grundstücke
durchaus möglich sei. Das Baufenster im rechtskräftigen Bebauungsplan sehe
ausreichend Planungsspielraum für Gebäude vor.
Am 30. November 2005 hat der Kläger Klage erhoben. Die Anfechtungsklage sei
zulässig, da er Adressat des ihn begünstigenden Bescheides vom 2. Januar 2002 sei.
Daran ändere auch der Umstand nichts, dass ursprünglich eine Verpflichtungssituation
gegeben gewesen sei.
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Die Klage sei auch begründet, da der Landschaftsplan gegen § 16 Abs. 1 Satz 3 LG
NRW in der am 19. April 1996 geltenden Fassung (LG NRW a.F.) verstoße. Der Begriff
„unbeschadet der baurechtlichen Festsetzungen" sei dahingehend zu verstehen, dass
der Landschaftsplan die baurechtlichen Festsetzungen unbeschadet, d.h. ohne
Beeinträchtigung, lassen müsse. Dagegen sei verstoßen worden. Denn im
Bebauungsplan sei als Nutzung „Fläche für die Landwirtschaft" festgehalten worden.
Zur landwirtschaftlichen Nutzung gehöre aber auch das Umbrechen von Boden, das
Düngen und das Errichten von landwirtschaftlichen Nebengebäuden; dies alles werde
vom Landschaftsplan verboten. An alldem ändere sich nicht etwa deswegen etwas, da
die Bauleitplanung ihrerseits an die Fachgesetze gebunden sei. Das Verhältnis
zwischen Landschaftsplanung und Bauleitplanung werde in § 16 LG NRW a.F. geregelt,
eine andere Ausdeutung umgehe den in § 16 LG NRW a.F. statuierten Vorrang der
Bauleitplanung.
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Jedenfalls sei der Bescheid der Beklagten vom 2. November 2005 rechtswidrig, da ihm
ein Befreiungsanspruch nach § 69 Abs. 1 Satz 1 Buchst. a), aa) LG NRW zustehe. Eine
„Härte" liege vor, da seine im Rahmen des Bebauungsplanes gegebene Baufreiheit -
die durch Art. 14 GG geschützt werde - durch den Landschaftsplan eingeschränkt
werde, da den von ihm geplanten Einfamilienhäusern eine umfassenden Nutzbarkeit
durch die landläufig üblichen Hausgärten verweigert werde. Weiter seien seine
Grundstücke besonders zugeschnitten, so dass er nur die vorliegende Form der
Bebauung habe wählen können, um seine Baufreiheit optimal auszunutzen. Auch
bestehe kein besonderes Interesse an der Einhaltung des Verbots, da die Flächen eine
geringe Schutzbedürftigkeit auswiesen und der Eingriff von geringer Intensität sei. Die
Härte sei hier auch nicht „beabsichtigt" gewesen. Zum einen stelle die beabsichtigte
Nutzung gegenüber der landwirtschaftlichen Betätigung den naturschutzrechtlich
„geringeren" Eingriff dar; wenn der Kläger die Grundstücke zu Landwirtschaftszwecken
(Acker) nutzen dürfe, so müsse er sie erst Recht als Hausgärten nutzen dürfen. Beide
Nutzungen wiesen den Grundwert 2. der Biotopwertkarte auf. Zum anderen ergehe der
Landschaftsplan nach § 16 Abs. 1 Satz 3 LG NRW a.F. „unbeschadet der
baurechtlichen Festsetzungen", daher liege dann eine nicht beabsichtigte Härte vor,
wenn durch den Landschaftsplan eben doch die baurechtlich zulässige Nutzung
eingeschränkt werde.
