Urteil des VG Köln vom 28.09.2005
VG Köln: staatsangehörigkeit, russland, republik, erwerb, kasachstan, ausstellung, eltern, udssr, einbürgerung, geburt
Verwaltungsgericht Köln, 10 K 3621/03
Datum:
28.09.2005
Gericht:
Verwaltungsgericht Köln
Spruchkörper:
10. Kammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
10 K 3621/03
Tenor:
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens tragen die Kläger.
Die Berufung wird zugelassen.
T a t b e s t a n d :
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Die 1964, 1988 und 1994 geborenen Kläger beantragten im Januar bzw. März 1998 bei
der Stadt Wetzlar die Ausstellung eines Staatsangehörigkeitsausweises und hilfsweise
die Ausstellung einer Bescheinigung gemäß Art. 116 Abs. 1 GG. Zur Begründung wurde
darauf hingewiesen, dass der am 00.00.0000 geborene Vater des Klägers zu 1)
gemeinsam mit seinen Eltern, X. Q. , geboren am 00.00.0000, sowie T. Q. , geb. T1. ,
geboren am 00.00.0000, in Deutschland eingebürgert worden sei. Als Anhaltspunkt für
die Einbürgerung wurde auf eine Auskunft der Heimatortskartei vom 15.11.1997 Bezug
genommen. Danach hätten sich die Großeltern des Klägers zu 1), dessen Vater und ein
Bruder 1957 beim Deutschen Roten Kreuz zwecks Rückführung aus der UdSSR
gemeldet. Aufgrund der dortigen Karteiunterlagen sei man der Auffassung, dass es sich
bei dem 0000 geborenen X. Q. um einen Volksdeutschen handele und seine Kinder
somit deutscher Abstammung seien. Das Gebiet Odessa habe nicht zum
Reichskommissariat der Ukraine, sondern zu dem von Rumänien verwalteten Gebiet
Transnistien gehört. Die Volksdeutschen aus diesem Gebiet seien im März 1944 in den
damaligen Reichsgau Wartheland umgesiedelt und nach Schleusung durch die
Einwandererzentralstelle in der Regel im Einzelverfahren eingebürgert worden. In einer
weiteren Auskunft teilte die Heimatortskartei ergänzend mit, die Einbürgerungsvorgänge
seien zentral im Führungsstab der EWZ beim Chef der Sicherheitspolizei und des SD in
Litzmannstadt zusammengefasst gewesen. Sie seien dort bei der Räumung des
Warthelandes im Januar 1945 ausgelagert worden und heute noch beim Document
Center in Berlin archiviert. Zahlreiche Vorgänge hätten sich jedoch im Zeitpunkt der
Auslagerung noch bei den Außenstellen und örtlichen Kommissionen der EWZ
befunden und seien heute nicht mehr greifbar. Das Bundesarchiv teilte im Jahre 1999
mit, dass dort keine EWZ-Unterlagen bezüglich des 0000 geborenen X. Q. vorhanden
seien. Die Deutsche Dienststelle für die Benachrichtigung der nächsten Angehörigen
von Gefallenen der ehemaligen deutschen Wehrmacht (WASt) teilte im Jahre 1999 mit,
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dass bezüglich des 0000 geborenen X. Q. keine Aufzeichnungen vorhanden seien.
Mit Bescheid vom 01.09.1999 lehnte der Landrat des Lahn-Dill-Kreises den Antrag auf
Ausstellung eines Staatsangehörigkeitsausweises ab. Es seien keine Urkunden
vorhanden, die eine Einbürgerung des Vaters und der Großeltern des Klägers zu 1)
belegten. Dagegen legten die Kläger Widerspruch ein, der mit Widerspruchsbescheid
des Regierungspräsidiums Gießen vom 22.12.1999 zurückgewiesen wurde.
