Urteil des VG Köln vom 21.07.2009
VG Köln: arzneimittel, auflage, kommission, beitrag, stoff, bestandteil, behandlung, hauptsache, homöopathie, zusammensetzung
Verwaltungsgericht Köln, 7 K 3079/07
Datum:
21.07.2009
Gericht:
Verwaltungsgericht Köln
Spruchkörper:
7. Kammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
7 K 3079/07
Tenor:
Das Verfahren wird eingestellt, soweit die Beteiligten den Rechtsstreit in
der Hauptsache für erledigt erklärt haben (Auflagen Q 1 - Q 3).
Die Beklagte wird verpflichtet, über die von der Klägerin beantragte
Angabe der Indikationsgruppe für das Arzneimittel P. -F. (Zulassungs-
Nr. 000.0000.00.00) unter Berücksichtigung der Rechtsauffassung des
Gerichts neu zu entscheiden.
Die Auflage M 1 wird aufgehoben.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens trägt die Klägerin.
Die Entscheidung über die Kosten ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe
von 110 vom 100 des zu vollstreckenden Betrages vorläufig
vollstreckbar.
T a t b e s t a n d :
1
Die Klägerin zeigte das streitgegenständliche Arzneimittel am 22.06.1978 gemäß Art. 3
§ 7 des Gesetzes zur Neuordnung des Arzneimittelrechts vom 24.08.1976 (BGBl. I S.
2445) - AMNG - beim Bundesgesundheitsamt an. In der Anzeige waren acht arzneilich
wirksame Bestandteile genannt, nämlich Calendula dil. D3, Kalium bichromicum dil. D8,
Kalium sulfuricum dil. D8, Hepar sulfuris dil. D8, Symphytum dil. D3, Arnica dil. D4,
Staphisagria dil. D4 und Echinacea purp. Urtinktur. Als Anwendungsgebiete wurden
angegeben: „Zur ausleitenden Begleittherapie bei operativen Entfernungen von
Zahnherden, Knochenentzündungen, Nebenhöhlenvereiterungen."
2
Am 05.12.1989 beantragte die Klägerin die Verlängerung der Zulassung nach Art. 3 § 7
AMNG, sog. Kurzantrag und reichte eine undatierte Änderungsanzeige ein. Der
wirksame Bestandteil Symphytum war gegenüber der Anzeige von 1978 mit einer
3
veränderten Verdünnungstufe - D6 anstelle von D3 - und einer reduzierten Menge - 10
ml pro 100 ml anstelle von 15 ml pro 100 ml - aufgeführt. Am 28.06.1993 reichte die
Klägerin weitere Unterlagen zum Zulassungsverlängerungsantrag ein, sog. Langantrag.
Mit Mängelschreiben vom 20.05.2005 übersandte das BfArM der Klägerin u. a. die
Stellungnahme zur Klinik, Pharmakologie und Toxikologie und setzte zur
Mängelbeseitigung eine Frist von 12 Monaten. In der Stellungnahme war ausgeführt,
dass eine ausreichende Kombinationsbegründung für den wirksamen Bestandteil
Symphytum auf der Grundlage der Monographie der Kommission D nicht vorliege.
Diese belege nur die Anwendung bei „Knochen- und Knochenhautverletzungen". Es
wurde daher angeregt, den Bestandteil Symphytum zu entfernen oder zusätzliches
wissenschaftliches Erkenntnismaterial vorzulegen. Auch wegen der Schwere der
möglicherweise zugrundeliegenden Erkrankungen sei ein alleiniger Bezug auf die
Monographien der Kommission D zum Beleg der Wirksamkeit und Unbedenklichkeit
nicht ausreichend. Hinsichtlich des erforderlichen Erkenntnismaterials werde auf das
Papier der Kommission D zu „Kriterien für Erkenntnismaterial zu klinischen Indikationen
in der Homöopathie" Bezug genommen. Als Anwendungsgebiet sei daher nur die
folgende Formulierung möglich „Die Anwendungsgebiete leiten sich von den
homöopathischen Arzneimittelbildern ab. Dazu gehören: leichte
Schleimhautentzündungen und -verletzungen in der Mundhöhle."
4
Mit Schreiben vom 18.05.2006, beim BfArM eingegangen am 22.05.2006, beantwortete
die Klägerin die Mängelrüge und legte mit einer Änderungsanzeige eine geänderte
Fassung der Gebrauchsinformation vor. In der Beschreibung der Zusammensetzung
waren alle 8 arzneilich wirksamen Bestandteile einschließlich Symphytum aufgeführt.
Zur Beschreibung der Stoff- oder Indikationsgruppe war in die Gebrauchsinformation die
Definition „Homöopathisches Arzneimittel bei Entzündungen von Zähnen, Kiefer und
Nebenhöhlen" aufgenommen. Die Anwendungsgebiete lauteten wie folgt: „Die
Anwendungsgebiete leiten sich von den homöopathischen Arzneimittelbildern ab. Dazu
gehören Nebenhöhlenentzündungen; zur ausleitenden Begleittherapie bei operativen
Entfernungen von Zahnherden; Kieferentzündungen. Im sog. Freitext waren die
folgenden Hinweise enthalten:
5
„Nicht amtlicher Teil der Packungsbeilage: Eigenschaften und Wirkungsweise: P. -F. ist
eine umfassende und gezielte tiefgreifende Behandlung bei Krankheitsprozessen von
Nebenhöhlen und Zähnen. Nebenhöhlenentzündungen können von Erkrankungen im
Zahn-Kiefer-Bereich ausgehen und verlaufen häufig langwierig. Durch die
Wirkungsspezifität einzelner Bestandteile, z. B. der Kaliumsalze auf die Schleimhäute
und durch Echinacea ist P. -F. auch bei chronischen Verlaufsformen von
Nebenhöhlenentzündungen angezeigt. P. -F. eignet sich auch zur Behandlung von
Folgezuständen bei operativen und nicht operativen Behandlungen im Zahn-
Kieferbereich. Die einzelnen Inhaltsstoffe von P. -F. in der spezifischen
Zusammensetzung wirken auf Zähne und Kiefer bei entzündlichen Prozessen und
Ausheilungen. P. -F. wird daher insbesondere im Rahmen einer zahnärztlichen
Behandlung empfohlen."
