Urteil des VG Köln vom 28.05.2009

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Verwaltungsgericht Köln, 20 K 3694/08
Datum:
28.05.2009
Gericht:
Verwaltungsgericht Köln
Spruchkörper:
20. Kammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
20 K 3694/08
Tenor:
Soweit die Beteiligten den Rechtsstreit übereinstimmend in der Sache
für erledigt erklärt haben, wird das Verfahren eingestellt. Im Übrigen wird
die Klage abgewiesen. Die Kosten des Verfahrens tragen der Kläger zu
¾ und der Beklagte zu ¼. Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig
vollstreckbar. Der jeweilige Vollstreckungsschuldner darf die
Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von
110 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der jeweilige
Vollstreckungsgläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von
110 % des zu vollstreckenden Betrages leistet.
Tatbestand Der Kläger war Eigentümer des Fahrzeugs Ford Kombi mit dem amtlichen
Kennzeichen GL - 0 0000. Dieses Fahrzeug war zuletzt auf seinen Bruder, Herrn L. C. ,
zugelassen.
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Aufgrund der Mitteilung eines Anwohners vom 16.02.2007 erhielt der Beklagte am
17.02.2007 Kenntnis davon, dass dieses Fahrzeug mit Unfallschäden und entwertetem
Kennzeichen in der Nähe einer Schule in der Dietrich-von-Dorendorp-Str. 12 c
abgestellt war. Eine am selben Tag durchgeführte Kontrolle des Außendienstes ergab,
dass am Fahrzeug spitze Ecken und Kanten herausragten.
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Nachdem Herr L. C. als letzter Halter telefonisch nicht erreicht werden konnte, wurde er
mit Schreiben vom 17.02.2007 aufgefordert, das Fahrzeug bis zum 19.07.2007 10.00
Uhr zu entfernen. Als das Fahrzeug bei einer Nachkontrolle am 19.07.2007 noch immer
vor Ort stand, erteilte der Beklage am Fr., dem 20.07.2007 um 14.05 Uhr einen
Abschleppauftrag.
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Mit anwaltlichem Schreiben vom 26.07.2007 meldete sich der Kläger beim Beklagten
und teilte mit, dass nicht Herr L. C. Eigentümer des Fahrzeuges sei, sondern er. Er
beanstandete, dass die Fristsetzung im Schreiben vom 17.07.2007 zu kurz gewesen
sei. Des Weiteren machte er geltend, das Fahrzeug sei unter Zeugen mit
Umzugskartons umstellt worden, damit von ihm keine Gefahren für Passanten
ausgingen. Zugleich beantragte der Kläger die Freigabe des Fahrzeuges. Er benötige
das Fahrzeug dringend und verwies insoweit auf seine Gehbehinderung. Schließlich
gab der Kläger an, er sei aus wirtschaftlichen Gründen nicht in der Lage irgendwelche
Kosten zu übernehmen.
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Eine kostenfreie Freigabe des Fahrzeuges wurde vom Beklagten unter Verweis auf
noch offen stehende Abschleppkosten aus früheren Abschleppvorgängen im
Zusammenhang mit abgemeldeten Fahrzeugen verweigert.
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Mit Schreiben vom 21.08.2007 wurde der Kläger zur Abholung seines Fahrzeuges
gegen Kostenerstattung aufgefordert. Ferner wurde ihm die Verschrottung seines
Fahrzeuges angedroht. Schließlich wurde er zur beabsichtigten Inanspruchnahme für
die entstandenen Abschleppkosten angehört.
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Das Fahrzeug wurde am 12.09.2007 verschrottet.
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Mit dem hier streitgegenständlichen Leistungsbescheid vom 06.05.2008 stellte der
Beklagte dem Kläger Kosten in Höhe von insgesamt 368,79 EUR in Rechnung. Hiervon
entfielen 61,36 EUR auf den Abschleppvorgang und 168,85 EUR auf Verwahrkosten;
für die Fahrzeugentsorgung wurden 76,70 EUR geltend gemacht (Gesamtforderung:
309,91 EUR ((richtig 306,91 EUR)) zzgl. MWSt. = 368,79 EUR).
