Urteil des VG Köln vom 03.07.2009
VG Köln: aufschiebende wirkung, mauer, grundstück, interessenabwägung, grunddienstbarkeit, obsiegen, hauptsache, form, enteignungsentschädigung, verwaltungsgerichtsbarkeit
Verwaltungsgericht Köln, 14 L 118/09
Datum:
03.07.2009
Gericht:
Verwaltungsgericht Köln
Spruchkörper:
14. Kammer
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
14 L 118/09
Tenor:
1. Der Antrag wird abgelehnt.
Die Kosten des Verfahrens - mit Ausnahme der außergerichtlichen
Kosten der Beigeladenen, die diese selbst trägt - tragen die Antragsteller
als Gesamtschuldner.
2. Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 7.500,00 EUR festgesetzt.
Gründe:
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Der Antrag der Antragsteller,
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die aufschiebende Wirkung ihrer Klage 14 K 522/09 gegen den
Planfeststellungsbeschluss der Antragsgegnerin vom 05.01.2009 wiederherzustellen,
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hat keinen Erfolg.
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Bei der nach § 80 Abs. 5 VwGO vorzunehmenden Interessenabwägung überwiegt das
öffentliche Interesse, bereits vor Unanfechtbarkeit des Planfeststellungsbeschlusses
den planfestgestellten Hochwasserschutz herstellen zu können, das Interesse der
Antragsteller, den Ausgang der Anfechtungsklage abzuwarten. Bei der im Verfahren
nach § 80 Abs. 5 VwGO möglichen und auch nur gebotenen summarischen Prüfung
kann nicht festgestellt werden, dass der Planfeststellungsbeschluss vom 05.01.2009 an
offensichtlichen Fehlern leidet, die zu seiner Aufhebung gem. § 75 Abs. 1 lit. a) VwVfG
NRW führen müssen (1). Die von den Erfolgsaussichten in der Hauptsache losgelöste
Interessenabwägung ergibt ein Überwiegen des öffentlichen Interesses an der
sofortigen Herstellung des planfestgestellten Hochwasserschutzes (2).
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1. Eine fehlende Planrechtfertigung kann dem Vorhaben aller Voraussicht nicht
entgegengehalten werden. Dass die Errichtung der streitigen Hochwasserschutzanlage
zum Wohle der Allgemeinheit nicht objektiv in dem Sinne erforderlich ist, weil sie nicht
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objektiv vernünftigerweise geboten ist,
BVerwG, Urteil vom 24.11.1989 - 4 C 41/88, BVerwGE 84, 123; Urteil vom 06.12.1985 -
4 C 59/82 -, NJW 1986, 1508,
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kann im vorliegenden vorläufigen Rechtsschutzverfahren nicht festgestellt werden. Der
angefochtene Planfeststellungsbeschluss führt zur Notwendigkeit der
Hochwasserschutzanlage an, dass der Hochwasserschutz für das Gebiet der
Beigeladenen durch den neu errichteten Deich des Retentionsraumes Köln-Porz-
Langel/Niederkassel-Lülsdorf auf ein Bemessungshochwasser (BHW) 200 ausgelegt
sei. Mit der streitigen Anlage werde die letzte Lücke im Hochwasserschutz für die
Beigeladene geschlossen. Das Stadtgebiet der Beigeladenen sei nach der Schließung
dieser letzten Lücke komplett vor einem 200-jährlichen Hochwasserereignis geschützt.
Die Zugrundelegung eines BHW 200 für die streitige Hochwasseranlage ist
voraussichtlich nicht zu beanstanden. Angesichts des außerordentlich hohen
Schadenspotenzials von Hochwassereignissen ist es im öffentlichen Interesse
gerechtfertigt, auch nur sehr entfernt wahrscheinliche Überschwemmungen sicher
auszuschließen. Dies gilt für die hier streitige Hochwasserschutzanlage um so mehr,
weil das auf ein BHW 200 abzielende Hochwasserschutzkonzept für die Beigeladene
mit der für die Antragsteller unanfechtbar planfestgestellten Deichanlage des
Retentionsraumes Köln-Porz-Langel/Niederkassel-Lülsdorf bereits weitgehend
umgesetzt ist. Nach der gebotenen summarischen Prüfung leidet der
Planfeststellungsbeschluss auch nicht an zu seiner Aufhebung führenden
durchgreifenden Abwägungsmängeln. Mängel bei der Abwägung der von der
Planfeststellung betroffenen öffentlichen und privaten Belange sind gem. § 75 Abs. 1 lit
a) Satz 1 VwVfG NRW nur erheblich, wenn sie auf das Abwägungsergebnis von
Einfluss gewesen sind. In diesem Sinne erhebliche Abwägungsmängel führen nur dann
zur Aufhebung des Planfeststellungsbeschlusses, wenn sie nicht durch Planergänzung
oder durch ein ergänzendes Verfahren behoben werden können (§ 75 Abs. 1 lit. a) Satz
2 VwVfG NRW). Dass die von den Antragstellern geltend gemachten Abwägungsfehler
zur Aufhebung der planfestgestellten Hochwasserschutzvariante führen, ist nicht
offensichtlich.
