Urteil des VG Köln vom 20.06.2000

VG Köln: beförderung, teilleistung, kontrolle, anbieter, anhörung, unternehmen, post, zwangsgeld, begriff, lizenznehmer

Verwaltungsgericht Köln, 22 K 7663/99
Datum:
20.06.2000
Gericht:
Verwaltungsgericht Köln
Spruchkörper:
22. Kammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
22 K 7663/99
Tenor:
Die Anordnung der Beklagten vom 12. August 1999 wird aufgehoben,
soweit die Klägerin darin zur Auskunft über den vollen Inhalt aller
Verträge der Vertragstypen "Freistempelung von Sendungen" (Nr. 2 der
Anordnung), "Kooperation bei Infopostversand" (Nr. 9 der Anordnung),
"Zusatzvereinbarung zum Vertrag über die Kooperation bei
Infopostversand" (Nr. 10 der Anordnung) sowie "Einlieferung von
Großbriefen 200 und Maxibriefen 200" (Nr.12 der Anordnung)
verpflichtet wird. Ferner wird die Androhung von Zwangsgeld in Höhe
von DM 1 Million aufgehoben. Im übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens tragen Klägerin und Beklagte je zur Hälfte.
T a t b e s t a n d
1
Die Klägerin wehrt sich gegen eine Auskunftsanordnung der Regu- lierungsbehörde für
Telekommunikation und Post der Beklagten (Regulierungsbehörde).
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Mit Schreiben vom 5. August 1998 bat die Regulierungsbehörde die Klägerin unter
Berufung auf § 30 Postgesetz (PostG) um Vorlage aller seit dem 1. Januar 1998
abgeschlossenen Verträge über Teilleistungen nach § 28 PostG und den Zugang zu
Postfachanlagen und Adressänderungen nach § 29 PostG. Sie wies darauf hin, dass
der Begriff "Teilleistungen" umfassend auszulegen sei und alle Teile der
Wertschöpfungskette erfasse.
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Die Klägerin teilte unter dem 22. Oktober 1998 mit, sie habe bislang weder Verträge
über Teilleistungen noch über den Zugang zu Postfachanlagen und Adressänderungen
abgeschlossen. Zwar bestünden verschiedenste Verträge mit Postkunden, wie etwa
noch vom Bundesminister für Post und Telekommunikation genehmigte
Kooperationsverträge, Selbstbucherverträge oder Verträge über Freistempelung.
Hierbei handele es sich jedoch nicht um Teilleistungen i.S.v. § 28 PostG, denn die
Leistungen der Kunden würden ausnahmslos vor der eigentlichen Beförderungsleistung
erbracht. Preisnachlässe würden in diesen Fällen lediglich deshalb gewährt, weil
bestimmte Vorarbeiten der Kunden die Beförderungsleistung erleichterten. Diese werde
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aber nach wie vor in vollem Umfang ausschließlich von der Klägerin erbracht.
Darauf erließ die Regulierungsbehörde am 24. Februar 1999 eine schriftliche
Anordnung nach § 45 Abs. 2 i.V.m. Abs. 1 Nr. 1 PostG, mit der sie die Klägerin
aufforderte, Auskunft über den gesamten Inhalt aller Verträge zu erteilen, die die
Klägerin seit dem 1. Januar 1998 über Teilleistungen i.S.v. § 28 PostG abgeschlossen
habe, insbesondere über die Verträge, die von der Klägerin als "Koop-Verträge betr.
Mengen, Schwachlasteinlieferung, Vorsortierung, Maschinenlesbarkeit, Freimachung,
Einlieferort und/oder Vorankündigung", "Verträge über Selbstbucher", "Verträge über
Freistempelung" und/oder "Koop-Verträge Briefzusatzleistungen" geschlossen worden
seien. Für den Fall, dass die geforderte Auskunft nicht bis zum 24. März 1999 erteilt
werde, drohte die Regulierungsbehörde der Klägerin gemäß §§ 13, 11
Verwaltungsvollstreckungsgesetz (VwVG) und §§ 45 Abs. 4 PostG, 72 Abs. 10
Telekommunikationsgesetz (TKG) ein Zwangsgeld i.H.v. 1 Million DM an.
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Hiergegen erhob die Klägerin rechtzeitig Klage (22 K 2251/99). Gleichzeitig legte sie
der Regulierungsbehörde ohne Anerkennung einer Rechtspflicht Muster der von dieser
als Teilleistungsverträge bezeichneten Verträge sowie Listen mit Kundennamen vor,
erläuterte den Inhalt der Verträge und verwies nochmals auf ih- ren Rechtsstandpunkt.
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Unter dem 12. August 1999 erließ die Regulierungsbehörde eine weitere schriftliche
Anordnung nach § 45 Abs. 2, Abs. 1 Nr. 1 PostG, mit der sie die Klägerin aufforderte, ihr
bis zum 12. September 1999 Auskunft über den vollumfänglichen Inhalt aller Verträge
zu erteilen, die von der Klägerin seit dem 1. Januar 1998 über folgende
Teilleistungsvertragstypen abgeschlossen wurden:
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1. Das "Selbstbuchen von Übergabe-Einschreibbriefsendungen/ Ein wurf-
Einschreibbriefsendungen/Nachnahmebriefsendungen", 2. die "Freistempelung von
Sendungen", 3. die "Vorsortierung mit DV-Freimachung", 4. die "Freistempelung mit DV-
Anlagen (Briefdienst)", 5. die "Freimachung von Sendungen mit DV-Anlagen und
Postver- sandsystemen (Briefdienst)", 6. die "Kooperation im Briefdienst", 7. die
"Kooperation bei Briefzusatzleistungen", 8. die "Zusatzvereinbarung zum Vertrag über
die Kooperation im Briefdienst (Briefe)", 9. die "Kooperation bei Infopostversand", 10.
die "Zusatzvereinbarung zum Vertrag über die Kooperation bei Infopostversand", 11. die
"Sortierzusatzvereinbarung" sowie 12. die "Einlieferung von Großbriefen 200 und
Maxibriefen 200".
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Die Regulierungsbehörde wies darauf hin, dass Auskunft über alle Verträge mit einer
der genannten Bezeichnungen zu erteilen sei, unabhängig davon, ob die Verträge
individuell ausgehandelt worden oder aufgrund von Allgemeinen
Geschäftsbedingungen zustande gekommen bzw. mit oder ohne Schriftform vereinbart
worden seien und ob sie mit Dritten oder mit Tochtergesellschaften oder
Beteiligungsunternehmen der Klägerin abgeschlossen worden seien.
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Die Forderung nach Auskunft über den vollumfänglichen Inhalt aller Verträge werde
auch als erfüllt angesehen, wenn der jeweilige Vertragspartner unter Zuordnung einer
bestimmten Mustervereinbarung bzw. Angebotsvariante genannt werde, wobei
allerdings alle nicht aus der Mustervereinbarung erkennbaren individuellen
Vertragsdaten anzugeben seien.
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Zur Begründung führte die Regulierungsbehörde folgendes aus: Die im März 1999
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übergebenen Unterlagen ließen keine Einzelheiten der abgeschlossenen Verträge
erkennen und seien daher unzureichend. Auch habe die Klägerin nicht ausdrücklich
versichert, dass die abgeschlossenen Verträge mit den vorgelegten Musterverträgen
identisch seien. Aus den Unterlagen seien Vertragstypen identifizierbar, die
Teilleistungen i.S.d. § 28 PostG beträfen, seit dem 1. Januar 1998 in einer Vielzahl von
Fällen abgeschlossen und der Regulierungsbehörde entgegen der Vorlagepflicht nach
§ 30 PostG vorenthalten worden seien. Diese Teilleistungsverträge seien in der
Auskunftsanordnung erfasst. Die Voraussetzungen des § 45 Abs. 1 Nr. 1 PostG seien
erfüllt: Die verlangte Aus- kunft betreffe die wirtschaftlichen Verhältnisse eines im
Postwesen tätigen Unternehmens, sei geeignet, der Regulierungsbehörde die
notwendigen Angaben für die Prüfung zu verschaffen, ob die Klägerin ihren
gesetzlichen Verpflichtungen nachkomme, und erforderlich, da die
Regulierungsbehörde über keine andere Er- kenntnisquelle verfüge. Zudem belaste das
Auskunftsverlangen die Klägerin nicht unverhältnismäßig, da sein Inhalt und Umfang
nicht über das Maß hinausgehe, zu dem die Klägerin nach § 30 PostG ohnehin
verpflichtet sei.
