Urteil des VG Köln vom 24.09.2007

VG Köln: arzneimittel, kommission, schwierigkeit des verfahrens, beitrag, medizinisches gutachten, psychische störung, bestandteil, druck, therapie, anwendungsbereich

Verwaltungsgericht Köln, 24 K 2271/04
Datum:
24.09.2007
Gericht:
Verwaltungsgericht Köln
Spruchkörper:
24. Kammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
24 K 2271/04
Tenor:
Die Klage wird abgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
T a t b e s t a n d
1
Die Klägerin zeigte am 8. Mai 1978 gemäß Art. 3 § 7 Abs. 2 Satz 1 des Gesetzes zur
Neuordnung des Arzneimittelrechts (AMNG) das im Verkehr befindliche homöo-
pathische Fertigarzneimittel „T. „ beim Bundesgesundheitsamt (BGA) in der
Darreichungsform „Injektionslösung" an. Die wirksamen Bestandteile des Präparats
wurden dabei - bezogen auf 100 ml - wie folgt angegeben:
2
„Strophanthus D 6 1 ml Arsenicum album D 10 1 ml Aconitum D 6 1 ml Latrodectus
mactans D 10 1 ml Acidum L (+) - lacticum D 4 1 ml Spigelia D 4 1 ml Cactus D 3 1 ml
Veratrum D 4 1 ml Aethusa D 8 1 ml Tabacum D 10 1 ml Glonoinum D 4 1 ml Carbo
vegetabilis D 10 1 ml Tormentilla D 6 1 ml"
3
Zu den Anwendungsgebieten führte die Klägerin aus:
4
„Antihomotoxischer Regulationseffekt bei Durchblutungsstörungen des Herzens, zur
Prophylaxe und Therapie des Myokardinfarktes „
5
In dem am 20. November 1989 eingegangenen sog. Kurzantrag blieben die An- gaben
zu den wirksamen Bestandteilen sachlich im Wesentlichen unverändert. Zu den
Anwendungsgebieten hieß es:
6
„Die Anwendungsgebiete entsprechen den homöopathischen Arzneimittelbildern. Dazu
gehören Durchblutungsstörungen des Herzens. Zur Nachbehandlung nach
Myokardinfarkt."
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Dem entsprachen die Angaben in dem am 20. September 1993 eingegangenen sog.
Langantrag. In diesem verwies die Klägerin auf verschiedene Aufbereitungsmo-
nographien der einzelnen Wirkstoffe. Der Wortlaut der Anwendungsgebiete entspre- che
nicht dem der Monographien.
8
Unter dem 10. Mai 2001 übersandte die Beklagte der Klägerin eine formale
pharmazeutische Stellungnahme, eine Stellungnahme zur Qualität und eine weitere
Stellungnahme zur Toxikologie/Klinik und Pharmakologie. Sie gab der Klägerin Ge-
legenheit, den daraus ersichtlichen Mängeln binnen 12 Monaten abzuhelfen. In der
Stellungnahme zur Klinik (Dr. Q. H. ) ist u.a. ausgeführt:
9
„... Das vorliegende Arzneimittel ist eine Kombination aus 13 Bestandteilen. Für die
Bestandteile Acidum arsenicosum, Acidum lacticum, Veratrum album, Aethusa
cynapium, Carbo vegetabilis und Potentilla erecta kann ein Beitrag zur positiven
Beurteilung des vorliegenden Arzneimittels aus den Monographien der Kommission D
nicht abgeleitet werden. Zu Potentilla erecta liegt eine Negativmono- graphie vor.
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Präparatspezifisches Erkenntnismaterial zum Beleg der Wirksamkeit und Unbe-
denklichkeit wurde nicht vorgelegt.
11
Nach dem derzeitigen Stand der wissenschaftlichen Erkenntnisse ist daher eine positive
Nutzen/Risiko-Bewertung nicht möglich. Eine Verlängerung der Zulassung wird nicht
befürwortet.
12
Für die verbleibenden Bestandteile kann das beantragte Anwendungsgebiet in der
vorliegenden Form nicht akzeptiert werden. Die geänderte Indikation „Druck- und
Beklemmungsgefühl in der Herzgegend (pectanginöse Beschwerden)" wird durch die
Monographien ausreichend belegt. Eine Kombinationsbegründung liegt vor.
13
Die intramuskuläre Injektion bei akuten pectanginösen Beschwerden ist aus me-
dizinischer Sicht grundsätzlich kontraindiziert, da durch die damit verbundene Krea-
tinkinaseerhöhung eine zuverlässige Enzymdiagnostik zum Ausschluß eines Myo-
kardinfarktes erschwert wird. ..."