6
Ferner nahm die Klägerin zur klinischen Wirksamkeit des Arzneimittels und zur
Kombinationsbegründung Stellung und reichte den Abschlussbericht einer
Anwendungsbeobachtung vom 28.04.2006 mit dem Titel „Zur ausleitenden
Begleittherapie bei Zahnextraktionen bzw. Zahnherden und chronischer Sinusitis"
sowie die Beschreibung der Anwendung des Arzneimittels im Rahmen von 8
7
Fallberichten (Kasuistiken) ein.
In der Sitzung vom 13.09.2006 sprach sich die Kommission D für eine Verlängerung der
Zulassung mit dem eingeschränkten Anwendungsgebiet „Zur ausleitenden
Begleittherapie bei der operativen Entfernung von Zahnherden" und für eine
Teilversagung der übrigen beantragten Anwendungsgebiete aus, nachdem das BfArM
eine vollständige Versagung vorgeschlagen hatte.
8
Mit Bescheid vom 05.07.2007 erteilte das BfArM der Klägerin die Verlängerung der
Zulassung mit dem Anwendungsgebiet „Die Anwendungsgebiete leiten sich von den
homöopathischen Arzneimittelbildern ab. Dazu gehören: zur ausleitenden
Begleittherapie bei operativer Entfernung von Zahnherden." Für die beantragten
Anwendungsgebiete „Nasennebenhöhlenentzündungen" und „Kieferentzündungen"
wurde eine Teilversagung ausgesprochen. Die Teilversagung wurde darauf gestützt,
dass das Arzneimittel nicht ausreichend geprüft sei, § 25 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 AMG, die
Wirksamkeit nicht ausreichend begründet sei, § 25 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 AMG, und eine
ausreichende Kombinationsbegründung fehle, § 25 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5a AMG. In der
Begründung wurde ausgeführt, dass es sich bei den versagten Indikationen nicht um
leichte Erkrankungen mit dem Grad 1 im Sinne der „Kriterien für Erkenntnismaterial zu
klinischen Indikationen in der Homöopathie" vom 09.10.2002 handele, sondern um
potentiell schwerwiegende Erkrankungen. Das Heranziehen der Monographien der
Kommission D und „long-time-use" sei daher als Erkenntnismaterial zum Nachweis der
Wirksamkeit und Unbedenklichkeit nicht ausreichend. Die vorgelegte
Anwendungsbeobachtung weise eine Reihe von Mängeln auf. Insbesondere sei sie
wegen Fehlens einer Kontrollgruppe zum Beleg der Wirksamkeit der Therapie nicht
geeignet. Damit fehle es an einer ausreichenden Begründung der Wirksamkeit.
9
Durch die vorgelegten Monographien werde auch der positive Beitrag der einzelnen
Bestandteile zur positiven Beurteilung des Arzneimittels nicht hinreichend belegt.
Insbesondere sei die Wirkung von Arnica montana, Calendula officinalis, Echinacea
purpurea, Hepar sulfuris und Symphytum officinale für das AWG
Nasennebenhöhlenentzündungen und Kieferentzündungen sowie der Beitrag von
Delphinium staphisagria für das AWG Nasennebenhöhlenentzündungen aus den
Monographien nicht ableitbar. Die Angaben aus den Arzneimittellehren (z. B. Mezger)
seien bereits bei der Formulierung der Monographien berücksichtigt worden.
10
Dem Bescheid waren weiterhin eine Reihe von Auflagen beigefügt. Mit der Auflage M 1
wurde angeordnet, dass als Stoff- oder Indikationsgruppe in der Packungsbeilage die
Formulierung „Homöopathisches Arzneimittel" aufzunehmen sei. Mit der Auflage M 2
wurde die Teilversagung der Anwendungsgebiete auf die Formulierung in der
Packungsbeilage umgesetzt. Durch die Auflage M 4 wurde die Dosierungsanleitung
nach Maßgabe der Dosierungsrichtlinie der Kommission D vom 12.06.2002 geändert.
Die Auflage M 5 enthielt die Forderung, im sog. „nicht amtlichen Teil" der
Packungsbeilage die Angaben unter „Eigenschaften" komplett zu streichen, da sie eine
unzulässige Erweiterung des Anwendungsgebiets enthielten.
11
Am 31.07.2007 hat die Klägerin gegen den Bescheid Klage erhoben, soweit hierin eine
Teilversagung von beantragten Anwendungsgebieten ausgesprochen worden war, und
hat die Aufhebung der Auflagen M 1, M 2, M 4, M 5, Q 1 bis Q 3 beantragt.
12
Durch Beschluss der Kammer vom 13.07.2009 ist das Verfahren hinsichtlich der Auflage
13
M 4 abgetrennt worden.
Im Termin zur mündlichen Verhandlung am 21.07.2009 haben die Beteiligten die
Hauptsache hinsichtlich der Auflagen Q 1 bis Q 3 für erledigt erklärt, nachdem die
Klägerin die Auflagen erfüllt bzw. die Erfüllung angekündigt hatte.
14
Die Klägerin ist der Auffassung, die Auflage M 1 sei schon deshalb rechtswidrig, weil es
an einer ausreichenden Begründung gemäß § 39 VwVfG fehle. Der Hinweis des BfArM
auf einen Vorschlag der Kommission D für vergleichbare Indikationen vermöge den
Eingriff in die Gestaltungsfreiheit der Klägerin nicht zu rechtfertigen. Im übrigen sei die
Bezeichnung „Homöopathisches Arzneimittel" nichtssagend, weil sie keine
Unterscheidung zwischen homöopathischen Arzneimitteln mit zugelassener Indikation
und registrierten homöopathischen Arzneimitteln ohne Indikation ermögliche und daher
die Klägerin benachteilige. Die Klägerin habe daher einen Anspruch auf die beantragte
Angabe „Homöopathisches Arzneimittel bei Entzündungen von Zähnen, Kiefer und
Nebenhöhlen".
15
Die Teilversagung der Anwendungsgebiete „Kieferentzündungen" und
„Nebenhöhlenentzündungen" sowie die zur Umsetzung des geänderten Textes
erlassene Auflage M 2 seien rechtswidrig. Ein Versagungsgrund sei nicht ersichtlich.