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Die Antragsgegnerin hat an Belangen in die Abwägung eingestellt, was nach Lage der
Dinge einzustellen war und gegenläufige Belange in im vorliegenden einstweiligen
Rechtsschutzverfahren nicht zu beanstandender Weise zueinander gewichtet. Sie hat
insbesondere mögliche Planungsalternativen untersucht und mit - jedenfalls im
vorliegenden Eilverfahren - nicht zu beanstandenden Erwägungen abgelehnt.
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Der angefochtene Planfeststellungsbeschluss erörtert (S. 14 ff.) neben der
planfestgestellten vorgezogenen Hochwasserschutzwand drei weitere
Planungsvarianten. Zum einen wird die Errichtung eines sich an den rückverlegten
Polderdeich anschließenden Erddeiches als Variante III erwogen. Als Variante IV wird
der Bau einer Hochwasserschutzmauer neben einem landseitigen Feldweg zwischen
Schneppenweg und Polderdeich in Betracht gezogen. Diese Varianten werden im
Planfeststellungsbeschluss mit der Begründung verworfen, dass bei Verwirklichung
dieser Varianten die Bebauung an der Uferstraße nicht vor Hochwasser geschützt sei
und für beide Varianten größere Eingriffe erforderlich seien als für die planfestgestellte
Hochwasserschutzmauer. Diese Erwägungen lassen Abwägungsmängel nicht
erkennen. Der vom Planfeststellungsbeschluss in Bezug genommene
Erläuterungsbericht der Beigeladenen konkretisiert die mit den Varianten III und IV
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verbundenen Eingriffe nachvollziehbar dahingehend, dass für den Erddeich der
Variante III aufgrund der erforderlichen Gründungsbreite eine größere Landschaftsfläche
in Anspruch genommen werden müsste. Diese Fläche reduziere sich zwar bei
Verwirklichung der Variante IV. Diese wirke sich im Vergleich zur ausgewählten
Variante nachteiliger auf das Landschaftsbild aus, weil das Betonbauwerk entlang einer
landwirtschaftlich genutzten Fläche errichtet werden solle.
Die Ablehnung der weiterhin in Betracht gezogene Variante I - Errichtung einer
Winkelstützmauer oder Spundwand wasserseitig entlang der Uferstraße - ist aller
Voraussicht nach auch nicht abwägungsfehlerhaft. Sie wird im
Planfeststellungsbeschluss damit begründet, dass mit dieser Variante hohe Kosten,
Schwierigkeiten bei der Bauausführung und erhebliche Eingriffe in das Öko-System
verbunden wären. Diese Nachteile überwögen den Vorteil dieser Variante, dass auch
im Hochwasserfall die Zufahrt zu den Grundstücken an der Uferstraße über die
Uferstraße möglich sei. Dass die planfestgestellte Anlage gegenüber der abgelehnten
Variante I weniger nachteilige Folgen für die Umwelt bewirkt, ist durch die vom
Planfeststellungsbeschluss in Bezug genommene Umweltverträglichkeitsstudie der
Ingenieurgesellschaft Spitzlei und Jossen vom 28.01.2008 belegt. Diese gelangt in ihrer
Schlussbetrachtung (S. 65) zu dem Ergebnis, dass die Variante I hinsichtlich der
Umweltverträglichkeit die ungünstigste Lösung unter allen in Betracht gezogenen
Varianten ist. Begründet wird dieses Ergebnis nachvollziehbar u.a. damit, dass bei
Errichtung einer Winkelstützmauer (Variante I a)) größere Teilflächen der
Rheinuferböschung zerstört würden, die Lebensraum vieler gefährdeter Arten seien (S.
