Urteil des VG Köln vom 03.04.2001

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Verwaltungsgericht Köln, 22 K 5362/99
Datum:
03.04.2001
Gericht:
Verwaltungsgericht Köln
Spruchkörper:
22. Kammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
22 K 5362/99
Tenor:
Der Beschluss der Beschlusskammer 5 der Regulierungsbehörde für
Te- lekommunikation und Post vom 8. Juni 1999 wird aufgehoben,
soweit in Ziffer 2 die Klägerin verpflichtet wird, für sämtliche das
Einlegen der im Beschluss zu 1. genann- ten Sendungen betreffenden
Tätigkeiten kein Entgelt von mehr als DM 0,17 (EUR 0,09) je Sendung
zu erheben und soweit Ziffer 2 als vertragliche Bedingung ange- ordnet
wird.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens tragen die Klägerin zu 3/4 und die Beklagte
zu 1/4 mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen,
die diese selbst trägt.
T a t b e s t a n d
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Die Klägerin ist Inhaberin der gesetzlichen Exklusivlizenz nach § 51 Abs. 1 Satz 1
PostG. Aufgrund einer von der Regulie- rungsbehörde für Telekommunikation und Post
erteilten Lizenz vom 3. November 1998 betreibt die Beigeladene Postdienstleis- tungen,
und zwar unter anderen die Beförderung von Briefsen- dungen unter 200 Gr.
Gegenstand der Lizenz ist insoweit die Abholung der Sendungen jeweils vor 13.00 Uhr
bei den Kunden und die Zustellung am selben Tage vor 20.00 Uhr. Lizenzgebiet ist das
Gebiet der Bundesrepublik Deutschland.
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Mit Schreiben vom 6. Januar 1999 wandte sich die Beigelade- ne an die Klägerin. Sie
begehrte den Abschluss eines Vertrages über den Zugang zu Postfachanlagen in I. und
der an- grenzenden Region, zu den Adressen der Postfachkunden und zu
Adressänderungen. Dabei sollten die Sendungen zwischen 12.00 Uhr und 15.00 Uhr
bei den Postfachanlagen abgegeben und am selben Tage in die Postfächer eingeliefert
werden. Das Schrei- ben ging am 8. Januar 1999 bei der Klägerin ein. Nachdem eine
Einigung zwischen der Klägerin und der Beigeladenen nicht zu- stande gekommen war,
beantragte die Beigeladene mit am 7. Ap- ril 1999 bei der Regulierungsbehörde für
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Telekommunikation und Post eingegangenem Schreiben, die Bedingungen eines
Vertrages über die Benutzung von Postfachanlagen zunächst in I. und im Landkreis I. zu
angemessenen Bedingungen festzu- setzen und die Geltung des Vertrages
anzuordnen.
In der mündlichen Verhandlung vor der Beschlusskammer er- klärte die Klägerin, sie sei
grundsätzlich bereit, Zugang zu Postfachanlagen zu gewähren, das Entgelt hierfür
werde nicht in die Allgemeinen Geschäftsbedingungen aufgenommen. Die Bei-
geladene erklärte, sie bestehe darauf, dass die Sendungen am Tage der Einlieferung in
die Postfächer eingelegt würden.
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Mit Schreiben vom 21. Mai 1999 forderte die Regulierungsbe- hörde die Klägerin auf,
nachvollziehbare Kostenunterlagen des Entgelts für den Zugang zu Postfachanlagen
vorzulegen. Die Klägerin erwiderte darauf, es bestehe bei nur einer Anfrage keine
Nachfrage im Sinne von § 29 Postgesetz - PostG -, die Einlegung von Sendungen in
Postfächer erfülle nicht die Krite- rien des § 51 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 PostG, außerdem
gewähre § 31 PostG der Regulierungsbehörde nicht die Befugnis, das Entgelt für den
Zugang zu Postfachanlagen festzusetzen. Die Kosten be- zifferte sie für die ersten 150
Sendungen auf DM 52,50 inner- halb der offiziellen Sortierzeiten und DM 182,00
außerhalb der Sortierzeiten und auf DM 0,35 für jede weitere Sendung.
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Die Beschlusskammer 5 der Regulierungsbehörde verpflichtete mit Beschluss vom
08.06.1999 die Klägerin, der Beigeladenen den Zugang für postfachgeeignete
Sendungen zu ihren Postfach- anlagen in Stadt und Landkreis I. vertraglich zu ges-
tatten, wobei die Sendungen von der Beigeladenen werktäglich (montags bis freitags)
jeweils bis 15.00 Uhr eingeliefert und taggleich unverzüglich durch Kräfte der Klägerin
eingelegt werden sollten (Ziffer 1). Für die das Einlegen der Sendungen betreffenden
Tätigkeiten sollte die Klägerin kein Entgelt von mehr als DM o,17 erheben dürfen (Ziffer
2). Ferner sollte die Klägerin der Beigeladenen die Anschriften ihrer Postfachanla- gen
im in Ziffer 1 genannten Gebiet bekanntgeben, die Laufzeit des Vertrages zwischen der
Klägerin und der Beigeladenen wurde bis zum 31. 12. 2002 befristet. In Ziffer 5 wurden
die genann- ten vertraglichen Bedingungen angeordnet. In Ziffer 6 wurde festgestellt,
dass ein Hinwegsetzen über die Bedingungen eine mit Bußgeld bedrohte
Ordnungswidrigkeit sei. Zur Begründung wurde ausgeführt, der Anspruch der
Beigeladenen auf Zugang zu den Postfachanlagen beruhe auf § 29 PostG, die Befugnis
der Regulierungsbehörde zur Anordnung der Bedingungen des Vertra- ges auf § 31
PostG. Der Anspruch umfasse aber nicht das Recht, Sendungen selbst in Postfächer
einlegen zu können. Dies sei den Bediensteten der Klägerin vorbehalten. Die Einlegung
könne auch nachmittags durch Schalterkräfte vorgenommen werden. Das Entgelt
orientiere sich an den Gebühren der Klägerin für die Beförderung und Zustellung von
Postwurfsendungen. Die Angaben der Klägerin zu den Kosten der Zuführung zu
Postfachanlagen seien nicht nachvollziehbar. Bei Postwurfsendungen gehe die
Klägerin ersichtlich von einer Mischkalkulation aus: Einer- seits würden
Postwurfsendungen in der Regel durch Postboten zugestellt. Andererseits entstünden
beim Einlegen in Postfä- cher geringere Kosten. Dies rechtfertige es, die zusätzlichen
Arbeitsschritte, die bei der Entgegennahme und dem Einlegen von Sendungen der
Beigeladenen in Postfächer entstünden, durch den Betrag von DM 0,17 als abgegolten
anzusehen.
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Die Klägerin hat am 5. Juli 1999 Klage erhoben. Sie trägt vor, die formellen Vorschriften
über die Anordnung der Bedingungen eines Vertrages seien nicht eingehalten, die
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zwingende dreimonatige Verhandlungsfrist nach § 31 Abs. 2 PostG sei bei Eingang des
Antrages bei der Regulierungsbehörde noch nicht abgelaufen, die zweimonatige
Entscheidungsfrist sei bei Beschlussfassung um einen Tag überschritten gewesen. § 31
Abs. 2 PostG gewähre der Regulierungsbehörde nicht das Recht, das Entgelt
festzusetzen, das die Klägerin für die Entgegennahme und das Einlegen post-
fachadressierter Sendungen von Wettbewerbern verlangen könne. Dies ergebe sich aus
dem System des PostG. Denn die Regulie- rungsbehörde könne bei der Festsetzung
der Bedingungen eines Vertrages keine weitergehenden Rechte haben als bei der Ent-
geltgenehmigung nach §§ 19 ff PostG. Unter den Bedingungen des Vertrages gemäß §
31 Abs. 2 PostG seien nur die Modalitäten der Zuführung der Sendungen zu verstehen.
Aus betrieblichen Gründen sei eine Einlegung der Sendungen erst am Tage nach der
Annahme von der Beigeladenen möglich. Dies stelle aber keine taggleiche Zustellung
mehr dar. Ausgehend von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichts Köln greife die
Beigeladene dann in den Bereich der gesetzlichen Exklusivlizenz der Klägerin ein und
verhalte sich rechtswidrig. Die Beförderung von Briefsendungen unter Inanspruchnahme
der Postfachanlagen der Klägerin sei auch nicht mehr höherwertig im Sinne des § 51
Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 PostG. Übertrage nämlich die Beigeladene den
arbeitsaufwendigsten Teil der postalischen Beförderungskette auf die Inhaberin der
Exklusivlizenz, so sei der verbleibende Teil - die schlichte Beförderung der Sendungen
vom Absender zu einer Postfiliale - allein nicht mehr geeignet, das Tatbestandsmerkmal
der Höherwertigkeit zu erfüllen.