Das von der Klägerin eingereichte Erkenntnismaterial sei nach den „Kriterien für
Erkenntnismaterial zu klinischen Indikationen in der Homöopathie" der Kommission D
auch bei mittelschweren bis schweren Erkrankungen zur Begründung der Wirksamkeit
ausreichend. Mit den vorgelegten Unterlagen erziele die Klägerin insgesamt 9 Punkte (
1 Punkt für Long-time-use seit 1978, 1 Punkt für die Monographien, 1 Punkt für
bewertete Literatur, 2 Punkte für die 9 Fallbeschreibungen/Kasuistiken, 4 Punkte für die
Anwendungsbeobachtung an 59 Patienten). Nach dem Kriterienpapier würden bei
mittelschweren bis schweren Erkrankungen 4 - 9 Punkte bzw. 4 - 6 Punkte gefordert,
wenn in der beanspruchten Indikation, wie bei P. -F. , „Begleittherapie" angegeben
werde.
16
Die Kritik der Beklagten an der vorgelegten Anwendungsbeobachtung sei
ungerechtfertigt. Mit dem Einwand, dass die AWB kein Instrument zum Nachweis der
Wirksamkeit einer Therapie sei, setze sich die Beklagte in Widerspruch zum
Kriterienpapier der Kommission D, da dieses ausdrücklich auch
Anwendungsbeobachtungen vorsehe. Die übrigen Beanstandungen seien überzogen
und nicht berechtigt.
17
Die Kombinationsbegründung entspreche den „Bewertungskriterien der Kommission D
für fixe Kombinationen homöopathischer Einzelmittel vom 27.04.1997". Hierbei sei zu
berücksichtigen, dass das beanspruchte Anwendungsgebiet
„Nebenhöhlenentzündungen, zur ausleitenden Begleittherapie bei operativen
Entfernung von Zahnherden; Kieferentzündung" keine Aufzählung von isolierten
Einzelindikationen sei, sondern einen einheitlichen Krankheitszustand mit
umschriebenem Syndrom bezeichne. Hierbei handele es sich um
Nasennebenhöhlenentzündungen, die ihre Ursache in Zahnherden bzw.
Zahnextraktionen hätten und häufig einen chronischen Verlauf nähmen. Das Syndrom
sei gekennzeichnet durch Schmerzzustände, Schwellungen, und Rötungen der
Schleimhäute der oberen Atemwege, Druckempfindlichkeit am Kiefer, Druckgefühl im
Bereich der Nebenhöhlen, Ausfluss aus der Nase sowie Folgezuständen nach
Zahnextraktion, z. B. Blutungen, Verletzung des Kiefers, ausheilende Wunden. Die sog.
18
„dentogene Sinusitis" sei auch in der Schulmedizin anerkannt und erfordere ein
ganzheitliches Therapiekonzept mit einer Einwirkung auf die Ursache über die
Behandlung der Kieferhöhle hinaus. Hierzu legt die Klägerin die folgenden Unterlagen
vor: Wandasiewicz, Diplomarbeit, Med. Universität Graz 2008, Anlage K 3, Bl. 117 d. A,
und Leitlinien der Deutschen Gesellschaft für Mund-Kiefer- Gesichtschirurgie (AWMF)
von April 2008, Anlage K 4, Bl. 121 d. A..
Die in den Monographien beschriebenen einzelnen Symptome entsprächen diesem
Syndrom bzw. allen beteiligten Geweben (Knochen, Weichteile und Schleimhäute).
Damit folge das streitgegenständliche Medikament einem ganzheitlichen
Therapieprinzip. Dies habe die Klägerin bereits im Mängelbeseitigungsverfahren
dargelegt.
19
Die Auflage M 5 sei ebenfalls wegen nicht ausreichender Begründung nach § 39 VwVfG
rechtswidrig. Es sei nicht zu erkennen, inwiefern der Text eine unzulässige Erweiterung
des Anwendungsgebietes beinhalte. Dem Patienten werde lediglich die Sinnhaftigkeit
der Zusammensetzung des Arzneimittels erläutert. Im übrigen falle die rechtliche
Überprüfung des sog. Freitextes in der Packungsbeilage nicht in die Zuständigkeit des
BfArM, sondern der landesrechtlich zuständigen Überwachungsbehörden.
20
Die Klägerin beantragt,
21
1. die Beklagte unter Aufhebung der Teilversagung im Bescheid des BfArM vom
05.07.2007 für das Arzneimittel „P. -F. „ (Zulassungs-Nr. 000.0000.00.00) zu
verpflichten, über die beantragten Teilindikationen „Nasennebenhöhlenentzündung"
und „Kieferentzündung" unter Berücksichtigung der Rechtsauffassung des Gerichts neu
zu entscheiden,
22
2.
23
hilfsleise die Beklagte unter Aufhebung der Teilversagung im Bescheid des BfArM vom
05.07.2007 für das Arzneimittel „P. -F. „ (Zulassungs-Nr. 000.0000.00.00) zu
verpflichten, über die Indikation „Zur ausleitenden Begleittherapie von Zahnherden und
davon ausgehenden Kiefer- oder Nebenhöhlenentzündungen" unter Berücksichtigung
der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu entscheiden,
24
3. die Beklagte unter Aufhebung der Auflage M 1 zu verpflichten, über die von der
Klägerin beantragte Indikationsgruppe unter Brücksichtigung der Rechtsauffassung des
Gerichts neu zu entscheiden,
25
4. die Auflagen M 2 und M 5 aufzuheben.
26
Die Beklagte beantragt,
27
die Klage abzuweisen.
28
Sie bezieht sich auf die Urteile des VG Köln vom 04.07.2006 - 7 K 5010/01 - , vom
09.11.2004 - 7 K 2931/00 - und vom 12.10.2007 - 18 K 38/06 - sowie zu den
Anforderungen an das andere wissenschaftliche Erkenntnismaterial zum Beleg der
Wirksamkeit homöopathischer Arzneimittel auf die Entscheidung des OVG NW vom
29.04.2008 - 13 A 4996/04 - .