38). Mit dem Bau einer Spundwand (Variante I b)) wäre zwar keine wesentliche
Zerstörung der Rheinuferböschung verbunden. Die Variante I werde aber sowohl in der
Ausführung mit einer Winkelstützmauer als auch in Gestalt einer Spundwand einen
Barriereeffekt auf flugunfähige, bodenlebende Tiere haben, der bei der ausgewählten
Variante II wegen der in der Mauer vorhandenen, i.d.R. offenen Grundstückszufahrten
kaum auftreten werde (S. 38 f., 43, 47). Der für die Ablehnung der Variante I
herangezogene hohe Kostenaufwand ist für das vorliegende Eilverfahren hinreichend
durch das im Auftrag der Beigeladenen erstellte bautechnische Gutachten des
Ingenieurbüros Prof. Wittke belegt. Nach den Feststellungen dieses Gutachtens ist
aufgrund der unmittelbar angrenzenden steilen Uferböschung ein hoher bautechnischer
Gründungsaufwand erforderlich, um die Standsicherheit der Hochwasserschutzmauer
der Variante I gewährleisten zu können.
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Die Errichtung der Hochwasserschutzanlage ist zur Erreichung eines
Hochwasserschutzes vor einem BHW 200 aller Voraussicht auch erforderlich. Der
Einwand der Antragsteller, dass es aufgrund der Geländetopographie ihres Grundstücks
nicht zu Hinterläufigkeiten kommen könne, greift nicht durch. Das Grundstück der
Antragsteller liegt unterhalb des im Planfeststellungsbeschluss (vgl. dessen Anlage 2)
festgelegten Schutzziels von 51,30 m ü.NN. Die Festlegung dieses Schutzziels für den
in Rede stehenden Bereich ist aller Voraussicht nicht zu beanstanden. Es beruht auf der
Zugrundelegung eines Wasserstandes von 50,80 m ü.NN, der anhand der
Wasserspiegellagenberechnung der Bundesanstalt für Gewässerkunde aus dem Jahre
2000 für ein BHW 200 festgelegt wurde. Die Hinzurechnung eines Freibordes von 0,50
m trägt den technischen Vorgaben gem. DIN 19712 Rechnung, die zum Schutz vor
durch Windstau und Wellenauflauf erhöhten Wasserständen einen Zuschlag in Form
eines Freibordes vorsehen, das im Regelfall mit mindestens 0,50 m angesetzt werden
soll. Die mit der planfestgestellten Hochwassermauer verbundenen Nachteile belasten
die Antragsteller aller Voraussicht nach auch nicht unangemessen. Die geplante Mauer
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verläuft entlang der westlichen Grenze ihres Grundstücks zur Uferstraße. Straßenseitig
beträgt die Höhe der Mauer maximal 1,20 m. Für die Antragsteller stellt sie damit keine
Sichtbarriere zum Rhein dar. Von ihrem äußeren Erscheinungsbild ist die
Hochwasserschutzanlage vergleichbar mit einer der Grundstückseinfriedung dienenden
Gartenmauer. Soweit nach dem Planfeststellungsbeschluss für den Bereich der
Aufstandsfläche der Mauer und für die Deichschutzzone 1 die Eintragung einer
Grunddienstbarkeit für 38,92 m² vorgesehen ist, können die Antragsteller hierfür im
Enteignungsverfahren eine Entschädigung verlangen. Dass das Grundstück der
Antragsteller bei Verwirklichung der geplanten Anlage im Hochwasserfall - anders als
bei der von ihnen favorisierten Variante I - nicht straßenseitig von der Uferstraße zu
erreichen ist, hat die Antragsgegnerin in ihre Abwägung eingestellt und in nicht zu
beanstandender Weise gegenüber den mit der planfestgestellten Variante verbundenen
Vorteilen gewichtet. Sie durfte berücksichtigen, dass das Grundstück der Antragsteller
jedenfalls für Rettungsfahrzeuge bei Hochwasser über den Deichverteidigungsweg des
neu errichteten Deiches des Retentionsraumes und über einen Feldweg zu erreichen
ist.