Für den Fall, dass die geforderte Auskunft nicht bis zum 12. September 1999 erteilt
werde, drohte die Regulierungsbehörde der Klägerin gemäß §§ 13, 11 VwVG und §§ 45
Abs. 4 PostG, 72 Abs. 10 TKG ein Zwangsgeld i.H.v. 1 Million DM an. Sie erklärte, der
höchstzulässige Zwangsgeldbetrag sei auszuschöpfen gewesen, da die verlangte
Auskunft erhebliche Bedeutung für ihre Regulierungstätigkeit im Teilleistungsbereich
habe und die Klägerin sich hartnäckig weigere, ihrer Vorlagepflicht nach § 30 PostG
nachzukommen.
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Gegen die am 13. August 1999 zugestellte Auskunftsanordnung hat die Klägerin am 13.
September 1999 Klage erhoben. Zur Begründung macht sie folgendes geltend:
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Die zweite Anordnung vom 12. August 1999 sei ohne notwendige erneute Anhörung
erlassen worden. Zudem sei die Anordnung zur Erfüllung der Aufgaben der
Regulierungsbehörde nicht erforderlich gewesen. Es bestehe generell kein Bedürfnis zu
einer Auskunftseinholung hinsichtlich evtl. bestehender Teilleistungsverträge nach § 45
PostG, weil solche ohnehin nach § 30 PostG vorzulegen seien und diese Vorlagepflicht
mit Hilfe des Ordnungswidrigkei- tenverfahrens gegebenenfalls auch durchgesetzt
werden könne. Für eine anderweitige Durchsetzung fehle es an einer
Ermächtigungsgrundlage. Eine umfassende Auskunftserteilung sei im übrigen
aufwendiger als die bloße Vorlage der geforderten Verträge. Wegen dieses Aufwandes
sei die Anordnung unverhältnismäßig. Desweiteren bedürfe es für den Erlass einer
Auskunftsanordnung eines konkreten Anfangsverdachts, dass die Klägerin ihre
marktbeherrschende Stellung missbrauche. Ein konkreter Hinweis auf einen derartigen
Missbrauch liege der Regulierungsbehörde nach deren eigenen Angaben aber nicht
vor. Die Annahme eines Verstoßes gegen die Vorlagepflicht des § 30 PostG könne das
Erfordernis des konkreten Anfangsverdachts nicht ersetzen. Desweiteren ergebe sich
die Rechtswidrigkeit der Anordnung daraus, dass es sich bei den in Bezug genommen
Verträgen durchweg nicht um Teilleistungsverträge handele und demgemäß überhaupt
keine Vorlagepflicht bestehe. Die Verträge beinhalteten nämlich keinerlei Aufteilung der
eigentlichen Beförderungsleistung i.S.d. Definition des § 4 Nr. 3 PostG. In allen Fällen
erbringe der Kunde lediglich Vorleistungen, die es der Klägerin erleichterten, die
Postsendungen zu befördern, und gegebenenfalls auch zu Beschleunigungen in der
Beförderung führen könnten. Es bleibe jedoch dabei, dass die Klägerin nach wie vor
ohne Einschränkung die gesamte Beförderung der Post selber durchführe, ohne dass
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aus dieser Beförderungskette ein Teil herausgebrochen werde. Selbst bei einer
weiteren Auslegung des Beförderungsbegriffs dahin, dass auch über den reinen
Beförderungsvorgang hinaus erbrachte Zusatzleistungen Teilleistungen darstellen
könnten, müsse hiervon jedenfalls der Bereich der Entgeltsicherung herausgenommen
werden. Vom Kunden übernommene Leistungen auf diesem Gebiet beträfen nicht die
Postdienstleistung, sondern die Gegenleistung und seien nicht teilleistungsrelevant.
Schließlich seien sämtliche konzerninternen Verträge mit Tochtergesellschaften und
Beteili- gungsunternehmen schon deshalb von der Vorlagepflicht nach § 30 PostG
ausgenommen, weil sie nicht im Rahmen des Marktes für lizenzpflichtige
Postdienstleistungen abgeschlossen worden seien.
Die Klägerin beantragt,
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die Auskunftsanordnung der Beklagten vom 12. August 1999 sowie die gleichzeitig
erlassene Zwangsgeldandrohung aufzuheben.
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Die Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Sie trägt folgendes vor:
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Die Auskunftsanordnung sei zur Erfüllung der der Regulierungsbehörde übertragenen
Aufgaben erforderlich gewesen. Die Entgeltregulierung bei Teilleistungsverträgen
gehöre zu den Aufgaben der Regulierungsbehörde. Um ihr den notwendigen
umfassenden Überblick über die im Teilleistungsbereich vorhandenen
Vertragsgestaltungen zu verschaffen, sehe § 30 PostG die gesetzliche Pflicht zur
Vorlage aller Teilleistungsverträge binnen eines Monats nach Vertragsabschluss vor,
und zwar auch ohne konkreten Anfangsverdacht. Diese gesetzliche Vorlagepflicht
müsse auch durchsetzbar sein. Allein die Einleitung eines Bußgeldverfahrens führe
nicht dazu, dass nach seinem Abschluss die streitbefange- nen Verträge vorzulegen
wären, und sei darüber hinaus wenig erfolgversprechend, weil die
Regulierungsbehörde den Inhalt der möglicherweise vorzulegenden Verträge aufgrund
der Vorlageverweigerung noch nicht kenne. Somit bleibe als Mittel zur Durchsetzung
das Auskunftsverlangen nach § 45 PostG. Die Regulierungsbehörde unterstelle der
Klägerin keineswegs einen pauschalen Missbrauch ihrer marktbeherrschenden
Stellung. Allerdings gebe es konkrete Hinweise auf einen Verstoß gegen § 30 PostG.
Unter den von der Klägerin vorgelegten Vertragsformularen beinhalteten die in der
Auskunftsanordnung aufgeführten Vertragstypen eine Aufteilung lizenzpflichtiger
Postdienstleistungen. Entgegen der Auffassung der Klägerin sei als
Beförderungsleistung nicht allein der Transportvorgang im engeren Sinne anzusehen,
sondern die gesamte damit verbundene Wertschöpfungskette. Daher beinhalte der
Beförderungsbegriff zum einen auch zusätzliche, über den reinen Transport
hinausgehende Leistungen, die mit dem Beförderungsvorgang verbunden seien oder
üblicherweise zum Be- förderungsvorgang zählten. Zum anderen müsse aber auch der
Bereich der Entgeltsicherung, schon im Hinblick auf den Gesetzeszweck,
Preismißbräuche zu verhindern, als Bestandteil der Wertschöpfungskette angesehen
werden. Jede künstliche Aufspaltung des Gesamtvorganges der Beförderung in
Einzelleistungen sei abzulehnen. Die getroffene Anordnung sei auch verhältnismäßig.
Einen mit der Auskunftserteilung anfallenden hohen Arbeitsaufwand habe die Klägerin
selber zu vertreten, da sie es versäumt habe, der seit Anfang 1998 bestehenden
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Vorlageverpflichtung für Teilleistungsverträge nachzukommen. Im übrigen könne die
Klägerin, statt umfassend Auskunft zu erteilen, auch schlicht sämtliche seit dem 1.
