Urteil des VG Köln vom 24.04.2007

VG Köln: arzneimittel, bestandteil, anzeige, epikondylitis, dosierung, begriff, zusammensetzung, beitrag, form, behörde

Verwaltungsgericht Köln, 7 K 7200/03
Datum:
24.04.2007
Gericht:
Verwaltungsgericht Köln
Spruchkörper:
7. Kammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
7 K 7200/03
Tenor:
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens trägt die Klägerin.
Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann
die Voll- streckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des
Vollstreckungsbetrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der
Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Tatbestand: Im April 1978 zeigte die Klägerin das Arzneimittel Q. ® Sportgel gemäß Art.
3 § 7 Abs. 2 Satz 1 des Gesetzes zur Neuordnung des Arzneimittelrechts (AMNG) an.
Als wirksame Bestandteile je 100 g Gel waren angegeben: Heparin-Natrium 50.000 I.E.,
Dexpanthenol 2,5 g und Dimethylsulfoxid 15 g. Die Anwendungsgebiete waren wie folgt
bezeichnet: Akute posttraumatische Prozesse im Bereich der Muskulatur, der Sehnen,
Sehnenscheiden und Gelenke wie Kontusionen, Distorsionen, Bursitiden, Tendinitiden
und Epikondylitiden. Akute Neuralgien, Periarthritis humeroscapularis, Phlebopathien
im akuten Zustand. Im Januar 1982 zeigte die Klägerin eine Änderung der Bezeichnung
des Arzneimit- tels in E. ® an. Durch Änderungsanzeige vom 19.10.1984 wurden die
Anwen- dungsgebiete wie folgt gefasst: Beschwerden bei: Prellungen, Blutergüssen
und Ent- zündungen nach stumpfen Verletzungen der Muskeln, Sehnen,
Sehnenscheiden, Bänder, Gelenke, wie Quetschungen und Prellungen,
Verstauchungen und Zerrun- gen, Tennisellenbogen, Sehnenentzündungen,
Sehnenscheidenentzündungen, Schleimbeutelentzündungen; akute Neuralgien, Arm
und Schultersteife (Periarthritis humeroscapularis), akute Beschwerden bei
oberflächlichen venösen Beinleiden. Am 20. November 1989 beantragte die Klägerin
die Verlängerung der Zulassung. Eine Änderung der wirksamen Bestandteile und der
Anwendungsgebiete erfolgte nicht. Am 5. August 1993 stellte die Klägerin den
sogenannten Langantrag. Als wirksame Bestandteile pro 100 g Gel waren angegeben:
Heparin-Natrium 50.000 I.E. (ca. 0,33 g), Dexpanthenol 2,5 g, Dimethylsulfoxid, 10 %
H2O 16.660 g. Durch Änderungsan- zeige vom 26. September 1994 eliminierte die
Klägerin das Anwendungsgebiet „aku- te Beschwerden bei oberflächlichen venösen
Beinleiden".