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Auch die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 29 Abs. 1 PostG seien nicht
gegeben: Sie, die Klägerin, sei als Inhaberin der gesetzlichen Exklusivlizenz nach § 51
Abs. 1 Satz 1 nicht Lizenznehmerin im Sinne des § 29 Abs. 1 PostG. Sie sei auch nicht
marktbeherrschend auf dem Markt der taggleichen Zustellung, da sie auf diesem Markt
nicht tätig sei. Auch sei die Einlegung in Postfächer keine Zustellung im Rechtssinne.
Die Verpflichtung, Postsendungen von der Beigeladenen anzunehmen und in
Postfächer einzulegen, bestehe allenfalls, soweit sie, die Klägerin, Postfachanlagen
betreibe. Betrieben würden die Postfachanlagen jedoch nur, solange die Sortierkräfte
dort arbeiteten. Die Sortierkräfte beendeten ihre Tätigkeit spätestens um 10.00 Uhr am
Vormittag. Eine Verpflichtung zur Änderung von Betriebsabläufen treffe sie, die Klägerin,
nicht. Die Rechtsprechung zur fehlenden Verpflichtung des Betreibers eines Festnetzes
im Bereich der Telekommunikation sei auch auf die von ihr vorgehaltenen sachlichen
und persönlichen Ressourcen des Postnetzes anwendbar. Im übrigen sei die von der
Regulierungsbehörde ausgesprochene Verpflichtung sachlich nicht gerechtfertigt: Nach
dem Ende der Sortierzeiten stünden keine Fachkräfte mehr zur Verfügung.
Schalterkräfte dürften in kleineren Filialen den Schalterraum nicht verlassen, wenn dann
nur noch ein Mitarbeiter im Raum arbeite. Zum Teil seien die Postfachanlagen nicht an
Filialen oder Agenturen angeschlossen. Dann müssten Mitarbeiter in den Anlagen zu-
sätzlich bereit gestellt werden. Auch soweit Schalterkräfte in hinreichender Zahl
vorhanden seien, sei in vielen Filialen wegen der großen Entfernung zwischen
Schalterraum und Postfachanlage die Einlegung außerhalb der Sortierzeiten
unzumutbar. Das PostG enthalte keine gesetzliche Grundlage für eine Verpflichtung der
Klägerin, zusätzliche Anstrengungen zu unternehmen, um die Zugangsmöglichkeiten zu
Postfachanlagen den Bedürfnissen von Wettbewerbern anzupassen.
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Die sachliche Rechtfertigung fehle auch deshalb, weil ein praktisches Bedürfnis an
taggleicher Zustellung durch Einlegung von Sendungen in Postfächer nicht bestehe.
Die Kenntnisnahme durch die Empfänger der Sendungen erfolge im Regelfalle erst am
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Folgetage, weil die Mieter die Postfächer üblicherweise schon während oder kurz nach
Ende der Sortierzeiten, also bis etwa 10.00 Uhr leerten. Sendungen, die am Nachmittag
einsortiert würden, erreichten ihren Adressaten also erst am nächsten Tage.
Zu Unrecht schließlich lege die Regulierungsbehörde bei der Festsetzung des
Entgeltes - wenn man von ihrer Befugnis dazu ausgehe - den Preis zugrunde, der für die
Beförderung und Zu- stellung von Postwurfsendungen in Rechnung gestellt würde. Die
Einlegung von adressierten Sendungen in Postfächer erfordere andere Prozessschritte
als die Beförderung von Postwurfsendungen. Bei postfachadressierten Sendungen
müssten die Sendungen entgegengenommen, gezählt und auf ihre Konformität zu den
Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Klägerin überprüft werden. Auch müsse die
Einlieferungsberechtigung festgestellt werden. Ferner müssten die Anschriften überprüft
und die Sendungen nur in bestimmte Postfächer eingelegt werden. Nicht zustellbare
Sendungen müssten erfasst und zurückgegeben werden. Schließlich sei eine
Berechnung des Entgelts erforderlich. Dies alles falle bei Postwurfsendungen nicht an,
sie seien unterschiedslos in alle Postfächer einzulegen.
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Ihrer, der Klägerin, Auffassung zufolge sei ein Entgelt von DM 0,31 je Sendung
angemessen. Dabei handele es sich um eine Mischkalkulation, der die Kosten für die
Einlegung innerhalb und außerhalb der regelmäßigen Sortierzeiten zugrunde lägen.
Diese betrügen je Sendung DM 0,22 innerhalb und DM 2,97 außerhalb der
Sortierzeiten. Zu den Einzelheiten bezieht die Klägerin sich auf ein zu den
Gerichtsakten gereichtes Gutachten der Firma KPMG.
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In der mündlichen Verhandlung vom 03.04.2001 hat die Beklagte im Einverständnis der
Beigeladenen den Beschluss der Beschlusskammer 5 vom 8. Juni 1999 dahin geändert,
dass die einzelnen Sendungen von der Beigeladenen werktäglich montags bis freitags
jeweils bis 16.00 Uhr außerhalb der Schließungszeiten eingeliefert werden können und
taggleich unverzüglich durch Kräfte der Klägerin einzulegen sind.
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Die Klägerin beantragt,
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die Anordnung der Beschlusskammer 5 der Regulierungsbehörde für
Telekommunikation und Post vom 08.06.1999 in der Fassung vom 03.04.2001
aufzuheben.
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Die Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Sie trägt vor, schon aus der Begründung des Entwurfes des PostG folge, dass der
Gesetzgeber auch das Entgelt für das Einlegen von Sendungen in Postfächer zu den
Bedingungen des Vertrages im Sinn des § 31 Abs. 2 PostG gezählt habe. Auch sei der
Klägerin zumutbar, ihre Organisationsabläufe so zu gestalten, dass die Einlegung
möglich sei: Dies könne durch Schalterkräfte geschehen, wenn Sortierkräfte nicht mehr
zur Verfügung stünden. Die Klägerin habe im Verfahren vor der Beschlusskammer
keinerlei Schwierigkeiten vorgetragen. Für die Entscheidung sei aber die Sachlage bei
der letzten Verwaltungsentscheidung maßgeblich.
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Das Kalkulationsmodell der Klägerin sei nicht nachvollziehbar: Die Sach- und
Kapitalkosten seien nicht nachgewiesen. Bei den Personalkosten fehlten die Angaben
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zur Personalstruktur. Das Kalkulationsmodell enthalte keine Kostendaten. Die von der
Klägerin dargelegten Arbeitsschritte seien nicht alle erforderlich. So sei bei der
Einlieferung nur ein Abgleich der Sendungsmenge notwendig, die
Einlieferungsberechtigung müsse nur zu Anfang überprüft werden. Auch die Konformität
mit den Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Klägerin sei ohne Belang. Die
Sendungen müssten auch nicht durch die Klägerin gestempelt werden. Auch sei der von
der Klägerin für das Einlegen veranschlagte Zeitansatz zu hoch. Postwurfsendungen
seien durchaus mit dem Einlegen von sonstigen Sendungen in Postfächer vergleichbar:
Zwar entfielen bei Postwurfsendungen einzelne Arbeitsschritte, die beim Einlegen
anderer Sendungen erforderlich seien. Dafür entstünden bei Postwurfsendungen aber
Mehrkosten durch die Zustellung an solche Postkunden, die keine Postfächer hätten.