14
Mit Anschreiben vom 5. Mai 2002 übersandte die Klägerin eine Antwort auf das
Mängelschreiben. Unter Beifügung einer entsprechenden Änderungsanzeige verzich-
tete sie bei im Übrigen unveränderten Mengen auf die arzneilich wirksamen Bestand-
teile „Acidum sarcolaticum", „Aethusa" und „Tormentilla". Die Bezeichnung des Arz-
neimittels änderte sie in „T. N". Die Beschreibung des Anwen- dungsgebietes passte sie
an den Vorschlag aus der klinischen Stellungnahme Dr. Q. H. an, mithin „... Dazu
gehören: Druck- und Beklemmungsgefühl in der Herzgegend (pectanginöse
Beschwerden). ..." Zur Begründung der Sinnhaftigkeit der Kombination sowie der
Wirksamkeit und Unbedenklichkeit des Arzneimittels in seiner geänderten Form legte
die Klägerin ein medizinisches Gutachten von Dr. H1. I. , Dr. H2. L. und Dr. N. X. vor.
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In ihrer 19. Sitzung am 9. Oktober 2002 sprach sich die Kommission D beim
Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) für eine Versagung der
Verlängerung der Zulassung des geänderten Arzneimittels aus.
16
Mit Bescheid vom 27. Februar 2004 versagte die Beklagte die Verlängerung der
Zulassung nach § 105 AMG (Nachzulassung) für das streitbefangene Arzneimittel, da
die mitgeteilten Beanstandungen nicht innerhalb der gesetzten Frist vollständig beseitigt
worden seien. Der Antrag weise Mängel auf. Das Arzneimittel sei nicht nach dem
jeweils gesicherten Stand der wissenschaftlichen Erkenntnis ausreichend geprüft, seine
therapeutische Wirksamkeit sei nach dem jeweils gesicherten Stand der
wissenschaftlichen Erkenntnisse unzureichend begründet und es fehle eine
17
ausreichende Begründung dafür, dass jeder arzneilich wirksame Bestandteil einen
Beitrag zur positiven Beurteilung des Arzneimittels leiste. Die Klägerin beziehe sich zum
Beleg der Wirksamkeit und Unbedenklichkeit auf die Aufbereitungsmonographien der
Kommission D zu den Einzelbestandteilen. Für die Bestandteile „Acidum arsenicosum",
„Carbo vegetabilis" und „Veratrum album" sei ein Beitrag zur positiven Beurteilung des
Arzneimittels aus den Monographien nicht ableitbar. Die im Gutachten erwähnten
Literaturzitate hätten der Kommission D im Zeitpunkt der Monographieerstellung
größtenteils bereits vorgelegen und für die drei genannten Bestandteile gerade nicht die
Aufnahme des Anwendungsgebietes „pectanginöse Beschwerden" zur Folge gehabt.
Später erstellte Literatur weise auf deren Anwendung bei schweren organischen
Herzerkrankungen. Diese seien nicht Bestandteil der nunmehr beanspruchten
Anwendungsgebiete. Das Sachverstän- digengutachten liefere keine neuen
Erkenntnisse zur Sinnhaftigkeit der Kombination. Die Ausführungen der Gutachter zur
Pathophysiologie der Herzinsuffizienz gingen fehl. Sie entsprächen nicht dem
Selbstverständnis der homöopathischen Therapierichtung, die streng individuell und
symptombezogen sei. Über die Monographien der Kommission D hinausgehende
Indikationsangaben seien nach dem Stand der wissenschaftlichen Erkenntnis
präparatspezifisch ausreichend zu begründen. Entsprechendes Erkenntnismaterial
habe die Klägerin nicht vorgelegt. Der Bescheid wurde der Klägerin am 1. März 2004
zugestellt.
Diese hat am 22. März 2004 Klage erhoben. Zu Begründung trägt sie im Wesentlichen
vor: Ein Versagungsgrund bestehe nicht. Insbesondere habe sie belegt, dass jeder der
verbliebenen Bestandteile einen Beitrag zur positiven Beurteilung des Arzneimittels
leiste. Die Klägerin verweist in diesem Zusammenhang auf das vorgelegte Gutachten I.
