Urteil des VG Köln vom 27.08.2003

VG Köln: arzneimittel, kommission, beitrag, bestandteil, dosierung, homöopathie, zusammensetzung, dokumentation, konzept, offenkundig

Verwaltungsgericht Köln, 24 K 5366/00
Datum:
27.08.2003
Gericht:
Verwaltungsgericht Köln
Spruchkörper:
24. Kammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
24 K 5366/00
Tenor:
Die Klage wird abgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
T a t b e s t a n d
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Die Klägerin zeigte unter den 28. Februar 1978 bei dem Bundesgesundheitsamt das im
Verkehr befindliche Fertigarzneimittel "J. " nach Art. 3 § 7 Abs. 2 Satz 1 des Gesetzes
zur Neuordnung des Arzneimittelrechts vom 24. August 1976 (BGBl. I S. 2445) an.
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Bei dem Arzneimittel handelt es sich um ein flüssiges homöopathisches Kombi-
nationspräparat in der Darreichungsform "Tropfen". Die wirksamen Bestandteile wur-
den seinerzeit mit J. D 4, D 10, D 30 und D 200, Moschus D 6, D 30 und D 200 (jeweils
0,5 ml in 100 ml) und Äthanol 35 % angegeben. Die Anwendungsgebiete wurden wie
folgt beschrieben: "Depressionszustände, besonders exogener Genese. Paradoxe
Symptome. Hysterische Aphonie."
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Am 20. Dezember 1989 beantragte die Klägerin die Verlängerung der Zulassung. Die
wirksamen Bestandteile wurden hierbei in gleich bleibender Menge mit "Strych- nos
ignatii D 4, D 10, D 30 und D 200 und Moschus moschiferus D 6, D 30 und D 200
(Potenzierung der letzten Stufe gemäß HAB 1, Vorschrift 40a) angegeben; als sonstige
Bestandteile wurden Ethanol 96,7 Vol.-% und gereinigtes Wasser genannt. Die
Anwendungsgebiete wurden nunmehr wie folgt formuliert: "Die Anwendungsge- biete
entsprechen den homöopathischen Arzneimittelbildern. Dazu gehören Depres-
sionszustände, besonders exogener Genese; paradoxe Symptome; hysterische
Aphonie." Für die Wirkstoffe Strychnos ignatii und Moschus liegen Monographien der
Kommission D vor (Strychnos ignatii; J. (BAnz. Nr. 22a vom 3. Februar 1988) und
Moschus moschiferus; Moschus (BAnz. Nr. 172a vom 14. September 1988)).
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Der Langantrag ging am 22. März 1993 beim Bundesgesundheitsamt ein.
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Mit Mängelschreiben vom 31. Juli 1995 beanstandete die Beklagte verschiedene
Mängel des Arzneimittels und räumte der Klägerin zu deren Abhilfe eine Frist von drei
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Jahren ab Zugang des Schreiben ein. Sie führte in der zugehörigen medizinisch-
fachlichen Stellungnahme unter Anderem aus: Die Kombinationsbegründung sei nicht
ausreichend. Die Wirksamkeit und Unbedenklichkeit der fixen Stoffkombination könne
nicht anhand der Monographien der Einzelstoffe bestimmt werden. Daher sei eine
gesonderte Dokumentation erforderlich. Insbesondere sei der Beitrag unter- schiedlicher
Potenzstufen zur positiven Bewertung des Arzneimittels nicht ersichtlich. Zur
abschließenden Bewertung der Nutzen-Risiko-Relation sei geeignetes wissen-
schaftliches Erkenntnismaterial zu der gewählten Kombination vorzulegen. Auch sei das
beanspruchte Anwendungsgebiet durch die Monographien nicht gedeckt. Auf deren
Basis könne allenfalls die allgemein verständliche Indikationsangabe "Die An-
wendungsgebiete leiten sich aus den homöopathischen Arzneimittelbildern ab. Dazu
gehören: Nervöse Störungen mit Verstimmungszuständen." begründet werden. Ü-
berdies erhob die Beklagte Einwände gegen die vorgesehene Dosierung, die von den
in den Monographien der Kommission D üblichen Dosierungen abweiche und speziell
im Hinblick auf die vorliegenden Potenzakkorde präparatspezifisch zu be- gründen sei.
Mit Schreiben vom 18. März 1998 nahm die Klägerin zu dem Mängelschreiben Stellung.