Januar 1998 abgeschlossenen Teilleistungsverträge vorlegen, wie dies § 30 PostG
ohnehin vorsehe.
Ein Antrag der Klägerin auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes hat zum Teil
Erfolg gehabt (VG Köln 22 L 2311/99, OVG NW 13 B 47/00).
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Das Verfahren 22 K 2251/99 ist von den Beteiligten übereinstimmend in der Hauptsache
für erledigt erklärt worden, nachdem die Beklagte erklärt hat, aus der Anordnung vom
24. Februar 1999 keine Rechtsfolgen mehr herleiten zu wollen.
22
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der
Gerichtsakten sowie der beigezogenen Verwaltungsvorgänge ergänzend Bezug
genommen.
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E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
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Die zulässige Klage ist zum Teil begründet.
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Die Auskunftsanordnung der Regulierungsbehörde vom 12. August 1999 ist
rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten, soweit letztere darin zur
Auskunft über den vollen Inhalt aller Verträge der Vertragstypen "Freistempelung von
Sendungen" (Nr. 2 der Anordnung), "Kooperation bei Infopostversand" (Nr. 9 der
Anordnung), "Zusatzvereinbarung zum Vertrag über die Kooperation bei
Infopostversand" (Nr. 10 der Anordnung) sowie "Einlieferung von Großbriefen 200 und
Maxibriefen 200" (Nr. 12 der Anordnung) verpflichtet wird. Insoweit war die
Auskunftsanordnung gemäß § 113 Abs. 1 Verwaltungsgerichtordnung (VwGO)
aufzuheben. Im übrigen ist die Auskunftsanordnung rechtmäßig, denn sie findet ihre
hinreichende Rechtsgrundlage insoweit in § 45 Abs. 2, Abs. 1 Nr. 1 PostG. Die
Androhung eines Zwangsgeldes in Höhe von 1 Million DM ist insgesamt rechtswidrig,
weshalb sie ebenfalls aufzuheben war.
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Eine durch den Erlass der Auskunftsanordnung herbeigeführte Verletzung der formellen
Rechte der Klägerin liegt nicht vor.
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Die Regulierungsbehörde war nicht gemäß § 28 Verwaltungsverfahrensgesetz (VwVfG)
verpflichtet, die Klägerin vor Erlass der Anordnung vom 12. August 1999 erneut
anzuhören, da eine solche Anhörung nach den Umständen des Einzelfalles nicht
geboten war. Das Oberverwaltungsgericht Münster hat hierzu in seinem Be- schluss
vom 26. Januar 2000 (13 B 47/00) ausgeführt: "Die Anhörung im Verwaltungsverfahren
soll dem Betroffenen Gelegenheit zur Äußerung zum Verfahrensgegenstand und
Verfahrensgang geben, um ihn vor Überraschungsentscheidungen zu bewahren. Der
Gegenstand des Verwaltungsverfahrens und die konträren Rechtsauffassungen der
Antragstellerin und der Antragsgegnerin lagen aber bereits durch die vorangegangene
Korrespondenz und vor allem durch die Anordnung vom 24. Februar 1999 offen zu
Tage. Die Antragstellerin musste auch nach ihrem Schreiben vom 24. März 1999 und
den beigefügten Musterverträgen damit rechnen, dass von Seiten der Antragsgegnerin
eine Wiederholung und Präzisierung ihres - bis dahin nicht voll erfüllten -
Auskunftsverlangens erfolgen würde. Eine irgendwie veränderte Konstellation, zu der
die Antragstellerin hätte Stellung nehmen können und müssen, war durch die für sie
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unerwartet lange Prüfung der vorgelegten Musterverträge nebst Liste über die
individuellen Verträge nicht eingetreten. Ihre Erwartung, die Auseinandersetzung
insbesondere auch über die Frage, ob dem Auskunftsverlangen genügt sei, unförmlich
fortsetzen zu können, gebot nicht die - weiter verzögernde - Durchführung einer
Anhörung. Im übrigen ist von der Antragstellerin weder aufgezeigt noch ist ersichtlich,
was sie anderes auf eine förmliche Anhörung als das bis dahin Vorgetragene in das
Verwaltungsverfahren hätte einbringen können oder wollen." Diese Ausführungen
macht sich die Kammer zu eigen. Sie sieht auch an- gesichts des weiteren Vortrags der
Klägerseite keine durchgreifenden Gründe, die eine nochmalige Anhörung erforderlich
gemacht hätten. Unabhängig davon wäre ein etwaiger Anhörungsfehler aber auch
dadurch geheilt worden, dass die Klägerin im verwaltungsgerichtlichen Verfahren
ausreichend Gelegenheit zur Stellungnahme hatte (§ 45 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 2 VwVfG).
Den in § 45 Abs. 2 PostG aufgestellten formalen Anforderungen ist in der streitigen
Auskunftsanordnung Genüge getan. Rechtsgrundlage, Gegenstand und Zweck des
Auskunftsverlangens wurden angegeben. Anhaltspunkte, dass die zur Erteilung der
Auskunft gesetzte Frist nicht angemessen gewesen sein könnte, sind weder
vorgetragen noch ersichtlich.
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Die Beurteilung der materiellen Rechtmäßigkeit der angefochtenen
Auskunftsanordnung richtet sich nach § 45 Abs. 1 Nr. 1 PostG. Diese Vorschrift
ermächtigt die Regulierungsbehörde, von im Postwesen tätigen Unternehmen und
Vereinigungen von Unternehmen Auskunft über ihre wirtschaftlichen Verhältnisse,
insbesondere über Umsatzzahlen, zu verlangen, soweit dies zur Erfüllung der in diesem
Gesetz der Regulierungsbehörde übertragenen Aufgaben erforderlich ist.
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Tatbestandliche Voraussetzung für ein rechtmäßiges Eingreifen der
Regulierungsbehörde ist somit zunächst, dass sich ihr Tätigwerden im Rahmen der
Aufgaben vollzieht, die ihr durch das Postgesetz zugewiesen worden sind, sie also
zweckgerichtet tätig wird, um ihre Aufgaben nach diesem Gesetz zu erfüllen. Im hier
allein interessierenden Bereich der Teilleistungsverträge obliegen der
Regulierungsbehörde u.a. die gesetzlichen Aufgaben der Entgeltregulierung (§ 28 Abs.
2 und 3 i.V.m. §§ 19 ff PostG), der besonderen Missbrauchsaufsicht (§ 32 PostG) und
der allgemeinen Aufsicht über die über die Einhaltung der Vorschriften des
Postgesetzes (§ 44 PostG i.V.m. § 71 Telekommunikationsgesetz - TKG -),
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vgl. Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen (OVG NW), Beschluss
vom 26. Januar 2000 - 13 B 47/00 -.
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Sowohl aus der in § 45 PostG formulierten weiten Aufgabenstellung, der das dort zur
Verfügung gestellte Instrumentarium dienen soll, als auch aus der systematischen
Stellung der Vorschrift im 10. Abschnitt des Postgesetzes, der allgemeine Vorschriften
über Stellung, Aufbau, Aufgaben und Befugnisse der Re- gulierungsbehörde zum
Gegenstand hat, lässt sich schließen, dass § 45 PostG jedenfalls der Durch- und
Umsetzung der allgemeinen Rechtsaufsicht dienen soll. Im Bereich dieser Aufgaben
definiert § 45 PostG das der Regulierungsbehörde offenstehende ordnungsrechtliche
Instrumentarium. Ob § 45 PostG darüber hinaus auch im Bereich der genannten
speziellen Aufgaben der Regulierungsbehörde Anwendung finden kann oder ob die
einschlägigen Ermächtigungsgrundlagen insoweit abschließende spezielle
Regelungen darstellen und keinen zusätzlichen Rückgriff auf § 45 PostG zulassen,
kann im vorliegenden Fall offen bleiben. Denn die angegriffene Auskunftsanordnung
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vom 12. August 1999 dient, wie darzulegen sein wird, ausschließlich Aufgaben der
allgemeinen Rechtsaufsicht, so dass sich die Frage der Gesetzeskonkurrenz hier nicht
stellt.
