Urteil des VG Köln vom 19.04.2004
VG Köln (kläger, gutachten, verhältnis zu, auf lebenszeit, erkrankung, amt, verwendung, ergebnis, prüfer, stellungnahme)
Verwaltungsgericht Köln, 19 K 8817/02
Datum:
19.04.2004
Gericht:
Verwaltungsgericht Köln
Spruchkörper:
19. Kammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
19 K 8817/02
Tenor:
Die Klage wird auf Kosten des Klägers abgewiesen.
Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die
Voll- streckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des
beizutreibenden Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der
Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
T a t b e s t a n d
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Der am 00.00.0000 geborene Kläger wurde nach Bestehen der Lauf- bahnprüfung für
den gehobenen nichttechnischen Verwaltungsdienst (2. November 1982) bis Oktober
1984 als Sachbearbeiter in der Versorgungsverwaltung des Be- klagten und
anschließend bis zum 31. Dezember 1994 als Prüfer im Rechnungsamt beim
Landesversorgungsamt Nordrhein Westfalen verwendet. Mit Wirkung vom 1. Januar
1995 wurde er zum Staatlichen Rechnungsprüfungsamt in Köln (RPA) ver- setzt und als
Prüfer eingesetzt. Am 23. Oktober 1995 wurde er zum Regierungsamts- rat
(Besoldungsgruppe A 12 BBesO) befördert. Der Kläger ist seit 20. März 1997 als
Schwerbehinderter mit einem Grad der Behinderung von 80 v.H. anerkannt.
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Der Kläger war seit 1997 wie folgt dienstunfähig erkrankt:
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vom 13. Februar 1997 bis 31. Januar 1998, vom 09. Februar 1998 bis 14. April 1998,
(danach Urlaub bis zum 29. Mai 1998) vom 29. Mai 1998 bis 03. Juli 1998, vom 18.
August 1998 bis 04. November 1998, vom 08. Dezember 1998 bis 30. Dezember 1998,
am 10. Februar 1999, vom 18. März 1999 bis 28. Mai 1999, (danach Heilkur vom 31. Mai
- 22. Juni 1999) seit 23. Juni 1999 ohne Unterbrechung.
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In den zur Überprüfung der Dienstfähigkeit eingeholten amtsärztlichen Gutachten des
Gesundheitsamtes des Kreises Neuss vom 18. September 1997, 04. Februar 1999 und
29. März 2000 wurde der Kläger jeweils ärztlicherseits nicht für (dauernd) dienstunfähig
gehalten.
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Am 18. Januar 2000 wurde der Kläger in einen Verkehrsunfall verwickelt und er- litt
hierbei ein HWS-Beschleunigungstrauma. Im Hinblick auf dessen fortdauernder
Erkrankung ordnete die Präsidentin des LRH unter dem 20. September 2000 dessen
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erneute amtsärztliche Untersuchung an. Diese sollte, weil der Kläger die Verlegung
seines ersten Wohnsitzes nach K. mitgeteilt hatte, durch den für K. zuständigen Amtsarzt
durchgeführt werden. Der Amtsarzt des Landkreises G. beschrieb in seinem Gutachten
vom 03. April 2001 das Krankheitsbild des Klägers wie folgt:
„Bei dem Obengenannten besteht ein Zustand nach Ruthenium- Bestrahlung wegen
eines Aderhaut-Melanoms links (Klinikum Aachen, 3/1997) mit nachfolgender
„Erblindung" des linken Auges. Zusätzlich besteht eine arte- rielle Hypertonie (11/2000
entgleist) bei Adipositas per magna sowie eine Hy- percholesterinämie und eine
Steatosis hepatis. Anamnestisch ist ein Schlaf- Apnoe-Syndrom bekannt sowie ein
Heuschnupfen und eine fragliche begin- nende Vasculitis. Ein Lumbalsyndrom mit
pseudoradikulärer Symptomatik be- steht seit über 10 Jahren. Im Jahre 2000 ist es zu
einem HWS- Beschleunigungstrauma gekommen, dessen Folgen noch nicht ganz
abge- klungen sind."