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Der Kläger beantragt,
14
festzustellen, dass für die Nutzung der Grundstücke, soweit sie sich im Geltungsbereich
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für die des Bebauungsplans Nr. 00 der Gemeinde P. befinden, keine Befreiung von den
Festsetzung des Landschaftsplans Nr. 0 für die Nutzung als Hausgärten erforderlich ist;
hilfsweise
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den Widerspruchsbescheid der Beklagten vom 2. November 2005 aufzuheben.
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Der Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Seiner Auffassung nach ist die Klage bereits unzulässig, da der Kläger nicht in eigenen
Rechten verletzt sei. Die landschaftsrechtlichen Festsetzungen seien
grundstücksbezogen, der Kläger sei aber weder Eigentümer noch Nutzer der
betroffenen Grundstücke. Die Adressatentheorie helfe dem Kläger nicht weiter. Diese
gelte nämlich nicht für die Verpflichtungsklage, die angegriffene Entscheidung sei aber
mit der Ablehnung seines Antrags durch die Ausgangsbehörde gleichzusetzen.
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Die Klage sei auch unbegründet. Der Landschaftsplan verstoße nicht gegen § 16 Abs. 1
Satz 3 LG NRW a.F. Im Bebauungsplan der Gemeinde P. werde die Bezeichnung als
„Fläche für die Landwirtschaft" textlich nicht weiter konkretisiert, der Begriff der
„Landwirtschaft" im Sinne des § 201 BauGB erfasse eine Vielzahl von Nutzungen. Dass
diese Vielzahl von Nutzungen auch in jedem Fall rechtlich zulässig sei, werde durch
das Bauplanungsrecht nicht rechtlich vorgegeben; insoweit seien auch
naturschutzrechtliche Schutzgebietsfestsetzungen zu beachten. Als Grünland seien die
Flächen weiterhin landwirtschaftlich nutzbar. Schließlich sei die bauleitplanerische
Festsetzung - bezogen auf den Zeitpunkt des Erlasses des Bebauungsplanes - nur
unter bauplanungsrechtlichem Aspekt erfolgt, dem Landschafplanungsrecht müsse die
Möglichkeit zustehen, die Belange des Naturschutzes und der Landschaftspflege zu
konkretisieren. Auch sei die Ausweisung verhältnismäßig, da sie lediglich den status
quo aufgreife.
21
Auch die Erteilung eine Befreiung scheide aus. Eine Härte liege nicht vor, da keine
zwingende Notwendigkeit für die Errichtung der Häuser im hinteren Bereich der
Grundstücke bestehe. Zwar möge durch das Leitungsrecht eine Bebaubarkeit
eingeschränkt werden, dies sei aber - ebenso wie die sich aus dem Bebauungsplan
ergebenden Beschränkungen - hinzunehmen. Die sich aus dem Bauplanungsrecht
ergebenden Restriktionen könnten nicht dazu führen, dass die für den Schutz eines
Naturschutzgebietes geltenden Vorschriften durchbrochen würden. Weiter sei eine
etwaige Härte nicht unbeabsichtigt. Denn der Landschaftsplan berücksichtige
vollumfänglich den bereits zu diesem Zeitpunkt gültigen Bebauungsplan. In Kenntnis
der bestehenden Baugrenzen habe der Träger der Landschaftsplanung jedoch das
Naturschutzgebiet bis an die nördliche Baugrenze hin ausgewiesen. Es könne damit
nicht davon ausgegangen werden, dass der Satzungsgeber mögliche Konflikte
hinsichtlich einer künftigen Bebauung der Grundstücke jenseits der Naturschutzgebietes
nicht erkannt habe. Vielmehr mache die Auferlegung von Entwicklungsmaßnahmen
deutlich, dass eine privatgärtnerische Nutzung der Grundstücke als kontraproduktiv
anzusehen sei; dabei komme es auf einen Vergleich der Biotopwerte letztlich nicht an.
Zwar seien die Gründflächen als solche nicht von hohem naturschutzfachlichem Wert,
sie würden jedoch als Pufferzone benötigt.
