Urteil des VG Köln vom 24.08.2005

VG Köln: aufschiebende wirkung, schutzwürdiges interesse, öffentliches interesse, vollziehung, verfügung, verwertung, pfand, verordnung, rückgabe, hersteller

Verwaltungsgericht Köln, 13 L 516/05
Datum:
24.08.2005
Gericht:
Verwaltungsgericht Köln
Spruchkörper:
13. Kammer
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
13 L 516/05
Tenor:
1. Die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs der Antragstellerin vom
23. März 2005 gegen die Ordnungsverfügung des Antragsgegners vom
24. Februar 2005 wird wiederhergestellt bzw. angeordnet.
Die Kosten des Verfahrens trägt der Antragsgegner.
2. Der Streitwert wird auf 10.000,00 Euro festgesetzt.
G r ü n d e
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Der Antrag der Antragstellerin,
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die aufschiebende Wirkung ihres Widerspruchs vom 23. März 2005 gegen die
Ordnungsverfügung des Antragsgegners vom 24. Februar 2005 wiederherzustellen,
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hat Erfolg. Er ist nach § 80 Abs. 5 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) zu- lässig
und auch begründet.
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Bei der hierbei vom Gericht vorzunehmenden Interessenabwägung überwiegt das
Interesse der Antragstellerin, von der Vollziehung der Verfügung jedenfalls vor- läufig
verschont zu bleiben, das von dem Antragsgegner geltend gemachte öffentli- che
Interesse an ihrer sofortigen Vollziehung.
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Bei der Beurteilung, ob die sofortige Vollziehung ausgesetzt und die aufschie- bende
Wirkung eines Widerspruchs wiederhergestellt werden soll, hat das Gericht den
voraussichtlichen Erfolg des eingelegten Rechtsbehelfs mit zu berücksichtigen. Die
Anordnung der sofortigen Vollziehung im öffentlichen Interesse ist gerechtfertigt, wenn
der eingelegte Rechtsbehelf offensichtlich keine Erfolgsaussichten hat, weil in Fällen
dieser Art ein schutzwürdiges Interesse an der Aussetzung der Vollziehung regelmäßig
nicht gegeben ist. Dagegen ist ein öffentliches Interesse an der soforti- gen Vollziehung
zu verneinen, wenn der eingelegte Rechtsbehelf offensichtlich er- folgreich sein wird. Ist
bei der allein gebotenen summarischen Überprüfung des ein- gelegten Rechtsbehelfs
nicht festzustellen, ob dieser offensichtlich erfolgreich oder erfolglos sein wird, so ist
eine Interessenabwägung im weiteren Sinne vorzunehmen.
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Nach diesen Grundsätzen ist hier die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs der
Antragstellerin vom 23. März 2005 wiederherzustellen bzw. anzuordnen. Auf der
Grundlage einer im Rahmen eines Eilverfahrens nur möglichen summarischen Prü- fung
erscheint die angefochtene Ordnungsverfügung des Antragsgegners bereits als
offensichtlich rechtswidrig.
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Soweit der Antragsgegner der Antragstellerin in Ziffer I. 1. Satz 1 der streitigen
Verfügung aufgegeben hat, den Verkauf von Getränken in "unbepfandeten" Einweg-
verpackungen, insbesondere einzelne nachfolgend aufgeführte Getränke, einzustel- len,
und in Ziffer I. 2. dazu weiter angeordnet hat, dass die Antragstellerin die vor- handenen
Getränke in "unbepfandeten" Einweg-Getränkeverpackungen zu vernich- ten und die
Verpackungen der Verwertung zuzuführen habe, vermag das Gericht keine
Rechtsgrundlage zu erkennen, die eine derartige belastende Maßnahme recht- fertigen
könnte.