/L. /X. und die dort aufgeführte Literatur, die den Anforderungen an weiteres
wissenschaftliches Erkenntnismaterial zum Beleg der therapeutischen Wirksamkeit des
Arzneimittels genüge. Die Indikationsangaben der Monographien der Kommission D
seinen nicht abschließend. Es sei daher möglich, auch aus derjenigen Literatur
weitergehende Indikationen herzuleiten, welche der Kommission bei
Monographieerstellung bereits vorgelegen habe. Die Wirksamkeit der homöopathischen
Einzelmittel ergebe sich primär aus dem Vergleich der Symptomatik der in Anspruch
genommenen Anwendungsgebiete mit den in den Arzneimittelbildern niedergelegten
Arzneimittelprüfsymptomen. Hierzu habe sie umfangreiches Erkenntnismaterial
vorgelegt. Die Angaben der Anwen- dungsgebiete im Rahmen der
Aufbereitungsmonographien der Kommission D seien demgegenüber lediglich
beispielhaft. Auch seien die Anforderungen an eine zureichende
Kombinationsbegründung erfüllt. Dessen ungeachtet sei der Versagungsgrund des § 25
Abs. 2 Nr. 5a AMG restriktiv zu interpretieren. Auch dürfte er mit Art. 26 Abs. 1 der RL
2001/83/EG unvereinbar sein, der lediglich drei materielle Versagungsgründe aufführe.
Der Versagungsgrund einer nicht ausreichenden Kombinationsbegründung lasse sich
keinem von diesen zuordnen. Auch lasse sich die Versagung nicht mit der Schwere des
den pectanginösen Beschwerden möglicherweise zugrunde liegenden Krankheitsbildes
begründen. Der Anwendungsbereich des Präparats betreffe nicht schwere organische
Herzerkrankungen, sondern ziele auf eine deutlich leichtere Indikation. Zudem habe die
Beklagte für sieben der zehn Bestandteile den Beleg der Wirksamkeit für das
Anwendungsgebiet selbst bejaht. Mit der im Sachverständigengutachten ausgewerteten
Literatur zur Wirksamkeit der übrigen drei Bestandteile habe sich die Kommission D in
ihrer Sitzung vom 9. Oktober 2002 inhaltlich nicht auseinanderge- setzt.
18
Die Klägerin verweist außerdem auf die Bestimmung des § 105 Abs. 4a Satz 2 AMG
19
und begehrt die Anordnung des Ruhen des Verfahrens mit Blick auf das beim
Bundesverwaltungsgericht anhängige Revisionsverfahren 3 C 24.07. Dieses sei
teilweise vorgreiflich, weil das Bundesverwaltungsgericht die Revision mit der
Begründung zugelassenen habe, das Revisionsverfahren diene der grundsätzlichen
Klärung der Frage, welche Anforderungen an die Begründung, dass jeder arzneilich
wirksame Bestandteil einen Beitrag zur positiven Beurteilung des Arzneimittels leistet,
im Hinblick auf die genannte Bestimmung zu stellen seien. Außerdem habe das
Bundesverwaltungsgericht in seinem Urteil vom 21. Juni 2007 - 3 C 39.06 - ausgeführt,
dass § 105 Abs. 4a Satz 2 AMG bei der Entscheidung über die Nachzulassung
homöopathischer Arzneimittel allgemein zu berücksichtigen sei. Die Vorschrift
überlagere daher alle von der Beklagten angeführten Versagungsgründe. Nach dem
klaren Wortlaut der Norm gelte die Verpflichtung zur Vorlage der Ergebnisse klinischer
Prüfungen für nachzuzulassende homöopathische Arzneimittel gerade nicht.
Demzufolge sei auch kein ersetzendes Erkenntnismaterial im Sinne von § 22 Abs. 3
AMG vorzulegen.
Die Klägerin begehrt die Rückübertragung des Rechtsstreits auf die Kammer und
verweist auf die ihrer Ansicht nach bestehende grundsätzliche Bedeutung und die
besondere Schwierigkeit des Verfahrens.
20
In der Sache beantragt sie,
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die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides des Bundesinstituts für Arzneimittel und
Medizinprodukte vom 27. Februar 2004 zu verpflichten, über ihren Antrag auf
Verlängerung der Zulassung für das Fertigarzneimittel „T. N" unter Beachtung der
Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu entscheiden.
22
Die Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen.