1
Am 21. Oktober 2000 legte die Klägerin bei der Beklagten die Erklärung zum Ein-
2
reichen der Unterlagen gemäß 10. Änderungsgesetz zum AMG vor und führte unter
anderem aus, sie beziehe sich auf anderes wissenschaftliches Erkenntnismaterial im
Sinne des § 22 Abs. 3 des Arzneimittelgesetzes (AMG). Weiterhin reichte sie Gut-
achten zur Pharmakologie/Toxikologie sowie zur Klinik und eine entsprechende Do-
kumentation ein. Als arzneilich wirksame Bestandteile pro 100 g Gel waren in der
beigefügten Fach- und in der Gebrauchsinformation angegeben: Dimethylsulfoxid 15 g,
Heparin-Natrium 50.000 I.E., Dexpanthenol 2,5 g. Am 11. Juni 2002 übersandte das
Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) der Klägerin ein
Mängelschreiben und setzte eine Mängelbeseitigungsfrist von einem Monat. Zur Be-
gründung der Fristsetzung führte das BfArM aus, es lägen besonders gravierende
Mängel vor, die selbst bei Gewährung der gesetzlichen Höchstfrist von 12 Monaten nicht
beseitigt werden könnten. Dem Schreiben war eine medizinische Stellungnah- me
beigefügt, in der ausgeführt wurde, die Verlängerung der Zulassung sei zu ver- sagen,
da die angegebene therapeutische Wirksamkeit nach dem gesicherten Stand der
wissenschaftlichen Erkenntnisse unzureichend begründet sei, eine ausreichende
Begründung fehle, dass jeder arzneilich wirksame Bestandteil einen Beitrag zur posi-
tiven Beurteilung des Arzneimittels leiste, dem Arzneimittel für die beanspruchten
Anwendungsgebiete die therapeutische Wirksamkeit fehle und der begründete Ver-
dacht bestehe, dass das Arzneimittel auch bei bestimmungsgemäßen Gebrauch
schädliche Wirkungen habe. Der wirksame Bestandteil Dimethylsulfoxid sei als arz-
neilich wirksamer Bestandteil zu deklarieren. Zur Begründung war unter anderem
ausgeführt, für die beanspruchten Anwendungsgebiete lägen keine ausreichenden
kontrollierten klinischen Untersuchungen vor. Der Beleg der Wirksamkeit sei mit dem
beantragten Arzneimittel zu führen oder mit einem Präparat mit identischer Zusam-
mensetzung. Von den beanspruchten Anwendungsgebieten seien in dem klinischen
Gutachten die Indikationen „Therapie von stumpfen Traumen und Tendopathien" nach
dem gesicherten Stand der wissenschaftlichen Erkenntnisse nur unzureichend, die
anderen beanspruchten Anwendungsgebiete gar nicht begründet worden. Eine
ausreichende Begründung dafür, dass jeder Bestandteil einen Beitrag zur positiven
Beurteilung des Arzneimittels leiste, sei nicht eingereicht worden. Nach dem vorge-
legten Gutachten ergebe sich die Sinnhaftigkeit der Kombination aus der additiven
Wirkung der Einzelsubstanzen. Dies lasse sich den eingereichten Studien aber nicht
entnehmen. Das Nutzen-Risiko-Verhältnis könne aufgrund der eingereichten Unter-
lagen nicht abschließend beurteilt werden. Schließlich lägen keine Daten zur Dosis-
findung vor. Mit Schreiben vom 26. Juni 2002 beantragte die Klägerin eine Fristver-
längerung um sechs Monate und begründete dies näher. Daraufhin verlängerte das
BfArM die Mängelbeseitigungsfrist bis zum 13. September 2002. Am 11. September
2002 reichte die Klägerin ein Mängelbeseitigungsschreiben und weitere Unterlagen ein.
Zu den vom BfArM gerügten Mängeln führte sie unter ande- rem aus: Der Bestandteil
Dexpanthenol werde nicht mehr als arzneilich wirksamer Bestandteil, sondern nur als
wirksamer Bestandteil deklariert. Den Forderungen der Beklagten entsprechend
beschränke sich die Klägerin auf die Indikationen „Muskel- prellung" und „akute
Epikondylitis". Für die einzelnen Wirkstoffe sowie für die bean- spruchten
Anwendungsgebiete „akute Epikondylitis" und „Muskelprellungen" sei durch die
vorgelegten Studien die Wirksamkeit ausreichend belegt. Die Dosierung sei durch
Studien ausreichend belegt, die Kombination der arzneilich wirksamen Be- standteile
Heparin-Natrium und Dimethylsulfoxid sei sinnvoll. Dem Mängelbeseiti- gungsschreiben
waren eine von Dr. Rose verfasste Begründung der Dosierung der arzneilich wirksamen
Bestandteile sowie eine Begründung der Kombination von Di- methylsulfoxid und
Heparin-Natrium beigefügt. Mit Bescheid vom 30.September 2003 lehnte das BfArM den
Antrag auf Verlängerung der Zulassung für das Arzneimittel E. mit der Begründung ab,
den gerügten Mängeln sei innerhalb der Mängelbeseitigungsfrist nicht abgeholfen
worden. Zu näheren Begründung wurde auf eine beigefügte Anlage verwiesen . In
dieser wurde die Versagung auf § 105 Abs. 4f AMG i.V.m. § 25 Abs. 2 Nr. 2, 4 und 5a
AMG gestützt und unter anderem ausgeführt: Dimethylsulfoxid und Heparin- Natrium
würden nunmehr von der Klägerin als arzneilich wirksame Bestandteile deklariert.
