Urteil des VG Köln vom 06.11.2009
VG Köln (ausbildung, verfügung, arbeitsverhältnis, abschluss, beendigung, arbeitgeber, jugend, mitglied, verwaltungsgericht, dauer)
Verwaltungsgericht Köln, 33 K 4601/09.PVB
Datum:
06.11.2009
Gericht:
Verwaltungsgericht Köln
Spruchkörper:
33. Bundespersonalvertretungskammer
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
33 K 4601/09.PVB
Tenor:
Der Antrag wird abgelehnt.
G r ü n d e
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I.
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Die Beteiligte zu 1. absolvierte seit 28. August 2006 am Standort Mainz der
Bundesnetzagentur eine Ausbildung zur Fachangestellten für Bürokommunikation, die
sie durch Bestehen der Abschlussprüfung am 08. Juli 2009 mit der Note "gut" beendete.
Sie ist seit März 2008 Mitglied der Gesamtjugend- und Auszubildendenvertretung bei
der Bundesnetzagentur. Mit Schreiben vom 04. Juni 2009 beantragte die Beteiligte zu 1.
unter Berufung auf § 9 BPersVG ihre unbefristete Weiterbeschäftigung im Anschluss an
die Ausbildung. Sie schloss darüber hinaus einen auf sechs Monate befristeten
Arbeitsvertrag ab (Entgeltgruppe 5 TVöD).
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Die Antragstellerin hat am 20. Juli 2009 beim erkennenden Gericht durch ihre
Verfahrensbevollmächtigten - mit Prozessvollmacht des Präsidenten der
Bundesnetzagentur - schriftsätzlich die Auflösung des mit der Beteiligten zu 1. gemäß §
9 Abs. 2 BPersVG begründeten Arbeitsverhältnisses beantragt. Zur Begründung trägt
sie im Wesentlichen vor: Ihr sei die Weiterbeschäftigung der Beteiligten zu 1. in einem
Dauerarbeitsverhältnis unter Berücksichtigung aller Umstände unzumutbar. Bei
Beendigung der Ausbildung hätten keine ausbildungsadäquaten Dauerarbeitsplätze zu
Verfügung gestanden. Deshalb habe kein Ausgebildeter dieses Ausbildungsjahrgangs
in ein unbefristetes Arbeitsverhältnis übernommen werden können. Entsprechend einer
seit Jahren gängigen Verwaltungspraxis würden allen Auszubildenden - einschließlich
den Jugendvertretern - ausschließlich eine zunächst befristete Weiterbeschäftigung im
unmittelbaren Anschluss an das Ausbildungsverhältnis angeboten und dann praktiziert.
Nach Ablauf der befristeten Weiterbeschäftigung erhielten die befristet Übernommenen
einen unbefristeten Arbeitsvertrag im Rahmen der vorhandenen haushaltsmäßigen
Möglichkeiten entsprechend dem Prinzip der Bestenauslese. Durch diese
Verfahrensweise werde eine diskriminierungsfreie Behandlung in Bezug auf § 9
BPersVG ermöglicht. Entscheidungen im Rahmen der Stellendispositionen unterlägen
im Hinblick auf § 9 BPersVG lediglich einer Missbrauchskontrolle. Ein Missbrauch
scheide offenkundig aus, weil die Bundesnetzagentur keinen Ausbildungsabsolventen
im Jahre 2009 unmittelbar in ein unbefristetes Dauerarbeitsverhältnis übernommen
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habe. Ausbildungsadäquate, auf Dauer angelegte und gesicherte Arbeitsplätze stünden
auch in 2009 für alle Ausbildungsabsolventen nicht zur Verfügung. Diese Praxis sei
ober- und höchstrichterlich gebilligt (OVG Lüneburg, Beschluss vom 07. Mai 2009 - 17
LP 29/07, BVerwG, Beschluss vom 12. Oktober 2009 - 6 PB 28/09 -). Auch im Fall des
von den Beteiligten angeführten Herrn L. habe kein Dauerarbeitsplatz zur Verfügung
gestanden: er sei nach seiner Ausbildung lediglich befristet übernommen worden.