Wesentlicher Gegenstand der allgemeinen Aufsicht über die Einhaltung der Vorschriften
des Postgesetzes ist die Beschaffung von Informationen. Ohne hinreichende Kenntnisse
der wirtschaftlichen Vorgänge im Bereich des Postwesens (vgl. § 1 PostG) und der
wirtschaftlichen Verhältnisse der auf dem Markt für Post- dienstleistungen tätigen
Unternehmen ist eine Regulierung durch Anwendung der Vorschriften des Postgesetzes
nicht möglich. Demgemäß sind Unternehmen beispielsweise bei der Beantragung von
Lizenzen (§§ 6 ff PostG) oder Genehmigungen (etwa §§ 19 ff) ebenso zur Weitergabe
der zur Beurteilung der Rechtslage erforderlichen Informationen verpflichtet, wie im hier
relevanten Bereich der Teilleistungsverträge. Für den letztgenannten Bereich hat der
Gesetzgeber die beschriebene Informationspflicht in § 30 PostG konkretisiert, wonach
u.a. Verträge über Teilleistungen nach § 28 PostG der Regulierungsbehörde innerhalb
eines Monats nach Vertragsschluss von dem marktbeherrschenden Anbieter vorzulegen
sind. § 30 PostG beinhaltet folglich eine Rechtspflicht, deren Kontrolle und
Durchsetzung dem Bereich der allgemeinen Rechtsaufsicht zuzuordnen ist. Eine solche
Betrachtungsweise erscheint auch im Hinblick auf den Charakter der genannten
weiteren Aufgaben geboten, die sich der Regulierungsbehörde im Bereich der
Teilleistungsverträge stellen können. Die Behörde kann erst dann darüber befinden, ob
sie zu den Mitteln der Entgeltregulierung bzw. -kontrolle nach § 28 Abs. 2 und 3 PostG
oder der besonderen Missbrauchsaufsicht nach § 32 PostG greifen will oder
gegebenenfalls muss, wenn sie zuvor definitiv festgestellt hat, dass überhaupt ein
Teilleistungsvertrag nach § 28 Abs. 1 PostG vorliegt. Voraussetzung für diese
Feststellung ist die Kenntnis vom Inhalt des Vertrages. § 30 PostG dient dazu, ihr diese
Kenntnis zu verschaffen und die entsprechenden Feststellungen zu ermöglichen.
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Für § 45 PostG ergeben sich daraus folgende Schlussfolgerungen:
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Die Vorschrift kann von der Regulierungsbehörde grundsätzlich herangezogen werden,
um die Verpflichtung zur Vorlage von Teilleistungsverträgen nach § 30 PostG zu
kontrollieren und gegebenenfalls durchzusetzen. Durchgreifende Anhaltspunkte, dass §
45 PostG nur zur Kontrolle, nicht aber auch zur Durchsetzung der genannten
Vorlagepflicht herangezogen werden kann, sieht die Kammer angesichts des
dargelegten Anwendungsbereichs der Vorschrift, der die gesamte allgemeine
Rechtsaufsicht umfasst, nicht. Wäre die Regulierungsbehörde zur Durchsetzung ihres
Informationsanspruchs auf das Ordnungswidrigkeitenverfahren angewiesen, könnte sie
die ihr nach dem Postgesetz auferlegten Aufgaben letztlich nicht erfüllen, da dieses
Verfahren von seiner Anlage her schon nicht geeignet ist, der Behörde Informationen zu
verschaffen, sondern diese bereits voraussetzt.
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In Fällen, in denen zwischen der Behörde und dem Anbieter streitig ist, ob es sich bei
einem bestimmten Vertrag um einen Teilleistungsvertrag handelt, reicht es aus, dass
aufgrund objektiver Umstände eine gewisse Wahrscheinlichkeit dafür spricht, dass eine
Vorlagepflicht nach § 30 PostG besteht. Denn andernfalls wäre eine effektive Kontrolle
nicht möglich. Diese auf tatsächlichen Umständen beruhende Schwelle für ein
Aktivwerden nach § 45 PostG im Rahmen der allgemeinen Rechtsaufsicht ist freilich zu
unterscheiden von dem Begriff des "Anfangsverdachts", wie er im Zusammenhang mit
einem Auskunftsersuchen nach § 72 TKG im Rahmen der besonderen
Missbrauchsaufsicht von der Rechtsprechung geprägt worden ist,
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vgl. OVG NW, Urteil vom 2. April 1998 - 13 B 213/98 -.
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In jenem Fall bedurfte es eines begründeten Anfangsverdachts für den Missbrauch einer
marktbeherrschenden Stellung. Ein solcher Anfangsverdacht ist vorliegend nicht zu
fordern. Vielmehr reichen in der hier einschlägigen Fallgestaltung bereits Umstände
aus, die den Verdacht begründen, es liege ein Verstoß gegen Vor- schriften des
Postgesetzes vor, um ein Vorgehen der Regulierungsbehörde nach § 45 PostG zu
rechtfertigen. Ein völliger Verzicht auf das Vorliegen objektiver Verdachtsmomente kann
allerdings auch im Bereich der allgemeinen Rechtsaufsicht nicht in Betracht kommen.
Dies ergibt sich bereits aus der Aufnahme des Wortes "erforderlich" in den Tatbestand
des § 45 PostG. Hierdurch hat der Gesetzgeber besonders darauf hingewiesen, dass
auch die vorgesehenen allgemeinen Maßnahmen zur Kontrolle und Durchsetzung der
Vorschriften des Postgesetzes nur unter Beachtung des Grundsatzes der
Verhältnismäßigkeit zulässig sind, eine belastende Maßnahme also nicht ohne
konkreten Anlass ergriffen werden darf.
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Von diesen Darlegungen ausgehend stellt sich die angefochtene Auskunftsanordnung
vom 12. August 1999 als reine Maßnahme der allgemeinen Rechtsaufsicht nach §§ 44
PostG, 71 TKG dar. Anlass für die Auskunftsanordnung war nämlich allein der Umstand,
dass die Klägerin sich nicht bereit gefunden hat, der Regulierungsbehörde die Verträge
vorzulegen, die nach deren Auffassung der Vorlagepflicht nach § 30 PostG unterfielen.
Die Regulierungsbehörde hat ausdrücklich darauf hingewiesen, dass die
Auskunftsanordnung nicht wegen eines konkreten Missbrauchsverdachts, sondern
allein wegen des begründeten Verdachts ergangen sei, die Klägerin verstoße gegen die
ihr obliegende Vorlagepflicht nach § 30 PostG. Damit hält sich die Auskunftsanordnung
in dem Rahmen, den das Postgesetz für die allgemeine Rechtsaufsicht gesteckt hat.
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Weitere Voraussetzung für die Rechtmäßigkeit der Auskunftsanordnung ist nach den
bisherigen Ausführungen, dass der Regulierungsbehörde objektive Anhaltspunkte dafür
vorlagen, die für einen Verstoß der Klägerin gegen die Vorlagepflicht nach § 30 PostG
sprechen. Solche Anhaltspunkte können sich insbesondere aus dem Inhalt der von der
Klägerin mit Schreiben vom 24. März 1999 vorgelegten Vertragsmuster ergeben haben.