Entgegen der Auffassung der Antragsteller erweist sich der Planfeststellungsbeschluss
nicht deshalb als fehlerhaft, weil er keine Entschädigungsregelung für die
Inanspruchnahme des Grundstücks der Antragsteller vorsieht. Hat ein
Planfeststellungsbeschluss - wie der hier streitige - enteignungsrechtliche Vorwirkung
(vgl. § 152 Abs. 2 LWG NRW), erschöpft sich die Prüfung der Planfeststellungsbehörde
darin, ob das Vorhaben im enteignungsrechtlichen Sinne des Art. 14 Abs. 3 Satz 1 GG
erforderlich ist. Dazu muss das Interesse des Eigentümers am Erhalt des Eigentums und
seiner weiteren Nutzung in die Abwägung eingestellt und mit den öffentlichen
Interessen an einer Verwirklichung des Vorhabens zu einem vernünftigen Ausgleich
gebracht werden. Dies ist hier aus den o.g. Gründen in nicht zu beanstandender Weise
geschehen. Fragen der Enteignungsentschädigung sind - anders als die Entschädigung
gem. § 74 Abs. 2 VwVfG NRW - nicht Gegenstand des Planfeststellungsbeschlusses.
Die Planfeststellungsbehörde kann den unmittelbar Enteignungsbetroffenen insoweit
auf das Enteignungsverfahren verweisen,
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vgl. BVerwG, Urteil vom 14.05.1992 - 4 C 9/89 -, NVwZ 1993, 477; Bonk/Neumann, in:
Stelkens/Bonk, VwVfG, 7. Aufl. 2008, § 75 Rn. 28 f. m.w.N..
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2. Lässt sich somit nicht feststellen, dass der Planfeststellungsbeschluss vom
05.01.2009 an offensichtlichen Fehlern leidet, die zu seiner Aufhebung gem. § 75 Abs. 1
a VwVfG NRW führen müssen, so ergibt die von den Erfolgsaussichten in der
Hauptsache losgelöste Interessenabwägung ein Überwiegen des öffentlichen
Interesses an der sofortigen Herstellung des planfestgestellten Hochwasserschutzes.
Würde die aufschiebende Wirkung der Klage wiederhergestellt, könnte auf unabsehbare
Zeit ein auf ein BHW 200 ausgelegter verbesserter Hochwasserschutz für das gesamte
Gebiet der Beigeladenen nicht erreicht werden. Mit der Umsetzung der
planfestgestellten Maßnahme an der Uferstraße wird die letzte Lücke im
Hochwasserschutz für die Beigeladene geschlossen. Die Investitionen für die bisher
ausgeführten Hochwasserschutzmaßnahmen, insbesondere die Errichtung des neuen
Deiches für den Retentionsraum wären im Hochwasserfall ohne die Schließung der
Lücke weitgehend umsonst getätigt worden. Die im Hochwasserfall für das Stadtgebiet
der Beigeladenen drohenden Sachschäden sind erheblich. Ausweislich der in Anlage 3
des Planfeststellungsbeschlusses dargestellten Wasserstände wären bei einem
Hochwasserereignis von 50,50 m ü.NN weite bebaute Flächen der Beigeladenen
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überschwemmt. Der Ortsteil Lülsdorf wäre vom Hochwasser eingeschlossen. Der
Hochwasserstand von 50,50 m ü.NN liegt mit 0,24 m noch unterhalb des für ein
Hochwasserereignis mit einer Wiederkehrwahrscheinlichkeit von 200 Jahren für das
rechte Rheinufer berechneten Standes von 50,74 m ü.NN. Schwerwiegendere oder
gleichgewichtige Interessen der Antragsteller sind bei einer sofortigen Vollziehung des
Planfeststellungsbeschlusses nicht betroffen. Die Inanspruchnahme ihres Grundstücks
für den Bau der vorgezogenen Hochwasserschutzmauer erfolgt nur zeitlich begrenzt.
Die Eintragung der Grunddienstbarkeit kann bei einem Obsiegen der Antragsteller im
Hauptsacheverfahren wieder rückgängig gemacht werden. Auch die planfestgestellte
Hochwasserschutzwand könnte bei einem Obsiegen der Antragsteller im
Hauptsacheverfahren bautechnisch durch eine andere Hochwasserschutzvorrichtung
ersetzt werden.
Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 154 Abs. 1, 3, 162 Abs. 3, 159 Satz 2 VwGO. Die
außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen waren nicht für erstattungsfähig zu
erklären, weil die Beigeladene keinen Sachantrag gestellt und sich damit keinem
Kostenrisiko ausgesetzt hat.
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Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 53 Abs. 3 Nr. 2, 52 Abs. 1 GKG. Hierbei hat sich
die Kammer an Ziff. 34.2 i.V.m. 2.2 des Streitwertkatalogs für die
Verwaltungsgerichtsbarkeit orientiert und wegen der Vorläufigkeit des vorliegenden
Verfahrens die Hälfte des dort genannten Betrags von 15.000,00 EUR zugrundegelegt.
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