Urteil des VG Köln vom 13.05.2009
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Verwaltungsgericht Köln, 23 L 667/09
Datum:
13.05.2009
Gericht:
Verwaltungsgericht Köln
Spruchkörper:
23. Kammer
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
23 L 667/09
Tenor:
1. Der Antrag des Antragstellers auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe
wird abgelehnt. 2. Die aufschiebende Wirkung der Klage 23 K 2846/09
gegen die Ladungsverfügung der Antragsgegnerin vom 9. April 2009
wird angeordnet. Die Kosten des Verfahrens trägt die Antragsgegnerin.
3. Der Streitwert wird auf 716,59 Euro festgesetzt.
Gründe:
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I.
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Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwalt
Wirxel war abzulehnen, weil der Antragsteller nicht glaubhaft gemacht hat, dass er nach
seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung
nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann (§§ 166 VwGO, 114 Satz 1 ZPO).
Denn er hat keine Angaben zur Kostentragung durch eine Rechtsschutzversicherung im
PKH-Vordruck gemacht.
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II.
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Das vorläufige Rechtschutzgesuch ist zulässig, insbesondere nach § 8 Satz 1 AGVwGO
NRW i.V.m. § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO statthaft, und auch begründet. Die im
Verfahren nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO zu treffende Interessenabwägung zwischen
dem Aussetzungsinteresse des Antragstellers und dem besonderen
Vollziehungsinteresse der Antragsgegnerin geht zu deren Lasten aus. Es spricht alles
dafür, dass die Ladungsverfügung der Antragsgegnerin vom 09. April 2009 rechtswidrig
ist, den Antragsteller in seinen Rechten verletzt und deshalb in der Hauptsache nach §
113 Abs. 1 Satz 1 VwGO aufzuheben ist.
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Die Verfügung vom 09. April 2009 findet ihre Rechtsgrundlage - entgegen ihrer
ausdrücklichen Begründung - nicht in § 5a VwVG NRW i. V. m. § 284 AO. Will die
Vollstreckungsbehörde eine eidesstattliche Versicherung auf der Grundlage von § 5a
VwVG NRW i. V. m. § 284 AO vom Vollstreckungsschuldner erzwingen, so muss sie die
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in diesen gesetzlichen Bestimmungen normierten Voraussetzungen strikt beachten. §
284 AO normiert ein zweistufiges Verfahren. § 284 Abs. 1 AO sieht zunächst vor, dass
der Vollstreckungsschuldner der Vollstreckungsbehörde auf Verlangen ein Verzeichnis
seines Vermögens vorzulegen und für seine Forderungen den Grund und die
Beweismittel zu bezeichnen hat, wenn im Einzelnen näher bezeichnete
Voraussetzungen vorliegen. Davon rechtlich zu trennen ist die Anordnung der Abgabe
der eidesstattlichen Versicherung nach § 284 Abs. 3 AO. Diese Regelung sieht in ihrem
Satz 1 vor, dass der Vollstreckungsschuldner zu Protokoll an Eides statt zu versichern
hat, dass die von ihm (nach § 284 Abs. 1 und Abs. 2 AO) verlangten Angaben nach
bestem Wissen und Gewissen richtig und vollständig gemacht worden sind. Nach § 284
Abs. 3 Satz 2 AO kann die Vollstreckungsbehörde von der Abnahme der
eidesstattlichen Versicherung absehen.
Auch die letztgenannte Bestimmung verdeutlicht nochmals die Zweistufigkeit des
Gesetzesaufbaus. Es liegt im Ermessen der Vollstreckungsbehörde, ob sie in einer
schrittweisen Vorgehensweise die ihr nach § 284 Abs. 1 bzw. nach § 284 Abs. 3 AO zu
Gebote stehenden Maßnahmen nacheinander oder zusammengefasst in einem
Vorgang gegen den Vollstreckungsschuldner ergreift. In beiden Fällen handelt es sich
um eine zweistufige Ermessensentscheidung, bei der die Behörde in der zweiten
Entscheidungsstufe darüber zu befinden hat, ob aufgrund besonderer Umstände von der
Abnahme der eidesstattlichen Versicherung abgesehen werden kann. Ein Absehen von
der Abnahme der eidesstattlichen Versicherung im Wege ordnungsgemäßer und vom
Verwaltungsgericht nach § 114 Satz 1 VwGO zu überprüfender Ermessensausübung
setzt aber im jedem Fall voraus, dass der Vollstreckungsschuldner zunächst ein formal
ordnungsgemäßes Vermögensverzeichnis vorgelegt hat,
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vgl. Bundesfinanzhof, Urteil vom 26. Juli 2005 - VII R 57/04 -, BFHE 210, 205;
Brockmeyer in Klein, Kommentar zur Abgabenordnung, 9. Auflage 2006, § 284
Randziffer 9 m. w. N. aus der Rechtsprechung.
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Diese gesetzlichen Voraussetzungen hat die Antragsgegnerin bei Erlass ihrer -
erkennbar formularmäßigen - Ladungsverfügung vom 09. April 2009 nicht beachtet. Die
Abgabe der Eidesstattlichen Versicherung wird darin isoliert angeordnet. Hingegen wird
der Antragsteller in diesem Bescheid nicht aufgefordert, ein Vermögensverzeichnis
vorzulegen, auf dessen Richtigkeit und Vollständigkeit sich eine Versicherung an Eides
statt nach § 284 Abs. 3 Satz 1 AO zwingend beziehen muss. Aus dem Inhalt des
angefochtenen Bescheids wird deutlich, dass die Antragsgegnerin sich weder der
gesetzlichen Schrittfolgen in § 284 AO bewusst ist, noch eine hinreichend klare
Vorstellung davon hat, dass nach dieser Bestimmung grundsätzlich eine zweistufige
Ermessensentscheidung zu erfolgen hat.
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Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 1 VwGO.
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III.
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Die Streitwertfestsetzung folgt aus § 53 Abs. 3 Nr. 2 i. V. m. § 52 Abs. 3 GKG. Das
Gericht orientiert sich insoweit im Hauptsacheverfahren in ständiger Rechtsprechung
am Streitwertkatalog für die Verwaltungsgerichtsbarkeit (NVwZ 2004, Seite 1327). Nach
dessen Ziffer 1.6.1 ist danach im Hauptsacheverfahren ein Streitwert von 2.866,36 Euro
(ein Viertel der Schuldsumme vom 11.465,45 Euro) festzusetzen. Es entspricht
ständiger Rechtsprechung, im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes in
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Abgabenangelegenheiten ein Viertel des für das Hauptsacheverfahren anzunehmenden
Streitwerts anzusetzen.