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Mit Bescheid vom 25.11.1999 lehnte der Landrat des Lahn-Dill-Kreises den Antrag auf
Ausstellung einer Bescheinigung gemäß Art. 116 GG ab. Es gebe keine Unterlagen
oder Belege darüber, dass der Vater und die Großeltern des Klägers zu 1) seinerzeit im
Gebiet des Deutschen Reiches Aufnahme gefunden hätten. Ein entsprechender
behördlicher Akt werde auch durch die schriftlichen Angaben der als Zeugen benannten
F. T2. und B. T3. nicht belegt. Dagegen legten die Kläger Widerspruch ein, der mit
Widerspruchsbescheid des Regierungspräsidiums Gießen vom 07.02.2001
zurückgewiesen wurde.
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Die Kläger haben am 05.01.2000 beim Verwaltungsgericht Gießen Klage erhoben mit
dem Begehren, den Landrat des Lahn-Dill-Kreises zu verpflichten, den Klägern einen
Staatsangehörigkeitsausweis, ersatzweise eine Bescheinigung nach Art. 116 Abs. 1 GG
auszustellen. Später wurde diese Klage wegen des Zuständigkeitswechsels auf
Beklagtenseite auf eine Anfechtung der ablehnenden Bescheide beschränkt. Nachdem
der Landrat des Lahn-Dill-Kreises die angefochtenen Bescheide zurückgenommen und
die Hauptsache für erledigt erklärt hatte, wurde die Klage durch Urteil des
Verwaltungsgerichts Gießen vom 27.08.2001 abgewiesen, da sie unzulässig geworden
sei. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wurde abgelehnt.
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Im Januar 2001 wandten sich die Kläger an die Beklagte und baten um Bearbeitung
ihrer Anträge. Während des weiteren Verfahrens legten sie mit "Fragebögen"
überschriebene Schriftstücke des Vaters und der Großeltern des Klägers zu 1) vor, die
beim Suchdienst des Deutschen Roten Kreuzes im Januar 1957 eingegangen waren,
nachdem die genannten Personen sich bei der deutschen Botschaft in Moskau als
ausreisewillig gemeldet hatten. In diesen Fragebögen ist angegeben, dass der Vater
und die Großeltern des Klägers zu 1) 1944 bzw. Anfang 1945 im Warthegau die
deutsche Staatsangehörigkeit erhalten hätten.
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Am 13.06.2003 haben die Kläger die vorliegende Klage erhoben mit dem Begehren
festzustellen, dass sie deutsche Staatsangehörige sind. Zum Beleg der erfolgten
Einbürgerung des Vaters und der Großeltern des Klägers zu 1) legten sie schriftliche
Erklärungen des Herrn B. T3. sowie der Frau F. T2. vor, in denen diese angeben, dass
sie mit der Familie Q. zusammen nach Litzmannstadt evakuiert und eingebürgert
worden seien.
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Die Zeugin Frau F. T2. ist vom Berichterstatter -damals als Einzelrichter- am 01.03.2005
in ihrer Wohnung zur Frage der Einbürgerung des Vaters und der Großeltern des
Klägers zu 1) als Zeugin vernommen worden. Wegen des Ergebnisses der
Beweisaufnahme wird auf die Niederschrift vom 1.3.2005 Bezug genommen. Mit
Beschluss vom 01.03.2005 ist die Ausstellung eines Staatsangehörigkeitsausweises im
Vergleichswege vorgeschlagen worden. Die Beklagte hat mitgeteilt, dass sie bereit sei,
den Klägern einen Staatsangehörigkeitsausweis auszustellen, wenn diese nicht
zwischenzeitlich nach § 25 StAG die deutsche Staatsangehörigkeit verloren hätten.
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Denn aus einem nochmals bei dem Bundesverwaltungsamt unter dem 14.04.2004
gestellten Antrag auf Ausstellung eines Staatsangehörigkeitsausweises ergebe sich,
dass die Kläger im Jahre 2001 von Kasachstan nach Weißrussland umgezogen seien.