Dexpanthenol solle nur noch wirksamer Bestandteil sein. Eine Begründung für die
gewählte Konzentration von Dexpanthenol werde nicht gegeben. Außerdem seien die
vorgelegten Studien nicht geeignet, eine bessere Verträglichkeit von E. Gel im Vergleich
zu einem Gel ohne Dexpanthenol zu belegen. Als Anwendungsgebiete würden
nunmehr „Muskelprellung" und „akute Epikondylitis" beansprucht. Die im
Mängelbeseitigungsverfahren eingereichte Neubewertung von zwei Studien hätten die
gerügten Mängel nicht beseitigt, so dass die Wirksamkeit und Unbedenklichkeit des
Arzneimittels nach wie vor nicht belegt sei. Auch sei ein positiver Beitrag der
Einzelbestandteile der Kombination nicht begründet.
Am 30. Oktober 2003 hat die Klägerin Klage erhoben, mit der sie die Verpflichtung der
Beklagten zur Neubescheidung begehrt. Zur Begründung führen die Klägerin bzw. ihre
Prozessbevollmächtigte unter ande- rem aus: Entgegen der Ansicht der Beklagten liege
für die beiden für die Wirksamkeit relevanten Einzelbestandteile Dimethylsulfoxid und
Heparin sowie für die Wirksamkeit der Kombination ein ausreichender Beleg vor. Die
eingereichten Studien belegten, dass Dimethylsulfoxid hoch signifikant besser wirksam
sei als Heparin und Dexpanthenol Gel. Auch sei belegt, dass Dexpanthenol die lokale
Verträglichkeit von E. verbessere. Weiterhin sei das BfArM zu Unrecht davon
ausgegangen, dass klinische Studien zur Wirksamkeit vorzulegen seien. Die
Vorlagepflichten der Klägerin seien erheblich reduziert, weil das Arzneimittel allgemein
medizinisch verwendet werde. Abgesehen davon sei der Ablehnungsbescheid bereits
deshalb rechtswidrig, weil die gesetzte Mängelbeseitigungsfrist zu kurz bemessen
gewesen sei. Das BfArM habe die von der Klägerin beantragte Mängelbeseitigungsfrist
ermessenfehlerhaft nicht um den beantragten Zeitraum von 6 Monaten verlängert. Das
Arzneimittel sei auch nicht hinsichtlich des Inhaltsstoffs Dexpanthenol unzulässig
geändert worden. Dexpanthenol sei in einer Menge von 2,5 g seit 1978 in dem
Arzneimittel enthalten. Im Rahmen des Mängelbeseitigungsverfahrens habe die
Klägerin lediglich eine Umdeklaration von Dexpanthenol in einen wirksamen
Bestandteil vorgeschlagen. Eine entsprechende Änderungsanzeige sei von der
Klägerin nicht eingereicht worden. Die Klägerin habe das Arzneimittel auch immer das
Arzneimittel mit Dexpanthenol als wirksamen Bestandteil in den Verkehr ge- bracht. Im
übrigen wäre auch nach Umsetzung der Umdeklaration keine Abweichung von dem
fiktiv zugelassenen Arzneimittel anzunehmen, da sich die Zusammensetzung des
Arzneimittels nicht geändert habe. In der mündlichen Verhandlung hat die Klägerin
erklärt, dass sie die Angaben bezüglich der arzneilich wirksamen Bestandteile des
Arzneimittels im Schreiben vom 9. September 2002 zurücknimmt.