24
Für die Bestandteile „Acidum arsenicosum", „Carbo vegetabilis" und „Veratrum album"
sei ein Beitrag zur positivem Bewertung des Arzneimittels im Hinblick auf das
beanspruchte Anwendungsgebiet aus den Monographien nicht ableitbar. „Arsenicum
album" sei nur bezüglich „Entzündungen aller Schweregrade in allen Geweben und
Organen; schwere Infektionen; Verschleißkrankheiten; gutartige, bösartige
Gewebewucherungen, Verstimmungszustände", „Carbo vegetabilis" bezüglich
„Krampfaderleiden, Entzündungen der Atemwege, Heiserkeit; Schwäche der
Verdauungsorgane mit Blähsucht, Schleimhautblutung, Herz- und Kreislaufschwäche"
und „Veratrum album" bezüglich „Drohendes Kreislaufversagen bei
Infektionskrankheiten, Durchfallerkrankung, Nervenschmerzen; Gemütsleiden mit
Antriebssteigerung" monographiert. Ein eigenes homöopathisches Arzneimittelbild für
die Kombination habe die Klägerin nicht erstellt. Nach den Bewertungskriterien der
Kommission D für fixe Kombinationen homöopathischer Einzelmittel (BAnz 100 vom 5.
Juni 1997) müssten Kombinationen so zusammengesetzt sein, dass sich die
Arzneimittelbilder der Einzelbestandteile hinsichtlich des Indikationsanspruchs glichen
oder ergänzten. Hierbei müsse der Indikationsanspruch ein Krankheitszustand, eine
Funktionsstörung, ein Syndrom oder eine pathologische Ein- heit bekannter Art sein.
Der Indikationsanspruch der Kombination sei nicht identisch mit der Summe der
Indikationsansprüche der Einzelmittel.
25
Die im Sachverständigengutachten I. /L. /X. angeführten Literaturzitate erfüllten nicht die
an wissenschaftliches Erkenntnismaterial zu stellenden Anforderungen. Die zitierte
Literatur sei nicht beigefügt gewesen, so dass nicht erkennbar gewesen sei, ob die
entsprechenden Textstellen sachgerecht wiedergegeben worden seien und ob die
beanspruchten Anwendungsgebiete einen Schwerpunkt des jeweiligen Bestandteils
darstellten. Letzteres sei aber notwendig, weil die mit der beanspruchten Indikation
verbundenen Beschwerden auch durch gut bestätigte Charakteristika des jeweiligen
Bestandteils repräsentiert sein müssten. Dies lasse sich den vorgelegten Unterlagen
nicht entnehmen.
26
Das vorgelegte Erkenntnismaterial sei nach Auffassung der Kommission D überdies nur
ausreichend für eine Indikationsanspruch Grad I („Besserung von Symptomen ohne
Nennung eines/r bestimmten Erkrankung, Störung/Zustands oder leichte
Erkrankungen"). Bei der beanspruchten Indikation handele es sich jedoch nicht um eine
leichte Erkrankung, da das Auftreten von pectanginösen Beschwerden häufig auf eine
gravierende organische oder psychische Störung hinweise und immer einer
diagnostischen Klärung, oft auch eine sorgfältigen kausalen Therapie bedürfe.
27
Anlass für ein Ruhen des Verfahrens bestehe nicht. Auf die in dem von der Klägerin
angeführten Revisionsverfahren aufgeworfene Rechtsfrage komme es vorliegend nicht
an, weil für die Bestandteile „Acidum arsenicosum", „Carbo vegetabilis" und „Veratrum
album" ein Wirksamkeitsbeitrag im Hinblick auf das beanspruchte Anwendungsgebiet
nicht ableitbar sei.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der
Gerichtsakte und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge des BfArM Bezug
genommen.
29
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
30
Die Entscheidung ergeht gemäß § 6 Abs. 1 VwGO durch den Einzelrichter. Anlass, den
Rechtsstreit nach Absatz 3 der Vorschrift auf die Kammer zurückzuübertragen, besteht
ungeachtet des Umstandes, dass dies eine wesentliche Änderung der Prozesslage
voraussetzt, nicht. Der Rechtsstreit weist weder besondere Schwierigkeiten
tatsächlicher oder rechtlicher Art auf noch hat er grundsätzliche Bedeutung. Dies folgt -
jenseits der mit dem Wirksamkeitsbeleg bei homöopathischen Arzneimitteln
verbundenen Rechtsfragen - schon daraus, dass die Beklagte die Nachzulassung
bereits deshalb zu Recht versagt hat, weil die mit der Anzeige im Jahre 1978
entstandene fiktive Zulassung des Arzneimittels nicht fortbesteht. Die Übertragung des
Rechtsstreits ist auch nicht etwa deshalb unwirksam, weil sie vor der abschließenden
Stellungsnahme der Klägerseite zu dem Anhörungsschreiben nach dem Wechsel ihres
Prozessbevollmächtigten erfolgte.