Dazu haben die Kläger folgendes vorgetragen: Grund für ihren Umzug von Kasachstan
nach Weißrussland im Jahre 2001 sei gewesen, dass Kasachstan ein muslimisches
Land sei, in dem nach dem Zerfall der UdSSR immer mehr die kasachische Kultur und
Sprache gefördert und Russen und Deutsche benachteiligt worden seien. Sie seien
nach Weißrussland umgezogen, weil dort die Ehefrau geboren sei. Nach der Auflösung
der UdSSR habe man wegen des Wohnsitzes in Kasachstan zunächst automatisch die
kasachische Staatsangehörigkeit anstelle der sowjetischen Staatsangehörigkeit
erhalten. Dieser Vorgang falle nicht unter § 25 StAG. 1997 seien die sowjetischen
Inlandspässe des Klägers zu 1) und seiner Ehefrau in kasachische Personalausweise
umgetauscht und gleichzeitig kasachische Auslandspässe ausgestellt worden, mit
denen sie nach Weißrussland übergesiedelt seien. Die Ehefrau habe dort eine
Aufenthaltsgenehmigung erhalten, der Kläger zu 1) sei nur geduldet worden. Um eine
Wohnung zu mieten und Arbeit zu bekommen, würden in Weißrussland Pässe verlangt.
Sie seien deshalb zur Passbehörde gegangen und hätten schließlich die am
17.01.2002 ausgestellten weißrussischen Pässe erhalten. Sie hätten keinen Antrag auf
vereinfachte Einbürgerung gestellt, auch der Passbeamte habe nicht gesagt, dass sie
für den Erhalt der Pässe eingebürgert werden müssten. Sie seien davon ausgegangen,
dass der Ehefrau wegen ihrer Geburt in Weißrussland automatisch ein dortiger Pass
zugestanden habe und damit auch dem Kläger zu 1), zumindest aufgrund seiner
ehemaligen Sowjetbürgerschaft. Er und seine Ehefrau hätten jedenfalls nicht die
weißrussische Nationalität erlangen wollen. Die Kläger haben eine Bescheinigung der
Verwaltung des Inneren der Gebietsverwaltung Mogilewsk vom 14.12.2001 vorgelegt.
Danach hat der Kläger zu 1) die Staatsbürgerschaft der Republik Belarus gemäß
Abkommen zwischen der Republik Belarus und der Republik Kasachstan über die
vereinfachte Einbürgerung der belorussischen Staatsangehörigen mit festem Wohnsitz
in Kasachstan und der kasachischen Staatsangehörigen mit festem Wohnsitz in Belarus
erhalten. Grundlage sei ein Beschluss der Verwaltung des Inneren vom 14.12.2001.
Dazu tragen die Kläger vor, die Bescheinigung sei insofern falsch, als es dort heiße,
dass der Kläger gemäß dem Abkommen zwischen der Republik Weißrussland und der
Republik Kasachstan als Weißrusse eingebürgert worden sei. Soweit dort auf einen
Beschluss vom 14.12.2001 Bezug genommen werde, so sei dieser unbekannt. Des
Weiteren sei nicht bekannt, ob dieses Abkommen im Verhältnis zu Kasachstan
überhaupt ratifiziert worden sei. Denn in Art. 8 des Übereinkommens werde nicht
gesagt, wann Weißrussland die Ratifikationsurkunde beim Depositar eingereicht habe.
Unabhängig davon könne die weißrussische Staatsangehörigkeit auch im
Registrierverfahren nicht ohne schriftlichen Antrag des Betroffenen vorgenommen
werden, so ausdrücklich Art. 2 des Übereinkommens und auch Art. 33 des
Staatsangehörigkeitsgesetzes der Republik Weißrussland. Einen derartigen Antrag
habe der Kläger zu 1) jedoch nicht gestellt. Außerdem verlange ein Erwerb der
weißrussischen Staatsangehörigkeit im Registrierverfahren nach dem Abkommen vom
26.02.1999 einen Verzicht auf die kasachische Staatsangehörigkeit. Eine
entsprechende Regelung enthalte Art. 3 des StAG der Republik Kasachstan von 1991
sowie Art. 13 Nr. 5 des StAG der Republik Weißrussland. Der Kläger zu 1) und seine
Ehefrau hätten jedoch nicht auf die kasachische Staatsangehörigkeit verzichtet;
vielmehr seien nur die kasachischen Pässe bei der kasachischen Botschaft in Minsk
abgegeben worden. Außerdem würden die Voraussetzungen des Art. 1 Nr. 1 des
Übereinkommens durch die Kläger nicht erfüllt. Buchstabe a) der Regelung komme
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nicht zur Anwendung, weil der Kläger zu 1) bis zum 21.12.1991 nicht in Weißrussland
gewohnt habe und dort auch nicht geboren sei. Für ihn komme nur Buchstabe b) in
Betracht, weil seine Ehefrau in Weißrussland geboren sei. Der Registriererwerb setzt
aber voraus, dass die Ehefrau zu diesem Zeitpunkt schon die weißrussische
Staatsbürgerschaft besessen habe ("... und die Staatsbürgerschaft dieses Landes
besitzt"). Der Kläger zu 1) habe auch nicht gemäß Art. 17 des StAG der Republik
Weißrussland die Staatsangehörigkeit erworben, da er die Voraussetzungen dieser sog.
