Urteil des VG Köln vom 02.06.2007
VG Köln: aufschiebende wirkung, persönliche eignung, wiederherstellung der aufschiebenden wirkung, versetzung, vollziehung, amtsführung, universität, vorrang, disziplinarverfahren, regierung
Verwaltungsgericht Köln, 27 L 525/06
Datum:
02.06.2007
Gericht:
Verwaltungsgericht Köln
Spruchkörper:
27. Kammer
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
27 L 525/06
Tenor:
1. Der Antrag wird abgelehnt. Der Antragsteller trägt die Kosten des
Verfahrens.
2. Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 27.487,98 Euro festgesetzt.
Gründe
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Der Antrag,
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„die Anordnung der sofortigen Vollziehung im Bescheid des Bun- desministeriums der
Verteidigung vom 01. Februar 2006 bezüglich der Versetzung des Klägers als
Berufssoldat in den einstweiligen Ruhe- stand aufzuheben und die aufschiebende
Wirkung der Klage wiederher- zustellen",
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hat keinen Erfolg.
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Formelle Bedenken gegen die Anordnung der sofortigen Vollziehung vom 01. Februar
2006 bestehen nicht. Insbesondere genügt sie den Anforderungen des § 80 Abs. 3 Satz
1 VwGO. Der Antragsgegner hat zur Begründung des öffentlichen Inte- resses an der
Anordnung der sofortigen Vollziehung darauf verwiesen, dass es mit dem
Verteidigungsauftrag der Bundeswehr unvereinbar wäre, einen Soldaten der
Besoldungsgruppe B 9 über den Tag der verfügten Versetzung in den einstweiligen
Ruhestand hinaus auch nur vorläufig im Dienst zu belassen, während das private
Interesse des Antragstellers an der aufschiebenden Wirkung zurücktreten müsse, da er
im Falle des Obsiegens so gestellt würde, wie wenn er nicht in den einstweiligen
Ruhestand versetzt worden wäre. Diese wenn auch knappe Begründung genügt be-
reits dem Begründungserfordernis des § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO. Sie knüpft einer- seits
an die Besonderheiten des konkreten Falles - die Gefährdung des Verteidi-
gungsauftrags, die mit Blick auf die herausgehobene dienstliche Stellung des An-
tragstellers bei seinem weiteren Verbleib im Amt trotz Vertrauensverlustes eintreten
könnte - an, nimmt aber andererseits auch die den Antragsteller treffenden Folgen sowie
die Möglichkeit ihres Ausgleichs in den Blick. Damit werden aber die maßgeb- lichen
Erwägungen für die Anordnung der sofortige Vollziehung offenbart und der Funktion des
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Begründungserfordernisses Genüge getan, nämlich der Behörde nochmals bewusst zu
machen, dass die Anordnung der sofortigen Vollziehung ent- gegen der Regel des § 80
Abs. 1 VwGO eine Sondersituation darstellt.
Der Antrag hat auch in materieller Hinsicht keinen Erfolg. Nach § 80 Abs. 5 VwGO kann
das Gericht auf Antrag die aufschiebende Wirkung eines Rechtsbehelfs
wiederherstellen, wenn eine Abwägung der betroffenen Interessen ergibt, dass das
private Interesse des Antragstellers an der aufschiebenden Wirkung des Rechtsbe- helfs
gegenüber dem öffentlichen Interesse an der sofortigen Vollziehung des ange-
fochtenen Verwaltungsaktes überwiegt. Maßgebliches Kriterium sind hierbei die Er-
folgsaussichten in der Hauptsache: Nur wenn die angegriffene Maßnahme offen-
sichtlich rechtswidrig ist, überwiegt regelmäßig das private Interesse an der Wieder-
herstellung der aufschiebenden Wirkung, während im umgekehrten Fall dem öffentli-
chen Interesse am Sofortvollzug der Vorrang einzuräumen ist.
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Die danach vorzunehmende Interessenabwägung fällt zu Lasten des Antragstellers aus.
