Urteil des VG Köln vom 14.04.2005
VG Köln: privates interesse, öffentliches interesse, aufschiebende wirkung, kündigung, vollziehung, eingriff, fahrplan, anfang, interessenabwägung, hauptsache
Datum:
Gericht:
Spruchkörper:
Entscheidungsart:
Tenor:
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Aktenzeichen:
Verwaltungsgericht Köln, 11 L 363/05
14.04.2005
Verwaltungsgericht Köln
11. Kammer
Beschluss
11 L 363/05
Der Antrag wird abgelehnt. Die Kosten des Verfahrens einschließlich der
außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen trägt die Antragstellerin.
Der Streitwert wird auf 50.000,00 EUR festgesetzt.
G r ü n d e:
Der Antrag,
die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs gegen den Bescheid der Antragsgegnerin
vom 15.02.2005 in Verbindung mit der Anordnung der sofortigen Vollziehung vom
21.02.2005 wiederherzustellen,
ist ohne Erfolg.
Dies ergibt die im Rahmen des § 80 Abs. 5 VwGO gebotene Interessenabwägung.
In dieser Interessenabwägung sind die Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfs in der
Hauptsache und damit auch die Frage der Rechtmäßigkeit des angegriffenen
Verwaltungsakts regelmäßig nur insoweit zu berücksichtigen, als sie schon bei
summarischer Überprüfung überschaubar sind. Eine abschließende rechtliche Überprüfung
der angegriffenen Ordnungsverfügung ist nicht gefordert.
OVG NRW, Beschluss vom 25.08.2000 - 20 B 959/00 - m.w.N.
Angesichts der Komplexität der verwaltungsrechtlichen sowie zivil- und
wettbewerbsrechtlichen Rechtsfragen, die sich im vorliegenden Fall stellen, sind die
Erfolgsaussichten in der Hauptsache bei summarischer Prüfung nicht zu klären. Dies
bedarf vielmehr einer eingehenden Untersuchung im Hauptverfahren.
Die angesichts dessen gebotene Abwägung der Interessen der Beteiligten fällt zu Lasten
der Antragstellerin aus.
Ihr Interesse an der einstweiligen Aussetzung der sofortigen Vollziehung ist geringer zu
bewerten als das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehbarkeit des Bescheides.
Die Kammer tritt den Überlegungen bei, mit denen die Antragsgegnerin die Anordnung der
sofortigen Vollziehung vom 21.02.2005 begründet hat. Aus den dort in Übereinstimmung
mit § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO eingehend dargelegten Gründen, insbesondere dem
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Interesse an der Aufrechterhaltung des öffentlichen Personennahverkehrs auf den
betroffenen Strecken während der laufenden Fahrplanperiode, folgt ein besonderes
öffentliches Interesse an der sofortigen Vollziehung des Bescheides. Es ist nicht erkennbar,
wie die Beförderung der Fahrgäste auf den betroffenen Strecken ab dem 01.04.2005 auf
andere Weise hätte sichergestellt werden können; die zunächst ersatzlose Einstellung des
Verkehrs während der laufenden Fahrplanperiode hätte vielmehr gravierende Probleme
verursacht. Es ist nicht ersichtlich, dass die Antragstellerin bei ihrer Kündigung diesem -
vorhersehbaren - Gesichtspunkt ausreichende Aufmerksamkeit geschenkt hat, obwohl sie
die Funktionsfähigkeit des Netzes gewährleisten muss.
VG Köln, Beschluss vom 16.12.2002 - 11 L 2990/02 -, S. 12 der Ausfertigung.
Auch die Planungssicherheit für Betreiber und Kunden während einer laufenden
Fahrplanperiode ist ein wichtiger Gesichtspunkt, so dass erhebliche Einschnitte im
laufenden Fahrplan nicht im öffentlichen Interesse liegen.
Vgl. VG Köln, a.a.O, S. 13.