"Heimkehrer" - Regelung nicht erfülle. Denn er sei in Kasachstan geboren und habe dort
bis zu seiner Ausreise im August 2001 gelebt. Die Reglung gelte auch nicht für die
Ehefrau des Klägers zu 1), weil diese nach ihrer Geburt im März 1962 ab dieser Zeit
ständig in Kasachstan gelebt habe. Im übrigen sind die Kläger der Auffassung, dass der
Erwerb einer fremden Staatsangehörigkeit im Registrierverfahren nicht einem
Antragserwerb im Sinne des § 25 StAG gleichwertig sei, jedenfalls nicht dann nicht,
wenn -wie hier- neben der kasachischen Staatsangehörigkeit zusätzlich die
weißrussische Staatsangehörigkeit erworben werde. Zudem werde durch das
vereinfachte Registrierverfahren jedenfalls nicht eine "effektive" Staatsangehörigkeit im
Sinne des § 25 StAG erworben. Des Weiteren führen die Kläger unter Bezugnahme auf
eine Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg vom 05.06.2003
aus, dass auch in der Republik Weißrussland noch "sowjetische" Zustände herrschten.
In der genannten Entscheidung hat das Gericht angenommen, dass nicht
auszuschließen sei, dass ein Wiedererwerb der russischen Staatsangehörigkeit auch
ohne den eigentlich erforderlichen schriftlichen Antrag des Betroffenen stattgefunden
haben könne. Auch im vorliegenden Fall trage jedenfalls die Beklagte die Beweislast
dafür, dass ein Antrag nach § 25 StAG gestellt worden sei.
Die Kläger beantragen,
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festzustellen, dass die Kläger deutsche Staatsangehörige sind.
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Die Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Sie geht davon aus, dass die Kläger gemäß § 25 StAG ihre deutsche
Staatsangehörigkeit verloren haben.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Gerichtsakte,
der beigezogenen Gerichtsakte des VG Gießen -10 E 20/00- sowie der beigezogenen
Verwaltungsvorgänge Bezug genommen.
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E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :
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Die Klage ist unbegründet.
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Es lässt sich nicht feststellen, dass die Kläger (noch) deutsche Staatsangehörige sind.
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Es kann davon ausgegangen werden, dass der Kläger zu 1) zunächst gemäß § 4 Abs. 1
RuStAG in der damals geltenden Fassung durch eheliche Geburt die deutsche
Staatsangehörigkeit von seinem Vater erworben hat. Denn es ist insbesondere aufgrund
der Zeugenaussage der Frau F. T2. anzunehmen, dass der Vater des Klägers zu 1) mit
dessen Eltern während des Krieges in Litzmannstadt eingebürgert worden ist.
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Dementsprechend haben auch die Kläger zu 2) und 3) (zunächst) durch eheliche Geburt
gemäß § 4 Abs. 1 RuStAG vom Kläger zu 1) die deutsche Staatsangehörigkeit
erworben.
Alle Kläger haben ihre deutsche Staatsangehörigkeit jedoch gemäß § 25 StAG durch
den Antragserwerb der weißrussischen Staatsangehörigkeit wieder verloren.