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Zwar bestehen keine Bedenken, dass der Antragsgegner als Ordnungsbehörde auf der
Grundlage der von ihm herangezogenen Rechtsvorschriften eine Ordnungsverfügung
gegen die Antragstellerin erlassen kann, falls diese - was sie bestreitet, wofür aber
einige Indizien sprechen - regelmäßig und fortgesetzt entgegen ihrer Verpflichtung aus §
8 der Verpackungsverordnung (VerpackV) vom 21. August 1998 (BGBl. I S. 2379),
zuletzt geändert durch Art. 1 der Dritten Verordnung zur Änderung der
Verpackungsverordnung vom 24. Mai 2005 (BGBl. I S. 1407), Getränke, die der Pfand -
und Rücknahmepflicht unterliegen, ohne Erhebung eines Pfandes verkauft und nicht
gegen Pfanderstattung zurücknimmt, um damit ein rechtskonformes Verhalten zu
bewirken. Ob zum zulässigen Inhalt einer solchen Ordnungsverfügung je nach
Umständen des konkreten Einzelfalles auch ein vollständiges Verkaufsverbot für
bestimmte Getränke oder Getränkegruppen gehören mag, bedarf hier keiner
Entscheidung. Jedenfalls aber kann dem geltenden Recht nicht entnommen werden,
dass der Antragsgegner berechtigt wäre, der Antragstellerin generell den Verkauf
solcher Getränke zu untersagen, die sie in (vom Antragsgegner so bezeichneten)
"unbepfandeten" Einwegverpackungen vertreibt. Damit sind ausweislich der
Begründung des Bescheides und Ausführungen des Antragsgegners im vorliegenden
Gerichtsverfahren solche Getränke in pfandpflichtigen Einwegverpackungen gemeint,
die nicht an ein von der Getränkewirtschaft eingerichtetes, überörtlich agierendes
Rückholsystem angeschlossenen sind und für die auch kein konzerninternes
Rückholsystem (sog. Insellösung) besteht. Damit will der Antragsgegner erklärtermaßen
durchsetzen, dass die Antragstellerin (neben Getränken in Mehrwegverpackungen) nur
noch sol- che Getränke in pfandpflichtigen Einwegverpackungen verkauft, die an ein
organi- siertes Pfandrückgabesystem angeschlossen sind, um dadurch die tatsächliche
Pfanderhebung sicherzustellen. Dem liegt die Vorstellung des Antragsgegners
zugrunde, dass nach der geltenden Rechtslage der Verkauf von Getränken in pfand-
pflichtigen Einwegverpackungen nur noch innerhalb überörtlich agierender Rück-
nahmesysteme (Clearing-Systeme) oder - derzeit noch - sog. konzerninterner "Insel-
lösungen" zulässig sei. Diese Annahme trifft jedoch nicht zu. Vielmehr regelt § 8 Ver-
packV lediglich die Pfanderhebungs- und Rücknahmepflicht gegen Pfanderstattung;
auch hat der Verordnungsgeber mit der 3. Änderungsverordnung vom 24. Mai 2005 mit
Wirkung ab dem 1. Mai 2006 die Möglichkeit der "Insellösung" abgeschafft (vgl. die
Neufassung des § 8 VerpackV in Satz 7 des Absatzes 1 gemäß Art. 1 § 3 der 3.
Änderungsverordnung in Verbindung mit Art. 2 Satz 1 dieser Änderungsverordnung). Zu
der Frage, ob und wie die Getränkewirtschaft überörtlich und konzernübergreifend
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agierende Rückholsysteme organisiert, verhält sich die Verordnung dagegen nicht. Dies
wird vielmehr der Getränkewirtschaft überlassen. Damit bleibt es rechtlich auch jedem
Vertreiber von Getränken in pfandpflichtigen Einwegverpackungen überlas- sen, seiner
Pfanderhebungs- und Rücknahmepflicht gegen Pfanderstattung nachzu- kommen, ohne
sich einem Clearingsystem anzuschließen. Ein Verbot, Getränke in pfandpflichtigen
Einwegverpackungen außerhalb solcher Clearingsysteme zu ver- treiben, enthält die
VerpackV damit gerade nicht. Auch der Antragsgegner hat eine entsprechende
Verbotsnorm nicht aufgezeigt. Soweit er Gründe dafür aufzeigt, dass das vom Gesetz-
bzw. Verordnungsgeber eingeführte Pfandsystem für bestimmte Getränke in bestimmen
Einwegverpackungen ohne einen solchen Anschlusszwang lückenhaft sei und die
Gefahr der Nichtbefolgung der Pfanderhebungspflicht mit sich bringe, rechfertigt das
nicht, eine derartige "Lücke" durch ordnungsbehördliche Maß- nahmen auszufüllen.
Ordnungsbehördliche Verfügungen, mit denen Verbote und Gebote auferlegt werden,
dürfen nur der Umsetzung geltenden Rechts dienen, d.h., diesem Geltung verschaffen,
aber nicht neue Rechtspflichten einführen. Als eine sol- che unzulässige Maßnahme
stellt sich aber das der Antragstellerin vom Antragsgeg- ner in der streitigen
Ordnungsverfügung aufgegebene vollständige Verkaufsverbot für pfandpflichtige
Getränke in Einwegverpackungen außerhalb von Rückholsyste- men der
beschriebenen Art dar. Die Anordnung zu Ziffer I. 1. Satz 1 des Bescheides vom 24.