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Die Beigeladene stellt keinen Antrag. Sie tritt der Klage entgegen. Die Klage sei
unzulässig, wie der Beklagte ausgeführt habe. Sie sei aber auch unbegründet, da der
Landschaftsplan nicht gegen § 16 Abs. 1 Satz 3 LG NRW a.F verstoße. Zwar werde die
bauliche Nutzung zunächst durch den Bebauungsplan geregelt, auch gehe das LG
NRW a.F. von einem grundsätzlichen Primat der Bauleitplanung gegenüber der
Landschaftsplanung aus. Die Bauleitplanung sei jedoch ihrerseits an die einschlägigen
Fachgesetze und Vorschriften gebunden, zu diesen gehöre auch der Landschaftsplan.
Auch werde hier eine landwirtschaftliche Nutzung durch die Festsetzungen des
Landschaftsplans keineswegs vereitelt, die betreffenden Grundstücke könnten als
Grünland für Weide- oder Mahdzwecke genutzt werden. Auch die Voraussetzungen für
die Erteilung einer Befreiung seien nicht gegeben; insoweit werde auf den
angegriffenen Bescheid Bezug genommen.
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Wegen weitere Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der
Gerichtsakte und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge des Beklagten verwiesen.
24
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e:
25
Die Klage hat keinen Erfolg. Hinsichtlich des Hauptantrags ist sie sowohl unzulässig,
wie auch unbegründet. Mit dem Hauptantrag ist die Klage bereits deshalb unzulässig,
da der Kläger nicht klagebefugt im Sinne des § 42 Abs. 2 VwGO ist. Nach dieser -
entsprechend angewendeten - Vorschrift ist eine Klage nur zulässig, wenn der Kläger
geltend macht, dass er in seinen Rechten verletzt sein kann. Solche eigenen Rechte
des Klägers - die durch die Festsetzungen des Landschaftsplanes betroffen sein
könnten - sind hier nicht ersichtlich. Der Kläger ist weder Eigentümer noch Besitzer der
durch den Landschaftsplan überplanten Grundstücke, er nutzt sie auch nicht. Einen
Bauantrag hat er nicht gestellt, auch ist die Bebauung vollständig abgeschlossen. Er
mag in der Vergangenheit die Flächen erschlossen haben, diese Erschließung ist aber
nunmehr - nach der Bebauung der Flächen und deren Veräußerung - abgeschlossen.
Ob dem Kläger als zur Bebauung Ermächtigten eine Klagebefugnis zugestanden hätte,
kann dahinstehen, da er nie zur Bebauung ermächtigt war bzw. ist. Soweit sich Rechte
des Klägers aus dem Bescheid des Rheinisch - Bergischen Kreises vom 2. Januar 2002
ergeben mögen, ist die Anfechtungsklage vorrangig (§ 43 Abs. 2 VwGO).
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Vgl. zur Klagebefugnis des zur Bebauung Ermächtigten einerseits Kopp/Schenke,
VwGO, 15. Aufl. 2007, § 47 Rdnr. 70; Ziekow, in: Sodan/Ziekow, VwGO, 2. Aufl. 2006, §
47 Rdnr. 217, andererseits Schmidt, in: Eyermann, VwGO, 12. Aufl. 2006§ 47 Rdnr. 48;
Gerhardt/Bier, in: Schoch/Schmidt - Aßmann/Pietzner, VwGO, Stand September 2007, §
47 Rdnr. 59a.
27
Daher kann dahinstehen, ob die Feststellungsklage auch deswegen unzulässig ist, da
sie sich möglicherweise gegen den falschen Klagegegner richtet bzw. da dem Kläger
das berechtigte Interesse an der baldigen Feststellung im Sinne des § 43 Abs. 1 VwGO
möglicherweise deswegen fehlt, da die von ihm beabsichtigte Nutzung der unter
Naturschutz stehend Flächen - ungeachtet der streitigen landschaftsrechtlichen
Verbotsregelung - , bereits aus anderen, nämlich aus bauplanungsrechtlichen Gründen,
unzulässig ist.