3
Die Klägerin beantragt,
4
die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 30. September 2003 zu verpflichten,
den Verlängerungsantrag für des Arzneimittel E. (Eingangs-Nr. 000000, Ordnungs-Nr.
00000), entsprechend der Fachinformation mit Stand vom Mai 2006, unter Beachtung
der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu bescheiden.
5
Zur Begründung führt sie unter anderem aus: Aus dem Mängelbeseitigungsschreiben
ergebe sich nicht, dass es sich bei der Änderung des arzneilich wirksamen Bestandteils
6
Dexpanthenol in einen wirksamen Bestandteil lediglich um einen Vorschlag der
Klägerin gehandelt habe. Weiterhin seien auch in der im Mängelbeseitigungsverfahren
vorgelegten Dosierungsbegründung nur Dimethylsulfoxid und Heparin-Natrium als
arzneilich wirksame Bestandteile angegeben worden. Da die Anzeige einer Änderung
nicht an eine bestimmte Form gebunden sei, gelte sie mit dem Eingang des
Mängelbeseitigungsschreibens vom 9. September 2002 als erfolgt. Dass die Klägerin
die Änderung in ihren Informationstexten nicht umgesetzt habe, sei unerheblich.
Weiterhin sei die vom BfArM gesetzte Mängelbeseitigungsfrist angemessen gewesen.
Das BfArM sei nicht verpflichtet, die Höchstfrist von 12 Monaten auszuschöpfen.
Vielmehr müsse es sich am Ziel des § 105 Abs. 5 Satz 1 AMG, dem zügigen Abschluss
des Nachzulassungsverfahrens, orientieren. Die Klägerin habe nicht näher dargelegt,
warum eine Frist von 3 Monaten unzureichend gewesen sei. Schließlich sei die
Beklagte nach wie vor der Auffassung, dass die von der Klägerin im
Nachzulassungsverfahren vorgelegten Unterlagen nicht den Schluss auf eine
therapeutische Wirksamkeit des Arzneimittels für die beanspruchten
Anwendungsgebiete zuließen und eine ausreichende Kombinationsbegründung fehle.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte,
die beigezogenen Verwaltungsvorgänge des BfArM sowie die von den Beteiligten
eingereichten weiteren Unterlagen Bezug genommen. E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
7
Die Klage ist nicht begründet.
8
Der Bescheid des BfArM vom 30. September 2003 ist rechtmäßig und verletzt die
Klägerin nicht in ihren Rechten, so dass diese keinen Anspruch auf eine erneute
Bescheidung besitzt (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO).
9
Die Rechtmäßigkeit des Versagungsbescheides folgt bereits daraus, dass die Klägerin
mit Schreiben vom 9. September 2002 die arzneilich wirksamen Bestandteile des
Arzneimittels unzulässig geändert hat, so dass gemäß § 29 Abs. 3 Nr. 1 AMG eine
Neuzulassung erforderlich war. Diese Änderung hat die Klägerin auch nicht durch die in
der mündlichen Verhandlung abgegebene Erklärung wirksam zurückgenommen.