Diesen müssten die Postwurfsendungen durch Postboten zugestellt werden. Diese
Mehrkosten entfielen beim Einlegen der Postwurfsendungen in Postfächer. Dies
rechtfertige es, die Kosten des Einlegens sonstiger Sendungen in Postfächer als mit
dem Entgelt für Postwurfsendungen (DM 0,17) abgegolten anzusehen.
Die Beigeladene stellt keinen Antrag.
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Sie schließt sich der Rechtsauffassung der Beklagten an.
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Hinsichtlich des Sachverhalts im übrigen wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie auf
die beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Beklagten und die von der Klägerin
eingereichten Unterlagen ergänzend Bezug genommen.
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E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e:
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Die zulässige Klage ist nur zum Teil begründet
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Die Anordnung der Beschlusskammer 5 vom 8. 6. 1999 in der Fassung vom 03.04.2001
ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten, soweit diese in Ziffer 2
verpflichtet wird, für sämtliche das Einlegen der im Beschluss zu 1. genannten
Sendungen betreffende Tätigkeiten kein Entgelt von mehr als DM 0,17 (EUR 0,09) je
Sendung zu erheben und soweit Ziffer 2 als vertragliche Bedingung angeordnet wird. Im
übrigen ist die Anordnung rechtmäßig.
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Gegenstand des gerichtlichen Verfahrens ist ausschließlich die Verpflichtung der
Klägerin zur unverzüglichen Einlegung solcher Sendungen, die ihr von der
Beigeladenen an dem Tage übergeben werden, an dem diese die Sendung von ihrem
Kunden abgeholt oder sonst übernommen hat (taggleiche Zustellung). Die Beigeladene
hat nämlich in der mündlichen Verhandlung vor der Beschlusskammer 5 ihr Begehren
ausdrücklich auf die taggleiche Zustellung beschränkt. Sie hat erklärt, sie bestehe
darauf, dass die Sendungen "am gleichen Tag der Einlieferung in die
Postfächereingelegt würden und somit die Zustellung E+0 gewährleistet sei". Sie hat
damit den Gegenstand des Verwaltungsverfahrens bestimmt. Weder dem Tenor noch
der Begründung der Anordnung ist zu entnehmen, dass der Klägerin mehr als das von
der Beigeladenen Beantragte aufgegeben worden wäre, insbesondere, dass auch die
Einlegung am Folgetage (E+1) Gegenstand der Anordnung wäre. Dass der Wortlaut der
Anordnung nicht ausschließt, auch solche Sendungen unverzüglich einzulegen, die die
Beigeladene am Tage vor der Einlieferung bei der Klägerin von ihren Kunden
übernommen hat, steht nicht entgegen. Angesichts der eindeutigen Begrenzung des
Antragsbegehrens durch die Beigeladene im Beschlusskammer- verfahren kommt dem
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keine Bedeutung zu.
Unerheblich ist deshalb, dass die Lizenz der Beigeladenen jetzt auch die Zustellung am
Folgetage (E+1) umfasst. Dies ändert nichts am Inhalt der Anordnung. Ob die Klägerin
auch verpflichtet werden könnte, E+1-Sendungen in ihre Postfächer einzulegen, ist
damit nicht Gegenstand des gerichtlichen Verfahrens. Das verwaltungsgerichtliche
Verfahren setzt nämlich die vorherige Durchführung eines Verwaltungsverfahrens
voraus,
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vgl. Eyermann, VwGO, 11. Aufl., Randnr. 22 zu § 68; Kopp/Schenke, VwGO, 11. Aufl.,
Randnrn. 5a, 7a vor § 68.
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Daran fehlt es insoweit.
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Die Anordnung ist nicht wegen Verfahrensfehlern rechtswidrig. Dabei kann
dahinstehen, ob im Zeitpunkt der Anrufung der Regulierungsbehörde durch die
Beigeladene die Dreimonatsfrist des § 31 Abs. 2 PostG schon abgelaufen war oder ob
ein Tag am Ablauf der Frist fehlte. Zum Zeitpunkt der Entscheidung der
Regulierungsbehörde war die Frist jedenfalls abgelaufen. Entsprechend § 75 VwGO
muss es ausreichen, dass zu diesem Zeitpunkt die Dreimonatsfrist verstrichen ist. Zum
gleichen Ergebnis gelangt man, wenn man von Sinn und Zweck der Vorschrift ausgeht:
§ 31 PostG soll dem marktbeherrschenden Lizenznehmer und dem Wettbewerber die
Möglichkeit eröffnen, innerhalb einer angemessenen Zeit einen Vertrag über den
Zugang zu Postfachanlagen oder anderen postalischen Leistungen zu schließen. Mit
anderen Worten: Während dieser Zeit soll die Regulierungsbehörde die
Privatautonomie der Verhandelnden mit Rücksicht auf den Erfolg der Verhandlungen,
den Abschluss des Vertrages, respektieren. Kommt der Vertrag aber nicht zustande,
wäre es dann unnütze Förmelei, einen unmittelbar vor Ablauf der Frist des § 31 Abs. 2
PostG gestellten Antrag nicht als rechtmäßigen Beginn des Verwaltungsverfahrens
anzusehen, wenn, wie hier, derjenige, der den Zugang zu den Post- fachanlagen
gewähren soll, zum Abschluss des Vertrages innerhalb der gesetzlichen Frist nicht
bereit ist. Ob dies anders zu sehen wäre, wenn der Vertragsabschluss unmittelbar
bevorsteht, kann dahinstehen.
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Rechtlich unerheblich ist auch, ob bei Erlass der Anordnung die Zweimonatsfrist des §
31 Abs. 2, 2. Halbsatz PostG schon abgelaufen war. Auch dies würde Rechte der
Klägerin nicht verletzen. § 31 Abs. 2 PostG will nämlich im Interesse der Öffnung der
Postmärkte für den Wettbewerb die Behörde zu einer schnellen Entscheidung anhalten,
nicht einem marktbeherrschenden Wettbewerber Schutz vor einer verspäteten
Entscheidung bieten. Wollte man eine Entscheidung unmittelbar nach Ablauf der Frist
des § 31 Abs. 2, 2. Halbsatz PostG als rechtswidrig ansehen, so würde dies die
marktbeherrschende Position des von der Anordnung betroffenen Wettbewerbers
perpetuieren, dem Zweck des PostG also diametral entgegen laufen.
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Die materiellen Voraussetzungen des Vertrages über den Zugang zu Postfachanlagen
ergeben sich aus § 29 Abs. 1 PostG. Danach ist ein marktbeherrschender Lizenznehmer
auf einem Markt für lizenzpflichtige Postdienstleistungen verpflichtet, auf diesem Markt
anderen Anbietern von Postdienstleistungen gegen Entrichtung eines Entgelts die
Zuführung von Postsendungen zu den von ihm betriebenen Postfachanlagen zu
gestatten, soweit dies nachgefragt wird, es sei denn, dies ist sachlich nicht gerechtfertigt.
Hinsichtlich des Entgelts verweist § 29 Abs. 1 Satz 2 PostG auf § 28 Abs. 2 PostG.