Es kann nicht festgestellt werden, dass die auf § 50 Abs. 1 SG gestützte Versetzung des
Antragstellers in den einstweiligen Ruhestand offensichtlich rechtswidrig ist. Vielmehr
spricht nach dem gegenwärtigen Sach- und Streitstand umgekehrt vieles für die
Rechtmäßigkeit der Maßnahme und damit - vorbehaltlich einer abschließenden
Überprüfung im Hauptsacheverfahren - für die voraussichtliche Erfolglosigkeit der
erhobenen Anfechtungsklage. Auch bei der weiteren Interessen- und Folgenabwägung
ist dem Vollziehungsinteresse der Vorrang vor dem privaten Aufschubinteresse des
Antragstellers einzuräumen.
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Bedenken gegen die formelle Rechtmäßigkeit der Versetzung des Antragstellers in den
einstweiligen Ruhestand bestehen nicht. Insbesondere ist es unschädlich, dass der
Antragsteller vor seiner Versetzung in den einstweiligen Ruhestand nicht angehört und
die Maßnahme ihm gegenüber (zunächst) auch nicht begründet worden ist.
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Vgl. insoweit mit eingehender Begründung BVerwG, Beschluss vom 26. Mai 1992 - 2 B
13.92 -, ZBR 1992, 284.
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Die Versetzung des Antragstellers in den einstweiligen Ruhestand ist nach der hier
lediglich gebotenen summarischen Überprüfung auch materiell rechtmäßig.
Rechtsgrundlage für diese Maßnahme ist § 50 Abs. 1 SG. Danach kann der
Bundespräsident die Berufsoffiziere vom Brigadegeneral und den entsprechenden
Dienstgraden (BBesO B 6) an aufwärts - zu diesem Personenkreis gehört der
Antragsteller als Generalleutnant - jederzeit in den einstweiligen Ruhestand versetzen.
Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts und des
Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen ist damit dem
Bundespräsidenten nicht nur in zeitlicher Hinsicht, sondern auch in inhaltlicher Hinsicht
ein weites Ermessen eingeräumt. Die Grenzen dieses weiten, aber pflichtgemäßen
Ermessens werden durch den Zweck der Vorschrift des § 50 Abs. 1 SG bestimmt.
Dieser liegt zum einen - wie bei der Vorschrift des § 36 Abs. 1 BBG, der § 50 Abs. 1 SG
nachgebildet ist - darin, die Amtsführung der in der Vorschrift bezeichneten
Berufsoffiziere in bestmöglicher Übereinstimmung mit der Re- gierungspolitik zu halten
und dazu deren Amtsstellen jederzeit umzubesetzen. Die Amtsführung in diesen
herausgehobenen Positionen soll die Politik der Regierung nicht nur nicht behindern,
sondern aktiv unterstützen. Deshalb bedürfen die in diesen Stellen tätigen Soldaten
jederzeit des vollen Vertrauens der Regierung. Dabei ist das Vertrauen nicht nur bei
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abweichenden politischen Ansichten, sondern auch dann gestört, wenn die Regierung
bzw. der Minister Zweifel daran hegt, dass die fachliche und persönliche Eignung des
Soldaten, seine Amtstätigkeit oder auch nur sein außerdienstliches Verhalten den
höchstmöglichen Grad einer zielstrebigen, wirkungsvollen Zusammenarbeit im Sinne
der von ihr verfolgten Politik gewährleistet. Solche Zweifel können auch durch
Unwägbarkeiten, sog. Imponderabilien, veranlasst sein, die nicht stets genau zu
umreißen sind und deren Offenlegung im einzelnen nicht immer im Sinne der
gesetzlichen Regelung liegt. Der zugrundeliegende Sachverhalt muss also nicht
aufgrund tatsächlicher Umstände feststehen. Ein schuldhaftes oder auch nur objektiv
pflichtwidriges Verhalten wird ebenso nicht vorausgesetzt. Ebenso wenig, dass dem
Soldaten schlechte Arbeit unterstellt wird. Die Maßnahme stellt keine Disqualifizierung
des Soldaten dar, sie ist ausschließlich eine dienstrechtliche Maßnahme im Interesse
der politischen Führung.