Diesen bisherigen Dienstposten habe er nach der mit Zustimmung des Beteiligten zu 3.
zum 21.08.2009 verfügten Wegfalls der Befristung weiter wahrgenommen. Bei
Abschluss der Ausbildung der Beteiligten zu 1. habe kein ausbildungsadäquater freier
Dauerarbeitsplatz zur Verfügung gestanden.
Die Antragstellerin beantragt,
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das gemäß § 9 Abs. 2 BPersVG nach Beendigung des Ausbildungsverhältnisses
begründete Arbeitsverhältnis mit der Beteiligten zu 1. gemäß § 9 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2
BPersVG aufzulösen.
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Die Beteiligte zu 1. beantragt,
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den Antrag abzulehnen.
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Sie trägt im Wesentlichen vor: Ihre Weiterbeschäftigung sei der Antragstellerin
zumutbar. Im Geschäftsbereich der Bundesnetzagentur seien bei Abschluss ihrer
Ausbildung besetzbare Dauerarbeitsplätze vorhanden, wie die vom Referat Z 12
erstellte Liste der "Übernahmen in unbefristete Arbeitsverhältnisse im mittleren Dienst
2009" vom 18. Dezember 2008 , insbesondere der Fall des Herrn L., zeige. Ferner sei
der Mitarbeiterdienstposten Z 26/1d (Mainz) besetzbar gewesen.
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Die Beteiligten zu 2. und 3. beantragen ebenfalls jeweils,
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den Antrag abzulehnen.
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Sie unterstützen das Begehren der Beteiligten zu 1. und vertiefen deren Sachvortrag:
Trotz bestehender k.w.-Vermerke im mittleren Dienst, sei der Bundesnetzagentur durch
Haushaltsvermerke gestattet, jede zweite freiwerdende Stelle im mittleren Dienst - im
Wege von Einstellungen - wieder zu besetzen. Auswahlverfahren nach erfolgreicher
Ausbildung fänden nur temporär statt und möglicherweise nicht in einem Zeitraum, der
die Möglichkeit eines Übernahmeverlangens berücksichtige. Diese Praxis biete
Manipulationsmöglichkeiten und werde dem Schutzzweck des § 9 BPersVG nicht
gerecht.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird ergänzend auf die
Gerichtsakten Bezug genommen.
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II.
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Der fristgerecht mit Prozessvollmacht des Präsidenten der Bundesnetzagentur als
Handlungsbefugter der Arbeitgeberin gestellte Auflösungsantrag ist nicht begründet.
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Gemäß § 9 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 BPersVG kann der Arbeitgeber spätestens bis zum
Ablauf von zwei Wochen nach Beendigung des Berufsausbildungsverhältnisses beim
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Verwaltungsgericht beantragen, das bereits nach den Absätzen 2 oder 3 begründete
Arbeitsverhältnis aufzulösen, wenn Tatsachen vorliegen, aufgrund derer dem
Arbeitgeber unter Berücksichtigung aller Umstände die Weiterbeschäftigung nicht
zugemutet werden kann. Diese Vorschrift ist im Zusammenhang mit § 9 Abs. 1 und
insbesondere Abs. 2 BPersVG zu sehen. Nach § 9 Abs. 1 BPersVG hat der Arbeitgeber,
falls er beabsichtigt, einen (u. a.) in einem Berufsausbildungsverhältnis nach dem
Berufsbildungsgesetz stehenden Beschäftigten (Auszubildenden), der - wie hier die
Beteiligte zu 1. - Mitglied einer Gesamtjugend- und Auszubildendenvertretung ist, nach
erfolgreicher Beendigung des Berufsausbildungsverhältnisses nicht in ein
Arbeitsverhältnis auf unbestimmte Zeit zu übernehmen, dies drei Monate vor
Beendigung des Berufsausbildungsverhältnisses dem Auszubildenden schriftlich
mitzuteilen. Dass eine solche Mitteilung hier erfolgt ist, ist nicht aktenkundig. Verlangt
das Mitglied einer Jugend- und Auszubildendenvertretung innerhalb von drei Monaten
vor Beendigung des Berufsausbildungsverhältnisses - wie hier die Beteiligte zu 1. mit
Schreiben vom 04. Juni 2009 - seine Weiterbeschäftigung, dann wird gemäß § 9 Abs. 2
BPersVG ein Arbeitsverhältnis auf unbestimmte Zeit begründet.