Hierbei übernahm die Klägerin im Wesentlichen die Neuformulierung des
Anwendungsgebietes. Zur Begründung der Sinnhaftigkeit von Potenzakkorden bezog
die Klägerin sich auf ein Gutachten von M. zur "Begründung von Sinnhaf- tigkeit der
Kombination, Wirksamkeit und Unbedenklichkeit" des Präparates vom 22. Februar 1998
und ein weiteres Gutachten von D. und H. zu den "Grundlagen der Anwendung von
Potenzakkorden" vom 21. Dezember 1996. Die Dosieranleitung entspreche der seit
1959 gängigen Praxis. Die gewählte Dosierung sei bereits damals unter dem Aspekt
gewählt worden, dass in dem Präparat Potenz- akkorde enthalten seien. Meldungen
über unerwünschte Arzneimittelwirkungen lägen nicht vor.
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Mit Bescheid vom 6. Juni 2000 versagte die Beklagte die Verlängerung der Zulassung
(Nachzulassung) für das Arzneimittel, da die mitgeteilten Beanstandungen nicht
innerhalb der gesetzten Frist vollständig beseitigt worden seien. Die Problematik von
Potenzakkorden sei in der Kommission D bereits in der 3. Sitzung vom 8. Mai 1996 und
der 6. Sitzung vom 26. Februar 1997 kritisch diskutiert worden. Hinsichtlich fixer
Kombinationen mehrerer Hochpotenzen habe die Kommission festgestellt, dass es mit
dem Selbstverständnis der homöopathischen Therapierichtung nicht vereinbar sei, fixe
Kombinationen von Arzneimitteln mit einem breiten Wirkungsspektrum in hohen
Potenzen anzuwenden. Da das Arzneimittel der Klägerin sowohl Potenzakkorde als
auch eine Kombination von Hochpotenzen unterschiedlicher Substanzen enthalte,
verstärke sich die Problematik. Bereits 1966 seien bei der Diskussion von
Potenzakkorden Anwendungsbeobachtungen für notwendig gehalten worden, da bei
der Einnahme von homöopathischen Hochpotenzen, mehrfach täglich und über einen
längeren Zeitraum, vom Auftreten von Arzneimittelprüfsymptomen auszugehen sei. Die
von der Klägerin vorgelegte Anwendungsbeobachtung (Gutachten M. ) sei kritisch zu
werten und auch nicht geeignet, die Wirksamkeit des Präparates zu begründen.
Entsprechendes gelte für das vorgelegte Gutachten von D. und H. .
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Die Klägerin hat am 30. Juni 2000 Klage erhoben. Zu deren Begründung führt sie aus:
Das Arzneimittel folge den Grundsätzen der sog. Antihomotoxischen Therapie nach Dr.
med. H.-H. S. . Die Kombination verschiedener Potenzstufen sei entwickelt worden, um
dem in der Homöopathie bekannten Auftreten von Erstverschlimmerungen entgegen zu
wirken. Das Prinzip dieser Potenzakkorde habe sich in jahrzehntelanger
therapeutischer Praxis bewährt. Es werde durch eine von der Klägerin durchgeführte
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Anwendungsbeobachtung bestätigt (Bericht vom 16. Juni 2000). Die von der Beklagten
angeführten Probleme bei der Anwendung hoher Potenzen seien bei deren Anwendung
in Form von Potenzakkorden gerade nicht gegeben. Erfahrungen mit homöopathischen
Hochpotenzen könnten nicht auf Potenzakkorde extrapoliert werden. Zudem seien in
der homöopathischen Fachliteratur sehr unterschiedliche Angaben darüber zu finden,
ab welcher Potenzstufe überhaupt von einer Hochpotenz gesprochen werden könne.
Auch habe die Beklagte keine Unterlagen vorgelegt, die das Auftreten einer Arzneimit-
telprüfsymptomatik bei Potenzakkordpräparaten belegten. Die angeführten
Befürchtungen seien vielmehr hypothetisch. Überdies könne die Kommission D nicht als
maßgebliche Repräsentanz der homöopathischen Therapierichtung, insbesondere
hinsichtlich der vorliegend betroffenen Potenzakkorde, eingestuft werden.