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Die Feststellungsklage ist ungeachtet ihrer Unzulässigkeit auch unbegründet. Der
Kläger hat keinen Anspruch auf die begehrte Feststellung, da der Landschaftsplan Nr. 4
„Mittlere Dhünn", Naturschutzgebiet N5 „Bechsiefen und Hundberger Siefen" auch
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insoweit wirksam ist, als sein Geltungsbereich den Bebauungsplan Nr. 00 „I. „ der
Gemeinde P. überlagert. Maßgeblich für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit einer
untergesetzlichen Norm - hier der Satzung nach dem LG NRW (vgl. § 16 Abs. 2 Satz 1
LG NRW) - ist die im Zeitpunkt der Beschlussfassung des zuständigen Normgebers
über ihren Erlass geltende Sach- und Rechtslage. Zum Zeitpunkt des Erlasses des
genannten Landschaftsplanes - dem 19. April 1996 - lautete § 16 Abs. 1 Satz 3 LG NRW
a.F. wie folgt: „Soweit ein Bebauungsplan die land- oder forstwirtschaftliche Nutzung
oder Grünflächen festsetzt und diese im Zusammenhang mit dem baulichen
Außenbereich stehen, kann sich der Landschaftsplan unbeschadet der baurechtlichen
Festsetzungen auch auf diese Flächen erstrecken; Festsetzungen nach § 26 Nr. 5 sind
insoweit nicht zulässig."
Diese Bestimmung kann jedenfalls nicht dahingehend verstanden werde, dass mit ihr
alle nach dem Bebauungsplan zulässigen Nutzungen - auch soweit sie noch nicht
verwirklicht worden sind - durch den Landschaftsplan nicht beeinträchtigt werden dürfen.
Der Bedeutungsgehalt des Wortes „unbeschadet" ist offen. „Unbeschadet" kann sowohl
dahingehend verstanden werden, dass damit „ohne Rücksicht auf, ungeachtet, trotz"
gemeint ist, als auch dahingehend, dass damit „ohne Schaden, ohne Nachteil für",
ausgedrückt werden soll.
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Vgl. Duden, Das große Wörterbuch der deutschen Sprache, 2. Aufl. 1995.
31
Die Entstehungsgeschichte der Vorschrift spricht allerdings deutlich dafür, dass
„unbeschadet" hier eher im Sinne von „ohne Rücksicht auf, ungeachtet, trotz" gemeint
ist. In den Materialien zum ersten LG NRW heißt es: „Nach Absatz 1 ist der räumliche
Geltungsbereich des Landschaftsplanes grundsätzlich auf den Außenbereich im Sinne
von § 19 Abs. 1 und 2 BBauG beschränkt. Diesen Außenbereich soll die
Landschaftsplanung flächendeckend erfassen. Ausnahmsweise kann sie sich allerdings
dann auf den Geltungsbereich von Bebbauungsplänen erstrecken, wenn diese für
bestimmte Flächen nichts anderes als die land - oder forstwirtschaftliche Nutzung
vorsehen".
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Vgl. LT Drucks. 7/3263, S. 45.