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Die Klägerin ist Lizenznehmer im Sinne des § 29 Abs. 1 Satz 1 PostG. Sie kann sich
nicht darauf berufen, die gesetzliche Exklusivlizenz des § 51 Abs. 1 Satz 1 PostG sei
keine Lizenz im Sinne des § 29 Abs. 1 Satz 1 PostG. Hiergegen spricht schon der
Wortlaut des Gesetzes: Wie der Klammerzusatz in § 51 Abs. 1 Satz 1 PostG
verdeutlicht, bezeichnet der Gesetzgeber das aus- schließliche Recht der Klägerin,
Briefsendungen und adressierte Kataloge zu befördern, als Lizenz (gesetzliche
Exklusivlizenz). Dies legt es nahe, dieses Recht nicht anders zu behandeln als von der
Regulierungsbehörde erteilte Lizenzen. Wollte man die gesetzliche Exklusivlizenz mit
der Klägerin von der Anwendung der Vorschriften des 6. Abschnitts des PostG
ausnehmen, so wäre die Marktöffnung bei Teilleistungsverträgen, dem Zugang zu
Postfachanlagen und zu Informationen über Adressänderungen während des
Übergangsregimes bis zum Auslaufen der gesetzlichen Exklu- sivlizenz
ausgeschlossen. Das PostG bezweckt jedoch gerade die Öffnung des Marktes. Es ist
kein Grund ersichtlich, der etwa bei Teilleistungsverträgen eine Verpflichtung der
Klägerin zu deren Abschluss ausschlösse, zumal Teilleistungen auch schon zur Zeit
des Postmonopols von der damaligen Postverwaltung angeboten wurden. Dass die
Lizenz der Klägerin unmittelbar aufgrund Gesetzes besteht und nicht auf Antrag erteilt
ist, steht nicht entgegen: Dies befreit lediglich von der Durchführung eines
Verwaltungsverfahrens, ändert aber nichts daran, dass auch die Exklusivlizenz eine
Lizenz im Sinne des PostG ist.
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Die Klägerin ist auch auf dem hier relevanten Markt marktbeherrschend im Sinne des §
29 Abs. 1 Satz 1 PostG. Dabei kommt es nicht darauf an, ob und in welchem Maße die
Klägerin eine taggleiche Zustellung durchführt. Wann ein Unternehmen
marktbeherrschend im Sinne des PostG ist, bestimmt sich nämlich gemäß § 4 Ziff. 6
PostG nach § 22 GWB ( jetzt: § 19 GWB ). Dabei ist der relevante Markt entsprechend
dem sogenannten Bedarfsmarktkonzept nach der funktionellen Austauschbarkeit aus
der Sicht der Abnehmer abzugrenzen. Eine funktionelle Austauschbarkeit und damit ein
Markt ist gegeben, wenn sich auf dem sachlich relevanten Markt Waren oder
Dienstleistungen nach Eigenschaften, Verwendungszweck und Preislage so
nahestehen, dass der verständige Verbraucher sie für die Deckung seines bestimmtem
Bedarfs als gleich geeignet ansieht,
34
vgl. Sedemund, Beck`scher PostG Kommentar, Randnr. 86 zu § 4.
35
Danach kann ein relevanter Markt der Beförderung von Sendungen unter Zustellung am
Tage der Abholung durch den Wettbewerber oder der Abgabe der Sendung beim
Wettbewerber (E+0) nicht angenommen werden. Die Abnehmer sehen nämlich eine
Zustellung am Tage der Aufgabe und eine Zustellung am Folgetage (E+0 und E+1)
weitgehend als gleichwertig an. Wie von Danwitz,
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vgl. Alternative Zustelldienste und Liberalisierung des Postwesens, S. 81 f,
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unter Berufung auf Marktstudien aus den Jahren 1997 und 1998 darlegt, ist aus Sicht
des Kunden entscheidendes Kriterium für die Auswahl unter Anbietern von
Postdienstleistungen der Preis, nicht die Geschwindigkeit der Zustellung. Das Interesse
an einer taggleichen Zustellung ist bei gleichem Preis wie für eine Zustellung E+1
gering, erst wenn das Entgelt signifikant sinkt - etwa auf DM 1,00 oder weniger, steigt
das Interesse markant an: So zeigten bei einem Entgelt von DM 1,00 für den
Standardbrief 15 % der Befragten Interesse, bei einem Entgelt von DM 0,70 schon über
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40 %. Dies zeigt, dass die Nachfrage bei der Zustellung von Briefsendungen und
ähnlichen Sendungen nicht maßgeblich zwischen E+0 und E+1 unterscheidet.
Zum gleichen Ergebnis führt der Gesichtspunkt der Kreuzpreiselastizität. Danach
gehören Produkte oder Dienstleistungen dann zum gleichen relevanten Markt, wenn
schon eine geringe Preisveränderung zur Wahl des anderen Produktes oder der
anderen Dienstleistung führt,
39
vgl. dazu Sedemund, a.a.O., Randnr. 87 zu §4.
40
Auch dies ist nach der bei von Danwitz angebenden Marktstudie der Fall: Bei einer
Preisveränderung des Standardbriefes nach oben um nur DM 0,10 gegenüber den
Anbietern von Dienstleistungen, die die Merkmale von E+0 aufweisen, würde etwa 15 %
der Kunden zu den Wettbewerbern wechseln.
41
Zur Klarstellung weist die Kammer darauf hin, dass mit den vorstehenden Ausführungen
nichts zur Bedeutung des Bedarfsmarktkonzepts in anderem postrechtlichen
Zusammenhang, etwa zur Auslegung der Tatbestandsmerkmale des § 51 Abs. 1 Satz 2
Ziff. 4, insbesondere dem der Trennbarkeit, gesagt ist,
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vgl. dazu zuletzt Urteil der Kammer vom 01.02.2000 - 22 K 9332/98.
43
Keiner Entscheidung bedarf, ob der Markt der Briefsendungen in weitere Märkte
aufzuteilen ist, insbesondere, ob getrennte Märkte für Abholung, Sortieren, Transport
und Aushändigung von Sendungen bestehen,
44
so die EG-Kommission in der Bekanntmachung über die Anwendung der
Wettbewerbsregeln auf den Postsektor, Abl. EG Nr. C 39/2 vom 6. 2. 1998 unter 2.2,
45
und ob in einem Markt für die Aushändigung von Briefsendungen noch ein eigener
relevanter Teilmarkt für die Postzustellung mittels Postfachanlagen besteht. In jedem
dieser Märkte wäre die Klägerin nämlich marktbeherrschend. Dies hat das nach § 48
PostG im Verwaltungsverfahren zu beteiligende Bundeskartellamt in seiner
Stellungnahme vom 07.06.1999 ausgeführt. Durchgreifende Bedenken gegen diese
Auffassung bestehen nicht. Nach dem den Beteiligten bekannten Jahresabschluss 1999
der Klägerin betrug ihr Marktanteil im Markt der lizenzierten Postdienstleistungen im
Jahre 1999 98,7 %. Die Klägerin ging für das Jahr 2000 prognostisch von einem
Marktanteil von 98 % aus. Der Marktanteil der Inhaber sogenannter D-Lizenzen, also
von Anbietern von Dienst- leistungen nach § 51 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 PostG wie der
Beigeladenen, betrug im Jahre 1999 0,24 %, die Prognose für das Jahr 2000 lautete auf
0,63 %. Anhaltspunkte dafür, dass der Marktanteil der Klägerin auf einem der denkbaren
relevanten Märkte wesentlich geringer wäre, sind nicht dargetan und auch nicht
ersichtlich.
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Die Zuführung zu Postfachanlagen der Klägerin wird auch nachgefragt. Dabei kann
offen bleiben ob mit der Klägerin der Begriff der Nachfrage in § 29 Abs. 1 PostG im
Sinne einer Manifestation eines nachhaltigen Bedarfs an dieser Teilleistung zu
verstehen ist,
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so auch Sedemund, a.a.O., Randnr. 47 zu § 28.
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oder ob der Zweck des PostG, eine - wenn auch eingeschränkte - Marktöffnung
herbeizuführen, eine Auslegung nahelegt, nach der auch eine einmalige Anfrage schon
als Nachfrage anzusehen wäre. Von Nachhaltigkeit kann nämlich auch bei einer ersten
Anfrage gesprochen werden, wenn sie erkennbar der Beginn einer Entwicklung ist und
sich diese Entwicklung abzeichnet,
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Vgl. Sedemund, a.a.O., Randnr. 47 zu § 28.