Vgl. BVerwG, Urteil vom 29. Oktober 1964 - II C 182.61 -, BVerwGE 19, 332; Urteil vom
27. Januar 1977 - II C 70.73 -, ZBR 1977, 272; Urteil vom 17. September 1981 - 2 C
12.80 -, RiA 1982, 170; Beschluss vom 26. Mai 1992 -, DÖV 1993,94; OVG NRW, Urteil
vom 6. Mai 1998 - 12 A 7633/95 -, nachgewiesen bei Juris, mit weiteren Nachweisen.
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Weitergehend als bei § 36 Abs. 1 BBG sind bei der Auslegung des § 50 Abs. 1 SG auch
die besonderen Bedürfnisse der Bundeswehr zu berücksichtigen, die es erlauben, die
Versetzung in den einstweiligen Ruhestand auch aus Gründen auszu- sprechen, die
vom Verhalten des Berufsoffiziers unabhängig sind, etwa zur Verbesserung der
Personalstruktur auf das Alter abzustellen.
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BVerwG, Urteil vom 27. Januar 1977 - II C 70.73 -, ZBR 1977, 272.
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Für die Rechtmäßigkeit der Maßnahme kommt es allein auf die Erwägungen an, die der
Bundespräsident aufgrund der ihm unterbreiteten Antragsbegründung angestellt hat.
Gründe, die ihn nicht zur Versetzung in den einstweiligen Ruhestand veranlasst haben,
sind also bei der Überprüfung außer Betracht zu lassen. Soweit im
verwaltungsgerichtlichen Verfahren die oberste Dienstbehörde den Vertrauensverlust so
zu substantiieren hat, dass sich das Gericht vom Vorliegen dieses Vertrauensverlustes
und einer insgesamt willkürfreien Ermessensentscheidung überzeugen kann, müssen
sich die zur Plausibilisierung vorgetragenen Einzelumstände also auf die Gründe
beziehen, die den Bundespräsidenten dazu veranlasst haben, den jeweiligen
Berufsoffizier in den einstweiligen Ruhestand zu versetzen.
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Vgl. BVerwG, Urteil vom 27. Januar 1977 - II C 70.73 -, ZBR 1977, 272; OVG NRW,
Urteil vom 6. Mai 1998 - 12 A 7633/95 -, nachgewiesen bei Juris.
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Hiervon ausgehend ist die Ermessensentscheidung des Bundespräsidenten vom 26.
Januar 2006 nicht zu beanstanden. Grundlage der Ermessensentscheidung des
Bundespräsidenten war das Schreiben des Bundesministers der Verteidigung vom 26.
Januar 2006, mit dem dieser um die Versetzung u.a. des Antragstellers in den
einstweiligen Ruhestand bat. Das Schreiben hat folgenden Inhalt:
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„Generalleutnant E. wurde in seiner Eigenschaft als truppendienstlicher Vorgesetzter
über den Sachstand disziplinarer Vorermittlungen unterrichtet, die seit geraumer Zeit
gegen drei studierende Offiziere der Universität der Bundeswehr Hamburg wegen des
Verdachts sexistischer, rassistischer und extremistischer Äußerungen geführt werden.
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Im Zuge der Unterrichtung erhielt Generalleutnant E. einen internen Vermerk der
zuständigen Wehrdisziplinaranwaltschaft. Darin waren der damalige Stand der
Vorermittlungen gegen die drei Soldaten sowie Feststellungen zu hierbei gewonnenen
dienstaufsichtlichen Erkenntnissen enthalten.
Diesen Vermerk gab Generalleutnant E. unbefugterweise an Generalleutnant S. weiter,
der ihn wiederum unbefugterweise seinem vom Ermittlungsverfahren betroffenen Sohn
zugänglich machte. Dieses Verhalten war geeignet, die disziplinaren Vorermittlungen
gegen die drei Soldaten mittelbar zu beeinflussen. Zudem besitzt dieses Verhalten
strafrechtliche Relevanz (Verletzung von Dienst-/Privatgeheimnissen).