31
Vgl. BVerwG, Urteil vom 10. November 1999 - 6 C 30.98 -, BVerwGE 110, 40- 61 =
NVwZ 2000, 1290-1296. Anlass, das Ruhen des Verfahrens nach § 173 VwGO i.V.m. §
251 ZPO anzuordnen, resp. zu einer Aussetzung des Verfahrens in analogen
Anwendung des § 94 VwGO besteht entgegen der Auffassung der Klägerin nicht, da es
auf die im Beschluss des Bundesverwaltungsgerichtes vom 20. August 2007 - 3 B 7.07 -
aufgeworfene Rechtsfrage für das vorliegende Verfahren nicht entscheidend ankommt.
Ein weiterer Aufschub der Entscheidung wäre folglich nicht sachgerecht.
32
Die Klage ist nicht begründet.
33
Der Bescheid der Beklagten vom 27. Februar 2004 ist rechtmäßig und verletzt die
Klägerin nicht in ihren Rechten. Diese hat keinen Anspruch auf eine Neubescheidung
ihres Antrags auf Verlängerung der Zulassung (Nachzulassung) des streitbefangenen
Arzneimittels (§ 113 Abs. 5 VwGO).
34
Die Entscheidung der Beklagten trifft schon deshalb im Ergebnis zu, weil die Klägerin
mit der unter dem 5. Mai 2002 übersandten Änderungsanzeige die Anwendungsgebiete
des Arzneimittels unzulässig geändert hat.
35
Maßgebend für die Beurteilung einer Änderungsanzeige ist das im Zeitpunkt des
Eingangs der Anzeige geltende Recht,
36
vgl. u.A. OVG Berlin, Urteile vom 31. Oktober 2002 - 5 B 24.00 - und 5 B 25.00 -; zuletzt:
Urteil der Kammer vom 7. Juni 2006 - 24 K 5658/03 -,
37
hier also § 105 Abs. 3a AMG in der Fassung des Zehnten Gesetzes zur Änderung des
Arzneimittelgesetzes vom 4. Juli 2000 (BGBl. I S. 1002). Insoweit bestanden zwar die
gegenüber § 29 Abs. 3 Nr. 1 AMG privilegierenden Möglichkeiten der Änderung der
arzneilich wirksamen Bestandteile im Nachzulassungsverfahren für solche Arzneimittel
fort, die nach einer im Homöopathischen Teil des Arzneibuchs beschriebenen
Verfahrenstechnik hergestellt waren.
38
Nach der hier einzig in Betracht kommenden Vorschrift des § 105 Abs. 3a Satz 2 Nr. 5
AMG darf ein homöopathisches Fertigarzneimittel im Nachzulassungsverfahren
abweichend von den allgemeinen Vorschriften des § 29 Abs. 2a Satz 1, Abs. 3 AMG mit
geänderter Art oder Menge der arzneilich wirksamen Bestandteile ohne Erhöhung ihrer
Anzahl innerhalb des gleichen Anwendungsbereichs und der gleichen Therapierichtung
in den Verkehr gebracht werden, wenn es insgesamt einem nach § 25 Abs. 7 Satz 1
AMG bekanntgemachten Ergebnis oder einem vom Bundesgesundheitsamt vorgelegten
Muster für ein Arzneimittel angepasst und durch die Anpassung nicht
verschreibungspflichtig wird.
39
Die Voraussetzungen dieser Vorschrift sind schon deshalb nicht gegeben, weil die
Klägerin neben der Änderung der Zusammensetzung des Präparates durch Wegfall der
arzneilich wirksamen Bestandteile „Acidum sarcolaticum", „Aethusa" und „Tormentilla"
das Anwendungsgebiet von „Antihomotoxischer Regulationseffekt bei
Durchblutungsstörungen des Herzens, zur Prophylaxe und Therapie des
Myokardinfarktes" bzw. „Die Anwendungsgebiete entsprechen den homöopathischen
Arzneimittelbildern. Dazu Gehören Durchblutungsstörungen des Herzens. Zur
Nachbehandlung nach Myokardinfarkt." in „Die Anwendungsgebiete entsprechen den
homöopathischen Arzneimittelbildern. Dazu gehören: Druck- und Beklemmungsgefühl
in der Herzgegend (pectanginöse Beschwerden)." geändert und damit den bisherigen
Anwendungsbereich des Arzneimittels verlassen hat.