Die angeführten grundsätzlichen Bedenken gegen die Kombination verschiedener
Potenzstufen seien ebenfalls nicht gerechtfertigt. Sie seien eine Fortentwicklung der von
I. entwickelten homöopathischen Therapieprinzipien und mit diesen durchaus vereinbar.
Überdies könne sich die Beklagte bei der Ablehnung der Nachzulassung nicht allein auf
eine einseitige Interpretation der von I. entwickelten Prinzipien beschränken. Der
Zulassungsbehörde stehe es nicht zu, eine homöopathische Therapierichtung für
verbindlich zu erklären. Es sei nicht Aufgabe des Staates, einen wissenschaftlichen
Streit zwischen homöopathischen Schulen verbindlich zu klären. Insbesondere dürfe die
Beklage eine wissenschaftliche Weiterentwicklung nicht ignorieren.
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Die Auffassung der Beklagten, Potenzakkorde seien mit dem homöopathischen
Arzneimittelbild nicht in Einklang zu bringen, sei auch mit der Zulassungspraxis des
Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte nicht zu vereinbaren. So habe die
Behörde noch 1997 einem Arzneimittel des Unternehmens J. GmbH & Co KG einen
Zulassungsbescheid erteilt, das einen Potenzakkord (D 6, D 12, D 30 und D 200)
enthalte. Dem Präparat liege ein Konzept zu Grunde, das gemeinsam mit der Klägerin
entwickelt worden sei. Auch habe sie unter dem 13. Januar 2000 ein Präparat der
Klägerin (W. ) zugelassen, das eine Hochpotenz (D 30) in Kombination mit einem
anderen arzneilich wirksamen Bestandteil enthalte.
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Die Klägerin beantragt,
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die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides des Bundesinstituts für Arzneimittel und
Medizin- produkte vom 6. Juni 2000 zu verpflichten, über den Antrag auf Verlängerung
der Zulassung für Das Arzneimittel J. unter Beachtung der Rechtsauffassung des
Gerichts erneut zu entscheiden.
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Die Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Sie tritt dem Vorbringen der Klägerin entgegen. Auch das nachgelieferte
wissenschaftliche Erkenntnismaterial sei nicht geeignet, den Beitrag jedes wirksamen
Bestandteils zur positiven Beurteilung des Arzneimittels zu belegen. Die
Versagungsentscheidung stehe im Einklang mit mehreren Stellungnahmen der
Kommission D zu fixen Kombinationen mehrerer Wirkstoffe in Hochpotenzen und zu
Potenzakkorden. Die Monographien der Kommission D seien entsprechend dem
Selbstverständnis der homöopathischen Theraperichtung und dem gesicherten Stand
der wissenschaftlichen Erkenntnis auf diesem Gebiet erstellt. Sie würden auch von der
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Klägerin anerkannt und dienten dem Nachweis der Wirksamkeit und Unbedenklichkeit
der Einzelbestandteile. In diesem Zusammenhang sei der Beleg erforderlich, dass jeder
Einzelbestandteil einen Beitrag zur positiven Bewertung des Arzneimittels leiste. Diesen
habe die Klägerin nicht erbracht. Die vorgelegte Anwendungsbeobachtung sei wegen
erheblicher Mängel nicht zu beurteilen und stelle kein geeignetes wissenschaftliches
Erkenntnismaterial dar. Das übrige Erkenntnismaterial enthalte grundsätzliche
Überlegungen zur Anwendung von Potenzakkorden, sei aber nicht präparatspezifisch.
Es beschränke sich zudem weitgehend auf Hypothesen, die wissenschaftlich nicht
belegbar seien. Es sei nicht Absicht des BfArM, eine wissenschaftliche Meinung zum
allein gültige Maßstab zu erklären. Jedem Therapeuten stehe es frei, wenn er es für
notwendig und verantwortbar erachte, jede beliebige Mischung homöopathischer Mittel
zu verabreichen. Hierfür stünden homöopathische Arzneimittel in großer Vielzahl von
Potenzstufen als registrierte Arzneimittel zur Verfügung. Die Verordnung richte sich
dann nach den Gegebenheiten des Einzelfalles, nicht aber nach der Packungsbeilage.
Die Möglichkeit der Registrierung stehe auch der Klägerin offen. Im Übrigen müsse sich
die Zulassung aber nach den Bestimmungen des AMG und der
Arzneimittelprüfrichtlinien ausrichten.
Die von der Klägerin angeführten Fälle einer Zulassung von Potenzakkorden oder von
Hochpotenzen seien mit dem vorliegenden Arzneimittel, das eine Kombination mehrerer
Potenzakkorde in Hochpotenzen enthalte, nicht vergleichbar.