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Nachdem mir die Angelegenheit bekannt geworden war, habe ich gegen beide
Generale die Aufnahme disziplinarer Vorermittlungen angeordnet. Beide haben den
Sachverhalt eingeräumt.
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Aufgrund der Ergebnisse der disziplinaren Vorermittlungen habe ich das notwendige
Vertrauen in eine einwandfreie Amtsführung beider Soldaten verloren. ..."
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Ausweislich des vom Bundespräsidenten abgezeichneten Vermerks vom 26. Januar
2006 hat der Bundesminister der Verteidigung in einem hierzu geführten persönlichen
Gespräch mit dem Bundespräsidenten keine weiteren Gesichtspunkte aufgezeigt,
sondern er habe, so die zusammenfassende Bewertung des Gesprächs im Vermerk,
lediglich nochmals dargestellt, dass er aufgrund der disziplinaren Vorermittlungen
gegen die beiden betroffenen Offiziere das notwendige Vertrauen in deren einwandfreie
Amtsführung verloren habe. Maßgeblich für die Versetzung des Antragstellers in den
einstweiligen Ruhestand war daher der nach Einschätzung des Bundespräsidenten
hinreichend dargelegte Vertrauensverlust des Ministers in die Amtsführung des
Antragstellers. Das bewegt sich innerhalb der eingangs geschilderten Zwecke des § 50
Abs. 1 SG.
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Nach Auffassung der Kammer reicht bereits der an den Bundespräsidenten gerichtete
Antrag inhaltlich aus, den Vertrauensverlust des Bundesministers der Verteidigung
hinreichend zu plausibilisieren. Die Plausibilisierung muss so weit erfolgen, dass das
Gericht in die Lage versetzt wird, sich einen Eindruck von der Rechtmäßigkeit der
Maßnahmen zu verschaffen und jedenfalls Willkür auszuschließen. Dabei ist zu
berücksichtigen, dass es sich bei dem Vertrauensverlust um einen inneren, nicht bis ins
letzte durch Tatsachen belegbaren Vorgang handelt. Dieses Maß an Plausibilisierung
ergibt sich bereits aus dem an den Bundespräsidenten gerichteten Schreiben. Dieses
enthält eine knappe Zusammenfassung der tatsächlichen Ereignisse, wie sie sich nach
dem Stand der disziplinären Vorermittlungen zum damaligen Zeitpunkt darstellten, und
leiten aus dem „Ergebnis" dieser Vorermittlungen den Vertrauensverlust ab. Diese
Begründung enthält genügend konkrete Anhaltspunkte, um angesichts der
herausgehobenen dienstlichen Position des Antragstellers und der zentralen Bedeutung
der Wahrung der Vertraulichkeit gerade in Personal- und Disziplinarangelegenheiten
den Vertrauensverlust des Bundesministers der Verteidigung in die persönliche
Eignung des Antragstellers und dessen einwandfreie Amtsführung substantiiert und
nachvollziehbar darzulegen.
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Die hiergegen erhobenen Einwände des Antragstellers vermögen nach der im
vorliegenden Verfahren lediglich gebotenen summarischen Überprüfung nicht zu einem
anderen Ergebnis zu führen. Unzutreffend ist insbesondere die Annahme des
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Antragstellers, der Bundespräsident habe sein Ermessen nicht sachgerecht ausüben
können, weil ihm vom Bundesminister der Verteidigung ein fehlerhafter bzw.
unvollständiger Sachverhalt zur Begründung des Vertrauensverlustes unterbreitet
worden sei.
Soweit der Antragsteller in diesem Zusammenhang geltend macht, der Bundespräsident
sei nicht darauf hingewiesen worden, dass er, der Antragsteller, zuständigkeitshalber
über den Stand der Vorermittlungen gegen die drei an der Universität der Bundeswehr
Hamburg studierenden Soldaten unterrichtet worden sei, ist dies nicht zutreffend.