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§ 25 Abs. 1 StAG setzt voraus, dass eine ausländische Staatsangehörigkeit wirksam
erworben wird. Des Weiteren muss der Erwerb der ausländischen Staatsangehörigkeit
auf Antrag erfolgen. Dies ist einmal dahingehend abzugrenzen, dass der Erwerb der
ausländischen Staatsangehörigkeit nicht ohne Zutun des Betroffenen etwa aufgrund
einer gesetzlichen Regelung (z. B. Geburt oder Eheschließung) oder von Amts wegen
erfolgen darf. Im übrigen erfordert das Tatbestandsmerkmal eines "Antrages" im Sinne
des § 25 Abs. 1 StAG keinen förmlichen Einbürgerungsantrag. Als Antrag im Sinne der
Bestimmung ist vielmehr jede freie Willensbetätigung anzusehen, die auf den Erwerb
einer ausländischen Staatsangehörigkeit gerichtet sowie geeignet und ursächlich für
diesen Erwerb ist,
21
vgl. OVG NRW, Beschluss vom 15.02.2002 - 19 A 4586/01 - m.w.N.; VG Köln, Urteil
vom 26.09.2001 - 10 K 10470/98 - und vom 13.4.2005 -10 K 1576/04-.
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Demgemäß fallen nicht nur förmliche Einbürgerungsanträge unter die Vorschrift,
sondern auch etwa ein Antrag auf Widerruf der Ausbürgerung, ein Antrag auf
"Wiederherstellung" oder auf Wiedererwerb der Staatsangehörigkeit sowie die
entsprechende Registrierung in einem fremden Staat,
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vgl. etwa VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 05.06.2003 - 13 S 1181/01 -;
Makarov/von Mangoldt, Deutsches Staatsangehörigkeitsrecht, Loseblattkommentar,
Stand Juni 1998, § 25 RuStAG Rdnr. 28 ff; Gemeinschaftskommentar zum
Staatsangehörigkeitsrecht, Loseblattkommentar, Stand Dezember 2004, § 25 StAG
Rdnr. 34 ff.
24
Der Wirksamkeit einer entsprechenden Erklärung steht nicht entgegen, dass der
Staatsangehörigkeitserwerb möglicherweise Voraussetzung für ein Aufenthaltsrecht und
den Aufbau einer wirtschaftlichen Lebensgrundlage in dem betreffenden Staat gewesen
ist. Der Erwerb der Staatsangehörigkeit eines Landes, in welchem der
Lebensmittelpunkt besteht, ist häufig, wenn nicht gar typischerweise mit Vorteilen
verbunden, die für den Betroffenen existenzielle Ausmaße haben können; das mit § 25
StAG verfolgte Ziel, Mehrstaatigkeit zu vermeiden, würde weitgehend verfehlt, wenn
derartige Umstände die Rechtsfolge der Norm ausschließen würden, vgl. OVG NRW,
Beschluss vom 09.10.1997 - 25 A 854/94 -.
25
Von einem erzwungenen und damit nicht auf einem Antrag im Sinne des § 25 Abs. 1
RuStAG beruhenden Staatsangehörigkeitserwerb ist erst dann auszugehen, wenn der
Betroffene die fremde Staatsangehörigkeit zum Erwerb der Vermeidung einer
unmittelbaren Gefahr für Leib oder Leben erwirbt,
26
vgl. VG Köln, Urteil vom 26.09.2001 - 10 K 10470/98 -; Makarov/von Mangoldt, a.a.O.
Rdnr. 35.
27
Die Kammer unterstellt - wie die Kläger selbst auch -, dass diese zunächst durch Gesetz
28
nach dem Erlöschen der UdSSR als Völkerrechtssubjekt die kasachische
Staatsangehörigkeit erworben haben (bzgl. der Kläger zu 1) und 2) Art. 3 des
Staatsangehörigkeitsgesetzes der Republik Kasachstan vom 20.12.1991 sowie
bezüglich des Klägers zu 3) Art. 10 Ziffer 1 des genannten Gesetzes). Nach ihrer
Übersiedlung in die Republik Weißrussland im August 2001 haben sie im Sinne des §
25 Abs. 1 StAG auf Antrag die weißrussische Staatsangehörigkeit erworben.
Was die Frage eines wirksamen Erwerbs der weißrussischen Staatsangehörigkeit
betrifft, geht die Kammer davon aus, dass es nicht vorrangig darauf ankommen kann, ob
deutsche Stellen oder Gerichte aufgrund ihres Verständnisses und ihrer Auslegung
ausländischer staatsangehörigkeitsrechtlicher Regelungen zu dem Ergebnis kommen,
dass die Staatsangehörigkeit eines anderen Staates wirksam erworben worden sei.