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So liegt der Fall: Der Kammer und den Beteiligten sind zahlreiche Fälle bekannt, in
denen Wettbewerber, die Inhaber von D-Lizenzen sind, mit Anfragen nach Zuführung
von Sendungen zu Postfachanlagen an die Klägerin herangetreten sind. Die Klägerin
hat inzwischen in zahlreichen Fällen Anfechtungsklagen gegen Anordnungen der
Regulierungsbehörde erhoben, in denen die Bedingungen entsprechender Verträge
festgelegt worden sind.
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Liegen die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 29 Abs. 1 Satz 1 PostG vor und ist
innerhalb der Dreimonatsfrist des § 30 Abs. 2 PostG ein Vertrag nicht
zustandegekommen, hat die Regulierungsbehörde die Bedingungen eines Vertrages
festzulegen und die Geltung des Vertrages anzuordnen. Zu diesen Bedingungen des
Vertrages gehören die Leistung des marktbeherrschenden Lizenznehmers, aber auch
die Gegenleistung des Wettbewerbers.
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Zu Recht hat die Beklagte die Klägerin verpflichtet, der Beigeladenen die Zuführung von
Briefsendungen und ähnlichen Sendungen werktäglich außerhalb der
Schließungszeiten bis 16.00 Uhr vertraglich zu gestatten und diese Sendungen
unverzüglich taggleich durch Kräfte der Klägerin in die Postfächer einzulegen (Leistung
des marktbeherrschenden Lizenznehmers).
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Nach § 29 Abs. 1 Satz 1 PostG ist die Pflicht, die Zuführung von Postsendungen zu den
Postfachanlagen zu gestatten, grundsätzlich gegeben und nur in Ausnahmefällen
ausgeschlossen,
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vgl. Sedemund, a.a.O., Randnr. 30 zu § 28 PostG.
55
Dies entspricht dem Zweck des PostG, auch schon in der Zeit der gesetzlichen
Exklusivlizenz eine, wenn auch begrenzte, Öffnung der Postmärkte für den Wettbewerb
herbeizuführen. Es entspricht auch dem Willen des Gesetzgebers. In der Begründung
des Gesetzes wird darauf verwiesen, dass der Markteintritt privater Beförderer nur dann
Aussicht auf Erfolg habe, wenn die Kosten des Anbieterwechsels beim Kunden nicht zu
hoch seien. Würde diesen Wettbewerbern der Zutritt zu Postfachanlagen verweigert,
könnten an Postfachadressen gerichtete Sendungen nicht über Konkurrenten der
Deutschen Post AG versandt werden,
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Vgl. Deutscher Bundestag, Drucksache 13/7774, S. 27.
57
Diesem Zweck kann nur Rechnung getragen werden, wenn eine grundsätzliche
Verpflichtung der Klägerin zur Zuführung von Briefsen- dungen, die von Wettbewerbern
befördert werden, zu den Postfachanlagen besteht.
58
Allerdings besteht diese Verpflichtung nur im Rahmen einer rechtmäßigen, das heißt,
von der jeweiligen Lizenz erfassten Beförderung. Dies ist jedoch der Fall, solange die
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Sendungen am Tage der Übergabe an die Klägerin in die Postfächer eingelegt werden.
Denn der Beigeladenen ist rechtmäßig die Beförderung von Briefsendungen bei
taggleicher Zustellung genehmigt worden. Entgegen der Auffassung der Klägerin ist die
Zustellung auch mit dem Einlegen in das einzelne Postfach erfolgt. Zustellung im Sinne
des Postrechts ist nämlich nicht die förmliche Zustellung nach dem
Verwaltungsvollstreckungsrecht, sondern sie umfasst als Oberbegriff alle
Bearbeitungsschritte vom Sortieren in den Zu- stellzentren bis zur Aushändigung der
Sendungen an den Empfän- ger,
vgl. Art. 2 Nr. 5 Richtlinie 97/67 EG.
60
Wird die Aushändigung an den Empfänger an dessen Anschrift, in der Regel also nach
Einwerfen in eine am Haus angebrachte Empfangsvorrichtung, durch Einlegen der
Sendung in Postfächer ersetzt, so tritt dies im Einvernehmen zwischen Empfänger und
der Inhaberin der Exklusivlizenz an die Stelle dieses letzten Arbeitsschrittes im Rahmen
der Zustellung.
61
Die Dienstleistung der Beigeladenen verliert auch nicht ihre Höherwertigkeit im Sinne
des § 51 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 PostG dadurch, dass die Klägerin die einzelnen
Bearbeitungschritte des Zustellvorgangs nach Übergabe der Sendung an die Postfiliale
oder die Schließfachanlage mit Ausnahmen der Sortierung nach Postleitzahlen und
Postschließfachnummern übernimmt. Das entscheidende Kriterium der Höherwertigkeit,
die taggleiche Zustellung, bleibt erhalten. Leistungserbringer gegenüber dem Kunden
bleibt die Beigeladene. Die Klägerin ist im Verhältnis zum Auf-
62
traggeber wie zum Empfänger lediglich Erfüllungsgehilfe der Beigeladenen.
63
Eine andere Auffassung würde der vom PostG gewollten Öffnung der Postmärkte
außerhalb des Bereichs der gesetzlichen Exklusivlizenz zuwiderlaufen. Wollte man
nämlich den Tatbestand des § 51 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 PostG nur dann als erfüllt
ansehen, wenn der Lizenznehmer seine höherwertigen Leistungen ohne
Inanspruchnahme von Leistungen der Klägerin erbringt, so würde man eine vom Gesetz
nicht vorgesehen Marktzugangsbarriere errichten: Die Beigeladene könnte dann solche
Sendungen nicht zustellen, die Postfachadressen trügen. Gerade im Bereich von
Auftraggebern, die Sendungen an Geschäftskunden der Beigeladenen zur Beförderung
anvertrauen wollen, könnte diese dann nur schwer Fuß fassen.
64
Dass die Empfänger der in Postfächer am Nachmittag eingelegten Sendungen häufig
erst am Folgetage Kenntnis von diesen nehmen, falls sie ihre Postfächer am Nachmittag
nicht mehr leeren, steht der Annahme der Höherwertigkeit im Sinne des § 51 Abs. 1
Satz 2 Nr. 4 PostG gleichfalls nicht entgegen. Mit dem Einlegen verschafft die
Beigeladene dem Empfänger jedenfalls die Möglichkeit der taggleichen
Kenntnisnahme. Allerdings ist in einem solchen Fall eine Willenserklärung erst zu dem
Zeitpunkt zugegangen, zu dem Postfächer nach der Verkehrssitte geleert zu werden
pflegen,
65
vgl. Palandt-Heinrichs, BGB, 60. Aufl., Randnr. 6 zu § 130 BGB mit Nachweisen aus der
Rechtsprechung, a.A: Staudinger, BGB, 11. Aufl.: Anm. 4 a zu § 130.
66
Der Zugang hängt damit vom Verhalten der am Rechtsleben Beteiligten ab. Dieses
richtet sich nach den tatsächlichen Umständen, im Falle der Abholung von
67
Postsendungen auch danach, wann üblicherweise die angefallenen Sendungen
vollständig in die Postfächer gelegt worden sind. Dies war bisher nach dem
unwidersprochenen Vortrag der Klägerin der Vormittag. Dementsprechend werden
Postfächer vom Empfänger häufig am Vormittag geleert. Ob dies jedoch die rechtliche
Qualität einer Verkehrssitte hat, braucht nicht entschieden zu werden. Wie der
vorliegende Fall zeigt, haben Wettbewerber der Klägerin Interesse an einer späteren
Zuführung von Sendungen zu Postfachanlagen. Kommt die Klägerin dem nach, so kann
dies auch zu einer Veränderung des tatsächlichen Verhaltens der Postfachinhaber und
damit zu einer Veränderung der Verkehrssitte führen. Wollte man mit Rücksicht auf eine
derzeitige Verkehrssitte die taggleiche Zustellung und damit die Höherwertigkeit
verneinen, so würde die von der Klägerin beeinflusste Verkehrssitte zur
Wettbewerbsbarriere. Dies würde die Öffnung der Postmärkte behindern.