Das danach begründete Arbeitsverhältnis ist jedoch aufzulösen, wenn im Sinne des § 9
Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 BPersVG "Tatsachen vorliegen, aufgrund derer dem Arbeitgeber
unter Berücksichtigung aller Umstände die Weiterbeschäftigung nicht zugemutet werden
kann". Unverzichtbare Voraussetzung dafür, dass der Arbeitgeber seiner
Weiterbeschäftigungspflicht nachkommen kann, ist, dass entsprechende Arbeitsplätze
zur Verfügung stehen und keine gesetzlichen und persönlichen Hindernisse bestehen,
die die Weiterbeschäftigung unzumutbar erscheinen lassen. Dabei ist die
Weiterbeschäftigungspflicht des öffentlichen Arbeitgebers an das Vorhandensein einer
freien Planstelle nicht notwendig gebunden; entscheidend ist vielmehr, ob bei
Abschluss der Berufsausbildung im Bereich der Ausbildungsdienststelle ein
ausbildungsadäquater, auf Dauer angelegter und gesicherter Arbeitsplatz zur Verfügung
steht (vgl. BVerwG, Beschluss vom 01. November 2005 - 6 P 3.05 - , Personalrat 2006,
382, 383 ff). Bei einem Mitglied der Jugend- und Auszubildendenstufenvertretung - wie
im vorliegenden Fall - entfällt die Beschränkung auf die Ausbildungsdienststelle; bei
diesem Personenkreis kommt es darauf an, dass ein ausbildungsadäquater
Dauerarbeitsplatz in irgendeiner Dienststelle im Geschäftsbereich der übergeordneten
Dienststelle besetzbar vorhanden ist (vgl. BVerwG, Beschluss vom 19. Januar 2009 - 6
P 1.08 - , ZfPR online 4/2009, 2 ff).
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Nach diesen Grundsätzen ist der Antragstellerin die Weiterbeschäftigung der Beteiligten
zu 1. zumutbar, weil für sie bei Abschluss ihrer Ausbildung (08. Juli 2009) trotz der
schriftsätzlich geschilderten organisatorischen Entscheidung, allen Auszubildenden
(einschließlich der Jugendvertreter) nach erfolgreichem Abschluss ihrer Ausbildung
lediglich ein - derzeit auf sechs Monate - befristetes Arbeitsverhältnis anzubieten, in der
Bundesnetzagentur ein besetzbarer, der Ausbildung der Beteiligten zu 1.
entsprechender und auf Dauer angelegter Arbeitsplatz zur Verfügung stand. Dabei
handelt es sich um einen Dauerarbeitsplatz, der später Herrn L. durch Entfristung seines
bis zum 20. August 2009 befristeten Arbeitsverhältnisses übertragen worden ist. Dies
ergibt sich für die Fachkammer aus dem Ergebnis der im Anhörungstermin erfolgten
Befragung des mit der Stellensituation im Bereich der Bundesnetzagentur vertrauten
Oberregierungsrats B. und dessen erläuternden Angaben sowie der vom Referat Z 12
erstellten Liste vom 18. Dezember 2008 betr. "Übernahmen in unbefristete
Arbeitsverhältnisse im mittleren Dienst 2009".
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Nach Angaben des Oberregierungsrats B. waren bei Abschluss der Ausbildung der
Beteiligten zu 1. etwa 30 unbesetzte Arbeitsplätze vorhanden, für die allerdings keine
Finanzierungsmittel vorhanden waren und die damit auch nicht besetzbar waren.
Lediglich 1,5 Dienstposten seien finanzierbar gewesen. Aus dem Umstand, dass nach
der Liste des Referats Z 12 vom 18. Dezember 2008 das Arbeitsverhältnis des früheren
Ersatzmitglieds der Jugend- und Auszubildendenvertretung L. letztmalig bis zum 20.