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Schließlich verweist die Beklagte auf die Ergebnisse weiterer Sitzungen der
Kommission D vom 4. April 2001 und vom 25. Juni 2003, die ihre Auffassung
bestätigten.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der
Gerichtsakte und der Verwaltungsvorgänge der Beklagten und die von der Klägerin
überreichten Unterlagen Bezug genommen.
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E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
20
Die Klage ist nicht begründet.
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Die Klägerin hat keinen Anspruch auf eine erneute Bescheidung ihres
Nachzulassungsantrages. Der ablehnende Bescheid vom 6. Juni 2000 ist rechtmäßig
und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 113 Abs. 5 der
Verwaltungsgerichtsordnung -VwGO -).
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Die Voraussetzungen einer Verlängerung der fiktiven Zulassung für das
homöopathische Fertigarzneimittel "J. " im sog. Nachzulassungsverfahren nach § 105
Abs. 3 des Arzneimittelgesetzes - AMG - liegen nicht vor. Die Beklagte hat die
Verlängerung der Zulassung zu Recht versagt, weil die Klägerin dem gerügten Mangel
einer nicht ausreichenden Kombinationsbegründung nicht innerhalb der gesetzten Frist
abgeholfen hat (§ 105 Abs. 5 Satz 2 AMG). Gemäß § 22 Abs. 3a AMG ist, sofern das
Arzneimittel mehr als einen arzneilich wirksamen Bestandteil enthält, zu begründen,
dass jeder arzneilich wirksame Bestandteil einen Beitrag zur positiven Beurteilung des
Arzneimittels leistet.
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Nach § 105 Abs. 4f Satz 1 in Verbindung mit § 25 Abs. 2 Nr. 5a AMG darf die
Bundesoberbehörde bei einem solchen Arzneimittel die Zulassung versagen, wenn
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eine ausreichende Kombinationsbegründung fehlt, wobei die Besonderheiten der
jeweiligen Arzneimittel in einer risikogestuften Bewertung zu berücksichtigen sind. Das
Erfordernis einer Kombinationsbegründung nach § 22 Abs. 3a AMG sowie der durch
das 4. Änderungsgesetz zum AMG in das Gesetz eingefügte
Zulassungsversagungsgrund des § 25 Abs.2 Nr. 5a AMG rechtfertigen sich aus dem
Umstand, dass jeder in ein Arzneimittel aufgenommene Wirkstoff tendenziell die Gefahr
zusätzlicher unerwünschter Wirkungen erhöht und zudem wegen bestimmter
therapeutischer Grundsätze fachliche Anforderungen an ein Kombinationsarzneimittel
zu stellen sind, die mit den Zulassungsversagungsgründen der Bedenklichkeit oder
mangelnder Wirksamkeit schwer erfassbar sind.
Vgl. Kloesel/Cyran, Arzneimittelrecht, § 22 AMG Anm. 56e, § 25 AMG Erl. 60c unter
Hinweis auf die amtliche Begründung des Gesetzes.
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In diesem Zusammenhang wird kein Nachweis verlangt, sondern lediglich eine
ausreichende Begründung.