29
Die Teilversagung sei zu Recht erfolgt. Eine Zulassungsverlängerung sei nur aufgrund
des Votums der Kommission D aufgrund der Therapieerfahrung einzelner
Kommissionsmitglieder mit eingeschränkter Indikation möglich gewesen.
30
Eine hinreichende Begründung der Wirksamkeit sei aus dem vorgelegten
Erkenntnismaterial nicht ableitbar. Die in den Monographien der Einzelmittel
beschriebenen Symptome deckten die Indikationen „Kieferentzündung",
„Nasennebenhöhlenentzündung" nicht ab. Die beanspruchten Anwendungsgebiete
stellten auch kein Syndrom dar. Vielmehr sei ein „erkrankter Zahn" die
Krankheitsursache, von der Folgesymptome abgeleitet würden, wie
Nasennebenhöhlenentzündungen, die jedoch auch bedingt durch eine Vielzahl anderer
Ursachen auftreten könnten.
31
Auch die vorgelegte Anwendungsbeobachtung sei zum Beleg der Wirksamkeit in
diesen Indikationen nicht geeignet. Aus den Kriterien der Kommission D ergebe sich,
dass bei der Bewertung die Qualität des Erkenntnismaterials in Planung und
Durchführung zu berücksichtigen sei. Wegen der fehlenden Rohdaten seien Krankheits-
und Therapieverläufe nicht nachvollziehbar. Ein Effekt des Arzneimittels sei infolge des
Fehlens einer Kontrollgruppe nicht abgrenzbar. Die weiteren Mängel minderten die
Aussagekraft der Anwendungsbeobachtung.
32
Die Auflage M 1 sei rechtmäßig, da die von der Klägerin gewünschte Angabe der Stoff-
und Indikationsgruppe „Homöopathisches Arzneimittel bei Entzündungen von Zähnen,
Kiefer und Nebenhöhlen" über das zugelassene Anwendungsgebiet hinausgehe und
daher irreführend sei.
33
Die Auflage M 5 sei ebenfalls geboten, da es sich bei den Hinweisen im Freitext um
unbelegte Behauptungen und im Hinblick auf die Beleglage zur Wirksamkeit des
Arzneimittels um irreführende Angaben handele.
34
Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte, die von
der Beklagten vorgelegten Verwaltungsvorgänge, sowie auf die von der Klägerin
vorgelegten Teile der Dokumentation Bezug genommen.
35
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
36
Soweit die Beteiligten das Verfahren in der Hauptsache für erledigt erklärt haben
(Auflagen Q 1 bis Q 3), war das Verfahren in entsprechender Anwendung von § 92 Abs.
3 Satz 1 VwGO einzustellen.
37
Der Hauptantrag zu 1. ist zulässig, aber unbegründet.
38
Die Klägerin hat keinen Anspruch auf eine erneute Bescheidung ihres Antrags auf
Verlängerung der fiktiven Zulassung für die beantragten Anwendungsgebiete
„Nasennebenhöhlenentzündungen" und „Kieferentzündungen". Die Teilversagung
dieser Indikationen im Bescheid des BfArM vom 05.07.2007 ist rechtmäßig und verletzt
die Klägerin nicht in ihren Rechten, § 113 Abs. 5 VwGO.
39
Einer Verlängerung der Zulassung für die genannten Teilindikationen gemäß § 105
Abs. 4 f Satz 1 AMG steht der Versagungsgrund des § 25 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5 a AMG
40
entgegen. Die Beklagte hat die Nachzulassung gemäß § 105 Abs. 5 Satz 1 und 2 AMG
zu Recht versagt, da die Klägerin dem mit Schreiben vom 20.05.2005 zutreffend
gerügten Mangel der unzureichenden Kombinationsbegründung innerhalb der
gesetzten Frist von 12 Monaten nicht abgeholfen hat.
Das BfArM hat im Mängelschreiben zu Recht beanstandet, dass ein Beitrag des
arzneilich wirksamen Bestandteils „Symphytum D6" zur positiven Beurteilung des
Arzneimittels bei den Indikationen „Nasennebenhöhlenentzündungen" und
„Kieferentzündungen" nicht ausreichend begründet sei. Bei dieser Beurteilung ist davon
auszugehen, dass die mit Schreiben der Klägerin vom 18.05.2006 im Mängelverfahren
neu formulierten Anwendungsgebiete eine Aufzählung von selbständigen, voneinander
unabhängigen Indikationen, nicht aber die Beschreibung eines Gesamtsyndroms
enthalten. Maßgeblich für die Auslegung des Anwendungsgebietes ist der vom
pharmazeutischen Unternehmer formulierte Wortlaut, wie er von einem
durchschnittlichen, verständigen Verbraucher verstanden wird. Die Formulierung „Die
Anwendungsgebiete leiten sich von den homöopathischen Arzneimittelbildern ab. Dazu
gehören Nebenhöhlenentzündungen; zur ausleitenden Begleittherapie bei operativen
Entfernungen von Zahnherden; Kieferentzündungen." kann nur als eine
Aneinanderreihung von mehreren selbständigen Indikationen verstanden werden. Dies
ergibt sich aus der Trennung der Teilindikationen durch Semikolon und aus der
Reihenfolge der Anwendungsgebiete. Eine Verbindung der genannten Indikationen zu
einem Gesamtsyndrom, das von einem Zahnherd ausgeht, lässt sich dieser
Beschreibung nicht entnehmen. Bei einem solchen Verständnis hätte es nahegelegen,
die operative Entfernung von Zahnherden an den Anfang der Aufzählung zu stellen und
die übrigen Krankheitsbilder als Folgeerscheinungen zu bezeichnen.
41
Sind die Indikationen „Nasennebenhöhlenentzündungen" und „Kieferentzündungen"
jeweils selbständige Anwendungsgebiete, muss der positive Beitrag aller Bestandteile
des Arzneimittels für jedes Anwendungsgebiet gesondert begründet werden, § 25 Abs.
2 Satz 1 Nr. 5a, § 22 Abs. 3a AMG.
42
Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts und des
Oberverwaltungsgerichts NW besteht auch im Nachzulassungsverfahren für
homöopathische Arzneimittel die Pflicht, die Sinnhaftigkeit einer
Arzneimittelkombination durch wissenschaftliches Erkenntnismaterial zu unterlegen,
wobei die Besonderheiten der homöopathischen Therapierichtung zu berücksichtigen
sind,
43
BVerwG, Urteil vom 16.10.2008 - 3 C 23.07 - ; OVG NW, Urteil vom 29.04.2008 - 13 A
4996/04 - ; daran anschließend VG Köln, Urteil vom 21.04.2009 - 7 K 2694/07 - .