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Der Kläger hat am 29.05.2008 Klage erhoben. Er verweist auf die Sicherung des
Fahrzeuges durch Pappkartons und äußert die Vermutung, jemand - möglicherweise
vom Ordnungsamt - habe die Kartons entfernt, um ihm „eins auszuwischen". Insoweit
verweist er auf Schwierigkeiten mit dem Beklagten im Zusammenhang mit der
beabsichtigten Gründung einer Ich-AG , der Beantragung eines Schwerbehinderten-
Parkplatzes sowie dem Verlust seiner Grundsicherungsakte. Namentlich der Mitarbeiter
des Beklagten, Herr S. , sei voreingenommen.
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In der mündlichen Verhandlung hat der Beklagte den Bescheid insoweit reduziert, als er
nur noch die Abschlepp- und Verwahrungskosten in Höhe von 61,36 EUR (brutto 73,02
EUR) und 168,85 EUR (brutto 200,94), d.h. einen Gesamtbetrag von 273,96 EUR
geltend macht.
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Der Kläger beantragt,
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den Leistungsbescheid vom 06.05.2008 in Gestalt der in der mündlichen Verhandlung
vorgenommenen Reduzierung auf 273,96 EUR aufzuheben.
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Der Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Er tritt dem Vorbringen des Klägers zu einer Voreingenommenheit des Herrn S.
entgegen und verweist darauf, dass der vorliegende Fall gar nicht von diesem bearbeitet
worden sei. Ergänzend legt er dar, im Zeitpunkt der Kontrolle seien keine
Umzugskartons vorhanden gewesen.
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Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte sowie
den beigezogenen Verwaltungsvorgang Bezug genommen.
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Entscheidungsgründe Soweit der Beklagte den Leistungsbescheid um die angefallenen
Vernichtungskosten auf 273,96 EUR reduziert und die Beteiligten insoweit die
Hauptsache für erledigt erklärt haben, war das Verfahren einzustellen.
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Im Übrigen ist die Klage zulässig, aber nicht begründet.
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Der Leistungsbescheid des Beklagten in der Gestalt, den er in der mündlichen
Verhandlung gefunden hat, ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen
Rechten, vgl. § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO.
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Die Kostenpflicht des Klägers beruht auf § 77 VwVG NRW i.V.m. § 11 Abs. 2 Satz 1 und
2 Nr. 7 bzw. 8 KostO NRW i.V.m. § 24 OBG NRW, § 43 Nr. 1, § 46 Abs. 3 PolG NRW
bzw. § 14 OBG NRW, § 55 Abs. 2, § 57 Abs. 1 Nr. 1, § 59 VwVG NRW. Hiernach hat der
Ordnungspflichtige die durch die Sicherstellung oder Ersatzvornahme entstandenen
Kosten zu erstatten.
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Voraussetzung für ein Eingreifen nach diesen Vorschriften ist unter anderem eine
Gefahr für die öffentliche Sicherheit, der mit den Mitteln des Ordnungsrechtes begegnet
werden kann.
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Im Zeitpunkt des Einschreitens des Beklagten durch Bestellen eines
Abschleppfahrzeuges lag ein Verstoß gegen die öffentliche Sicherheit unter zwei
Gesichtspunkten vor: Zum einen war das Fahrzeug des Klägers nicht angemeldet. Steht
ein nicht angemeldetes Fahrzeug auf einer dem öffentlichen Verkehr gewidmeten
Fläche, so verstößt dies gegen § 18 StrWG NRW (unerlaubte Sondernutzung). Die
Behörde ist gemäß § 22 S. 2 StrWG NRW berechtigt, das Fahrzeug sofort
abzuschleppen.
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Zum anderen war das Fahrzeug des Klägers durch einen Unfall erheblich beschädigt,
wobei spitze Ecken und Kanten herausragten. Insofern lag eine Gefahr für die
öffentliche Sicherheit vor, denn Passanten und spielende Kinder hätten sich verletzen
können. Hinzu kommt, dass das Fahrzeug in der Nähe einer Schule abgestellt war, wo
auch zu schulfreien Zeiten damit zu rechnen ist, dass sich Kinder und Jugendliche dort
treffen.
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Es kann dahin stehen, ob der Kläger zunächst zur Vermeidung von Gefährdungen das
Fahrzeug mit Umzugskartons umstellt und diese mit starkem Klebeband befestigt hat.