Vielmehr wird eingangs des zweiten Absatzes des Schreibens des Bundesministers der
Verteidigung ausdrücklich darauf hingewiesen, dass der Antragsteller in seiner
Eigenschaft als truppendienstlicher Vorgesetzter über den Sachstand der disziplinaren
Vorermittlungen unterrichtet worden sei.
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Auch hatte Generalleutnant S. entgegen den Behauptungen des Antragstellers von dem
Vermerk noch keine Kenntnis, als er, der Antragsteller, den Vermerk an Generalleutnant
S. weitergab. Dies ergibt sich aus der persönlichen Anhörung von Generalleutnant S. ,
der dies auf Befragen klar verneint und darauf hingewiesen hat, dass sein Sohn, der
eine dem entgegengesetzte Erklärung abgegeben hatte, etwas missverstanden habe.
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Soweit der Antragsteller ferner geltend macht, Generalleutnant S. habe in seiner
Funktion als Stellvertretender Inspekteur des Heeres Zugang zu den Personalakten
sämtlicher Heeresuniformträger gehabt, so dass nicht einzusehen sei, warum ihm der
Vermerk nicht zur Kenntnis gebracht werden sollte, steht dem die enge Fassung des §
29 Abs. 3 Satz 1 SG entgegen. Ein mögliches Zugangsrechts zu den Personalakten der
hier betroffenen drei studierenden Soldaten der Universität der Bundeswehr Hamburg,
das auch die Weitergabe des vertraulichen Vermerks an Generalleutnant S. hätte
rechtfertigen können, hätte sich danach nur aus einem dienstlichen Anlass ergeben
können. Daran fehlt es hier aber, da Generalleutnant S. als Stellvertretender Inspekteur
des Heeres weder truppendienstlicher Vorgesetzter noch Disziplinarvorgesetzter der
Studierenden der Universität der Bundeswehr Hamburg war und damit mit den
Personalangelegenheiten der an der Bundeswehrhochschule studierenden Soldaten
auch nicht dienstlich befasst war. Die Aushändigung des Vermerks an ihn erfolgte nach
Angaben des Antragsteller bei seiner Vernehmung vielmehr, somit Generalleutnant S.
„im Sinne der Sache positiv" auf seinen Sohn einwirken könne und damit ausschließlich
zu privaten Zwecken.
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Dass in dem Schreiben des Bundesministers der Verteidigung an den
Bundespräsidenten weder darauf hingewiesen wurde, dass er, der Antragsteller, den
Vermerk Generalleutnant S. ausdrücklich nur zum persönlichen Gebrauch überlassen
habe und auch nichts zu den Beweggründen für sein Verhalten ausgeführt wurde,
ändert nichts an dem zum Vertrauensverlust führenden Sachverhalt, der unbefugten
Weitergabe eines vertraulichen Vermerks durch den Antragsteller. Dass der
Antragsteller aus persönlicher Verbundenheit zu Generalleutnant S. gehandelt hat, ist
zwar menschlich verständlich und mag im Disziplinarverfahren Berücksichtigung finden,
ändert aber nichts daran, dass der Vertrauensverlust ohne Berücksichtigung eventueller
entlastender Umstände an den objektiven Sachverhalt (unbefugte Weitergabe eines
vertraulichen Vermerks) an- knüpft. Im Übrigen dürfte der Verweis auf die persönlichen
Umstände und Betroffenheiten dazu angetan sein, zusätzliche Zweifel an einer
einwandfreien Amtsführung zu begründen, da der Soldat gerade auch in solchen
Situationen persönlicher Betroffenheit seine Amtspflichten nicht aus dem Blick verlieren
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darf.