Vielmehr ist - sofern entsprechende Äußerungen oder Handlungen der zuständigen
Stellen im Zusammenhang mit der dortigen Staatsangehörigkeit vorhanden sind -
ausschlaggebend, ob die dortigen Behörden die betreffende Person als ihren
Staatsangehörigen ansehen, jedenfalls dann, wenn die betreffende Person die mit der
entsprechenden Staatsangehörigkeit verbundenen Rechte auch für sich in Anspruch
nimmt. Ob dieser rechtliche Ansatz ausnahmsweise dann einer Abweichung bedarf,
wenn einerseits offensichtlich ist, dass ein Staatsangehörigkeitserwerb nicht
stattgefunden haben kann und andererseits der Betroffene gegen seinen Willen als
Staatsangehöriger des anderen Staates in Anspruch genommen wird, bedarf hier keiner
weiteren Vertiefung, weil ein derartiger Fall nicht vorliegt.
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Die Kammer hat keinen Zweifel, dass die entsprechenden Stellen der Innenverwaltung
der Republik Weißrussland die Kläger als Staatsangehörige der Republik Weißrussland
betrachten. Zum einen ergibt sich dies in Bezug auf den Kläger zu 1) aus der von ihm
vorgelegten Bescheinigung der Verwaltung des Innern der Gebietsverwaltung
Mogilewsk vom 14.12.2001. Denn dort wird ausdrücklich festgehalten, dass der Kläger
zu 1) die Staatsbürgerschaft der Republik Weißrussland erworben hat, wobei darauf
hingewiesen sei, dass das dort zitierte Abkommen (vom 26.2.1999) auch in
Weißrussland ratifiziert worden ist,
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vgl. Bergmann/Ferid/Heinrich, Internationales Ehe- und Kindschaftsrecht, Weißrussland,
Stand 22.12.2003, s.12 Fußn. 7.
31
Zum anderen belegt die Ausstellung weißrussischer Pässe für alle Kläger, dass diese
von den zuständigen Behörden als Staatsangehörige der Republik Weißrussland
betrachtet werden (vgl. Art. 10 des Gesetzes über die Staatsbürgerschaft der Republik
Weißrussland vom 01.08.2002 - im Folgenden weißruss. StAG 2002-: "Das die
Staatsbürgerschaft der Republik Weißrussland nachweisende Dokument ist der Pass
des Staatsbürgers der Republik Weißrussland oder ein anderes Dokument, das den
Hinweis auf die Staatsbürgerschaft der Republik Weißrussland enthält."; vgl. auch Art.
17.1 des Gesetzes über die Staatsbürgerschaft der Republik Weißrussland vom
18.10.1991 in der Fassung vom 18.06.2001 -im Folgenden weißruss. StAG 1991-: "Als
Nachweis der Zugehörigkeit zur Staatsbürgerschaft der ehemaligen UdSSR gilt der
Pass bzw. ein anderes Dokument, das die Zugehörigkeit zur Staatsangehörigkeit der
ehemaligen UdSSR belegt. Die Zugehörigkeit der Personen, ... , zur Staatsbürgerschaft
eines anderen Staates wird aufgrund des Vorliegens des Passes dieses Staates bzw.
eines Dokumentes der ehemaligen UdSSR mit dem Vermerk über die Zugehörigkeit zur
Staatsbürgerschaft eines anderen Staates bestimmt").