Die Verpflichtung besteht allerdings nur hinsichtlich der Zuführung von Postsendungen
zu von der Klägerin betriebenen Postfachanlagen. Entgegen der Auffassung der
Klägerin werden ihre Postfachanlagen jedoch nicht nur dann betrieben, wenn die
Sortierkräfte Sendungen in den Morgenstunden in die Postfächer einlegen. Vielmehr
spricht einiges dafür, dass Postfachanlagen im Rechtssinne betrieben werden, solange
sie vorgehalten werden, das heißt, für den Zustellvorgang bereitstehen, ohne dass es
auf die konkrete Sortier- oder Öffnungszeit ankommt. Dies mag jedoch dahinstehen.
Zumindest solange werden sie nämlich betrieben, wie sie für die Mieter der Postfächer
zugänglich sind. Denn erst die Möglichkeit der Kenntnisnahme durch den Empfänger
vollendet die Zustellung. Daher geht es nicht an, den Begriff des Betreibens
ausschließlich von internen Arbeitsabläufen der Klägerin abhängig zu machen.
68
Die Postfachanlagen in I. und Umgebung werden auch von der Klägerin betrieben,
soweit sie nicht zur Deutschen Post AG gehörenden Unternehmen (Postagenturen)
angegliedert sind. Das marktbeherrschende Unternehmen kann sich nicht der
Verpflichtung aus § 29 Abs. 1 PostG entziehen, indem es Unternehmensteile
ausgliedert oder Dritte mit der Erbringung von Postdienstleistungen beauftragt. Dies
würde die Marktöffnung in weiten Teilen in das Belieben des marktbeherrschenden
Unternehmens stellen, weil es diesem freistünde, durch Abschluss privatrechtlicher
Verträge die Vorschriften des PostG zu unterlaufen.
69
Besteht danach die Verpflichtung der Klägerin zur Zuführung dem Grunde nach, so
entfällt sie, soweit sie sachlich nicht gerechtfertigt ist, § 29 Abs. 1 Satz 1 PostG. Was
unter fehlender sachlicher Rechtfertigung zu verstehen ist, lässt sich dem Postgesetz
nicht entnehmen. Es müssen jedoch schwerwiegende Gründe vorliegen. Dies lässt sich
der Gesetzesbegründung entnehmen: Während die Begründung zu § 28 PostG den
Hinweis enthält, das die Verpflichtung des Marktbeherrschers zum Angebot von
Teilleistungen 3 Punkte nur in sehr engen Grenzen auch gegenüber anderen Anbietern
von Postdienstleistungen bestehe, fehlt dieser Hinweis in der Begründung zu § 29,
70
vgl. Bundestagsdrucksache 13/7724 S. 27.
71
Damit wird deutlich, dass die Pflicht, die Zuführung von Postsendungen zu
Postfachanlagen zu gestatten, nur in Ausnahmefällen ausgeschlossen ist,
72
vgl. Sedemund, a.a.O., Rndr. 30 zu § 29.
73
Daraus folgt, dass die Notwendigkeit zur Änderung von Betriebsabläufen nicht ohne
74
weiteres als sachliche Rechtfertigung für die Verweigerung der Zuführung von
Postfachanlagen angesehen werden kann. Wäre dies der Fall, so hätte es das
marktbeherrschende Unternehmen in der Hand, durch entsprechende Betriebsabläufe
die Zahl der Wettbewerber klein zu halten, mit denen es Verträge über die Zuführung zu
Postfachanlagen abschließen müsste.
Allerdings hat das OVG NW für das Telekommunikationsgesetz die Auffassung
vertreten, dem Gesetz lasse sich im Falle des Netzzugangs keine Verpflichtung des
marktbeherrschenden Betreibers eines Telekommunikationsnetzes entnehmen, eine die
Integrität seines Netzes beeinträchtigende Benutzung seines Netzes durch einen
Wettbewerber hinzunehmen oder sein Netz durch derartige Beeinträchtigungen
ausschließende Installationen zu verstärken. Der die Netzzusammenschaltungen in
Anspruch nehmende Wettbewerber habe grundsätzlich nur einen Teilhabeanspruch an
der vorhandenen Netzinfrastruktur des marktbeherrschenden Netzbetreibers in Form
eines Mitbenutzungsanspruchs,
75
vgl. OVG NW, Beschluss vom 23.02.2000 - 13 B 1996/99 - , NVwZ 2000, 706, 707.
76
Dem lassen sich jedoch keine Folgerungen für eine Begrenzung der Verpflichtung des
marktbeherrschenden Unternehmens zur Zuführung von Sendungen zu
Postfachanlagen nach § 29 PostG entnehmen. Die Infrastrukturen des Postsektors sind
nämlich mit einem Telekommunikationsnetz nicht vergleichbar. Ein physisches Netz mit
festen Übertragungswegen existiert im Postsektor nicht. Entscheidend in der
postalischen Infrastruktur ist die Organisation der Arbeitsprozesse, die mit dem
physischen Netz unmittelbar nicht im Zusammenhang steht,
77
vgl. Sedemund, a.a.O., Rdnr. 7 zu § 28; Badura, Unternehmenswirtschaftlichkeit und
Infrastrukturgewährleistung im Bereich des Postwesens; Archiv PT 1997, 277, 285.
78
Während Änderungen eines Telekommunikationsfestnetzes mit Investitionen verbunden
sind, die, falls sich die Auslastungsprognose als falsch herausstellen sollten, nicht
rückholbar sind, können Betriebsabläufe und Arbeitsorganisation jederzeit geändert
werden. Ob das anders zu beurteilen wäre, wenn die vorhandene Postfachkapazität,
d.h. Größe und Anzahl der Postfächer, wegen der Zahl der zuzuführenden Sendungen
nicht ausreichte, braucht nicht entschieden werden. Nach dem übereinstimmenden
Vortrag der Klägerin und der Beigeladenen erreicht die Zahl der Sendungen diese
kritische Grenze bei weitem nicht.
79
Ob eine Änderung von Betriebsabläufen im Einzelfall im Sinne von § 29 Abs. 1 Satz 1
PostG sachlich nicht gerechtfertigt sein kann, braucht hier nicht entschieden werden.
Fraglich kann dies sein, soweit die Zuführung während allgemein üblicher
Schließungszeiten etwa in der Mittagszeit verlangt wird. Dies ist jedoch nicht mehr
Gegenstand des Vertrages, dessen Geltung die Regulierungsbehörde angeordnet hat,
nachdem sie ihrer Anordnung in der mündlichen Verhandlung geändert hat.
80
Die bei der Zuführung von Postsendungen der Beigeladenen zu Postfachanlagen
erforderlichen Änderungen der Betriebsabläufe erreichen die Schwelle der fehlenden
sachlichen Rechtfertigung nicht. Soweit die taggleiche Einlegung das Einsortieren
außer- halb der bisher üblichen Sortierzeiten erforderlich macht, stellt dies die Klägerin
lediglich vor organisatorische Probleme. Dabei kann die Klägerin sich nicht darauf
berufen, dass bei Filialen, an die Postfachanlagen angeschlossen sind, Schalterkräfte
81
die Schalterräume verlassen müssten. Dies ist im normalen Schalterbetrieb nicht
unüblich, etwa wenn Kunden solche Sendungen abholen wollen, die, wie Pakete,
üblicherweise nicht im Schalterraum gelagert werden. Zu welcher Sparte der Klägerin
die einzelne Postfachanlage gehörte, ist unerheblich. Der Anspruch auf Zuführung nach
§ 29 PostG kann nicht davon abhängen, ob nach innerbetrieblichen Grundsätzen die
Postfachanlage zur Sparte Brief oder Filiale gehört. Auch die rechtliche Gestaltung
(Postagentur) ist, wie dargelegt, ohne Belang. Größere organisatorische Aufwand ist
lediglich bei Postfachanlagen erforderlich, die keiner Postfiliale angeschlossen sind.