40
Dem Gesetz ist eine ausdrückliche Definition des Begriffs des gleichen
Anwendungsbereichs nicht zu entnehmen. Auch wenn es nahe liegt, ihn als nicht
identisch mit dem des gleichen Anwendungsgebietes zu verstehen, ist zu
berücksichtigen, dass der Gesetzgeber den Begriff in einer Vorschrift verwendet, die
ausnahmsweise von einer nach § 29 Abs. 3 AMG und nach Gemeinschaftsrecht,
41
vgl. Anhang II. der Verordnung (EG) Nr. 541/95 der Kommission vom 10. März 1995
über die Prüfung von Änderung einer Zulassung (ABL. Nr. L 55/7),
42
erforderlichen neuen Zulassung absehen lässt. Dies gebietet ein enges Verständnis
dieses Begriffs in der Weise, dass er zwar auch, aber eben nur diejenigen Fälle
miterfasst, in denen die Anwendungsgebiete des ursprünglichen und des geänderten
Arzneimittels sich nicht wesentlich unterscheiden, zumindest aber nah verwandt sind.
Das Bundesgesundheitsamt (BGA) hat dies in der 6. Bekanntmachung über die
Verlängerung von Zulassungen vom 23. Oktober 1990 (BAnz Nr. 206, S. 5827)
zutreffend so beschrieben, dass der Begriff "Anwendungsbereich" sich am
Indikationsbegriff orientiere, aber auch nahe verwandte Anwendungsgebiete umfasse,
so dass darauf abzustellen sei, "ob die gewählten Indikationsangaben mit den
bisherigen Indikationsangaben nahe verwandt sind und ob das Arzneimittel weiterhin im
wesentlichen der Behandlung der gleichen Grunderkrankung dient".
43
Vgl. OVG Berlin, u.a. Urteil vom 20. September 2001 - 5 B 15.99 - m. w. N.
44
Demgemäß kommt es für die Beantwortung der Frage, ob die umstrittene Änderung sich
(noch) im Bereich des bisherigen Anwendungsbereichs hält, maßgeblich darauf an, ob
das Arzneimittel vor und nach der Änderung der Behandlung der gleichen
Grunderkrankung dient, also auch der angesprochene Patientenkreis vor und nach der
Indikationsänderung im wesentlichen der gleiche bleibt.
45
Vgl. Urteile der Kammer vom 6. November 2006 - 24 K 1922/03 -, vom 12. April 2006 -
24 K 2028/03 -, vom 26. Oktober 2005 - 24 K 1307/02 und 24 K 5344/02 -, vom 28. April
2004 - 24 K 597/01 - und vom 16. März 2005 - 24 K 7125/01 -; ebenso: VG Köln, Urteile
vom 27. April 2007 - 18 K 2492/05 - und vom 20. Januar 2006 - 18 K 7023/03 -; ferner:
VG Berlin, Urteile vom 5. November 1998 - 14 A 520.95 - und vom 22.Oktober 1998 - 14
A 369.95 - ."
46
Diese Voraussetzungen liegen nicht vor. Während das Präparat in seiner 1978
angezeigten und mit dem sog. Kurzantrag geänderten Indikationsformulierung der
Prophylaxe und Therapie bzw. der Nachbehandlung schwerer Herzerkrankungen bis
hin zum Herzinfarkt zu dienen bestimmt war, wandelte es sich mit der angezeigten
Änderung zu einem Arzneimittel gegen ein weit gefassten Beschwerdebild, welches -
was auch von der Klägerin nicht in Abrede gestellt wird - auf unterschiedliche Ursachen
zurückgeführt werden kann und keinen unmittelbaren Bezug zu der vorherigen
therapeutischen Indikation aufweist.
47
Es besteht kein Anlass zu der Annahme, der angesprochene Patientenkreis könne vor
und nach der Indikationsänderung im Wesentlichen gleich geblieben sein. Denn die das
zuvor in Anspruch genommenen Anwendungsgebiete setzt eine diagnostizierbare
Erkrankung des Herzens voraus, während die nunmehr angesprochenen Beschwerden
unterschiedlichster Herkunft sein können. Der Patientenkreis ist mithin durch die
Änderung deutlich erweitert worden.
48
Vor diesem Hintergrund bedarf es keiner Entscheidung der Frage, ob die Änderung
auch deshalb mit der Übergangsbestimmung des § 105 Abs. 3a Satz 2 Nr. 5 AMG
unvereinbar ist, weil die vorgenommne Änderung nicht vollständig den Vorgaben der
Einzelstoffmonographien und den Vorgaben des Mängelschreibens entsprach.