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Er stellte folgende Leistungseinschränkungen fest:
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„Nach dem aktualisierten Anforderungsprofil vom Februar 2001 bestehen im derzeitigen
Aufgabenbereich deutliche Leistungseinschränkungen. Bei Dienstreisen müsste jeweils
Gepäck von 20 bis 25 kg mitgeführt werden, was in der Vergangenheit regelmäßig zu
starken Beschwerden geführt hat mit Ausstrahlungen in beide Beine. Er sei häufiger
gestolpert und gestürzt. Die jetzt teilweise fehlende visuelle Kontrolle hat die
Problematik verschärft. We- gen der Einschränkung des Dämmerungssehens und der
Blendempfindlichkeit ist die Fahreignung insbesondere in Grenzsituationen
herabgesetzt. Seit dem Verlust der Sehkraft des linken Auges hatte Herr E. erhebliche
Schwierigkei- ten beim Umgang mit der mobilen EDV-Ausstattung; eine leidensgerechte
Bü- roausstattung ist nur eingeschränkt möglich, da die Tätigkeit von Herrn E. an
wechselnden Orten stattfindet."
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Zusammenfassend gelangte er zu dem Ergebnis, dass der Kläger amtsärztli- cherseits
für dienstunfähig gehalten werde und mit einer Wiederherstellung der vol- len
Dienstfähigkeit vor Ablauf von zwei Jahren nicht mehr zu rechnen sei. Die ge-
sundheitlichen Voraussetzungen für eine anderweitige Verwendung lägen in Anbet-
racht der Komplexität der vorliegenden Krankheitsbilder und deren gegenseitiger Be-
einflussung derzeit nicht vor.
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Mit Schreiben vom 25. April 2001 teilt die Präsidentin des LRH dem Kläger unter
Bezugnahme auf einen beigefügten Abdruck des amtsärztlichen Gutachtens vom 3.
April 2001 mit, dass sie dessen Versetzung in den Ruhestand beabsichtige. Hiergegen
erhob der Kläger fristgerecht Einwendungen. In dem daraufhin durchgeführten
Ermittlungsverfahren gelangte der Ermittlungsführer in seinem Abschlussbericht vom 15.
April 2002 zu dem Ergebnis, dass der Kläger nach den im amtsärztlichen Gutachten
vom 3. April 2001 ausgewiesenen Leistungseinschränkungen, den im Vermerk vom 5.
März 2001 festgehaltenen Angaben des Klägers (Bl. 161 der Ermittlungsakte) und in
den ergänzenden Ausführungen des Amtsarztes in seiner Stellungnahme vom 12.
Dezember 2001 (Bl. 156 bis 160 der Ermittlungsakte) nicht davon auszugehen sei, dass
der Kläger den ihn obliegenden Dienstpflichten in den nächsten sechs Monaten voll
nachkommen könne und er daher als dienstunfähig nach § 45 Abs. 1 Satz 2 LBG
anzusehen sei.
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Der Hauptpersonalrat stimmte der beabsichtigten Zurruhesetzung des Klägers am 30.
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April 2002 zu. Auch das Integrationsamt, die Hauptschwerbehindertenvertretung und die
Gleichstellungsbeauftragte erhoben gegen diese beabsichtigte Maßnahme keine
Bedenken. Daraufhin versetzte die Präsidentin des LRH den Kläger durch Bescheid
vom 6. Mai 2002 - zugestellt am 7. Mai 2002 - mit Ablauf des 31. Mai 2002 in den
Ruhestand. Zur Begründung verwies sie darauf, dass der Kläger nach ihren
Feststellungen dauernd dienstunfähig gemäß §§ 45, 47 LBG sei und eine anderweitige
Beschäftigung in der Landesverwaltung weder durch Teilzeitarbeit noch durch
Umschulung möglich sei. Sie wies den hiergegen eingelegten Widerspruch durch
Widerspruchsbescheid vom 17. September 2002 als unbegründet zurück.