Soweit der Antragsteller weiter geltend macht, der Bundespräsident habe auf der
Grundlage des Schreibens des Bundesministers der Verteidigung vom 26. Januar 2006
davon ausgehen müssen, dass die disziplinaren Vorermittlungen abgeschlossen seien
und zumindest endgültige und gesicherte „Ergebnisse" vorlägen, kann dem nicht gefolgt
werden. Ein solches Verständnis ergab sich aus Sicht des Empfängers weder aus dem
Inhalt noch aus dem Kontext des Schreibens. Darin wird lediglich mitgeteilt, dass die
Aufnahme disziplinarer Vorermittlungen angeordnet worden sei, dass der Antragsteller
das in dem Schreiben dargestellte Verhalten eingeräumt habe und dass aufgrund der
Ergebnisse der disziplinaren Vorermittlungen der Bundesminister der Verteidigung das
notwendige Vertrauen in eine einwandfreie Amtsführung des Antragstellers verloren
habe. Mithin konnte das Schreiben bei verständiger Würdigung nur dahin verstanden
werden, dass allein der vom Antragsteller eingeräumt objektive Sachverhalt über die
Weitergabe des vertraulichen Vermerks der zuständigen Wehrdisziplinaranwaltschaft an
Generalleutnant S. als Grund für den Vertrauensverlust herangezogen wurde.
Demzufolge ist es für die Ermessensentscheidung des Bundespräsidenten ohne
Belang, ob die Vorermittlungen noch andauerten oder nicht.
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Entgegen der Auffassung des Antragstellers impliziert, der Hinweis in dem Schreiben an
den Bundespräsidenten, er - der Antragsteller - habe den Sachverhalt eingeräumt, auch
kein Schuldeingeständnis. Das Schreiben des Bundesministers der Verteidigung
beschränkt sich auf die Mitteilung der objektiven Geschehnisse, ohne diese unter dem
Gesichtspunkt einer schuldhaften Dienstpflichtverletzung zu bewerten. Vor diesem
Hintergrund kann der Satz, der Antragsteller habe den Sachverhalt eingeräumt, auch
nur auf die tatsächlichen, objektiven Umstände bezogen werden, die er aber zweifelfrei
bei seiner Vernehmung am 22. Dezember 2005 anlässlich der disziplinaren
Vorermittlungen auch eingestanden hat. („Es trifft zu, dass ich meinen Kameraden,
Generalleutnant S. , den Vermerk der Wehrdisziplinaranwaltschaft für den Bereich des
Streitkräfteamtes vom 17. Oktober 2005, der die Vorermittlungen gegen Lt H. , Ofähnr L.
und Lt S. betraf, ausdrücklich zum ausschließlichen persönlichen Gebrauch überlassen
habe. ....").
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Schließlich kann im Rahmen des vorliegenden, lediglich auf eine summarische Prüfung
angelegten Verfahrens auch nicht festgestellt werden, dass der in dem Schreiben an
den Bundespräsidenten plausibel dargelegte Vertrauensverlust nur vorgeschoben
wurde, die Versetzung in den einstweiligen Ruhestand also missbräuchlich zur
Vermeidung eines Disziplinarverfahrens ausgesprochen wurde. Zwar ist es zutreffend,
dass sowohl in dem Vermerk des mit den Vorermittlungen beauftragten
Wehrdisziplinaranwaltes vom 28. Dezember 2005 als auch in der Ministervorlage der
Abteilung PSZ I 7 vom gleichen Tag zunächst die Konsequenzen eines
Disziplinarverfahrens und einer eventuellen Abgabe an die Staatsanwaltschaft erörtert
werden und sodann als mögliche Handlungsalternative zur Vermeidung dieser
Konsequenzen die Versetzung in den einstweiligen Ruhestand nach § 50 Abs. 1 SG
aufgezeigt wird. Derartige Überlegungen zur weiteren Vorgehensweise und zu den
Folgen möglicher Handlungsalternativen waren jedoch nicht Grundlage der
Entscheidung des Bundespräsidenten, dessen Ermessensentscheidung im
vorliegenden Verfahren allein zu überprüfen ist. Im Übrigen hat aber auch der Minister
den Antrag auf Versetzung des Antragstellers in den einstweiligen Ruhestand nicht
mißbräuchlich gestellt. Die Möglichkeit, den von § 50 Abs. 1 SG erfassten
Personenkreis in den einstweiligen Ruhestand zu versetzen, eröffnet dem Minister bzw.