49
Auch kommt es nicht darauf an, dass die Neuformulierung des Anwendungsgebietes auf
die Äußerung in der von der Beklagten übersandten klinischen Stellungnahme Dr. P. H.
zurückgeht, wonach eine geänderte Indikation „Druck- und Beklemmungsgefühl in der
Herzgegend (pectanginöse Beschwerden)" als belegt angesehen werde. Denn diese
bezog sich zum einen auf die von der medizinischen Gutachterin befürwortete
Kombination aus sieben arzneilich wirksamen Bestandteilen, nicht auf die
streitbefangene Zehner- Kombination. Zum anderen kann der medizinischen Bewertung
erkennbar keine rechtliche Bindungswirkung im Hinblick auf die Voraussetzungen des
Nachzulassungsverfahrens zukommen.
50
Dessen ungeachtet spricht - ohne dass es einer abschließenden Entscheidung bedürfte
- einiges dafür, dass die Versagung der Nachzulassung auch aus den von der
Beklagten angeführten Gründen zu Recht erfolgte. Denn die Klägerin dürfte bezüglich
des genannten Anwendungsgebietes eine den gesetzlichen Anforderungen genügende
Kombinationsbegründung im Hinblick auf die arzneilich wirksamen Bestandteile
„Acidum arsenicosum", „Carbo vegetabilis" und „Veratrum album" nicht vorgelegt haben.
Gemäß § 22 Abs. 3a AMG, der gemäß § 105 Abs. 4 Satz 2 AMG auch im
Nachzulassungsverfahren Anwendung findet und durch die Bestimmung des § 105 Abs.
4a Satz 2 AMG für Homöopathika nicht dispensiert sein dürfte, ist, sofern das
Arzneimittel mehr als einen arzneilich wirksamen Bestandteil enthält, zu begründen,
dass jeder arzneilich wirksame Bestandteil einen Beitrag zur positiven Beurteilung des
Arzneimittels leistet.
51
Nach § 105 Abs. 4f Satz 1 in Verbindung mit § 25 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5a AMG darf die
Bundesoberbehörde bei einem Arzneimittel die Zulassung versagen, wenn eine
ausreichende Kombinationsbegründung fehlt. Das Erfordernis einer
Kombinationsbegründung nach § 22 Abs. 3a AMG sowie der durch das 4.
Änderungsgesetz zum AMG in das Gesetz eingefügte Zulassungsversagungsgrund des
§ 25 Abs.2 Satz 1 Nr. 5a AMG rechtfertigen sich aus dem Umstand, dass jeder in ein
Arzneimittel aufgenommene Wirkstoff tendenziell die Gefahr zusätzlicher uner-
wünschter Wirkungen erhöht und zudem wegen bestimmter therapeutischer Grundsätze
fachliche Anforderungen an ein Kombinationsarzneimittel zu stellen sind, die mit den
Zulassungsversagungsgründen der Bedenklichkeit oder mangelnder Wirksamkeit
schwer erfassbar sind.
52
Vgl. Kloesel/Cyran, Arzneimittelrecht, § 22 AMG Anm. 56e, § 25 AMG Erl. 60c unter
Hinweis auf die amtliche Begründung des Gesetzes.
53
Der Beitrag eines arzneilich wirksamen Bestandteils zur positiven Beurteilung des
Arzneimittels kann insbesondere darin bestehen, dass der arzneilich wirksame
Bestandteil zur Wirksamkeit des Präparates in der vorgegebenen Indikation beiträgt
oder unerwünschten Effekten entgegen wirkt, wobei dies nach einer in der
Kommentarliteratur vertretenen Auffassung nicht in jedem Fall voraussetzt, dass jeder
arzneilich wirksame Bestandteil für sich allein genommen hinsichtlich der in Anspruch
genommenen Indikation wirksam ist. Hiernach reicht es aus, wenn der Wirkungseintritt,
soweit therapeutisch erwünscht, früher erreicht, verstärkt, verlängert oder der erstrebte
Heilerfolg mit geringerer Menge der Wirksubstanz erreicht wird.
54
Vgl. BVerwG, Urteile vom 16. Oktober 2003 - 3 C 28.02 und 3 C 3.03 - sowie
Kloesel/Cyran, a.a.O., § 22 Erl. 56e.