Mit seiner rechtzeitig erhobenen Klage macht der Kläger unter Vertiefung seines
Widerspruchsvorbringens im Wesentlichen geltend: Der Zurruhesetzungsbescheid sei
rechtswidrig, weil er - der Kläger - bereits zum Zeitpunkt des erlassenen Bescheids
wieder dienstfähig gewesen sei. Sein Gesundheitszustand sei unzutreffend gewürdigt
worden. Das amtsärztliche Gutachten vom 3. April 2001 sei nicht verwertbar, weil es von
einem örtlich unzuständigen, mit den Verhältnissen in der nordrhein-westfälischen
Landesverwaltung nicht vertrauten Amtsarzt erstellt sei. Es sei ferner nicht
aussagekräftig, weil neuere ihn - den Kläger - betreffende ärztliche Erkenntnisse nicht
berücksichtigt worden seien und im Übrigen die vom Amtsarzt getroffenen
Feststellungen und vorgenommenen Einschätzungen nicht nachvollziehbar seien. Die
Zurruhesetzung könne nicht auf § 45 Abs. 1 Satz 2 LBG gestützt werden, weil die
Prognoseentscheidung auf einer unvollständigen und unzutreffenden
Sachverhaltsgrundlage getroffen worden sei. Da er jedenfalls innendienstfähig sei, sei
vorrangig vor der Zurruhesetzung zu prüfen gewesen, ob eine andere dienstliche
Verwendung für ihn in Betracht komme. Dass insoweit ernsthafte Erwägungen
angestellt seien, sei nicht ersichtlich.
13
Der Kläger beantragt,
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den Bescheid der Präsidentin des Landesrechnungshofs NRW vom 6. Mai 2002 in der
Gestalt ihres Widerspruchsbescheides vom 17. September 2002 aufzuheben.
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Der Beklagte beantragt,
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Die Klage abzuweisen.
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Er verteidigt die angefochtenen Bescheide und tritt dem Vorbringen des Klägers
entgegen.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird ergänzend auf die
Gerichtsakten 19 K 8817/02, 19 K 5183/01 und 19 K 6366/02 sowie die in diesen
Verfahren beigezogenen Verwaltungsvorgängen Bezug genommen.
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E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
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Die Klage, über die der Berichterstatter gem. § 6 Abs. 1 VwGO als Einzelrichter
entscheiden kann, ist unbegründet.
21
Die Zurruhesetzungsverfügung der Präsidentin des LRH vom 6. Mai 2002 in Gestalt
deren Widerspruchsbescheides vom 17. September 2002 ist rechtmäßig und verletzt
den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
22
Der angefochtene Bescheid über die Versetzung in den Ruhestand findet seine
Rechtsgrundlage in §§ 45, 47 des Landesbeamtengesetzes (LBG ) in der hier noch
anwendbaren Fassung, die bis zum 31. Dezember 2003, also vor Inkrafttreten der durch
das Zehnte Gesetz zur Änderung dienstrechtlicher Vorschriften vom 17. Dezember
2003, GV. NRW. 2003 S. 814 eingetretenen Gesetzesänderungen, gegolten hat.
Maßgeblich für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit der Zurruhesetzungsverfügung ist
die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten Verwaltungsentscheidung, hier also
des Widerspruchsbescheides vom 17. September 2002 (vgl. hierzu BVerwG, Urteil vom
16. Oktober 1997 - 2 C 7.97 - DÖV 1998,208).
23
Der angefochtene Bescheid und das ihm zugrunde liegende Verfahren sind in formeller
Hinsicht nicht zu beanstanden.