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Die weißrussische Staatsangehörigkeit ist aufgrund eines Antrages im Sinne des § 25
StAG erworben worden. Zum einen ist auszuschließen, dass die Kläger auf der
Grundlage des Gesetzes über die Staatsbürgerschaft der Republik Weißrussland vom
18.10.1991 ohne ihr Zutun durch Gesetz die weißrussische Staatsangehörigkeit
erworben hat. Denn ein entsprechender gesetzlicher Tatbestand ist nicht ersichtlich; die
Kläger haben einen solchen auch nicht aufgezeigt. In tatsächlicher Hinsicht geht die
Kammer entsprechend dem Vorbringen der Kläger davon aus, dass diese keinen Antrag
auf Erwerb der weißrussischen Staatsangehörigkeit im Registrierungsverfahren (Art.
17.1 weißruss. StAG 1991) und nicht einmal einen schriftlichen Antrag auf Ausstellung
von weißrussischen Pässen gestellt haben, so dass eine entsprechende
Beweiserhebung nicht erforderlich ist. Auch nach dem Vorbringen der Kläger kann
jedoch kein Zweifel bestehen, dass sie bei den zuständigen weißrussischen Behörden
mit den entsprechenden Personenstandsurkunden vorstellig geworden und den
Wunsch geäußert haben, weißrussische Pässe zu erhalten. Sie haben damit in freier
Willensbetätigung ein Verfahren in Gang gesetzt, das mit dem Erwerb der
weißrussischen Staatsangehörigkeit durch die Ausstellung und Aushändigung der
weißrussischen Pässe abgeschlossen worden ist. Soweit die Kläger geltend machen
wollen, dass sie zwar gegenüber der Behörde ihren Wunsch nach Erhalt der
weißrussischen Pässe geäußert hätten, sie jedoch die weißrussische
Staatsangehörigkeit nicht hätten erwerben wollen und davon auch seitens der
weißrussischen Behörden nie die Rede gewesen sei, ist dieses Vorbringen letztlich
unschlüssig und nicht nachvollziehbar. Denn zum einen wird gerade im laienhaften
Sprachgebrauch und in der laienhaften Vorstellung mit dem Erhalt oder Abgabe des
Passes eines bestimmten Staates der Erwerb oder Verlust der entsprechenden
Staatsangehörigkeit assoziiert. Auf diesem Hintergrund ist auch nicht vorstellbar, dass
die Kläger ernsthaft angenommen haben können und noch heute annehmen, dass sie
zwar Pässe der Republik Weißrussland erhalten und ihre kasachischen Pässe
zurückgegeben haben, sie aber ausschließlich kasachische Staatsangehörige sind, sie
aber gleichwohl wie weißrussische Staatsangehörige dort leben und die
entsprechenden Recht wahrnehmen können, so dass dann die weißrussischen Pässe
lediglich den Charakter eines wie auch immer gearteten Aufenthaltstitels hätten
(letzteres wird von den Klägern auch nicht behauptet).
33
Ausgehend von den obigen Erwägungen hat die Kammer nicht nachzuprüfen, ob aus
hiesiger Sicht die Vorausetzungen für den Erwerb der weißrussischen
Staatsangehörigkeit vorlagen. Es sei allerdings darauf hingewiesen, dass die vom
Kläger zu 1) geäußerte Auffassung nicht zwingend erscheint, die Voraussetzungen für
einen Registrierungserwerb hätten entgegen der Annahme der weißrussischen
Behörden nicht vorgelegen. Denn es erscheint durchaus möglich, dass das Begehren
auf Passaustellung zugleich als Registrierungsantrag gewertet wurde, der gleichzeitige
Registrierungserwerb der weißrussischen Staatsangehörigkeit seitens seiner Ehefrau
als ausreichend und die Abgabe der kasachischen Pässe als entsprechender
Verlusttatbestand angesehen wurde.
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In Bezug auf § 25 Abs. 1 StAG ist im Übrigen nicht relevant, ob die Kläger die Folgen
des Erwerbs einer ausländischen Staatsangehörigkeit (Verlust der deutschen
Staatsangehörigkeit) kannten,
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vgl. etwa Hailbronner/Renner, Staatsangehörigkeitsrecht, 4. Auflage, § 25 Rdnr. 10
m.w.N.
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Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.
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Die Zulassung der Berufung beruht auf § 124 Abs. 1 Nr. 3 VwGO.
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