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Die Vorlage der Vertragsmuster allein, z.T. mit Kundenlisten, erfüllten die Verpflichtung
aus § 30 PostG jedenfalls noch nicht, weil zum einen eine ausdrückliche Versicherung,
die tatsächlich abgeschlossenen Verträge entsprächen in allen Fällen den
Vertragsmustern, nicht abgegeben wurde, zum anderen eine ausreichende
Individualisierung der Vertragspartner anhand der vorgelegten Unterlagen nicht möglich
war. § 30 PostG verpflichtet den marktbeherrschenden Anbieter nach seinem
eindeutigen Wortlaut nicht nur zur Vorlage von Vertragsmustern, sondern zur Vorlage
jedes einzelnen Teilleistungsvertrages innerhalb eines Monats nach Vertragsabschluss.
42
Nicht gefolgt werden kann der Klägerseite in ihrer Auffassung, Verträge, die die Klägerin
mit Tochtergesellschaften oder Beteiligungsunternehmen schließe, seien von der
Vorlagepflicht des § 30 PostG generell ausgenommen. Soweit das Tochter- oder Betei-
ligungsunternehmen nicht als anderer Anbieter von Postdienstleistungen i.S.v. § 28
Abs. 1 Satz 2 PostG - also als Wettbewerber - auftritt, sondern als Kunde, der
Teilleistungen nachfragt, bewegt es sich auf dem gleichen Markt wie andere Kunden,
die gleiches tun. Ist die Muttergesellschaft - wie vorliegend - auf diesem Markt
marktbeherrschend, unterliegen die Teilleistungsverträge zwischen ihr und als Kunden
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auftretenden Tochtergesellschaften der gleichen Vorlagepflicht und Entgeltkontrolle wie
Verträge mit "normalen" Kunden. Ob die Rechtslage anders zu beurteilen ist, sofern die
Tochtergesellschaft als Wettbewerber in den Genuss einer Teilleistung kommt, kann
vorliegend offenbleiben, da die angefochtene Auskunftsanordnung einen derartigen
Vertrag nicht zum Gegenstand hat.
Bei welchen Vertragstypen nun ernsthaft mit der Möglichkeit gerechnet werden kann, sie
unterfielen der Vorlagepflicht des § 30 PostG, mit der Folge, dass sie zum Gegenstand
der Auskunftsanordnung gemacht werden konnten, hängt von der Bestimmung des
Begriffs des Teilleistungsvertrages ab.
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In seinem Beschluss vom 26. Januar 2000 (13 B 47/00) hat das O-
berverwaltungsgericht Münster zu diesem Begriff folgendes ausgeführt: "Eine
Teilleistung i.S.d. § 28 Abs. 1 PostG ist die um den vom Nachfrager/Kunden als seine
Vorleistung erbrachten Teil reduzierte vom marktbeherrschenden Unternehmen
ansonsten als Ganzes erbrachte Beförderungsleistung, wobei unter Beförderung nicht
nur der reine Beförderungsvorgang, sondern die gesamte Wert- schöpfungskette vom
Absender bis zum Empfänger zu verstehen ist.
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Vgl. hierzu BT-Drucksache 13/7774, S.20.
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Eine Beförderungsleistung ist als Postdienstleistung begrifflich eine an den Kunden
gerichtete Leistung, für die, um wertschöpfend zu wirken, der Beförderer vom
Leistungsempfänger ein Entgelt verlangt. Deshalb ist weder die Entrichtung des
Entgelts durch den Kunden noch die im Eigeninteresse des Beförderungsun-
ternehmens erfolgte Kontrolle oder Sicherung der Entgeltentrichtung eine
kundengerichtete Dienstleistung. Über dies ist die Entgeltkontrolle und -sicherung keine
Beförderungsleistung. Sie ist kein vom Entgelt des Kunden abgegoltener Vorgang,
damit nicht wertschöpfend im Sinne von gewinnbringend und kein Teil der
Wertschöpfungsebene der Beförderung. ... Nicht jeder aus der Beförderungskette
Einsammeln-Weiterleiten-Auslieferung (vgl. § 4 Nr. 3 PostG) herauslösbare und vom
Kunden erbringbare Teil dürfte eine Teilleistung begründen, sondern ausgehend vom
Gesetzesanliegen der §§ 28 u. 30 PostG, der RegTP (Regulierungsbehörde) die
Entgeltkontrolle zu ermöglichen und wettbewerbswidrige Entgelte aufzudecken, nur ein
die Beförderungskosten des marktbeherrschenden Beförderers greifbar ermäßigender
und deshalb mit einem Entgeltnachlass zu berücksichtigender Kundenbeitrag."
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Diese Beschreibung des Begriffs der Teilleistung i.S.v. § 28 PostG hält die Kammer für
überwiegend zutreffend. Allein hinsichtlich des zuletzt zitierten Satzes bestehen
Bedenken. Es erscheint fraglich, ob eine Teilleistung tatsächlich schon dann definitiv
ausscheiden kann, wenn die Beförderungskosten des Beförderers durch den vom
Kunden übernommenen Leistungsteil nicht greifbar ermäßigt werden und der Beförderer
deshalb keinen Entgeltnachlass gewährt. § 28 PostG gibt dem Lizenznehmer - im
Rahmen der wirtschaftlichen Zumutbarkeit - nämlich schon dann auf, eine Teilleistung
gesondert anzubieten, soweit dies nachgefragt wird. Maßgeblich für die gesetzliche
Verpflichtung zum Angebot einer Teilleistung ist also nicht der wirtschaftliche Wert des
ausgegliederten Leistungsteils für den marktbeherrschenden Lizenznehmer, sondern für
den Nachfrager, wobei allein eine wirtschaftliche Unzumutbarkeit für den Lizenznehmer
einen Ablehnungsgrund darstellen kann. Freilich wird der Fall nur selten eintreten, dass
die Ausgliederung eines Teils der Beförderungsleistung für den Kunden auch ohne
Entgeltnachlass des Beförderers einen Vorteil erbringt. Sind derartige besondere
48
Umstände nicht erkennbar, wird die Einräumung eines Preisnachlasses seitens des
Beförderers zumindest als Indiz für das Vorliegen eines Teilleistungsvertrages gewertet
werden können.
Vgl. auch Beck'scher PostG-Kommentar/Sedemund: § 28 Anm. 36.
49
Auf der anderen Seite kann jedoch allein die Nichteinräumung eines Preisnachlasses
für eine bestimmte Vorleistung des Kunden nach Auffassung der Kammer nur sehr
eingeschränkt als Indiz gewertet werden, das gegen einen Teilleistungsvertrag und
damit gegen eine Vorlagepflicht spricht. Wäre die Einordnung eines Vertrages als
Teilleistungsvertrag von der tatsächlichen Gewäh- rung eines Preisnachlasses
abhängig, hätte es der marktbeherrschende Anbieter allein durch seine Preisgestaltung
in der Hand, sich der Vorlagepflicht nach § 30 PostG zu entziehen. Gleiches könnte er
erreichen, indem er seine Preisnachlässe auch dann nach außen hin ausschließlich als
Preisnachlässe für Vorleistungen auf dem Gebiet der Entgelterhebung deklarierte, wenn
die Kosteneinsparungen tatsächlich (auch) durch Vorleistungen auf dem Gebiet der
Beförderungsleistungen entstanden sind. Dies kann nicht richtig sein, da die
Vorlagepflicht der Regulierungsbehörde ja gerade die Kontrolle ermöglichen soll, ob
entsprechende Kosteneinsparungen bei der Beförderung auch an den Kunden
weitergegeben werden.
50
Die übrigen von Seiten der Beteiligten geäußerten prinzipiellen Einwände gegen den
oben zitierten Teilleistungsbegriff greifen nicht durch.