55
In diesem Zusammenhang wird kein Nachweis verlangt, sondern lediglich eine
ausreichende Begründung. Diese ist dann nicht erbracht, wenn die vom Antragsteller
eingereichten Unterlagen nach dem jeweils gesicherten Stand der wissenschaftlichen
Erkenntnisse den geforderten Schluss nicht zulassen, wenn sie sachlich unvollständig
sind - etwa zu bestimmten Forschungsergebnissen oder klinischen Erprobungen keine
Stellung nehmen, die gegen die therapeutische Wirksamkeit sprechen - oder wenn sie
inhaltlich unrichtig sind.
56
Vgl. hierzu BVerwG a.a.O. und Urteile vom 14. Oktober 1993 - 3 C 21.91 und 3 C 46.91 -
, NJW 1994, 2433-2435 = Pharma Recht 1994, 77-83 sowie Urteile der Kammer vom 12.
Mai 2004 - 24 K 3465/00 - und - 24 K 5611/00 -.
57
Dabei sind hinsichtlich des positiven Beitrags eines Bestandteils keine geringeren
Anforderungen zu stellen als hinsichtlich der Wirksamkeit und Unbedenklichkeit des
Präparats. Sie gelten auch für Arzneimittel der homöopathischen Therapierichtung.
58
Vgl. BVerwG, Beschluss vom 8. Januar 2007 - 3 B 16.06 -; ferner: VG Köln, Urteil vom 4.
Juli 2006 - 7 K 5010/01 -.
59
Die Wirksamkeit der genannten Bestandteile ergibt sich zunächst nicht aus den
einschlägigen Aufbereitungsmonographien der Kommission D, die einen Bezug zu dem
mit der Indikationsformulierung angesprochenen Beschwerdebild nicht erkennen
lassen. Auch das von der Klägerin vorgelegte Erkenntnismaterial dürfte den Schluss auf
das Anwendungsgebiet „Druck- und Beklemmungsgefühl in der Herzgegend
(pectanginöse Beschwerden)" nicht mit der erforderlichen Sicherheit zulassen. Das im
Mangelbeseitigungsverfahren vorgelegte Gutachten I. /L. /X. zählt zwar zahlreiche in der
homöopathischen Literatur genannte Symptome auf, die mit den Wirkstoffen in
Verbindung gebracht werden. Diese deuten auf eine Vielzahl von Beschwerden
unterschiedlichster Ursache, ohne im Sinne einer wertenden Betrachtung - auch unter
Berücksichtigung anderweitiger aus den Arzneimittelbildern ableitbarer Indikationen -
Schwerpunkte der Anwendung der jeweiligen Wirkstoffe herauszuarbeiten. Die
Beklagte hat schriftsätzlich und in der mündlichen Verhandlung nachvollziehbar
dargelegt, dass die Formulierung einer homöopathischen Indikationen nicht allein
aufgrund einzelner im Arzneimittelbild genannter Symptome erfolgen kann, da die
Anwendung des Arzneimittels in einer Mehrzahl der Fälle zu einem therapeutischen
Erfolg führen soll. Dies bedeutet, dass die in den homöopathischen Verzeichnissen
(Repertorien) genannten Symptome für eine Therapieentscheidung nicht nur dem
jeweiligen Wirkstoff zugeordnet werden müssen. Vielmehr ist es erforderlich, sie
hinsichtlich ihrer Validität nach bestimmten Kriterien zu gewichten. Hieraus leitet die
Beklagte ebenso nachvollziehbar die Forderung ab, dass aus dem Kreis der mit der
beanspruchten Indikation verbundenen Beschwerden nur diejenigen zur Grundlage
einer Indikationsformulierung dienen können, die durch gut bestätigte Charakteristika
des jeweiligen Arzneimittels repräsentiert sind.
60
Vgl. Urteil der Kammer vom 31. Januar 2007 - 24 K 4284/04 -.
61
Von der Obliegenheit einer so verstandenen Begründung dürfte die Klägerin nicht allein
deshalb entbunden sein, weil es sich bei den angesprochenen Wirkstoffen (wohl) um
Polychreste handelt, also Arzneien, die in besonderer Weise dokumentiert sind und sich
allgemein in der Krankenbehandlung bewährt haben. Vergleichbares dürfte auch im
62
Hinblick auf die bestehenden, von der Beklagten durchaus eingeräumten
Schwierigkeiten bei der Umsetzung der klassischen homöopathischen
Symptomensammlungen in klinische Indikationen gelten.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.
63
Die Voraussetzungen für die Zulassung der Berufung gemäß §§ 124a, 124 Abs. 2 Nr. 3
oder 4 VwGO liegen nicht vor.
64