August 2009 verlängert werden sollte, L. dennoch durch Wegfall der Befristung in ein
Dauerarbeitsverhältnis übernommen wurde, ergibt sich zur Überzeugung der
Fachkammer, dass der jedenfalls vor Abschluss der Ausbildung der Beteiligten zu 1.
bereits durch Finanzierung gesicherte Dauerarbeitsplatz bereitgestellt und für Herrn L.
vorgehalten worden ist, zumal eine nachträgliche Bereitstellung weiterer Haushaltsmittel
für Personalmaßnahmen nicht in Rede stand. Damit war für die Besetzung dieser
offenkundig ausbildungsadäquaten Stelle die Beteiligte zu 1. nicht nur wegen des sich
aus § 9 BPersVG ergebenden Schutzzweckes, sondern auch unter Beachtung des
Leistungsgrundsatzes zu berücksichtigen. Die Beteiligte zu 1. hat nämlich ihre
Ausbildung mit der Prüfungsnote "gut" abgeschlossen hat, während Herr L. - wie der
Fachkammer aus dem Verfahren 33 K 3596/07.PVB bekannt ist - die Abschlussprüfung
am 20. August 2007 lediglich mit der Note "befriedigend" (73,5 Punkte) bestanden hatte.
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Zwar hat die Bundesnetzagentur die Herrn L. übertragene Stelle aus mehrfachen
Gründen als für die Beteiligte zu 1. (und weitere Jugendvertreter) nicht verfügbar
angesehen. Dieser Wertung vermag die Fachkammer aber im vorliegenden Fall nicht zu
folgen. Sie verkennt dabei nicht, dass die Bundesnetzagentur mit ihrer organisatorische
Entscheidung, allen erfolgreich Ausgebildeten keinen Dauerarbeitsplatz zur Verfügung
zu stellen, sondern diese lediglich in befristete Arbeitsverhältnisse zu übernehmen, das
Anliegen verfolgt, durch wiederholt befristete Arbeitsverhältnisse in der Hoffnung auf
eine zukünftig bessere Finanzmittelzuweisung auf lange Sicht möglichst viele bei ihr
Ausgebildete in ein Dauerarbeitsverhältnis zu übernehmen. Diese - ein grundsätzlich
lobenswertes Ziel verfolgende - Praxis vermag jedoch die gesetzliche Regelung des § 9
BPersVG nicht zu verdrängen. Daraus ergibt sich als Konsequenz: Wenn - wie hier -
tatsächlich ein ausbildungsadäquater Dauerarbeitsplatz beim Abschluss der Ausbildung
oder im vorangehenden Dreimonatszeitraum ohne spezielles Anforderungsprofil zur
Verfügung gestellt war, greift der Schutzzweck des § 9 BPersVG. In diesem Fall ist
nämlich die der ersten Entscheidungsebene zugeordnete, nur der Missbrauchskontrolle
unterliegende Frage der Bereitstellung eines Dauerarbeitsplatzes bereits positiv
beantwortet und es geht nur noch um die der zweiten Entscheidungsebene zugeordnete
Besetzungsentscheidung, bei der der in § 9 BPersVG normierte Diskriminierungsschutz
selbst dann voll zum Tragen kommt, wenn nachgewiesen werden kann, dass der
Arbeitgeber den Betroffenen nicht wegen seiner Tätigkeit in der Jugend- und
Auszubildendenvertretung benachteiligt hat (vgl. BVerwG, Beschluss vom 01.
November 2005, a.a.O., S. 386).
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Die Berücksichtigung eines vorhandenen Dauerarbeitsplatzes zugunsten der
Beteiligten zu 1. scheitert auch entgegen der Auffassung der Antragstellerin nicht daran,
dass dieser erst nach Beendigung der Ausbildung der Beteiligten zu 1., nämlich mit
Entfristung des bis zum 20. August 2009 befristeten Arbeitsverhältnisses dem
Beschäftigten L. übertragen wurde. Entscheidend ist vielmehr, dass er bereits vor
Ausbildungsabschluss der Beteiligten zu 1. bereit gestellt war, wenn auch mit der
Absicht, ihn später mit Herrn L. zu besetzen.
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Für eine Kostenentscheidung ist im personalvertretungsrechtlichen Beschlussverfahren
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kein Raum.