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Die Bundesoberbehörde war zur Beanstandung berechtigt, weil sich der Beitrag eines
jeden arzneilich wirksamen Bestandteils zur positiven Beurteilung des Arzneimittels
nicht allein aus den Monographien der Kommission D zu den Wirkstoffen Strychnos
ignatii, J. und Moschus moschiferus, Moschus ergibt. Die Klägerin geht in den
eingereichten Nachzulassungsunterlagen durchgängig selbst davon aus, dass
arzneilich wirksame Bestandteile nicht lediglich diese Wirkstoffe in ihrer Allgemeinheit,
sondern die in ihrer Kombination den Wirksamkeitsanspruch tragenden einzelnen
Verdünnungsstufen dieser Substanzen sind. Dem entspricht auch der in den
vorgelegten gutachterlichen Stellungnahmen zu Ausdruck gebrachte Anspruch, dass
gerade die gewählte Kombination unterschiedlicher Verdünnungsstufen zum
therapeutischen Erfolg des Arzneimittels führt. Das Gutachten von D. und H. zu den
"Grundlagen der Anwendung von Potenzakkorden" bringt dies durch die Formulierung
zum Ausdruck, bei der Anwendung homöopathischer Potenzakkorde sei eine raschere
und breitere Reaktion des Organismus zu erwarten, da durch die schnell wirkenden
tiefen Po- tenzen funktionale, organotrope Anteile und zugleich durch die langsamer
wirkenden hohen Potenzen konstitutionelle und psychische Anteile eines pathologische
Geschehens angesprochen würden (Seite 3 des Gutachtens). Als Besonderheit der
Potenzakkorde wird zudem hervorgehoben, dass die einzelnen Potenzstufen bei dieser
Kombinationsform ihre eigenständige Wirkung behielten und insgesamt eine
Verbreiterung des Wirkungsspektrums eintrete, wobei sowohl chronische
(Hochpotenzen) als auch akute Krankheitsstadien (Tiefpotenzen) erfasst würden (Seite
8 des Gutachtens). Mithin wird gerade ein spezifischer Anteil einer jeden eingesetzten
Verdünnungsstufe zur Wirksamkeit des Arzneimittels in Anspruch genommen. Aus
diesem Verständnis - dem offenkundig auch die Klägerin selbst folgt - ergibt sich, dass
die Sinnhaftigkeit der gewählten Kombination nicht lediglich im Hinblick auf die beiden
monographierten Wirkstoffe, sondern auch hinsichtlich der gewählten Kombination
unterschiedlicher Verdünnungsstufen zu begründen ist. Dem entsprechen auch die
Bewertungskriterien der Kommission D nach § 25 Abs. 6 und 7 AMG für fixe
Kombinationen homöopatischer Einzelmittel vom 24. April 1997 (BAnz 100 vom 5. Juni
1997, S. 2724 f.). Hiernach müssen (auch) homöopathische Kombinationsarzneien so
zusammengesetzt sein, dass jeder Bestandteil einen Beitrag zur positiven Beurteilung
des Arzneimittels leistet, d.h., dass sich die Arzneimittelbilder der Einzelbestandteile
hinsichtlich des Indikationsanspruchs gleichen oder ergänzen. Dabei erfolgt die
Beurteilung bekannter fixer Kombinationen unter Verwertung der Monographien der
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Einzelstoffe. Sind aber Wirksamkeit und Unbedenklichkeit der fixen Kombination nach
Zusammensetzung, Dosierung, Darreichungsform und Anwendungsgebieten aufgrund
der Monographien der Einzel- stoffe nicht bestimmbar, ist zusätzliches
wissenschaftliches Erkenntnismaterial erforderlich. Hierbei kann - schon im Hinblick auf
das gesetzlich vorgegebene Ziel der Arzneimittelsicherheit - die erforderliche
Kombinationsbegründung nicht abstrakt, sondern nur präparatspezifisch und
indikationsbezogen, mithin bezogen auf das konkret zur Zulassung anstehende
Arzneimittel erfolgen.
Abweichendes ergibt sich auch nicht aus § 105 Abs. 4f Satz 2 AMG. Hiernach sind bei
der Entscheidung über die Verlängerung der Zulassung die Besonderheiten der
Therapierichtung (Phytotherapie, Homöopathie, Anthroposophie) zu berücksichtigen.
Die Arzneimittelprüfrichtlinien vom 5. Mai 1995 bringen dies durch die Formulierung
zum Ausdruck, dass vorgelegtes wissenschaftliches Erkenntnismaterial entsprechend
dem Selbstverständnis und der Eigenerfahrung der Therapierichtung zu würdigen sei (5.
Abschnitt Nr. 3). Ein allgemeiner Satz, demzufolge bei homöopathischen
Fertigarzneimitteln, insbesondere bei fixen Kombinationen unterschiedlicher Wirkstoffe,
auf eine präparatspezifische Begründung der Sinnhaftigkeit verzichtet werden kann, ist
nicht ersichtlich und wird auch von der Klägerin nicht in Anspruch genommen.
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Die Verwendung von Potenzakkorden, vor allem die Kombination von Potenzen -
darunter Hochpotenzen - verschiedener Substanzen ist in der Homöopathie umstritten.
Die Kommission D hat sich wiederholt mit der Anwendung von Hochpotenzen und von
Potenzakkorden beschäftigt und ist zu ablehnenden Voten gelangt. Zuletzt ist sie auch
konkret auf das Arzneimittel der Klägerin eingegangen (Sitzung vom 4. April 2001) und
hat die eingenommene Haltung in der Sitzung vom 25. Juni 2003 nochmals bekräftigt.