24
Die Präsidentin des LRH hat vor der Mitteilung an den Kläger über seine beabsichtigte
Zurruhesetzung vom 25. April 2001 ein amtsärztliches Gutachten über den
Gesundheitszustandes des Klägers eingeholt (§ 47 Abs.1 LBG). Ob das Gutachten vom
örtlich zuständigen Gesundheitsamt erstellt worden ist - zwischen den Beteiligten
herrscht Streit, ob sich die Zuständigkeit nach § 3 Abs. 1 Nr. 2 VwVfG (dann:
Gesundheitsamt Köln) oder nach § 3 Abs. 1 Nr. 3 a VwVfG (dann: beauftragter Amtsarzt)
richtet - ist unerheblich. Denn es geht hierbei um die Wahrnehmung eines
amtsärztlichen Gutachterauftrags zur Sachverhaltsermittlung, bei dessen Ausführung die
Frage einer etwaigen örtlichen Zuständigkeit das Ergebnis des Gutachtens und dessen
Verwertbarkeit nicht berührt (vergleichend mag insoweit auch der Rechtsgedanke aus §
46 VwVfG herangezogen werden). Ferner entspricht das auf die Einwendungen des
Klägers hin durchgeführte Ermittlungsverfahren nach § 47 Abs. 4 LBG den gesetzlichen
Anforderungen. Der Ermittlungsführer hat den Kläger ausführlich zu dessen Erkrankung
befragt, eine weitere Stellungnahme des Amtsarztes zu dessen Gutachten vom 3. April
2001 eingeholt, die ihm vorliegenden Aktenvorgängen nebst ärztlichen Stellungnahmen
gewürdigt und ins Verhältnis zu den vom Kläger gemachten Angaben gesetzt. Nach
Anhörung des Klägers auch zum Ergebnis des Ermittlungsverfahrens hat er einen
sorgfältigen und umfassenden Abschlussbericht erstellt. Des Weiteren hatte der
Hauptpersonalrat der beabsichtigten Zurruhesetzung des Klägers gemäß § 72 Abs. 1
Nr. 9 LPVG am 30. April 2002 zugestimmt. Auch das Integrationsamt, die
Hauptschwerbehindertenvertretung und die Gleichstellungsbeauftragte, die jeweils zu
dieser beabsichtigten Maßnahme angehört worden waren, erhoben keine Bedenken.
Schließlich entspricht der verfügte Eintritt des Ruhestandes der gesetzlichen Vorgabe
des § 50 Abs. 2 LBG.
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Die Versetzung des Klägers in den Ruhestand ist auch in materiell- rechtlicher Hinsicht
fehlerfrei.
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Gemäß § 45 Abs. 1 Satz 1 LBG ist ein Beamter auf Lebenszeit in den Ruhestand zu
versetzen, wenn er infolge eines körperlichen Gebrechens oder wegen Schwäche
seiner körperlichen oder geistigen Kräfte zur Erfüllung seiner Dienstpflichten dauernd
unfähig (dienstunfähig) ist. Nach Satz 2 dieser Bestimmung kann der Beamte als
dienstunfähig auch dann angesehen werden, wenn er infolge Erkrankung innerhalb von
sechs Monaten mehr als drei Monate keinen Dienst getan hat und keine Aussicht
besteht, dass er innerhalb weiterer sechs Monate wieder voll dienstfähig wird.
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Die Begriffe "körperliche Gebrechen" und "Schwäche der körperlichen und geistigen
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Kräfte" sind dabei nicht auf Krankheiten im engeren Sinne beschränkt. Für die
Beurteilung der Dienstfähigkeit ist nämlich nicht allein auf die Person des jeweiligen
Beamten abzustellen, sondern vielmehr sind die Auswirkungen der Schwäche der
körperlichen und geistigen Kräfte auf seine Fähigkeit, die ihm in seinem Amt
obliegenden Dienstpflichten zu erfüllen, und damit auch die Auswirkungen auf den
Dienstbetrieb entscheidend. Es kommt deshalb nicht allein ausschlaggebend auf die Art
und das Ausmaß der einzelnen körperlichen Gebrechen, den objektiven Befund und
dessen medizinische Qualifikation als solche an, sondern vielmehr darauf, ob der
Beamte aufgrund seiner gesamten Konstitution zur Erfüllung seiner Dienstpflichten
dauern unfähig ist (vgl. z.B. BVerwG, Urteil vom 31. Mai 1990 - 2 C 55.88 - NVwZ 1991,
477 m.w.N.; OVG NW, Urteil vom 17. September 2003 -1 A 1069/01 -). Nicht erforderlich
ist, dass die Fähigkeit zur Dienstleistung schlechthin verloren gegangen ist. Es genügt
vielmehr eine wesentli- che Beeinträchtigung der Leistungsfähigkeit mit entsprechenden
Auswirkungen auf den Dienst. Entscheidend ist, dass der Beamte nicht mehr in der
Lage ist, die Aufgaben des Amtes, in das er berufen worden ist, zu erfüllen. Der Begriff
"Amt" ist in diesem Zusammenhang allerdings nicht mit dem innegehabten
Dienstposten gleichzusetzen. Prüfungsmaßstab für die Fähigkeit oder dauernde
Unfähigkeit eines Beamten, seine Dienstpflichten zu erfüllen, ist das funktionelle Amt im
abstrakten Sinne, im Falle des Klägers also das von ihm bekleidete Amt eines
Regierungsamtsrats im Geschäftsbereich des Landesrechnungshofes (vgl. hierzu u.a.:
BVerwG, Urteil vom 28. Juni 1990 - 2 C 18.89 - NVwZ 1991, 476, und Beschluss vom
05. Oktober 1993 - 2 B 129/93 - ).
Unter Beachtung dieser Grundsätze durfte die Präsidentin des LRH den Kläger gemäß
§ 45 Abs. 1 Satz 2 LBG zu Recht als dauernd dienstunfähig ansehen. Die Annahme, der
Kläger werde nach seiner langjährigen Erkrankung im Laufe der nächsten sechs
Monate seine volle Dienstfähigkeit nicht wieder erlangen, trifft auch im Zeitpunkt der
maßgeblichen Widerspruchsbescheidung (17. September 2002) noch zu. Diese
Prognose beruht auf einer zutreffenden Erkenntnisgrundlage. Der Kläger hat nämlich -
abgesehen von den langen krankheitsbedingten Fehlzeiten zwischen Februar 1997 und
Dezember 1998 - seit 18. März 1999, also seit mehr als drei Jahre vor Erlass der
streitigen Zurruhesetzungsverfügung keinen Dienst mehr geleistet. Ferner ist das von
der Präsidentin des LRH eingeholte amtsärztlichen Gutachten vom 03. April 2001 zu
dem Ergebnis gelangt, dass der Kläger aufgrund der festgestellten gesundheitlichen
deutlichen Leistungseinschränkungen seine Dienstpflichten nicht erfüllen könne und mit
einer Wiederherstellung der vollen Dienstfähigkeit des Klägers vor Ablauf von zwei
Jahren nicht zu rechnen sei.
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Die hiergegen gerichteten Einwände des Klägers gehen fehl.
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Soweit er die medizinische Beurteilung seiner Erkrankungen im amtsärztlichen
Gutachten vom 03. April 2001 und der hierzu ergänzend abgegebenen Stellungnahme
vom 12. Dezember 2001 angreift, kommt es hierauf nicht an. Insbesondere die vom
Kläger für klärungsbedürftig gehaltenen Fragen, wie die der Perspektive der Heilung
des Aderhaut-Melanoms, der Bewertung des Schlaf-Apnoe- Syndroms, des
Erfordernisses einer pschycho-onkologischen Beratung und einer etwaigen
angemessenen psychotherapeutischen Behandlung sowie der Frage, inwieweit das in
Erscheinung getretene Krankheitsbild auf den erlittenen Verkehrsunfall zurückzuführen
ist, sind nicht klärungsbedürftig, weil es nicht entscheidend auf die jeweiligen
Krankheitsursachen, sondern auf die Auswirkungen der gesamten gesundheitlichen
Konstitution des Beamten auf die Erfüllung der Dienstpflichten und damit auf die
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Auswirkungen auf den Dienstbetrieb ankommt. Das Bestehen der vom Amtsarzt
festgestellten, im Tatbestand im Einzelnen wiedergegebenen gesundheitlichen
Leistungseinschränkungen hat der Kläger jedoch nicht in Abrede gestellt. Anderenfalls
würde er sich auch in Widerspruch setzen zu seinen eigenen Angaben, die er am 05.