33
Auch systematische Erwägungen sprechen dagegen, dass mit § 16 Abs. 1 Satz 3 LG
NRW a.F. alle nach dem Bebauungsplan zulässigen Nutzungen - auch soweit sie noch
nicht verwirklicht worden sind - durch den Landschaftsplan nicht beeinträchtigt werden
dürfen. Zum einen würde der Landschaftsplan - von seiner zeitlichen Bindung
abgesehen (vgl. § 29 Abs. 4 LG NRW) - dann keinerlei Wirkungen mehr entfalten. Zum
anderen bliebe dem Plangeber von Landschaftsplänen, deren Plangebiet sich auch auf
durch Bebauungspläne mit Festsetzungen „land- oder forstwirtschaftliche Nutzung" oder
„Grünflächen" überplante Gebiete erstreckt, dann nur die Möglichkeit in dem
Landschaftsplan den Wortlaut der bebauungsrechtlichen Festsetzungen zu
wiederholen. Denn sonst ginge er das Risiko ein, dass der Landschaftsplan unwirksam
ist, da die landschaftsschutzrechtlichen Festsetzungen in irgendeiner Weise nicht mit
den bebauungsrechtlichen Festsetzungen übereinstimmten. Dadurch würden im
Ergebnis bebauungsrechtliche Festsetzungen in das Landschaftsschutzrecht
„eingepflanzt", obschon beide Rechtsgebiete unterschiedlichen Zwecksetzungen
dienen und sich in der Folge auch unterschiedlicher Begrifflichkeiten bedienen.
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Auch Sinn und Zweck der Norm sprechen dagegen, dass mit § 16 Abs. 1 Satz 3 LG
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NRW a.F. alle nach dem Bebauungsplan zulässigen Nutzungen - auch soweit sie noch
nicht verwirklicht worden sind - durch den Landschaftsplan nicht beeinträchtigt werden
dürfen. § 16 Abs. 1 Satz 3 LG NRW a.F. erstreckt die Geltungsmöglichkeit von
Landschaftsplänen auf Flächen, die zwar beplant sind, aber wegen ihres
Zusammenhanges mit dem Außenbereich und den erfolgten Festsetzungen sich
faktisch als - besonders schutzwürdiger - „grüner Außenbereich" darstellen. Wenn dem
so ist, so müssen in diesen Gebieten alle landschaftsschutzrechtlichen Festsetzungen
möglich sein, die auch im „normalen" Außenbereich zulässig sind. Im Übrigen setzt der
Landschaftsschutz grundsätzlich in besondere Weise auf dem „status quo" der Nutzung
von Natur und Landschaft auf. Von daher ist es aber grundsätzlich nicht geboten,
bislang noch nicht verwirklichte Nutzungen zu berücksichtigen.
Vgl. dazu Schink, Naturschutz und Landschaftspflegerecht Nordrhein - Westfalen, 1989,
Rdrn. 654 ff., 661 ff.
36
Nach alledem kann § 16 Abs. 1 Satz 3 LG NRW a.F. nicht dahingehend verstanden
werden, dass alle nach dem Bebauungsplan zulässigen Nutzungen - auch soweit sie
noch nicht verwirklicht worden sind - durch den Landschaftsplan nicht beeinträchtigt
werden dürfen. Dies wird durch die derzeit geltende Fassung dieser Vorschrift - § 16
Abs. 1 Satz 4 LG NRW - bestätigt; in dieser Vorschrift wird ausdrücklich festgehalten,
dass im Landschaftsplan im Verhältnis zum Bebauungsplan „weitergehende
Maßnahmen" festgesetzt werden können. Aus all diesen Gründen liegt damit hier ein
Verstoß gegen § 16 Abs. 1 Satz 3 LG NRW a.F. nicht vor. Die streitgegenständlichen
Grundstücke - soweit sie mit dem Landschaftsplan überplant wurden - wurden bereits
vor der Überplanung als Grünland genutzt und sie können nach wie vor - allerdings nur
als Grünland - weiter landwirtschaftlich genutzt werden können.
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Ein möglicherweise anderes Verständnis des § 16 Abs. 1 Satz 3 LG NRW findet sich bei
Schink, a.a.O., Rdnr. 461 und - wörtlich wiederholend - Stollmann, Landschaftsgesetz
NRW, Stand August 2005, § 16 Anm. 4.1.4. Der Gesetzgeber des LG NRW in seiner
derzeit geltenden Fassung ging allerdings davon aus, dass die derzeit gültige Fassung
nur das deklaratorisch wiedergebe, was ohnehin schon früher gegolten habe, vgl. LT
Drucks. 14/3144, S. 85.