51
Der von Beklagtenseite vertretene weite Teilleistungsbegriff, nach dem auch die bloße
Überwälzung von Maßnahmen der Entgelterhebung, -kontrolle und -sicherung auf den
Kunden dazu führt, dass der beim Anbieter verbliebene Teil der Leistung als
Teilleistung anzusehen ist, lässt sich mit den Regelungen des Postgesetzes nicht
vereinbaren. § 28 Abs. 1 Satz 1 PostG bezeichnet ausdrücklich nur solche Leistungen
als Teilleistungen, die "Teile der von ihm (dem Lizenznehmer) erbrachten
Beförderungsleistungen" darstellen, wobei die Definition des Begriffs "Beförderung" in §
4 Nr. 3 PostG zu beachten ist. Hierzu gehört die Entgelterhebung nicht, denn sie betrifft
gerade nicht die Beförderungsleistung, sondern die Gegenleistung für diese
Beförderungsleistung im Rahmen des synallagmatischen Rechtsverhältnisses. Der für
die Entgelterhebung anfallende Aufwand hat zwar Bedeutung für den
Unternehmenszweck der Gewinnerzielung, ein wertschöpfender Charakter im dem
Sinne, den das Gesetz durch seinen Wortlaut vorgibt, geht ihm jedoch ab.
52
Der von Klägerseite verfochtene enge Teilleistungsbegriff, der, ausgehend vom Wortlaut
des § 4 Nr. 3 PostG, lediglich die Fälle als Teilleistung einordnet, in denen Teile des
reinen Beförderungsvorganges vom Kunden übernommen werden, wird dem
Gesetzeszweck nicht gerecht. Gesetzgeberisches Anliegen war ausdrücklich, die
gesamte Wertschöpfungskette der Beförderung zu erfassen,
53
so BT-Drucksache 13/7774, S.20 und S.27.
54
Dies kommt im Wortlaut des § 28 Abs. 1 Nr. 1 PostG insoweit zum tragen, als dort nicht
von "Beförderung" oder "Beförderungsvorgang" die Rede ist, sondern von
"Beförderungsleistung". Auch der Umstand, dass § 4 Nr. 1 PostG von
"Postdienstleistungen" spricht, deutet darauf hin, dass die mit der Beförderung, also dem
Einsammeln, Weiterleiten oder Ausliefern von Postsendungen an den Empfänger (§ 4
55
Nr. 3 PostG) verbundenen Dienstleistungen ebenfalls erfasst sein sollen. Insoweit lässt
das Gesetz eine Auslegung im Sinne des gesetzgeberischen Anliegens durchaus zu.
Bei der von der Klägerin vorgeschlagenen Betrachtungsweise würden die vom PostG
zur Verfügung gestellten Regulierungsmöglichkeiten zudem an der wirtschaftlichen
Realität vorbeigehen. Die verschiedenen Produkte auf dem Markt für
Postdienstleistungen unterscheiden sich auch und gerade in den Zusatzleistungen, die
in Zusammenhang mit dem reinen Beförderungsvorgang angeboten werden. Für den
Wettbewerb im Bereich des Postwesens haben diese Zusatzleistungen eine besondere
Bedeutung. Daher wäre es kontraproduktiv und mit dem in § 1 PostG normierten Zweck
der Wettbe- werbsförderung durch Regulierung nicht vereinbar, diese Zusatzleistungen
nicht der Regulierung nach §§ 28, 30-32 PostG zu unterwerfen. Aber auch der
Gesetzeszweck der Gewährleistung flächendeckend angemessener und ausreichender
Postdienstleistungen (vgl. § 1 PostG) würde in diesem Fall gefährdet. Zu diesen zu
gewährleistenden Postdienstleistungen gehören nach § 1 Abs. 2 Post-
Universaldienstleistungsverordnung (PUDLV) nämlich auch Briefsendungen, die
ausschließlich durch besondere Zusatzleistungen zum eigentlichen
Beförderungsvorgang gekennzeichnet sind, wie etwa Einschreibsendung, Wertsendung
oder Nachnahmesendung, und bei denen gerade die Aufrechterhaltung der
Zusatzleistung gewährleistet werden soll. Im übrigen stellt insbesondere § 1 Abs. 2
PUDLV, wonach auch die genannten besonderen Versendungsformen von der
Briefbeförderung umfasst werden, einen deutlichen Hinweis darauf dar, dass der Begriff
der Beförderung i.S.v. § 4 Nr. 3 PostG nicht nur den reinen Beförderungsvorgang
umfasst. Weiterhin ist anzumerken, dass die von der Klägerin vertretene enge Sicht des
Teilleistungsbegriffs zu einer künstlichen Auf- spaltung und Atomisierung der
Beförderungskette führen würde, was weder praktikabel noch vom Gesetzgeber gewollt
ist,
vgl. Beck'scher PostG-Kommentar/Sedemund: § 28 Anm. 22.
56
Schließlich ignoriert die Einbeziehung der mit der Beförderung zusammenhängenden
Wertschöpfungskette auch nicht Regelungen des Gemeinschaftsrechts. Im Gegenteil:
Gemäß Art. 2 Nr. 1 der Richtlinie 97/67/EG des europäischen Parlaments und des Rates
vom 15. Dezember 1997,
57
abgedruckt im Beck'schen PostG-Kommentar, S. 1057,
58
bezeichnet der Ausdruck "Postdienste" die Dienste im Zusammenhang mit der
Abholung, dem Sortieren, dem Transport und der Zustellung von Postsendungen.
Deutlicher, als dies in § 4 Nr. 1 und 3 PostG zum Ausdruck kommt, lässt sich der
Vorschrift damit entnehmen, dass nicht nur der eigentliche Beförderungsvorgang zu den
Postdienstleistungen gehört, sondern alle Dienste, die im Zusammenhang mit den
einzelnen Beförderungsschritten stehen. Gleichzeitig stellt Art. 2 Nr. 1 der Richtlinie klar,
dass auch das Sortieren zum Postdienst und damit zu den Beförderungsleistungen i.S.v.
§ 28 Abs. 1 Satz 1 PostG gehört.
59
Ausgehend von diesen Ausführungen zum Begriff des Teilleistungsvertrages stellt sich
die angegriffene Auskunftsanordnung hinsichtlich der dort aufgeführten Vertragstypen
Nr. 1, 3, 4, 5, 6, 7, 8 und 11 als rechtmäßig dar, weil insofern aufgrund der vorgelegten
Vertragsmuster ausreichende Anhaltspunkte dafür bestehen, dass es sich bei den nach
diesen Vertragsmustern abgeschlossenen Verträgen um vorlagepflichtige
Teilleistungsverträge i.S.v. §§ 28, 30 PostG handelt.
60
Im einzelnen:
61
Bei der "Vereinbarung über das Selbstbuchen von Übergabeeinschreibsendu-
gen/Einwurfeinschreib-sendungen/Nachnahmebrief-sendungen" (Typ I.1. der
Anordnung, Muster 1a der Anlage zum Schriftsatz vom 24. März 1999 = Beiakte 3 zu 22
L 2311/99) ergeben sich die Anhaltspunkte für die Vorlagepflicht allein aus dem
Umstand, dass der Einlieferer es im Rahmen der Selbstbuchung selbst übernimmt, jeder
einzelnen Sendung eine individuelle Identifikationsnummer zuzuweisen. Die
Zuweisung dieser Identifikationsnummer stellt im Falle der Einschreibsendungen den
entscheidenden Arbeitsvorgang dar, der es erst ermöglicht, eine bestimmte Sendung
nachträglich zu identifizieren und ihren Zugang beim Empfänger zu belegen. Ohne die
Zuweisung dieser Nummer bliebe die Zusatzleistung der Klägerin, die Dokumentation
der Übergabe oder des Einwurfs des Einschreibens, zwecklos, da eine Zuordnung zu
einer bestimmten Sendung nicht möglich wäre. Bei den normalen Einschreibsendungen
"am Schalter" wird die individuelle Identifikationsnummer dagegen von der Klägerin der
einzelnen Sendung zugewiesen. Damit handelt es sich hier um eine vom Kunden
übernommene Vorausleistung, die wegen ihres unmittel- baren Zusammenhanges mit
den für die Einschreibsendungen typischen zusätzlichen Beförderungsleistungen als
teilleistungsrelevant anzusehen ist, auch wenn sie tatsächlich vor Einlieferung der
Sendungen erfolgt. Dass die buchmäßige Erfassung der Sendungen und Übergabe von
Einlieferungslisten, wie die Klägerin dargelegt hat, entgegen der Annahme des
Oberverwaltungsgerichts wohl nicht der Dokumentation, sondern der Entgeltkontrolle
dient, kann an dieser Einschätzung nichts ändern. Ebenso wenig ist hierfür von
Bedeutung, ob die für Verträge dieser Art gewährten Entgeltermäßigungen
möglicherweise überwiegend für die Vorausleistungen auf dem Gebiet der
Entgeltkontrolle gewährt werden. Der Vertrag zur "Kooperation bei
Briefzusatzleistungen" (Typ I.7. der Anordnung, Muster 2c aaO) ist auf Vertragstyp I.1.