Hierbei mögen höhere Kosten des Personalseinsatzes entstehen, weil Arbeitskräfte zu
Zeiten bereitgestellt werden müssen, zu denen sich keine Bediensteten der Klägerin in
der Postfachanlage aufhalten. Auch dies ist jedoch lediglich eine Frage der
Organisation. Dass hierfür möglicherweise höhere Kosten bei der Klägerin anfallen,
lässt sich bei der Vereinbarung oder Anordnung des Entgelts befriedigend lösen.
Rechtswidrig ist die Anordnung der Beigeladenen vom 8. Juni 1999, soweit als
Bedingung des Vertrages angeordnet ist, dass die Klägerin für die Zuführung der
Sendungen kein Entgelt von mehr als DM 0,17 je Sendung erheben darf.
82
Die Regulierungsbehörde ist gemäß § 31 Abs. 2 PostG befugt, auch das Entgelt für die
Zuführung von Postsendungen zu Postfachanlagen durch das marktbeherrschende
Unternehmen festzulegen und die Geltung dieser Bestimmung des Vertrages
anzuordnen. Auch die Gegenleistung ist nämlich Bedingung des Vertrages im Sinne der
genannten Vorschrift. Allerdings erschließt sich der Sinngehalt des Begriffs Bedingung
in § 31 Abs. 2 nicht unmittelbar aus dem Wortlaut. Klar ist auf dem ersten Blick nur, dass
es keine Bedingung im Rechtssinne sein kann, also kein Ereignis, von dessen Eintritt
oder Nichteintritt die Wirksamkeit des Vertrages abhängt, § 158 BGB. Dies folgt schon
daraus, dass die Regulierungsbehörde nach § 31 Abs. 2 PostG die Geltung des
Vertrages anordnen kann. Bedingung im Rechtssinne und unmittelbare Anordnung der
Geltung, d.h. der Wirkung des Rechtsgeschäftes, schließen sich nämlich aus. Näher
liegt es, unter dem Begriff Bedingung in § 31 Abs. 2 PostG die wesentlichen
Verpflichtungen aus dem gegenseitigen Vertrages zu verstehen. Hierzu gehören beim
zweiseitigen Vertrag Leistung und Gegenleistung, also auch das Entgelt. Dies entspricht
auch den Vorstellungen des Gesetzge- bers: Nach der Begründung zu § 31 Abs. 2
PostG hat die Regulierungsbehörde den Zugang zu Postfachanlagen für Wettbewerber
zu diskrimnierungsfreien Bedingungen und kostenorientierten Entgelten sicherzustellen.
Der Regulierungsbehörde sollte also durch § 31 Abs. 2 PostG auch die Befugnis
eingeräumt werden, sicherzustellen, dass keine überhöhten Entgelte vom
marktbeherrschenden Unternehmen gefordert würden. Dem entspricht es am ehesten,
der Regulierungsbehörde auch die Befugnis zur Anordnung des Entgelts im Vertrage
einzuräumen. Zum gleichen Ergebnis führt die systematische Auslegung: § 31 Abs. 3
PostG räumt der Regulierungsbehörde die Befugnis ein, anzuordnen, dass das
marktbeherrschende Unternehmen u.a. eine Kostenrechnung innerhalb einer
angemessenen Frist in einer Form ausgestaltet, die es der Regulierungsbehörde
ermöglicht, die erforderlichen Daten über Kosten zu erlangen, § 26 Abs. 1 Nr. 3 PostG.
Diese Bestimmung verlöre jeden Sinn, wenn die Regulierungsbehörde nicht auch das
Entgelt anordnen könnte. Es ist nicht ersichtlich, zu welchem Zwecke die Re-
gulierungsbehörde dann Angaben über die Kosten unter Zwangsgeldfestsetzung bis zu
1 Mio. DM sollte anordnen können. Denn bei der Feststellung der sachlichen
Rechtfertigung ist diese Anordnung entbehrlich, da § 29 Abs. 1 PostG die Darlegungs-
und Beweislast insoweit dem marktbeherrschenden Unternehmen zuweist.
83
Die Kammer folgt nicht der Auffassung von Sedemund, wonach unter den Bedingungen
des Vertrages im Sinne des § 31 Abs. 2 PostG in erster Linie die technischen Details für
die Zugangsgewährung zu verstehen seien.
84
Vgl. PostG, Rndr. 49 ff. zu § 31 PostG.
85
Soweit er die Auffassung vertritt, dass, falls dann eine Einigung zwischen den
Vertragsparteien über die Höhe des Entgelts nicht zustande komme, § 315 BGB
anzuwenden seien, führt dies zu erheblichen Schwierigkeiten bei der Bestimmung des
Verhältnisses zwischen den dann zur Entscheidung berufenen Zivilgerichten nach §
315 Abs. 3 BGB und den Befugnissen der Regulierungsbehörde sowie der
Verwaltungsgerichte. Vorschriften darüber, welche Befugnisse der
Regulierungsbehörde im Rahmen der Preisregulierung zustehen, falls ein ordentliches
Gericht nach § 315 Abs. 3 BGB die Gegenleistung, das Entgelt, bestimmt hätte, lassen
sich dem Gesetz nicht entnehmen.
86
Entgegen Sedemund
87
vgl. PostG, Rndr. 61 zu § 31,
88
lässt sich die Befugnis der Regulierungsbehörde zur Anordnung des Entgelts ohne
weiteres mit den Vorschriften über die Entgeltregulierung vereinbaren: Soweit der
Gesetzgeber in den Fällen der §§ 28 und 29 PostG die Vorschriften der §§ 19 und 20
PostG über die Entgeltgenehmigung und des § 25 PostG über die Überprüfung von
Entgelten für anwendbar erklärt hat, liegt ein anderer Sachverhalt zugrunde: Im Falle der
Genehmigung ist das marktbeherrschende Unternehmen bereit, zu einem bestimmten,
noch zu genehmigenden Preis den Zugang etwa zu Postfachanlagen zu gewähren, im
zweiten Fall ist ein Vertrag zwischen den Beteiligten einschließlich der Regelung des
Entgelts zustande gekommen. § 31 PostG liegt jedoch eine völlig andere Fallgestaltung
zugrunde: Die zukünftigen Vertragsparteien können sich über einen Vertrag gerade
nicht einigen. Der Vertrag kommt nur durch Anordnung der Regulierungsbehörde nach §
31 Abs. 2 PostG zustande. Dass der Gesetzgeber dann das Entgelt nicht zu den
Bedingungen des Ver- trages gezählt hätte, kann nicht angenommen werden.
89
Dieser Auslegung von § 31 Abs. 2 PostG begegnet weder verfassungsrechtlichen noch
europarechtlichen Bedenken. Seine verfassungsrechtliche Grundlage findet § 31 Abs. 2
PostG in Art. 87 f GG. Nach Art. 87 f Abs. 1 GG gewährleistet der Bund im Bereich des
Postwesens flächendeckend angemessene und ausreichende Dienstleistungen nach
Maßgabe eines Bundesgesetzes. Dies ist das PostG. Nach Art. 87 f Abs. 2 GG werden
diese Dienstleistungen als privatwirtschaftliche Tätigkeiten durch die aus dem
Sondervermögen Deutsche Bundespost hervorgegangenen Unternehmen - hier die
Klägerin - und durch andere private Anbieter erbracht. Das Grundgesetz geht also
davon aus, dass neben der Klägerin als Nachfolgeunternehmen der Deutschen
Bundespost Postdienst andere private Anbieter im Wettbewerb die postalische
Versorgung sicherstellen. Dies erfordert es jedoch, in den Bereichen, in denen das
marktbeherrschende Unternehmen den Markt - wie bei der Zustellung über Postfächer -
ausschließlich bedienen kann, der Regulierungsbehörde die Befugnis einzuräumen, in
die Gewerbefreiheit des marktbeherrschenden Unternehmens einzugreifen. Als Mittel
durfte der Gesetzgeber zur öffentlich-rechtlichen Anordnung der wesentlichen
Bestandteile von Verträgen zwischen markt- beherrschenden Unternehmen und
Wettbewerbern greifen.