Der Klägerin ist nicht in der Annahme zu folgen, die Kommission D repräsentiere nicht
die homöopathischen Therapierichtung und stelle nur eine Zulassungskommission nach
§ 25 Abs. 7 AMG dar. Die in Fällen der vorliegenden Art nach § 25 Abs. 7 Satz 4 AMG
zwingend zu beteiligende Kommission D setzt sich nach § 25 Abs. 7 Satz 2 in
Verbindung mit Abs. 6 Sätze 4 bis 6 AMG vielmehr aus Sachverständigen zusammen,
die auf den jeweiligen Anwendungsgebieten und in der jeweiligen Therapierichtung
über wissenschaftliche Kenntnisse verfügen und praktische Erfahrungen gesammelt
haben. Das Bundesministerium beruft die Mitglieder der Kommissionen, die zur
Beurteilung der Arzneimittel besonderer Therapierichtungen eingerichtet sind,
ausschließlich auf Vorschlag der für diese Therapierichtungen kompetenten und
repräsentativen Fachgesellschaften. Hierdurch wird nicht nur ein hohes Maß an
Spezialwissen und praktischer Erfahrung, sondern auch eine hinreichende Pluralität der
vertretenen wis- senschaftlichen Auffassungen gewährleistet.
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Vgl. im Einzelnen: Kloesel/Cyran, Arzneimittelrecht, § 25 AMG Erl. 100 - 125.
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Es ist nichts dafür ersichtlich, dass - wie die Klägerin ausführt - das ablehnende Votum
der Kommission gegen einen grundgesetzlich geforderten wissenschaftlichen
Pluralismus verstößt, indem es eine bestimmte Lehre innerhalb der homöopathischen
Therapierichtung für verbindlich erklärt. Dass ein bestimmtes Therapiekonzept nicht die
Zustimmung der zuständigen Fachgremien findet, ist vielmehr eine logische Folge des
Zulassungsverfahrens und von dem betroffenen Antragsteller grundsätzlich
hinzunehmen.
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Vor diesem Hintergrund kann auch und gerade unter dem Gesichtspunkt des
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Selbstverständnisses und der Eigenerfahrung der hier betroffenen Therapierichtung auf
eine Kombinationsbegründung nicht verzichtet werden
Diesen Begründungsanforderungen wird das von der Klägerin mit Schreiben vom 18.
März 1998 vorgelegte wissenschaftliche Erkenntnismaterial nicht gerecht. Das
Gutachten von D. und H. zu den "Grundlagen der Anwendung von Potenzakkorden"
beschreibt lediglich das Konzept dieser Kombinationsform und stellt deren Vorteile bei
der Verwendung von Hochpotenzen anhand verschiedener anderer wissenschaftlicher
Publikationen dar. Präparatspezifische Erkenntnisse im Hinblick auf das hier
streitbefangene Arzneimittel sind ihm nicht zu entnehmen. Aus dem ferner vorgelegten
Gutachten von M. zur "Begründung von Sinnhaftigkeit der Kombination, Wirksamkeit
und Unbedenklichkeit" von J. (Tropfen) ergibt sich nichts Abweichendes. Dieses
Gutachten bezieht sich zwar auf das konkret zur Zulassung anstehende Arzneimittel,
beschränkt sich jedoch weitgehend auf die Darstellung der Wirkungsschwerpunkte der
Einzelmittel J. und Moschus. Eine Begründung der Sinnhaftigkeit gerade der gewählten
Kombination einzelner Potenzstufen ist dem ebensowenig zu entnehmen wie der
außerdem beschriebenen österreichischen Anwendungsbeobachtung. Diese bezieht
sich auf lediglich 61 individuell erfasste Patienten mit unterschiedlichen und sich zum
Teil überschneidenden Diagnosen. Auch erfasst die Untersuchung eine breite Spanne
von Erkrankungs- und Behandlungszeiträumen. Schließlich erhielten mehr als die
Hälfte der erfassten Patienten eine Begleittherapie, deren Einfluss auf den
beschriebenen Behandlungserfolg ungeklärt bleibt. Einen Rückschluss auf den Beitrag
eines jeden Bestandteils zur positiven Bewertung des Arzneimittels lässt dies nicht zu.
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Dies gilt auch für das im gerichtlichen Verfahren vorgelegte weitere Erkenntnismaterial.