bezogen und zum Verständnis der gesamten Rechtsbeziehungen zwischen Klägerin
und Kunden hinsichtlich der Sendungen nach Vertragstyp I.1. erforderlich. Daher und
wegen der hier ebenfalls vom Kunden zu besorgenden Zuordnung der
Identifikationsnummer sind nach diesem Muster abgeschlossene Verträge vorzulegen.
62
Die Verträge, die nach den Vertragsmustern "Vorsortierung mit DV-Freimachung" (Typ
I.3., Muster 1c aaO), "Freistempelung mit DV-Anlagen (Briefdienst)" (Typ I.4., Muster 1e)
aaO) sowie "Freimachung von Sendungen mit DV-Anlagen und Postversandsystemen
(Briefdienst)" (Typ I.5., Musteranlage zum Schreiben vom 4. August 1999 = Beiakte 2 zu
22 L 2311/99, Blatt 20) abgeschlossen wurden, unterfallen der Vorlagepflicht, weil nach
allen drei genannten Vertragsmustern beim Kunden eine Vorsortierung nach
Postleitzahlen stattfindet (Typen I.4. und I.5.) oder zumindest stattfinden kann (Typ I.3.).
Bei Typ I.3. ergibt sich dies aus Ziffer 1.4 der "Bedingungen für Entgeltermäßigung bei
Vorsortierung", bei Typ I.4. aus den "Bedingungen für die Freistempelung mit DV-
Anlagen", Rubrik "Allgemeines", Nr. 5 (Beiakte 2 zu 22 L 2311/99, Blatt 19), bei Typ I.5.
unmittelbar aus dem Schreiben der Klägerin an die Regulierungsbehörde vom 4. August
1999 (aaO, Blatt 16). Eine nach Postleitzahlen sortierte Einlieferung von Sendungen
stellt nach Auffassung der Kammer grundsätzlich eine teilleistungsrelevante Vorleistung
des Kunden dar. Dass es sich bei der Sortierung um eine Postdienstleistung und damit
Beförderungsleistung handelt, folgt schon aus Art. 2 Nr. 1 der o.g. Richtlinie 97/67/EG.
Die Kammer ist auch der Überzeugung, dass eine komplette Vorsortierung größerer
Sendungsposten nach allen fünf Ziffern der Postleitzahl für die Klägerin eine greifbare
Entlastung im Bereich der Beförderungsleistungen darstellt, unabhängig davon, ob
63
diese die Entlastung nutzt und dafür Entgeltnachlässe gewährt, oder ob sie
Preisnachlässe nach außen hin ausschließlich auf nicht teilleistungsrelevante
Vorleistungen etwa im Bereich der Entgeltsicherung stützt. So hat die Klägerseite der
Kammer in der mündlichen Verhandlung nicht plausibel machen können, dass eine
nach Postleitzahlen sortierte Einlieferung größerer Sendungsblöcke keinerlei
Entlastungeffekt bei der anschließenden Sortierung im Eingangsbriefzentrum darstellt.
Zu denken wäre etwa an eine durch die Vorsortierung erzielte Reduzierung der
Fehlerrate bei nochmaliger Sortierung im Eingangsbriefzentrum. Überdies zeigt Ziffer 6.
der "Sortierzusatzvereinbarung" (Typ I.11, Muster 2f aaO), dass die Klägerin der
Vorsortierung nach Postleitzahlen sehr wohl eine greif- und bezifferbare Bedeutung im
Rahmen der Beförderungsleistung beimisst. Nach jener Klausel stellt die Klägerin dem
Kunden für eine Rückübertragung der Vorsortierung einen Betrag von 0.02 DM je
Sendung in Rechnung, wobei es allerdings sogar nur um die Vorsortierung nach den
ersten zwei Ziffern der Postleitzahl geht. Für die hier in Rede stehende vollständige
Vorsortierung nach allen fünf Ziffern der Postleitzahl dürfte dies dann erst recht gelten,
denn der Kostenentlastungseffekt müsste hier noch entsprechend höher liegen. Ebenso
ist für die Kammer nicht nachvollziehbar, dass die Vorsortierung nach Postleitzahlen
ausschließlich der Ermöglichung einer Mengenkontrolle dienen soll (vgl. "Bedingungen
für die Freistempelung mit DV-Anlagen", Rubrik "Allgemeines", Nr. 5 (aaO)). Wenn aber
ernsthaft die Möglichkeit besteht, dass die Vorleistung "Vorsortierung nach
Postleitzahlen" teilleistungsrelevant sein könnte, so unterliegen die entsprechenden
Verträge nach den oben aufgestellten Grundsätzen der Vorlagepflicht. Ob die
Regulierungsbehörde nach Prüfung der vorgelegten Verträge zum Ergebnis kommen
wird, es handele sich definitiv um Teilleistungsverträge, ist damit noch nicht
vorherbestimmt und steht auf einem anderen Blatt.
Vorlagepflichtig sind schließlich auch die Vertragstypen "Ko-operation im Briefdienst"
(Typ I.6. der Anordnung, Muster 2a der Anlage zum Schriftsatz vom 24. März 1999 =
Beiakte 3 zu 22 L 2311/99), "Zusatzvereinbarung zum Vertrag über die Kooperation im
Briefdienst (Briefe)" (Typ I.8, Muster 2e-1 aaO) sowie "Sortierzusatzvereinbarung" (Typ
I.11, Muster 2f aaO). Auch bei Vertragstyp I.6. findet eine Vorsortierung nach
Postleitzahlen statt, allerdings nur nach deren ersten zwei Stellen, den sog.
Leitregionen. Dieser im Vergleich zu den Vertragstypen I.3-5 geringere obligatorische
Vorleistungsaufwand ändert aber nichts daran, dass auch hier ein Teil der
Beförderungsleistung, nämlich der Sortierung der Briefsendungen, auf den Kunden
vorverlagert wird. Dass die nach Leitregionen vorsortierten Briefsendungen in sog.
Leitregionsbehältern eingeliefert werden müssen und eine Aufsplittung der Sendungen
einer Leitregion auf verschiedene Teileinlieferungen unzulässig ist, spricht zudem dafür,
dass die Klägerin durch die vorsortierte Einlieferung der Briefe nach Leitregionen
durchaus eine Verringerung ihres Sortieraufwandes anstrebt und erreicht. Gehen
derartige Leitregionsbehälter in den normalerweise für die Vorsortierung zuständigen
Briefzentren ein, können sie ohne weitere Sortierung an die für die Endsortierung
zuständigen Briefzentren weitergeleitet werden. Damit erspart die Klägerin
Arbeitsaufwand im Bereich der Beförderungsleistungen. Ob sie für diese Ersparnis
tatsächlich eine Entgeltermäßigung gewährt, spielt nach dem Teilleistungsbegriff, wie
ihn die Kammer versteht, letztlich keine Rolle. Vertragstyp I.8 ist auf Typ I.6 bezogen und
beinhaltet lediglich eine Erweiterung des Vertrages auf 100%ige Tochterunternehmen
des Kunden. Er ist folglich ebenso wie Typ I.6 zu beurteilen. Vertragstyp I.11 ist
gleichfalls auf Typ I.6 bezogen und daher vorzulegen. Er beinhaltet zwar die
Rückübertragung der Vorsortierung der Sendungen nach Leitregionen auf bestimmte
Niederlassungen der Klägerin, jedoch nur bezogen auf Standartbriefe und
64
maschinenfähige Kompaktbriefe. Damit bleibt es dabei, dass die übrigen Briefarten
weiterhin vorsortiert eingeliefert werden müssen, so dass auch der Abschluss einer
"Sortierzusatzvereinbarung" an der Einordnung des zugehörigen Vertrages über die
"Kooperation im Briefdienst" nichts ändern kann.
