Urteil des VG Köln vom 25.02.2010
VG Köln (aufschiebende wirkung, bestellung, niederlassung, verwaltungsgericht, tätigkeit, händler, stand, vollziehung, interesse, kommentar)
Verwaltungsgericht Köln, 1 L 7/10
Datum:
25.02.2010
Gericht:
Verwaltungsgericht Köln
Spruchkörper:
1. Kammer
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
1 L 7/10
Tenor:
1. Die aufschiebende Wirkung der Klage 1 K 30/10 der Antragstellerin
gegen die Ordnungsverfügung der Antragsgegnerin vom 02. Dezember
2009 wird wiederhergestellt.
Die Kosten des Verfahrens trägt die Antragsgegnerin.
2. Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 3.750,-- EUR festgesetzt.
Gründe
1
Der Antrag nach § 80 Abs. 5 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) hat Erfolg.
2
Die im Rahmen des § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO vorzunehmende Interessenabwägung
zwischen dem öffentlichen Interesse an der sofortigen Vollziehung der angeordneten
Maßnahmen und dem Interesse der Antragstellerin, von der Vollziehung vorerst
verschont zu bleiben, fällt zu Lasten der Antragsgegnerin aus. Dabei ist maßgeblich zu
berücksichtigen, dass die Klage (1 K 30/10) voraussichtlich Erfolg haben wird. Es
spricht nämlich Überwiegendes dafür, dass die angegriffene Ordnungsverfügung vom
02. Dezember 2009 rechtswidrig ist und die Antragstellerin in ihren Rechten verletzt.
3
Die Ordnungsverfügung lässt sich voraussichtlich nicht auf die - allein in Betracht
kommende - Ermächtigungsgrundlage der §§ 60 d) Abs. 1, 56 Abs. 1 Nr. 2 a) der
Gewerbeordnung (GewO) stützen. Die Anwendung der genannten Vorschriften setzt die
Ausübung eines Reisegewerbes voraus. Hieran fehlt es vorliegend. Ein Reisegewerbe
betreibt gemäß § 55 Abs. 1 GewO, wer gewerbsmäßig ohne vorhergehende Bestellung
außerhalb seiner gewerblichen Niederlassung (§ 42 Abs. 2) oder ohne eine solche zu
haben, u.a. Waren ankauft. Zwar finden die untersagten Ankäufe außerhalb der
gewerblichen Niederlassung der Antragstellerin in Q. statt. Auch ist als
Gewerbetreibende, die die besagten Ankäufe von Edelmetallen, edelmetallhaltigen
Legierungen und Waren mit Edelmetallauflagen tätigt, die Antragstellerin und nicht die
Betreiberin des P. -Shops, Frau Q1. , anzusehen. Dies ergibt sich zum einen aus dem
aktuellen Agenturvertrag vom November 2009 zwischen der Antragstellerin und Frau
4
Q1. , demzufolge Frau Q1. Alt-Metalle im Namen und auf Rechnung der Antragstellerin
ankauft (vgl. Ziffern I. 1., VII. 2.). Dass Ankäuferin und Gewerbetreibende die
Antragstellerin ist, folgt zum anderen aus den vorgelegten Kaufverträgen, ausweislich
derer Käuferin der Edelmetalle die Antragstellerin ist. Jedoch finden die Ankäufe nicht
ohne vorhergehende Bestellung im Sinne des § 55 Abs. 1 GewO statt. Dies ergibt sich
aus Folgendem: Neben dem Erfordernis einer ambulanten Tätigkeit außerhalb oder
ohne eigene Niederlassung muss der umherziehende Unternehmer außerdem "ohne
vorhergehende
Bestellung" tätig werden, um ein Reisegewerbe zu betreiben. Dieses
Tatbestandsmerkmal grenzt Titel II und III der Gewerbeordnung derart voneinander ab,
dass beim stehenden Gewerbe der Kunde zum Händler kommt, während beim
Reisegewerbe umgekehrt der Händler unangemeldet beim Kunden erscheint und
Vertragsverhandlungen initiiert,
5
vgl. Korte in: Friauf, Kommentar zur GewO, Stand: Dezember 2009, § 55 Rdn. 95 f.
6
Hiernach ist vorliegend von einer Tätigkeit ohne vorhergehende Bestellung nicht
auszugehen, da ganzjährig - wie die von der Antragstellerin vorgelegten so genannten
"Agentur-Konto-Bewegungen", die durchgängig den Zeitraum Juli 2005 bis Januar 2010
abdecken, belegen - verkaufswillige Kunden den P. -Shop, in dem die Antragstellerin
tätig ist, aus eigenem Antrieb aufsuchen. Insofern fehlt es auch an einer mobilen
Tätigkeit, die das Reisegewerbe kennzeichnet. Gewerbliche Betätigungen von festen
Plätzen können nur dann "reisend" sein, wenn sie - anders als hier - für einen
begrenzten Zeitraum erfolgen,
7
vgl. Schönleiter in: Landmann-Rohmer, GewO, Stand: August 2009, § 55 Rdn. 46.
8
Da die Antragstellerin ganzjährig - und nicht nur an zwei Tagen im Jahr - in den
Räumlichkeiten des P. -Shops Edelmetalle ankauft, greifen damit zugleich die
Erwägungen der Antragsgegnerin nicht, Verbraucher müssten vor Straftaten wie Betrug
und Hehlerei beim Ankauf von Edelmetallen "im Wanderlager" geschützt werden.
9
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.
10
Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 53 Abs. 2 Nr. 2, 52 Abs. 1 GKG.
11