Urteil des VG Köln vom 25.09.2000

VG Köln: aufschiebende wirkung, gebühr, offensichtliches versehen, behörde, härte, vollziehung, ermessen, verzicht, rechtswidrigkeit, rücknahme

Verwaltungsgericht Köln, 25 L 1514/00
Datum:
25.09.2000
Gericht:
Verwaltungsgericht Köln
Spruchkörper:
25. Kammer
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
25 L 1514/00
Tenor:
1. Die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs des Antragstellers
gegen den Gebührenbescheid zum Widerspruchsbescheid des
Antragsgegners vom 6. April 2000 wird insoweit angeordnet, als die
festgesetzte Gebühr 15,00 DM übersteigt. Im Übrigen wird der Antrag
abgelehnt.
Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens zu einem Viertel, der
Antragsgegner zu drei Vierteln.
2. Der Streitwert wird auf 15,00 DM festgesetzt.
G r ü n d e :
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Der zulässige Antrag,
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die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs des An- tragstellers vom 22. Mai 2000
gegen den Gebührenbescheid zum Widerspruchsbescheid des Antragsgegners vom 6.
April 2000 anzuordnen,
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ist teilweise begründet.
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Wenn es - wie hier - um die Gebührenfestsetzung der Widerspruchsbehörde geht, ist mit
dem Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen (OVG NRW) davon
auszugehen, dass wegen der gebührenrechtlichen Selbstständigkeit des
Widerspruchsbescheides Widerspruch und Klage gegen die Gebührenfestsetzung
gemäß § 80 Abs. 2 Nr. 1 VwGO keine aufschiebende Wirkung haben,
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vgl. OVG NRW, Beschluss vom 3. Februar 1984 - 3 B 1037/83 -, Kommunale Steuer-
Zeitschrift (KStZ) 1984, S. 217.
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Gemäß § 80 Abs. 5 Satz 1 i.V.m. § 80 Abs. 4 Satz 3 VwGO kann das Gericht die
aufschiebende Wirkung von Widerspruch und Anfechtungsklage gegen die Anforde-
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rung öffentlicher Abgaben und Kosten ganz oder teilweise anordnen, wenn ernstliche
Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsakts bestehen oder wenn
die Vollziehung für den Abgaben- oder Kostenpflichtigen eine unbillige, nicht durch
überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte. Ernstli- che
Zweifel liegen nach der ständigen Rechtsprechung der mit Abgabensachen be- fassten
Senate des OVG NRW dann vor, wenn aufgrund summarischer Prüfung der Sach- und
Rechtslage ein Erfolg des Rechtsschutz Suchenden im Hauptsachever- fahren
wahrscheinlicher als sein Unterliegen ist. Dies ist hier in dem aus dem Tenor
ersichtlichen Umfang der Fall.
Allerdings hat der Antragsgegner den Antragsteller dem Grunde nach zu Recht als
Gebührenschuldner in Anspruch genommen. Die Festsetzung der im vorliegenden
Verfahren allein streitigen Gebühr für die Erteilung des Widerspruchsbescheides vom 6.
April 2000 beruht auf § 15 Abs. 3 Satz 1 und Satz 2 Gebührengesetz für das Land
Nordrhein-Westfalen - GebG NRW -. Danach ist für den Widerspruchsbescheid die
gleiche Gebühr wie für die Sachentscheidung zu erheben, hier die Gebühr nach
Tarifstelle 2.4.1 des Allgemeinen Gebührentarifs (AGT) zur Allgemeinen
Verwaltungsgebührenordnung für das Land Nordrhein- Westfalen (AVwGebO NRW) in
der hier maßgeblichen Fassung der 20. Änderungsverordnung vom 28. September
1999.