Ob es für die Bewertung des Nachzulassungsantrages überhaupt Beachtung finden
kann, bedarf keiner abschließenden Entscheidung. Gemäß § 105 Abs. 5 Satz 3 AMG ist
nach einer Entscheidung über die Versagung der Zulassung das Einreichen von
Unterlagen zur Mängelbeseitigung ausgeschlossen. Diese im Interesse eines
beschleunigten Abschlusses der Nachzulassungsverfahren durch das 10.
Änderungsgesetz in das Arzneimittelgesetz eingefügte Vorschrift trat mit der
Verkündung dieses Gesetzes am 11. Juli 2000, also zeitlich nach der Bekanntgabe der
Zulassungsversagung an die Klägerin in Kraft. Für ihre Anwendung spricht das Fehlen
einer gesetzlichen Übergangsbestimmung sowie der Beschleunigungszweck der
Regelung. Im Falle der gesetzlichen Präklusion bleibt lediglich die Möglichkeit erhalten
darzulegen, dass bei verständiger Beurteilung die bereits vorgelegten Unterlagen
geeignet sind, den Indikationsanspruch zu tragen.
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Kloesel/Cyran, Arzneimittelrecht, § 105 Erl. 71.
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Selbst wenn die Präklusionsvorschrift keine Anwendung finden sollte, ergibt sich keine
Entscheidung zugunsten der Klägerin Das vorgelegte weitere Erkenntnismaterial ist
nicht geeignet, die Sinnhaftigkeit der gewählten Kombination präparatspezifisch zu
begründen. Namentlich der mit der Klage vorgelegte Absschlussbericht einer
"Anwendungsbeobachtung zur Dokumentation der Verträglichkeit
(Arzneimittelreaktionen, unerwünschte Arzneimittelwirkungen) und Wirksamkeit von
Potenzaccorden" der Klägerin vom 16. Juni 2000 genügt nicht dem
Begründungserfordernis. Er fußt zwar auf einer wesentlich größeren Patientenzahl als
die von M. wiedergegebene Studie. Die Anwendungsbeobachtung beinhaltet aber
schon ihrer Zielsetzung nach lediglich eine allgemeine Auseinandersetzung mit den
seitens der Kommission D geäußerten Bedenken gegen die Anwendung von
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Potenzakkord-Präparaten. Eine Aussage zu der Sinn- haftigungkeit der in "J. "
eingesetzten Potenzen folgt daraus nicht. Vergleichbares gilt für die vor der mündlichen
Verhandlung nachgereichten Gut- achten T. , U. , V. , L. und N. , die sich entweder
allgemein mit dem Einsatz von Potenzakkorden befassen oder auf den Sinn einer
möglichen Dosierung zielen.
Eine für die Klägerin günstigere Entscheidung ergibt sich auch nicht aus dem Umstand,
dass die Beklagte in anderen Fällen homöopathischen Arzneimitteln mit einem
Potenzakkord oder einer Kombination einer Hochpotenz (D 30) und einem anderen
arzneilich wirksamen Bestandteil erteilt hat. Ungeachtet des Umstandes, dass sich
hieraus für das hier streitbefangene Arzneimittel nichts herleiten ließe, unterscheiden
sich die von der Klägerin angesprochenen Präparate ihrer Zusammensetzung nach
grundlegend von dem hier fraglichen Produkt, das zwei Potenzakkorde vereint, die
jeweils aus einer Kombination hoher und tiefer Potenzen bestehen.
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Anlass zur Einholung eines Sachverständigengutachtens zur grundsätzlichen
Vereinbarkeit der von der Klägerin vertretenen Therapierichtung mit den
Grundprinzipien der Homöopathie, wie von der Klägerin schriftsätzlich angeregt, besteht
nicht. Das Beweis- thema ist schon seiner allgemeinen Formulierung nach nicht
geeignet, die Sinnhaftig- keit der in dem hier streitbefangenen Arzneimittel eingesetzten
Kombination zu begründen.
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Ob darüber hinaus der von der Beklagten angeführte Versagungsgrund unzureichender
Begründung der therapeutischen Wirksamkeit (§ 105 Abs. 4c AMG a.F.) gegeben ist,
bedarf mithin keiner abschließenden Entscheidung.
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Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.
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Die gesetzlichen Voraussetzungen für die Zulassung der Berufung gemäß §§ 124a, 124
Abs. 2 Nr. 3 oder Nr. 4 VwGO liegen nicht vor.
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