44
Hierbei können bei der Begründung des positiven Beitrags der einzelnen Bestandteile
die Erleichterungen des § 22 Abs. 3 AMG genutzt und anderes wissenschaftliches
Erkenntnismaterial anstelle klinischer Prüfungen vorgelegt werden. Dieses ist
entsprechend dem Selbstverständnis und der Eigenerfahrung der jeweiligen
Therapierichtung zu bewerten,
45
BVerwG, Urteil vom 16.10.2008 - 3 C 23.07 - unter Hinweis auf den Ersten Abschnitt
Absatz 7 der Arzneimittelprüfrichtlinien, Anlage zur Allgemeinen Verwaltungsvorschrift
zur Anwendung der Arzneimittelprüfrichtlinien vom 11.10.2004 - BAnz. S. 22037.
46
Welches Erkenntnismaterial nach dem Selbstverständnis und der Eigenerfahrung der
homöopathischen Therapierichtung geeignet ist, die Wirksamkeit eines Arzneimittels
und den positiven Beitrag der einzelnen Bestandteile eines Arzneimittels zum
Therapieerfolg zu begründen, ergibt sich aus den „Bewertungskriterien der Kommission
D nach § 25 Abs. 6 und 7 des AMG für fixe Kombinationen homöopathischer
Einzelmittel" vom 24.04.1997 (BAnz. S. 6224) und aus den „Kriterien für
Erkenntnismaterial zu klinischen Indikationen in der Homöopathie vom 09.10.2002" der
Kommission D (abgedruckt bei Kloesel/Cyran, Arzneimittelrecht, A.2.13 g). Denn hierbei
handelt es sich um sog. antizipierte Sachverständigengutachten, die das
Selbstverständnis der Therapierichtung dokumentieren,
47
BVerwG, Urteil vom 16.10.2008, a.a.O. und Beschluss vom 08.01.2007 - 3 B 16.06 -
Pharmarecht 2007, 159; OVG NW, Urteil vom 29.04.2008 - 13 A 4996/04 - .
48
Nach den Bewertungskriterien von 1997 müssen fixe Kombinationen homöopathischer
Einzelmittel so zusammengesetzt sein, dass sich die Arzneimittelbilder der
Einzelbestandteile hinsichtlich des Indikationsanspruchs gleichen oder ergänzen. Die
Beurteilung erfolgt unter Verwertung der Monographien der Einzelstoffe. Sofern
Wirksamkeit und Unbedenklichkeit der fixen Kombination aufgrund der Monographien
der Einzelstoffe nicht bestimmbar sind, ist zusätzliches Erkenntnismaterial erforderlich.
49
Der positive Beitrag von Symphytum D6 zu den Wirkungen des Arzneimittels bei
„Nasennebenhöhlenentzündungen" und „Kieferentzündungen" ist nicht hinreichend
begründet. Die Monographie der Kommission D zu „Symphytum officinale e radice" vom
05.04.1991, BAnz. Nr. 130 vom 17.07.1991, beschreibt eine Wirkung dieses Stoffs bei
„Knochen- und „Knochenhautverletzungen", d.h. eine Schädigung des Knochens oder
der Knochenhaut durch eine äußere Einwirkung. Eine derartige Verletzung liegt
ersichtlich weder bei einer Nasennebenhöhlenentzündung noch bei einer
Kieferentzündung vor.
50
Anderes wissenschaftliches Erkenntnismaterial, das einen sinnvollen Beitrag des
Bestandteils Symphytum zu den versagten Indikationen hinreichend belegt, hat die
Klägerin nicht vorgelegt. Soweit die Klägerin sich in der Kombinationsbegründung vom
06.09.1991 und vom 27.01.2000 auf das Arzneimittelbild von Symphytum in der
homöopathischen Literatur stützt (Mezger, Stauffer, Boericke, Voisin und Gawlick), sind
die dort genannten Symptome nach dem heutigen Verständnis in der homöopathischen
Therapierichtung nicht ausreichend wissenschaftlich fundiert. Denn die zitierten
Lehrbücher sind nach den unbestrittenen Darlegungen des BfArM bei der Erstellung der
Monographien der Kommission D herangezogen und ausgewertet worden. Soweit in
der Literatur genannte Symptome keine Berücksichtigung in den Monographien
gefunden haben, sind sie somit nach der Eigenerfahrung der Therapierichtung nicht
anerkannt.
51
Die Klägerin hat auch im Mängelbeseitigungsverfahren den Beitrag des Bestandteils
Symphytum zur Wirksamkeit der Kombination in den Anwendungsgebieten
„Nasennebenhöhlenentzündungen" und „Kieferentzündungen" nicht genügend
begründet. In der Kombinationsbegründung vom 18.05.2006 beruft sie sich erneut auf
die Monographien der Kommission D und auf die Arzneimittellehren von Mezger und
Voisin. Die vorgelegten Kasuistiken und die Anwendungsbeobachtung, die über
Therapieerfolge bei der Anwendung des Arzneimittels berichten, können allenfalls eine
Aussage zur Wirkung der Kombination enthalten, sind aber nicht geeignet, den Nutzen
52
des Bestandteils Symphytum zu belegen. Wie die Klägerin selbst in der
Kombinationsbegründung ausführt, leistet der Bestandteil Symphytum allein einen
sinnvollen Beitrag im Anwendungsgebiet „operative Entfernung von Zahnherden", weil
es bei diesen Operationen zu einer Verletzung der Oberfläche des Knochens kommen
kann. Im Bereich der versagten Indikationen lässt sich ein Beitrag dieses Bestandteils
jedoch nicht begründen.
Der unter der Ziffer 1 gestellte Hilfsantrag der Klägerin ist ebenfalls unbegründet. Die
Klägerin hat keinen Anspruch auf eine Entscheidung des BfArM über die in der
mündlichen Verhandlung hilfsweise beantragte Indikation „Zur ausleitenden
Begleittherapie von Zahnherden und davon ausgehenden Kiefer- oder
Nebenhöhlenentzündungen".