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dem Bundespräsidenten eine von der Einleitung oder Durchführung eines
Disziplinarverfahrens losgelöste, anderen Voraussetzungen folgende
Handlungsalternative gerade auch in den Fällen, in denen Anlass des Antrags an den
Bundespräsidenten der Verdacht eines Dienstvergehens ist. Weder das Soldatengesetz
noch die Disziplinarordnung sehen einen Vorrang einer der beiden Alternativen vor.
Beide Rechtsinstitute stehen vielmehr selbständig nebeneinander. Vor diesem
Hintergrund kann es aber nicht rechtsmissbräuchlich sein, wenn sich der Minister unter
Abwägung der Vor- und Nachteile der jeweiligen Handlungsalternativen dafür
entscheidet, den Antrag auf Versetzung des Soldaten in den einstweiligen Ruhestand
zu stellen. Im Übrigen hat der Soldat es in der Hand, das auf Rehabilitation abzielende
Disziplinarverfahren durch Stellung eines Antrags auf Durchführung des
Disziplinarverfahrens (Selbstreinigungsverfahren) - wie hier geschehen - zu erzwingen.
Spricht nach alledem vieles dafür, dass der in dem Antrag des Bundesministers der
Verteidigung geschilderte Sachverhalt die Ermessensentscheidung des
Bundespräsidenten trägt, ist unerheblich, ob der Bundesminister weitere Motive für sein
Vorgehen hatte. Daher war jedenfalls im vorliegenden Eilverfahren dem vom
Antragsteller im Hauptsacheverfahren gestellten Antrag auf Vorlage der
Originalvorgänge aus dem Bundesverteidigungsministerium nicht weiter nachzugehen.
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Kann nach alledem nicht festgestellt werden, dass die Entscheidung, den Antragsteller
in den einstweiligen Ruhestand zu versetzen, offensichtlich rechtswidrig ist, sondern
spricht im Gegenteil überwiegendes für die Rechtmäßigkeit der Entscheidung,
überwiegt auch im übrigen das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung das
private Interesse des Antragstellers an der Wiederherstellung der aufschiebenden
Wirkung seiner Klage. Dies ergibt sich zum einen aus der Bestimmung des § 50 Abs.1
SG, die eine jederzeitige Versetzung in den einstweiligen Ruhestand von hochrangigen
Offizieren ermöglichen will. Damit soll dem Minister eine möglichst schnelle
Umbesetzung von Führungsämtern ermöglicht werden. Damit wäre der durch die
aufschiebende Wirkung der Klage entstehende Schwebezustand nicht vereinbar. Auf
der anderen Seite wäre im Falle eines Obsiegens des Antragstellers im
Hauptsacheverfahren dieser (finanziell) so zu stel- len, wie wenn die Versetzung in den
einstweiligen Ruhestand unterblieben wäre. Sonstige schwerwiegende Interessen des
Antragstellers, die geeignet wären, das Interesse an der sofortigen Vollziehung zu
überwinden, sind nicht ersichtlich. Soweit es dem Antragsteller in diesem
Zusammenhang auch um seine Rehabilitierung geht, dürfte diese allein in dem von ihm
auch beantragten Disziplinarverfahren zu erreichen sein.
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Nach alledem war der Antrag mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 1 VwGO abzulehnen.
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Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 52 Abs. 5 Satz 2, § 53 Abs. 3 Nr. 2 GKG und
orientiert sich am Streitwertkatalog für die Verwaltungsgerichtsbarkeit, legt also den
sogenannten kleinen Gesamtstatus 2004 Ziffer 10.2 zugrunde und berücksichtigt den
Umstand, dass es sich um ein Eilverfahren handelt.
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