Dies gilt jedenfalls dann, wenn - wie hier - nicht hinreichend erkennbar ist, dass eine
Kündigung gerade zu diesem Zeitpunkt - mitten im laufenden Fahrplan - notwendig sein
sollte. Der von der Antragstellerin geltend gemachte Zahlungsrückstand war bereits ab
Anfang 2003 aufgelaufen, hatte sich ab Juli 2004 wegen der ab dann laufenden
Vorauszahlungen nicht mehr verändert (das war auch in Zukunft nicht zu erwarten) und die
danach zunächst noch vorgenommene anderweitige Kürzung war bereits etwa einen
Monat vor der Kündigung wieder rückgängig gemacht worden. Warum angesichts all
dessen mit einer Kündigung nicht bis zum Ende der Fahrplanperiode zugewartet werden
konnte, um die prognostizierbaren Verwerfungen für den laufenden Betrieb zu vermeiden,
ist nicht erkennbar.
Zwar ist nicht zu verkennen, dass die Antragstellerin ein Interesse daran hat, aus ihrer Sicht
bestehende Außenstände zeitnah einzutreiben. Es liegt aber gleichfalls auf der Hand, dass
sie seit Anfang 2003 die Möglichkeit gehabt hat, dies auf dem Zivilrechtsweg zu tun. Wenn
sie diese Möglichkeit - die ihr jedenfalls auch zu Gebote stand - nicht wahrnimmt, sondern
den Weg über eine Kündigung wählt - verbunden mit dem Angebot eines neuen Vertrages
erst nach Zahlung des Rückstandes - und dabei sehenden Auges einen gravierenden
Eingriff in den laufenden Fahrplanverkehr hinzunehmen bereit ist, kann dies kein
überwiegendes privates Interesse für dieses Vorgehen begründen. Ein Eingriff dieser Art in
die reibungslose Abwicklung des im öffentlichen Interesse liegenden
Personennahverkehrs ist geeignet, Druck auf den Vertragspartner auszuüben,
vgl. hierzu BVerwG, Urteil vom 21.01.2004 - 6 C 1.03 -, S. 27 der Ausfertigung,
was ebenfalls nicht im überwiegenden öffentlichen Interesse liegt. Im Hinblick darauf kann
die Beigeladene auch nicht darauf verwiesen werden, dass sie den Eingriff in den Fahrplan
durch Zahlung der streitigen Summe vermeiden könnte. Im übrigen ist diese
Zahlungspflicht unter den Beteiligten streitig. Der Ausspruch in Ziffer 2 des angefochtenen
Bescheides berücksichtigt dies und ist daher die notwendige Ergänzung zu dessen Ziffer 1,
mit dem die einstweilige Weiterbenutzung der Strecken gesichert werden soll.
Es ist auch nicht offensichtlich, dass die Antragstellerin wegen ihrer ausgesprochenen
Kündigung zu einem rechtswidrigen Verhalten gezwungen wird, wenn die Beigeladene die
Verkehre unter Nutzung des Netzes vorerst weiter bedient. Vielmehr wird zu prüfen sein, ob
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eine voraussetzungslose jederzeitige Kündigungsmöglichkeit, wie sie § 6 Nr. 3 des
zwischen den Parteien geschlossenen Rahmennutzungsvertrages vom 23.11.1998
vorsieht, angesichts des Anspruchs auf diskriminierungsfreien Zugang zum Netz wirksam
ist,
vgl. hierzu etwa BVerwG, Urteil vom 31.03.2004 - 6 C 11.03 -, S 8/9 der Ausfertigung,
bzw. ob die ausgesprochene Kündigung sich rechtlich auch auf die konkreten
Trassenvereinbarungen für das laufende Fahrplanjahr erstrecken kann und - falls ja - auch
erstreckt. Auch diese Prüfung muss dem Hauptsacheverfahren vorbehalten bleiben, sofern
die Vertragsparteien zur Klärung dieser Frage nicht den Zivilrechtsweg beschreiten.
Ob überhaupt sonstige, vom Antragsgegner nicht bereits berücksichtigte private Interessen
der Antragstellerin das dargestellte gewichtige öffentliche Interesse überwiegen können,
kann offenbleiben, da diese schon nicht erkennbar bzw. geltend gemacht worden sind.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 154 Abs. 1, 154 Abs. 3 und 162 Abs. 3 VwGO. Die
außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen waren für erstattungsfähig zu erklären, da sie
einen Antrag gestellt und sich damit einem Kostenrisiko ausgesetzt hat. Die
Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 52 Abs. 2, 53 Abs. 3 Nr. 2 GKG und entspricht der Hälfte
des in einem Hauptsacheverfahren zu berücksichtigenden Betrages.