53
Einer Verlängerung der Zulassung des streitgegenständlichen Arzneimittels mit diesem
Anwendungsgebiet steht bereits das Fehlen einer entsprechenden fiktiven Zulassung
entgegen. Das Arzneimittel ist aufgrund der aufschiebenden Wirkung der Klage noch mit
dem im Mängelverfahren beantragten Anwendungsgebiet, das Gegenstand des
Hauptantrags zu 1. ist, fiktiv zugelassen. Eine Änderung der fiktiven Zulassung kann nur
durch eine verbindliche Änderung des Anwendungsgebiets im Wege einer förmlichen
oder formlosen Änderungsanzeige an das BfArM erfolgen. Die Stellung eines
Hilfsantrags in der mündlichen Verhandlung unter Beibehaltung des bisherigen
Anwendungsgebiets genügt diesen Anforderungen nicht.
54
Eine Änderungsanzeige ist auch nicht ausnahmsweise entbehrlich. Dies wäre nur der
Fall, wenn es sich bei der Änderung des Anwendungsgebiets lediglich um eine reine
Reduzierung der beantragten Indikationen und damit um eine Antragsrücknahme
handeln würde, die im Gerichtsverfahren jederzeit möglich ist. Dies ist hier jedoch nicht
der Fall, da die versagten Teilindikationen „Nebenhöhlenentzündung" und
„Kieferentzündung" nicht eliminiert werden, sondern als Folgeerscheinungen der
Indikation „zur ausleitenden Begleittherapie von Zahnherden" definiert werden. Hiermit
wird ein Bezug zwischen den bisher getrennten selbständigen Indikationen hergestellt,
der bisher nicht Gegenstand der behördlichen Prüfung war und daher gegenüber dem
bisherigen Antrag ein Aliud, und nicht ein Minus darstellt.
55
Ergänzend weist die Kammer darauf hin, dass das hilfsweise beantragte
Anwendungsgebiet ebenfalls nicht zulassungsfähig wäre, weil ein positiver Beitrag der
Bestandteile Calendula, Symphytum und Arnica bei den Anwendungsgebieten „Zur
ausleitenden Begleittherapie von Zahnherden mit davon ausgehenden
Nasennebenhöhlenentzündungen oder Kieferentzündungen" nicht ersichtlich ist. Diese
Wirkstoffe sind nur im Zusammenhang mit einer Verletzung oder operativem Eingriff
sinnvoll.
56
Der Klageantrag zu 2. ist als Verpflichtungsklage zulässig und begründet. Die Klägerin
hat einen Anspruch auf erneute Bescheidung ihres Antrags auf Angabe der
Indikationsgruppe „Homöopathisches Arzneimittel bei Entzündungen von Zähnen,
Kiefer und Nebenhöhlen" in der Gebrauchsinformation, § 113 Abs. 5 VwGO. Die
Ablehnung dieses Antrags, die in der Auflage M 1 konkludent enthalten ist, ist teilweise
rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten, soweit die Angabe
„Homöopathisches Arzneimittel bei Entzündungen von Zähnen" gestrichen worden ist.
Soweit die Angabe „Homöopathisches Arzneimittel bei Entzündungen ... von Kiefer und
Nebenhöhlen" untersagt worden ist, ist die Regelung rechtmäßig.
57
Die Rechtmäßigkeit von Teilversagungen hinsichtlich bestimmter Angaben in den
Informationstexten des zu verlängernden Arzneimittels richtet sich nach der
Rechtsprechung der Kammer nach § 105 Abs. 4 f Satz 1 AMG
58
Vgl. hierzu VG Köln, Urteil vom 08.04.2008 - 7 K 2517/08 - .
59
Der Angabe der Indikationsgruppe „Homöopathisches Arzneimittel bei Entzündungen
von Zähnen" steht ein Versagungsgrund nach § 25 Abs. 2 AMG nicht entgegen.
Insbesondere verstößt diese Angabe nicht gegen gesetzliche Vorschriften. Sie verletzt
weder die Vorschriften über die Packungsbeilage, § 11 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 b AMG noch
ist sie irreführend nach § 25 Abs. 2 Satz 1 Nr. 7 iVm § 8 Abs. 1 Nr. 2 AMG.
60
Gemäß § 11 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 b AMG muss die Gebrauchsinformation die Angabe der
„Stoff- oder Indikationsgruppe oder die Wirkungsweise" enthalten. Die von der Klägerin
beantragte Angabe „Homöopathisches Arzneimittel bei Entzün- dungen der Zähne"
enthält eine Angabe der Indikationsgruppe. Die Beklagte kann grundsätzlich nicht
verlangen, dass anstelle der Indikationsgruppe die Stoffgruppe oder Wirkungsweise
angegeben wird. Denn der Gesetzgeber hat durch die Verwendung des Wortes „oder"
zum Ausdruck gebracht, dass der pharmazeutische Unternehmer, dem die Gestaltung
der Informationstexte als Ausdruck der Gewerbefreiheit im Rahmen der gesetzlichen
Vorschriften zusteht, insoweit eine Wahlmöglichkeit hat. Er kann die Indikationsgruppe
oder die Stoffgruppe oder die Wirkungsweise angeben,
61
vgl. Urteil der Kammer vom 08.04.2008 - 7 K 2517/08 - .
62
Daher ist die Klägerin auch nicht verpflichtet, die Bezeichnung „zur ausleitenden
Begleittherapie" zu wählen, wie von der Beklagten in der mündlichen Verhandlung
vorgeschlagen worden ist. Hierbei handelt es sich um die beanspruchte Wirkungsweise,
nämlich eine Heilung bzw. Besserung der Entzündung durch Ausleitung bestimmter
Stoffe.