Hinsichtlich der in der Auskunftsanordnung vom 12. August 1999 aufgeführten
Vertragstypen Nr. 2, 9, 10 und 12 kann die Kammer keine hinreichenden Anhaltspunkte
für das Vorliegen von Teilleistungsverträgen erkennen. Daher ist die Anordnung
insofern rechtswidrig, als Auskunft über den vollumfänglichen Inhalt der nach diesen
Vertragsmustern abgeschlossenen Verträge verlangt wird.
65
Gegenstand der Vereinbarung über die "Freistempelung von Sendungen" (Typ I.2,
Muster 1b aaO) ist ausschließlich eine Verlagerung von Leistungen, die der
Entgeltsicherung zuzuordnen sind. Die Freistempelung durch den Kunden ersetzt die
übliche Freimachung der Sendung mittels Briefmarke. Teilleistungsrelevante
Leistungen wie Sortiertätigkeiten o.ä. werden nicht verlagert.
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Gleiches gilt für den Vertrag über die "Einlieferung von Großbriefen200 und
Maxibriefen200" (Typ I.12, Muster 3c aaO). Eine Sortierung in Briefbehältern findet
lediglich nach Art der Briefsendung, nicht nach Postleitzahlen statt und ist damit aus-
schließlich dem Bereich der Entgeltkontrolle zuzuordnen. Entgeltermäßigungen werden
für diese nicht teilleistungsrelevante Sortierung und in Form eines Mengenrabatts
gewährt. Sonstige die Beförderungsleistung betreffende Vorleistungen richten sich nach
den jeweiligen gesonderten Bedingungen, nicht aber nach dieser Vereinbarung.
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Auch der Vertrag über die "Kooperation bei Infopostversand" (Typ I.9, Muster 2b aaO)
und die "Zusatzvereinbarung zum Vertrag über die Kooperation bei Infopostversand"
(Typ I.10, Muster 2e-2 aaO) beinhalten keine Vorverlagerung teilleistungsrelevanter
Beförderungsleistungen auf den Kunden. Kooperationsleistungen des Kunden nach
Vertragstyp I.9 sind im wesentlichen die Einhaltung bestimmter
Einlieferungsmindestmengen, die Vorankündigung von In- fopostaktionen sowie die
Bereitschaft zur Verschiebung dieser Termine, die Kennzeichnung von Gebinden mit
Barcodes sowie die Bereitschaft zur Zusammenarbeit bei der Erprobung neuer
Entgeltsicherungssysteme etc. Keine dieser Leistungen betrifft den Bereich der
Wertschöpfungsebene im dargestellten Sinne. Dies gilt auch für die vorgesehene
Einlieferung der Infopost in vorsortierten Massengebinden bei bestimmten Briefzentren.
Die Wertschöpfungsebene bei dem Produkt Infopost setzt seit jeher erst nach dieser
Einlieferung ein. Die von der Klägerin erbrachte Beförderungsleistung beinhaltet bei
diesem speziellen Produkt also typischerweise nicht das Einsammeln i.S.v. § 4 PostG
sowie die Eingangssortierung. Infolgedessen stellt die "Vorsortierung nach Bunden,
Behältern und Paletten" (vgl. Schreiben vom 4. August 1999, Beiakte 2 Blatt 17) keine
individualvertragliche Abwälzung eines Teils der Beförderungsleistung auf den Kunden
dar. Da Vertragstyp I.10 auf Typ I.9 bezogen ist und lediglich eine Erweiterung des
Vertrages auf 100%ige Tochterunternehmen des Kunden beinhaltet, sind beide
Vertragstypen gleich zu beurteilen.
68
Auf der Rechtsfolgenseite erweist sich die angefochtene Auskunftsanordnung als
rechtmäßig. Die von der Regulierungsbehörde verlangten Auskünfte betreffen die
wirtschaftlichen Verhältnisse der Klägerin, denn diese werden durch abgeschlossene
Teilleistungsverträge nicht unerheblich beeinflusst. Ermessensdefizite sind nicht
ersichtlich. Die Regulierungsbehörde hat sich im Rahmen ihres Auswahlermessens für
69
die Ausübung des Auskunftsrechts nach § 45 Abs. 1 Nr. 1 PostG und nicht für eine
Ausübung des Prüfungsrechts nach § 45 Abs. 1 Nr. 2 PostG entschieden. Dies ist nicht
zu beanstanden. Abgesehen davon, dass eine Prüfung von Geschäftsunterlagen
gegenüber einem Auskunftsverlangen wohl kein milderes Mittel darstellen dürfte, war
jedenfalls die Geltendmachung des Auskunftsrechts schon deshalb geboten, weil nur so
das Ziel erreicht werden konnte, vollständige Informationen über die abgeschlossenen
Teilleistungsverträge zu erhalten. Eine unverhältnismäßige Belastung der Klägerin stellt
diese Maßnahme nicht dar. Angesichts der ohnehin vom Postgesetz in § 30
vorgesehenen Pflicht zur Vorlage aller Teilleitungsverträge erscheint der
Auskunftsaufwand nicht unzumutbar, zumal der Aufwand durch schlichte Vorlage von
Kopien der relevanten Verträge reduzierbar erscheint. Auch wenn im Ergebnis nicht
ausgeschlossen werden kann, dass damit möglicherweise Verträge vorgelegt würden,
die sich nach abschließender Prüfung durch die Regulierungsbehörde letztlich nicht als
Teilleistungsverträge erweisen, ist dies im Hinblick auf die nur so gewährleistete
Erfüllung des gesetzlichen Regulierungsauftrages hinzunehmen. Der Schutz von
Geschäftsgeheimnissen der Klägerin usw. kann hier nur von untergeordnetem Interesse
sein, da nicht die Gefahr besteht, dass solche den Mitwettbewerbern der Klägerin
bekannt gegeben werden könnten.
Die Androhung eines Zwangsgeldes in Höhe von 1 Million DM ist insgesamt
rechtswidrig. Dies folgt daraus, dass das Auskunftsverlangen, zu dessen Durchsetzung
das Zwangsgeld angedroht wurde, sich in maßgeblichen Teilen als nicht rechtmäßig
erwiesen hat. Den Ausführungen des OVG Münster in seinem Beschluss vom 26.
Januar 2000 (13 B 47/00) ist insofern nichts hinzuzufügen:" Das Zwangsgeld ist für den
Fall der Nichterteilung der geforderten Auskunft, und zwar der Auskunft in vollem
Umfang, angedroht und kann nicht etwa anteilig auf die Nichterfüllung der weiterhin
zwangsweise durchsetzbaren Teile der Auskunftsanordnung umgelegt werden. Für
diesen Teil erscheint die Androhung eines Zwangsgeldes von 1 Mio. DM - ebenso wie
dessen von der Antragsgegnerin (hier: Beklagten) in Aussicht gestellte Festsetzung -
unverhältnismäßig."
70
Die Kostenentscheidung beruht auf § 155 Abs. 1 VwGO.
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