Denn jedenfalls waren Kartons im Zeitpunkt der Mitteilung eines Anwohners und auch
bei der ersten Kontrolle durch den Beklagten nicht mehr vorhanden. Das Sichern eines
Unfallfahrzeuges mit Umzugskartons erweist sich unter
Gefahrenabwehrgesichtspunkten als untauglich, da diese abhanden kommen können
und sie überdies das Interesse von Kindern und Jugendlichen erst Recht auf das
Fahrzeug lenken können.
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Das Abschleppen im Wege des Sofortvollzugs am Freitag, den 20.07.2007 war auch
verhältnismäßig. Insbesondere ist angesichts der oben dargestellten Gefahren nicht zu
beanstanden, wenn der Beklagte dem letzten Halter keine längere Frist zum Entfernen
des Fahrzeuges eingeräumt hat. Der Verlauf der Sachbearbeitung (Eingang der
Mitteilung über das Fahrzeug montags um 17.57 Uhr, Kontrolle durch den Außendienst
dienstags, Schreiben an den letzten Halter mit Fristsetzung bis Donnerstag,
Nachkontrolle am Donnerstag, den 19.07.2007 und Erteilung des Abschleppauftrages
am Freitag, den 20.07.2007) zeigt, dass die Angelegenheit beim Beklagten als
eilbedürftig angesehen wurde und aus Kulanzgründen zunächst dem letzten Halter mit
kurzer Frist Gelegenheit eingeräumt werden sollte, das Fahrzeug fortzubringen. Bei der
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gegebenen Sachlage hätte das Fahrzeug aber auch unmittelbar abgeschleppt werden
dürfen. Vor diesem Hintergrund ist es nicht zu beanstanden, dass eine ausgesprochen
kurze Frist gesetzt worden war, zumal der letzte Halter vorrangig telefonisch
benachrichtigt werden sollte, was aber nicht gelang.
Des Weiteren ist auch der Ansatz der Verwahrungskosten in Höhe von 168,85 EUR
zzgl. MWSt. nicht zu beanstanden. Bei den Verwahrungskosten handelt es sich
ebenfalls um Kosten der Abschleppmaßnahme nach Maßgabe der oben genannten
Vorschriften.
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Der Kläger hatte insbesondere keinen Anspruch auf Herausgabe seines Fahrzeuges
ohne Erstattung der angefallenen Abschleppkosten. Nach § 24 Nr. 13 OBG NRW in
Verbindung mit § 46 Abs. 3 Satz 4 PolG NRW kann die Herausgabe von der Zahlung
der Kosten abhängig gemacht werden.
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Es sind keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass die Geltendmachung eines
Zurückbehaltungsrechtes durch den Beklagten hier unbillig sein könnte. Eine
Sicherheitsleistung bezüglich der Abschleppkosten hat der Kläger nicht angeboten.
Vielmehr hat er geltend gemacht, keinerlei Kosten tragen zu können. Außerdem hat der
Beklagte auf noch offenstehende Kosten aus vorangegangenen Abschleppmaßnahmen
hingewiesen (wobei die Rechtmäßigkeit dieser früheren Abschleppmaßnahmen nicht
Gegenstand des Verfahrens ist). Vor diesem Hintergrund ist die Geltendmachung des
Zurückbehaltungsrechts nicht unbillig.
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Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus der geltend gemachten Gehbehinderung des
Klägers. Der Kläger konnte das Fahrzeug rechtlichen und tatsächlichen Gründen nicht
nutzen; es war abgemeldet und nicht verkehrstüchtig. Insoweit hätte es ihm im Hinblick
auf seine Gehbehinderung nicht von Nutzen sein können.
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Die Kostenentscheidung folgt aus § 161 Abs. 2 in Verbindung mit §§ 154, 155 Abs. 1
VwGO. Soweit das Verfahren infolge der Reduzierung des Bescheides um die
Verwertungskosten teilweise für erledigt erklärt worden ist, trägt der Beklagte die
Kosten. Insoweit ist er dem Begehren des Klägers nachgekommen und hat sich in die
Rolle des Unterliegens begeben. Im Übrigen waren die Kosten dem unterlegenen
Kläger aufzuerlegen. Die ermittelte Kostenquote entspricht dem Maße des jeweiligen
Unterliegens in Bezug auf die insgesamt streitige Forderung.
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Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i.V.m. §§
708 Nr. 11, 711 ZPO.
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