90
Europarechtliche Bedenken bestehen gleichfalls nicht. Die Richtlinie 97/67/EG steht
nicht entgegen. Nach Art. 26 Abs. 1 der Richtlinie dürfen die Mitgliedsstaaten
Maßnahmen beibehalten oder einführen, die eine stärkere Liberalisierung beinhalten
als die in dieser Richtlinie vorgesehenen Maßnahmen.
91
Die Regulierungsbehörde hat jedoch von der ihr in § 31 Abs. 2 PostG eingeräumten
Befugnis zur Anordnung des Entgelts rechtswidrig Gebrauch gemacht.
92
§ 31 Abs. 2 PostG enthält keine Maßstäbe für die Anordnung des Entgelts. Es ist
deshalb auf § 29 PostG zurückzugreifen. Er erklärt in Abs. 1 Satz 2 hinsichtlich des
Entgeltes § 28 Abs. 2 PostG für entsprechend anwendbar. Nach § 28 Abs. 2 Satz 2
PostG unterliegen Entgelte für Angebote, die nicht in allgemeinen
Geschäftsbedingungen enthalten sind wie die Zuführung von Sendungen zu
Postfachanlagen, der Überprüfung nach § 25 PostG. Nach § 25 Abs. 1 PostG ist
Maßstab der Mißbrauchsaufsicht die Vor- schrift des § 20 Abs. 2 PostG. Nach der nur in
Frage kommenden Nr. 1 des Satzes 1 dieser Vorschrift dürfen Entgelte keine
Aufschläge enthalten, die der Anbieter nur aufgrund seiner marktbeherrschenden
Stellung durchsetzen kann, es sei denn, das hierfür eine rechtliche Verpflichtung oder
ein sonstiger sachlich gerechtfertigter Grund nachgewiesen wird. Danach darf das
Entgelt einen Aufschlag enthalten. Dieser Aufschlag kann sich entweder auf die Kosten
einer effizienten Leistungsbereitstellung nach § 20 Abs. 1 oder auf Entgelte für
vergleichbare Leistungen auf dem deutschen Postmarkt oder auf anderen Postmärkten
beziehen.
93
Die Kosten einer effizienten Leistungsbereitstellung durch die Klägerin hat die
Regulierungsbehörde nicht ermittelt. Sie hat zwar die Klägerin aufgefordert,
Kostenunterlagen vorzulegen. Nachdem die Klägerin dem nicht nachgekommen war, ist
die Regulierungsbehörde von dem Entgelt für Postwurfsendungen ausgegangen. Sie
hat darin eine vergleichbare Postdienstleistung gesehen.
94
Die Annahme der Vergleichbarkeit begegnet rechtlichen Bedenken. Die Arbeitsschritte
bei Postwurfsendungen sind nämlich andere als bei der Zuführung von
Postwurfsendungen zu Postfachanlagen. Bei der Zuführung sind die folgenden
Arbeitsschritte zu bewältigen: Die Sendungen müssen in der Postfiliale, Postagentur
oder Postfachanlage entgegengenommen werden. Die Zahl der Sendungen und die
Postfachgeeignetheit, d.h. eine grobe Prüfung darauf, ob die Formate für das Einlegen
in Postfächern geeignet sind, müssen festgestellt werden. Die Sendungen müssen in
diejenigen Postfächer eingelegt werden, die im Adressfeld angegeben sind. Hierbei ist
zu überprüfen, ob der Adressat auch Mieter des Postfaches ist. Schließlich müssen nicht
zustellbare Sendungen zu- rückgegeben werden. Postwurfsendungen müssen dagegen
lediglich in jedes Postfach eingelegt werden. Da ihr Format in den allgemeinen
Geschäftsbedingungen vorgegeben ist, entfällt eine Überprüfung auf die
Postfachgeeignetheit. Sie müssen nicht gezählt oder entgegengenommen werden.
Schon dies zeigt, dass die Postdienstleistungen nicht vergleichbar sind. Sie werden
auch nicht dadurch vergleichbar, dass Postwurfsendungen an andere Postkunden
zugestellt werden. Dies lässt zwar plausiblen erscheinen, dass das Entgelt von DM 0,17
für die Beförderung von Postwurfsendungen an Postfachinhaber überhöht erscheint,
lässt aber keinen Schluss darauf zu, warum die Beförderung von Postwurfsendungen im
ganzen oder in einzelnen Schritten eine der Zuführung von beanschrifteten Sendungen
zu Postfachanlagen vergleichbare Dienstleistung ist.
95
Ob, wie die Beklagte in der mündlichen Verhandlung vorgetragen hat, die Einlegung
von beanschrifteten Sendungen in Postfachanlagen durch Postagenturen eine
vergleichbare Leistung ist und ob das dafür von der Klägerin an den Betreiber der
Postagentur entrichtete Entgelt deshalb der Anordnung der Regulierungsbehörde nach
§ 31 Abs. 2 PostG zugrundgelegt werden kann, braucht nicht entschieden zu werden.
Dies wäre Aufgabe der Regulierungsbehörde, der auch die Befugnis zur Anordnung des
Entgelts zusteht.
96
Auch aus den von der Klägerin aufgrund des Beweisbeschlusses der Kammer vom
07.11.2000 vorgelegten Kostenunterlagen ergibt sich nichts, was die von der
Regulierungsbehörde angeordnete Entgeldobergrenze rechtfertigen könnte. Ob diese
Unterlagen eine höhere Entgeldobergrenze gerechtfertigt erscheinen lassen können,
braucht nicht entschieden zu werden, da die Anfechtungsklage nur zur Aufhebung eines
angefochtenen Verwaltungsaktes, nicht zur Verpflichtung der Beklagten zur Änderung
des Verwaltungsaktes führen kann.
97
Zu keinem anderen Ergebnis führt die Auffassung der Beklagten, für die rechtliche
Überprüfung der Anordnung vom 08.06.1999 komme es auf die tatsächlichen und
rechtlichen Verhältnisse zum Zeitpunkt der letzten Verwaltungsentscheidung an. Ob
dies zutrifft, kann letztlich offenbleiben. Denn die letztlich entscheidungserhebliche
Frage, ob das Entgelt für Postwurfsendungen ein Entgelt für vergleichbare postalische
Dienstleistungen ist, beantwortet sich aufgrund der tatsächlichen und rechtlichen
Verhältnisse der letzten Verwaltungsentscheidung nicht anders als unter
Zugrundelegung der rechtlichen und tatsächlichen Verhältnisse in der mündlichen
Verhandlung vor dem erkennenden Gericht.
98
Die Beklagte kann sich auch nicht darauf berufen, dass die Klägerin durch ihr Verhalten
während des Verfahrens vor der Beschlusskammer die Aufklärung vereitelt haben
könnte und dass dies zu einer Umkehr der Beweislast geführt hätte. Dies ändert zum
einen nichts an der fehlenden Vergleichbarkeit des Entgelts für die Zustellung von
Postwurfsendungen. Zum anderen hat die Beklagte es unterlassen, von ihren
Befugnissen nach § 31 Abs. 3 PostG zur Aufklärung des Sachverhalts Gebrauch zu
machen.
99
Die Kostenentscheidung folgt aus § 155 Abs. 1 VwGO. Hinsichtlich der
außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen entspricht des der Billigkeit, diese dem
Beigeladenen selbst aufzuerlegen, da dieser keinen Antrag gestellt hat und damit nicht
das Risiko eigener Kostenpflicht eingegangen ist, §§ 162 Abs. 3, 154 Abs. 3 VwGO.
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