März 2001 gegenüber dem Amtsarzt ausweislich dem von ihm eigenhändig
unterschriebenen Aktenvermerk gemacht hat. Unter Berücksichtigung dieser
Leistungseinschränkungen hat die Präsidentin des LRH - in Übereinstimmung mit dem
Amtsarzt und dem Ermittlungsführer - zutreffend den Kläger für nicht mehr in der Lage
angesehen, im prognostizierten Zeitraum von sechs Monaten seine Dienstpflichten zu
erfüllen. Dabei hat sie das dem Amtsarzt mit Schreiben vom 21. Februar 2001
mitgeteilte für einen Regierungsamtsrat in ihrem Geschäftsbereich geltende
Anforderungsprofil zugrunde gelegt. Als Besonderheit im Vergleich zu sonstigen
Behörden sind dieses Amt wie auch weitere ranghöhere und rangniedere Ämter im
abstrakt-funktionellen Sinne im Geschäftsbereich des Landesrechnungshofes durch die
Wahrnehmung der Aufgaben als Prüfer, und zwar ausschließlich durch Tätigkeit im
Außendienst, gekennzeichnet. Die Einschätzung, dass insbesondere die durch die
Erblindung eines Auges eingetretene stark eingeschränkte Sehfähigkeit, aber auch die
ständig auftretenden Beschwerden im Bewegungsapparat eine Außendiensttätigkeit
des Klägers als Prüfer nicht mehr zulassen, jedenfalls soweit es sich um den hier
maßgeblichen Prognosezeitraum handelt, ist für das Gericht ohne weiteres
nachvollziehbar, zumal es sich naturgemäß nicht um kurzfristig änderbare
Leistungseinschränkungen handelt.
Die Präsidentin des LRH war auch nicht gemäß § 45 Abs. 3 LBG verpflichtet, durch eine
andere dienstliche Verwendung des Klägers dessen Zurruhesetzung abzuwenden. Sie
durfte hierbei von der Einschätzung des Amtsarztes ausgehen, der die gesundheitlichen
Voraussetzungen für eine anderweitige Verwendung des Klägers wegen "der
Komplexität der vorliegenden Krankheitsbilder und deren gegenseitiger Beeinflussung"
als derzeit nicht gegeben angesehen hat. Diese zusammenfassende prognostische
Würdigung des Beschwerdebildes des Klägers wird durch punktuelle Angriffe gegen
einzelne Befunde in ihrer Gesamtaussage im Kern nicht erschüttert. Denn zum einen ist
für die Kammer ohne weiteres nachvollziehbar, dass durch die mehrere Jahre lange
Dauer der Erkrankung inzwischen eine - wie der Amtsarzt in seiner ergänzenden
Stellungnahme vom 12. Dezember 2001 hervorgehoben hat - "Chronifizierung der
resultierenden Gesundheitsstörungen" eingetreten war, die eine zeitnahe Beseitigung
der Krankheitserscheinungen nicht erwarten ließ. Zum anderen waren auch keine
greifbaren Anhaltspunkte für eine ernsthaft angestrebte Rückkehr des Klägers in den
Dienst ersichtlich. Darüberhinaus hat die Präsidentin des LRH, wie sie bereits dem
Integrationsamt mit Schreiben vom 21. August 2001 mitgeteilt hatte und auch in der
mündlichen Verhandlung durch deren Sitzungsvertreter erneut bestätigt wurde - in ihrem
Geschäftsbereich auch mangels verfügbarer Stellen keine Möglichkeit gesehen, den
Kläger auf einem reinen „Innendienstposten" nach Maßgabe des § 45 Abs. 3 LBG
einzusetzen. Etwaige solche Stellen zu schaffen, gebietet das Organisationsermessen
nicht. Anhaltspunkte für eine fehlerhafte Ermessensbetätigung hinsichtlich einer
möglichen anderweitigen dienstlichen Verwendung des Klägers vermag die Kammer
insoweit nicht zu erkennen.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO, die
Vollstreckbarkeitsentscheidung auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.
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