63
Soweit die Klägerin die Angabe „Homöopathisches Arzneimittel bei Entzündungen der
Zähne" beantragt hat, ist diese Bezeichnung auch nicht unzutreffend oder irreführend im
Sinne des § 8 Abs. 1 Nr. 2 AMG. Die gewählte Bezeichnung der Indikationsgruppe ist in
dem oben genannten Umfang rechtmäßig, weil sie in Übereinstimmung mit dem
zugelassenen Anwendungsgebiet „Zur ausleitenden Begleittherapie bei operativer
Entfernung von Zahnherden" steht. Unter einem Zahnherd versteht man einen
chronischen Entzündungsherd im Zahnbereich, der schädliche Auswirkungen auf
andere Organe haben kann. Daraus ergibt sich, dass die Indikationsgruppe
„Entzündungen der Zähne" die operative Entfernung von Zahnherden mitumfasst. Dem
steht nicht entgegen, dass die Indikationsgruppe auch Zahnentzündungen umfasst, die
nicht operativ entfernt werden, und damit weitergefasst ist als die zugelassene
Indikation. Denn bei der Indikationsgruppe handelt es sich um einen Oberbegriff, der
mehrere Indikationen zusammenfasst und daher notwendigerweise ungenau ist. Ein
Oberbegriff ist zur genauen Bezeichnung der Indikation weder bestimmt noch geeignet.
Die Indikationsgruppe dient nur der ersten Orientierung des Patienten und Einordnung
des Arzneimittels; die genaue Beschreibung der Indikation ist dagegen Aufgabe des
Punktes „Anwendungsgebiete", der in der Gebrauchsinformation dem Punkt „Stoff- oder
Indikationsgruppe" nachfolgt. Eine Irreführung des Verbrauchers über den Umfang der
Indikation ist damit ausgeschlossen.
64
Etwas anderes gilt für die von der Klägerin beantragte Bezeichnung „Homöopathisches
Arzneimittel bei Entzündungen von ... Kiefer und Nebenhöhlen." Diese Bezeichnung ist
mit dem zugelassenen Anwendungsgebiet nicht vereinbar. Die Beklagte hat diese
Teilanwendungsgebiete, wie ausgeführt, zu Recht versagt. Eine Aufnahme von
versagten Anwendungsgebieten in die Indikationsgruppe ist daher widersprüchlich und
irreführend im Sinne des § 8 Abs. 1 Nr. 2 AMG und von der Beklagten daher rechtmäßig
abgelehnt worden.
65
Soweit die Klägerin die Aufhebung der Auflage M 1 beantragt hat, ist die Klage
ebenfalls begründet. Die Auflage ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren
Rechten, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO. Die Voraussetzungen des § 28 Abs. 2 Nr. 2 AMG,
der allein als Ermächtigungsgrundlage in Betracht kommt, sind nicht erfüllt. Die
Anordnung, in der Gebrauchsinformation unter dem Punkt „Stoff- oder
Indikationsgruppe" die Bezeichnung „Homöopathisches Arzneimittel" zu verwenden, ist
nicht zur Sicherstellung der Anforderungen des § 11 AMG erforderlich und damit
rechtswidrig.
66
Wie bereits ausgeführt, ist die Angabe der von der Klägerin beantragen
Indikationsgruppe, soweit sie mit dem zugelassenen Anwendungsgebiet in
Übereinstimmung steht, rechtmäßig und verletzt nicht die in § 11 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 b
AMG genannten Anforderungen. Eine Streichung dieser Indikationsgruppe und
Reduzierung auf die Angabe „Homöopathisches Arzneimittel" ist daher nicht geboten.
Darüberhinaus ist die von der Beklagten geforderte Angabe selbst mit § 11 AMG nicht
vereinbar und damit rechtswidrig. Die Bezeichnung „Homöopathisches Arzneimittel"
enthält weder die Beschreibung einer Indikationsgruppe noch einer Stoffgruppe, noch
einer Wirkungsweise und erfüllt damit nicht die Anforderungen des § 11 Abs. 1 Satz 1
Nr. 1 b AMG. Insbesondere handelt es sich entgegen der Annahme der Beklagten nicht
um eine Stoffgruppe. Der Stoffbegriff ist in § 3 AMG definiert. Danach enthalten
homöopathische Arzneimittel eine Vielzahl unterschiedlicher Stoffe, beispielsweise
Stoffe pflanzlichen, tierischen oder mineralischen Ursprungs (natürlich vorkommende
Gemische von chemischen Verbindungen). Der Begriff der homöopathischen
Arzneimittel bezeichnet nach den maßgeblichen Definitionen des Arzneimittelgesetzes
dagegen eine Therapierichtung, § 25 Abs. 7 Satz 4 AMG, die ihrerseits durch eine
bestimmte Herstellungsart, nämlich ein homöopathisches Zubereitungsverfahren
abgegrenzt wird, § 4 Abs. 26 AMG. Die Angabe der Therapierichtung oder
Herstellungsart ist in § 11 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 b AMG nicht vorgesehen.
67
Der Antrag der Klägerin auf Aufhebung der Auflage M 2 (Klageantrag zu 3.) ist zulässig,
aber unbegründet. Sie verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten, § 113 Abs. 1 Satz 1
VwGO. Die Anordnung, das zugelassene Anwendungsgebiet in die Packungsbeilage
aufzunehmen, ist in analoger Anwendung des § 28 Abs. 2 Nr. 3 AMG rechtmäßig. Wie
bereits ausgeführt, hat die Beklagte die zusätzlich beantragten Anwendungsgebiete zu
Recht versagt, sodass diese in der Gebrauchsinformation zu streichen waren. Die
Umsetzung der Zulassungsentscheidung des BfArM durch die Auflage M 2 war somit in
vollem Umfang rechtmäßig.
68
Der Antrag der Klägerin auf Aufhebung der Auflage M 5 (Klageantrag zu 3.) ist ebenfalls
zulässig, aber unbegründet. Die Auflage verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten, §
113 Abs. 1 Satz 1 VwGO. Die Aufforderung, den nicht unter die Pflichtangaben
fallenden Text der Packungsbeilage unter der Überschrift „Eigenschaften und
69
Wirkungsweise" zu entfernen, ist auf der Grundlage des § 28 Abs. 2 Nr. 2 AMG
rechtmäßig.
Nach § 28 Abs. 2 Nr. 2 AMG kann die zuständige Bundesoberbehörde die Zulassung
mit Auflagen verbinden, die sicherstellen, dass die Packungsbeilage der Vorschrift des
§ 11 AMG entspricht. Die mit der Auflage M 5 angeordnete Streichung des sog.