38
Die Klage hat auch mit dem Hilfsantrag keinen Erfolg. Dabei kann dahinstehen, ob die
Klage insoweit mangels Rechtsschutzbedürfnis deshalb unzulässig ist, da die vom
Kläger beabsichtigte Nutzung der unter Naturschutz stehend Flächen - ungeachtet der
Versagung der Befreiung - , bereits aus anderen Gründen nicht möglich ist (siehe Oben).
Jedenfalls ist die Anfechtungsklage unbegründet. Der Bescheid des Beklagten vom 2.
November 2005 ist rechtmäßig; daher kann dahinstehen, ob er den Kläger in seinen
Rechten verletzte, falls er rechtswidrig wäre (vgl. § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
39
Nach § 69 Abs. 1 Satz 1 Buchst. a) aa) LG NRW kann von den Ge- und Verboten des
Landschaftsplans u.a. dann eine Befreiung erteilt werden, wenn die Durchführung der
Vorschrift im Einzelfall zu einer nicht beabsichtigten Härte führen würde. Nach
gefestigter Rechtsprechung wird das Tatbestandsmerkmal der "im Einzelfall nicht
beabsichtigten Härte", das dem des § 62 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Buchst. a) BNatSchG
entspricht und sich rechtsähnlich in zahlreichen anderen Regelungsbereichen findet
(vgl. etwa § 31 Abs. 2 Nr. 3 BauGB) nach allgemeinem Verständnis gekennzeichnet
durch das Erfordernis eines atypischen Sachverhalts. Das Instrument der Befreiung aus
Gründen einer nicht beabsichtigten Härte kann vorbehaltlich weiterer Voraussetzungen
40
nur für solche Fälle herangezogen werden, in denen die Anwendung der Ge- oder
Verbotsnorm zwar ihrem Tatbestand nach, nicht jedoch nach ihrem normativen Gehalt
"passt", wenn mithin die Anwendung der Rechtsvorschrift im Einzelfall zu einem
Ergebnis führen würde, das dem Normzweck nicht mehr entspricht und deshalb
normativ so nicht beabsichtigt ist. Dabei kann allein auf grundstücksbezogene
Umstände zurückgegriffen werden.
Vgl. zu alldem OVG NRW, Urteile vom 19. Januar 2001 - 8 A 2049/99 - , vom 21. Juli
1999 - 10 A 1609/99 -, NVwZ-RR 2000, S. 210 f. und vom 17. November 2000 - 8 A
2720/98 - m.w.N. Vgl. zu § 31 Abs. 1 Nr. 1 a BNatG auch: BVerwG, Beschluss vom 14.
September 1992 - 7 B 130.92 - , NVwZ 1993, S. 583 f.
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Eine solche nicht beabsichtigte Härte liegt hier nicht vor. Der Plangeber der
Landschaftsplanes Nr. 0 „Mittlere Dhünn" wollte im Rahmen der Festsetzungen für das
Naturschutzgebiet „Bechsiefen" und „Hundberger Siefen" und der textlichen
Festsetzungen E. 2.1 - 5/10 ersichtlich die Anlage von Hausgärten untersagen. Insoweit
kann dahinstehen, ob sich im Rahmen des § 69 Abs. 1 Satz 1 Buchst. a) aa) LG NRW
eine nicht beabsichtigte Härte auch daraus ergeben kann, dass Flächen, die außerhalb
des Landschaftsschutzplanes liegen, in ihrer Bebaubarkeit faktisch durch den
Landschaftsschutzplan begrenzt werden. Jedenfalls liegt insoweit eine „Härte" schon
deshalb nicht vor, da die Bebaubarkeit hier nicht ausgeschlossen, sondern nur
ausgestaltet wird. Die Lage der Grundstücke am Wendehammer mag zwar dazu führen,
dass diese „besonders" geschnitten sind. Indes hat dies nicht zur Folge, dass sie
unbebaubar wären. Dies zeigt sich schon daran, dass der Kläger eine Vielzahl von
Planungsvorstellungen gehabt hat (Bebauung nur mit einem Haus zuzüglich
Hausgarten, Bebauung mit drei Häusern ohne Garten, Bebauung mit zwei neuen
Häusern und „Ausbau" der Scheune), von denen er dann auch eine verwirklicht hat.