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Die Gebührenerhebung setzt insbesondere nicht die Rechtmäßigkeit der ihr zugrunde
liegenden Amtshandlung voraus. Gemäß § 14 Abs. 2 Satz 1 GebG NRW werden
Gebühren bzw. Kosten nur dann nicht erhoben, wenn sie bei richtiger Behandlung der
Sache durch die Behörde nicht entstanden wären. Wie bei der gleich lautenden
Vorschrift des § 8 Abs. 1 Satz 1 GKG ist eine unrichtige Sachbehandlung aber nur dann
gegeben, wenn gegen eindeutige Rechtsnormen verstoßen wurde und dieser Verstoß
offen zu Tage tritt oder wenn ein offensichtliches Versehen vor- liegt,
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vgl. OVG NRW, Urteil vom 21. August 1987 - 19 A 258/87 - .
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Ein derartiger Rechtsverstoß bzw. ein Versehen kann hier nicht festgestellt werden. Die
Versagung der beantragten Baugenehmigung mag rechtmäßig oder rechtswidrig sein
(insoweit ist der Ausgang des Klageverfahrens 2 K 4321/00 maßgeblich); eine - für
jeden normalen Bürger erkennbare - offensichtliche Rechtswidrigkeit liegt jedenfalls
nicht vor. Anhaltspunkte für eine unbillige Härte bei Vollziehung des angefochtenen
Bescheides sind weder vorgetragen noch sonst ersichtlich.
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Der angefochtene Gebührenbescheid ist jedoch bei summarischer Prüfung teilweise
rechtswidrig, weil der Antragsgegner die Gebühr nicht gemäß § 15 Abs. 2 GebG NRW
ermäßigt hat. § 15 Abs. 2 GebG NRW regelt die Herabsetzung der vollen Gebühr bei
Rücknahme oder Ablehnung eines Antrags in einem Stufenverhältnis; die Vorschrift gilt
auch für Mindestgebühren. Die Herabsetzung um ein Viertel der vollen Gebühr ist
zwingend; die Ermäßigung im Bereich zwischen drei Vierteln und einem Viertel der
vollen Gebühr liegt im pflichtgemäßen Ermessen der Behörde. Ein Verzicht auf das
letzte Viertel ist nur bei Vorliegen - hier ersichtlich nicht gegebener - Billigkeitsgründe zu
prüfen. Bei der Festsetzung der Gebühr für den Widerspruchsbescheid durfte sich der
Antragsgegner nicht an der von der Ausgangsbehörde tatsächlich festgesetzten Gebühr
orientieren; vielmehr muss die Widerspruchsgebühr der richtigerweise festzusetzenden
Gebühr für die Sachentscheidung entsprechen,
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vgl. OVG NRW, Beschluss vom 3. Februar 1984 - 3 B 1037/83 -, a.a.O.
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Hier war die für die Entscheidung über einen Bauantrag zugrunde zu legende Gebühr
von 60,00 DM gemäß § 15 Abs. 2 GebG NRW zunächst um ein Viertel auf 45,00 DM zu
ermäßigen. Eine weitere Ermäßigung bis auf ein Viertel der vollen Gebühr (15,00 DM)
steht im freien Ermessen des Antragsgegners, welches dieser jedoch - wie sich aus der
Begründung des im vorliegenden Verfahren angefochtenen Bescheides ergibt -
ersichtlich nicht ausgeübt hat (Ermessensnichtgebrauch). Die aufschiebende Wirkung
des Widerspruchs gegen den Gebührenbescheid des Antragsgegners war daher
insoweit anzuordnen, als dieser den Betrag von 15,00 DM übersteigt.
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Die Kostenentscheidung folgt aus § 155 Abs. 1 VwGO.
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Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf §§ 20 Abs. 3, 13 Abs. 1 Satz 1 GKG und
entspricht gemäß ständiger Rechtsprechung des Oberverwaltungsgerichtes für das
Land Nordrhein-Westfalen wegen des in Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes in
Abgabensachen in erster Linie auf Zeitgewinn gerichteten Antragsziels einem Viertel
des angefochtenen Betrags.
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