Freitextes der Packungsbeilage ist danach rechtmäßig, da der beanstandete Text mit
der Regelung in § 11 Abs. 1 Satz 5 AMG nicht vereinbar ist.
70
Die Kammer hat zunächst keinen Zweifel daran, dass das BfArM als zuständige
Bundesoberbehörde nach § 77 AMG gemäß § 28 AMG zur Prüfung des Freitextes
ermächtigt ist und dass dieser Bestandteil der Packungsbeilage ebenso wie die
Pflichtangaben Gegenstand der Arzneimittelzulassung nach § 25 AMG bzw. der
Verlängerung der Zulassung nach § 105 Abs. 4 f AMG ist.
71
Dies ergibt sich bereits aus dem eindeutigen Wortlaut des § 28 Abs. 2 Nr. 2 AMG. Diese
Regelung weist der Zulassungsbehörde die Aufgabe zu, die Übereinstimmung der
Packungsbeilage mit § 11 AMG zu prüfen, ohne dabei zwischen den Pflichtangaben
nach § 11 Abs. 1 Satz 1 oder den freiwilligen Angaben nach § 11 Abs. 1 Satz 2 oder
Satz 5 AMG zu unterscheiden. Pflichtangaben und weitere Angaben stehen hierbei in
einem untrennbaren Zusammenhang. Denn nach § 11 Abs. 1 Satz 5 AMG dürfen die
freiwilligen Hinweise den Angaben der Fachinformation, die in § 11 a AMG geregelt
sind und im wesentlichen mit den Pflichtangaben in der Gebrauchsinformation
übereinstimmen, nicht widersprechen. Da Pflichtangaben und weitere Angaben somit
eine inhaltliche Einheit bilden, muss die Prüfung der Übereinstimmung dieser Angaben
auch in der Hand einer Behörde liegen. Diese Prüfungszuständigkeit hat der
Gesetzgeber in § 28 AMG der Zulassungsbehörde übertragen. Demnach kommt eine
Zuständigkeit der landesrechtlich zuständigen Ordnungsbehörden nicht in Betracht,
72
vgl. auch VG Köln, Urteil vom 21.07.2009 - 7 K 4046/08 - .
73
Der von der Klägerin beantragte Text in der Packungsbeilage unter der Überschrift
„Eigenschaften und Wirkungsweise" ist mit § 11 Abs. 1 Satz 5 AMG nicht vereinbar.
Danach sind weitere Angaben zulässig, wenn sie mit der Anwendung des Arzneimittels
in Zusammenhang stehen, für die gesundheitliche Aufklärung der Patienten wichtig sind
und den Angaben nach § 11 a AMG nicht widersprechen.
74
Entgegen der Überschrift „Eigenschaften und Wirkungsweise" enthalten die
beanstandeten Hinweise keine Ausführungen zu diesem Thema, sondern lediglich
Angaben zu den ursprünglich beantragten Anwendungsgebieten der Kombination, die
teilweise zugelassen, teilweise versagt wurden. Dies ist unzulässig,
75
vgl. auch Kloesel-Cyran, Arzneimittelrecht, Stand: 2007, § 11 Anm. 69.
76
Soweit der Text lediglich das zugelassene Anwendungsgebiet der Kombination
wiederholt (z. B. in Satz 1, 4 - 6 im Hinblick auf Entzündungen der Zähne oder
Folgezustände nach Operationen, bei zahnärztlicher Behandlung), ist der Hinweis für
die gesundheitliche Aufklärung des Patienten nicht wichtig. Denn die Angabe des
Anwendungsgebiets gehört zu den Pflichtangaben der Packungsbeilage, § 11 Abs. 1
Nr. 2 AMG, und ist dem Patienten daher bereits bekannt. Die Hinweise sind damit
überflüssig bzw. stellen sich als Werbeaussagen dar.
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Soweit der Text sich auf die versagten Anwendungsgebiete „Kieferentzündung" oder
„Nebenhöhlenentzündung" bezieht oder die Wirkungsspezifität einzelner Bestandteile
anspricht (Sätze 1 bis 5), sind diese Hinweise weder für die gesundheitliche Aufklärung
des Anwenders wichtig noch stimmen sie mit dem zugelassenen Anwendungsgebiet
überein.
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Für den Patienten sind die Wirkungen der einzelnen Bestandteile eines
Kombinationsarzneimittels von untergeordneter Bedeutung. Maßgeblich für den
Patienten ist die Wirksamkeit der Kombination in dem zugelassenen
Anwendungsgebiet, so wie es in den Pflichtangaben der Packungsbeilage formuliert ist.
Es ist nicht ersichtlich, zu welchem Zweck der Anwender darüberhinaus Informationen
zu den Wirkungen der Einzelmittel benötigt.
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Soweit die Hinweise eine Wirksamkeit des Arzneimittels bei Kieferentzündungen oder
chronischen Nebenhöhlenentzündungen vermitteln, sind sie mit dem zugelassenen
Anwendungsgebiet nicht vereinbar und irreführend. Sie verstoßen damit gegen § 11
Abs. 1 Satz 5 und § 8 Abs. 1 Nr. 2 a AMG. Hierbei handelt es sich offensichtlich um eine
indirekte Indikationserweiterung, ohne dass dies einer weiteren ausführlichen
Begründung bedarf. Die Begründung ist der Klägerin insbesondere aus dem
Mängelverfahren bekannt, in dem für die genannten Indikationen vom BfArM eine
Teilversagung angekündigt wurde, weil es insoweit an einer ausreichenden
Kombinationsbegründung fehlte. Ermessensfehler bei der Anordnung der Auflage sind
nicht ersichtlich.
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Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 154 Abs. 1, 155 Abs. 1 Satz 3, 161 Abs. 2 VwGO.
Danach hat die Klägerin die Kosten insgesamt zu tragen, da sie im Rechtsstreit ganz
überwiegend unterlegen ist. Soweit die Hauptsache für erledigt erklärt worden ist, trägt
ebenfalls die Klägerin die Kosten nach billigem Ermessen, da sie die Erledigung durch
Erfüllung der Auflagen Q 1 bis Q 3 herbeigeführt hat. Die Entscheidung über die
vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 Abs. 1 VwGO, § 709 ZPO.
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