Dass der Kläger das Grundstück bei Erteilung einer Befreiung wirtschaftlich besser
ausnützten könnte, begründet keine Härte. Das Leitungsrecht beeinträchtigt die
Bebaubarkeit allenfalls geringfügig. Allein der Umstand, dass eine etwa nach Art. 14
Abs. 1 GG grundsätzlich geschützte Baumöglichkeit bestand, die nunmehr
eingeschränkt - nicht aber etwa vereitelt - wird, begründet noch keine „Härte" im Sinne
der Vorschrift, da die Beeinträchtigung baulicher Möglichkeiten typische Folge
landschaftsschutzrechtlicher Festsetzungen ist. Dabei kann dahinstehen, ob im Rahmen
der Ausfüllung des Begriffs der „Härte" auch berücksichtigt werden kann, dass die
vorhandene Gründlandnutzung und die geplante Gartennutzung möglicherweise den
nämlichen Biotopwert aufweisen (wogegen allerdings bereits §§ 69 Abs. 1 Satz 1
Buchst. a) aa) letzter Halbsatz, 4a Abs. 2 LG NRW sprechen). Jedenfalls werden die
Flächen als Pufferzonen benötigt. Im Übrigen wäre eine etwaige Härte auch
beabsichtigt. Der Bebauungsplan sieht hinsichtlich der Straße „I1. „ an ihrem Ende
einen Wendehammer vor, dass an einem Wendehammer gelegene Grundstücke einen
besonderen Zuschnitt haben, ist offensichtlich. Begrenzt der Plangeber die
Bebaubarkeit der an diesem Wendehammer gelegenen Grundstücke durch die
Ausweisung als Na- turschutzgebiet, ist dies die Auswirkung einer bewussten
Planungskonzeption. Die Bebaubarkeit der am hinteren Ende des Wendehammers
gelegenen Grundstücke soll nicht dazu führen, dass die Bebauung ausufert. Dies gilt
umso mehr, als dass dem Landschaftsschutzplangeber sowohl der Bebauungsplan Nr.
00 „I. „, als auch die Lage der Grundstücke am Wendehammer „I1. „ offensichtlich
bekannt war. Gleichwohl hat er das Naturschutzgebiet wie erfolgt festgesetzt. Nach
alldem kann dahinstehen, ob hier die Erteilung einer Befreiung schon deshalb
ausscheidet, da der Kläger persönlich durch eine Härte noch nicht einmal im Ansatz
42
getroffen wird.
Vgl. zur Notwendigkeit von Pufferzonen Bay.VGH, Urteil vom 29. Juli 2005 - 9 N 03.690
- ; OVG SH, Urteil vom 8. Juli 2004 - 1 KN 42/03 - ; VG Köln, Urteil vom 1. März 2007 -
14 K 7399/04 - ; Stollmann, a.a.O., § 21 Anm. 2.
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Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 154 Abs. 1, 162, 154 Abs. 3 VwGO. Die
Erstattung der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen war dem Kläger nicht
aufzuerlegen, da die Beigeladene keinen Antrag gestellt und sich damit einem
Kostenrisiko für den Fall des Unterliegens der Beklagten nicht ausgesetzt hat.
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Berufungszulassungsgründe nach § 124 Abs. 2 Nr. 3 oder Nr. 4 liegen nicht vor.
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