Februar 2005 ist da- nach unabhängig davon rechtswidrig, ob die Antragstellerin auf die
hierin angespro- chenen Getränke tatsächlich Pfand erhebt und bei Rückgabe erstattet
oder nicht.
Da das ausgeprochene Verkaufsverbot rechtswidrig ist, kann folglich schon deshalb
auch die in Ziffer I. 2. angeordnete Vernichtung der betreffenden Getränke und
Verwertung der betreffenden Verpackungen rechtlich keinen Bestand haben, ohne dass
dafür weiter sich aufdrängende Fragen nach der Bestimmtheit und einem Verstoß gegen
das Übermaßverbot dieser Regelung beantwortet werden müssten.
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Daraus folgt ebenfalls zwangsläufig die Rechtswidrigkeit der in Ziffer I. 3. aufgegebenen
Nachweisführung über "die Verwertung bzw. die Rückgabe an den
Vertreiber/Hersteller". Auch insoweit kann dahinstehen, ob sich diese Verfügung nur auf
die Verwertung der Einwegverpackungen nach Ziffer I. 2. oder auch auf die darin
angeordnete Vernichtung der Getränke selbst beziehen soll.
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Soweit die streitige Ordnungsverfügung in Ziffer I. 1. Satz 2 den Satz enthält "Andere
Getränke oder Produkte anderer Hersteller in pfandpflichtigen Einweg-
Getränkeverpackungen dürfen ebenfalls entsprechend den Bestimmungen der Ver-
packungsverordnung nicht mehr pfandfrei feilgeboten / verkauft werden", geht das
Gericht davon aus, dass es sich dabei wegen der von den übrigen Anordnungen ab-
weichenden Formulierung nur um einen Hinweis auf die Rechtslage handelt. Aber
selbst wenn es sich auch dabei um eine konkrete Regelung gegenüber der Antrag-
stellerin handeln sollte, nämlich dahingehend, solche Getränke in pfandpflichtigen
Einwegverpackungen, die (im Gegensatz zu den in Satz 1 dieser Anordnung erfass- ten,
von dem Antragsgegner als Getränke in "unbepfandeten" Einwegverpackungen
bezeichnete Waren) ausweislich eines entsprechenden Stempelaufdrucks einem ü-
berörtlich agierenden Rückholsystem angeschlossen sind, nicht mehr pfandfrei an-
zubieten und zu verkaufen, dürfte auch diese - an sich rechtskonforme - Anordnung hier
wohl deshalb rechtswidrig sein, weil nach Aktenlage für eine solche gesetzes-
wiederholende Anordnung kein Anlass ersichtlich ist. Denn weder die Ausführungen im
Bescheid noch die aktenkundigen Ermittlungen des Antragsgegners bei der An-
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tragstellerin selbst und bei von ihr belieferten Einzelhandelsgeschäften enthalten
konkrete Feststellungen dazu, dass die Antagstellerin etwa (auch) für solche von ihr
verkauften Getränke in Einwegverpackungen kein Pfand erhebt /zurückgewährt, die
einem der beschriebenen Clearingsysteme angeschlossen sind. Vielmehr trägt der
Antragsgegner selbst in seinem letzten Schriftsatz vom 16. Juni 2005 vor, sämtliche von
der Antragstellerin angebotenen Produkte in pfandpflichtigen Einwegver- packungen
könnten nicht über die genannten Clearingsystem zurückgenommen wer- den. Dann
besteht aber kein Anlass für eine derartige Verfügung, mithin auch kein Grund für die
Anordnung der sofortigen Vollziehung insoweit.
Nach allem war die aufschiebende Wirkung des rechtzeitig erhobenen Wi- derspruchs
der Antragstellerin gegen Ziffern I. 1. bis 3. der Verfügung des Antragsgegners vom 24.
Februar 2005 wiederherzustellen und gegen die zugehörigen Zwangsgeldandrohungen
in Ziffer II. 1. bis 3. anzuordnen.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.
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Die Entscheidung über den Streitwert beruht auf §§ 53 Abs. 3 Nr. 2, 52 Abs. 1 GKG vom
5. Mai 2004 (BGBl. I S. 718).
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