10
Gemäß § 29 Abs. 3 Nr. 1 AMG in der zum Zeitpunkt des Zugangs des
Mängelbeseitigungsschreibens vom 9. September 2002 gültigen Fassung ist bei einer
Änderung der Zusammensetzung der arzneilich wirksamen Bestandteile nach Art oder
Menge eine neue Zulassung zu beantragen. Was als arzneilich wirksamer Bestandteil
anzusehen ist, ergibt sich im Falle der Neuzulassung aus dem Zulassungsbescheid, der
die vom Antragsteller im Antrag als arzneilich wirksam deklarierten Bestandteile
festsetzt. Eine „Umdeklaration" eines arzneilich wirksamen Bestandteils in einen
wirksamen oder sonstigen Bestandteil ist nicht möglich, weil alle Prüfungen hinsichtlich
Wirksamkeit, Unbedenklichkeit und Qualität auf den im Antrag als arzneilich wirksame
Bestandteile bezeichneten Inhaltsstoffen beruhen. Eine Änderung eines arzneilich
wirksamen Bestandteils liegt daher auch dann vor, wenn ohne Änderung der Stoffe
eines Arzneimittels die bisherigen arzneilich wirksamen Bestandteile anders
eingruppiert werden. Da die §§ 105 ff AMG in der Fassung des Zehnten Gesetzes zur
Änderung des Arzneimittelgesetzes vom 4. Juli 2000 (BGBl. I S. 1002) für die Änderung
eines arzneilich wirksamen Bestandteils nach dem 31. Januar 2001 nur für
homöopathische Arzneimittel eine abweichende Regelung treffen, ist § 29 Abs. 3 Nr. 1
AMG auf fiktiv zugelassene Arzneimittel in gleicher Weise anzuwenden wie auf neu
zugelassene Arzneimittel. Weiterhin besteht auch kein Raum für eine unterschiedliche
11
Auslegung des Begriffs der Änderung eines arzneilich wirksamen Bestandteils
hinsichtlich neu zugelassener und fiktiv zugelassener Arzneimittel. Dies folgt bereits
daraus, dass der Wortlaut der §§ 105 Abs. 3a, 136 Abs. 2a AMG, die teils weiterhin, teils
bis zum 31. Januar 2001 Ausnah- men von der in § 29 Abs. 3 Satz 1 AMG getroffenen
Bestimmung regeln, keinen An- haltspunkt für eine über diese Regelungen
hinausgehende unterschiedliche Behand- lung von zugelassenen und fiktiv
zugelassenen Arzneimitteln bieten. Dem kann die Klägerin nicht entgegenhalten, eine
Neuzulassungspflicht sei zum Zwecke der Gefahrenabwehr nicht erforderlich, wenn bei
einem fiktiv zugelassenen Arzneimittel lediglich ein arzneilich wirksamer Bestandteil in
einen wirksamen Bestandteil umdeklariert werde, denn der Gesetzgeber hat die bis zum
Inkrafttreten des 10. Änderungsgesetzes bestehenden weitgehenden
Änderungsmöglichkeiten nach § 105 Abs. 3a AMG alte Fassung nicht aus Gründen der
Gefahrenabwehr aufgehoben, sondern um das Nachzulassungsverfahren zu
beschleunigen.
Vgl. Regierungsbegründung zum 10. Gesetz zur Änderung des Arzneimittelgesetzes,
Bundestagsdrucksache 14/2292, S. 8, zu § 105 Abs. 3a AMG, abgedruckt in Sander,
Arzneimittelrecht, § 105 AMG Anmerkung A.
12
Dieses Ergebnis wird durch § 4 Abs. 19 AMG in der Fassung des 14. Gesetzes zur
Änderung des Arzneimittelgesetzes vom 29. August 2005 (BGBl. I, S. 2570) - 14.
Änderungsgesetz - bestätigt. Durch das 14. Änderungsgesetz ist der Begriff arzneilich
wirksamer Bestandteil in Anpassung an die im europäischen Recht verwendete
Terminologie durch den Begriff „Wirkstoff" ersetzt worden.
13
Vgl. Regierungsbegründung zum 14. Änderungsgesetz, zu § 4 Abs. 2 und zu § 29 Abs.
3, Bundesratsdrucksache 237/05, S. 75 und S. 91, abgedruckt bei Kloe-sel/Cyran,
Arzneimittelrecht, § 4 und § 29 AMG.
14
Dieser Begriff ist wiederum in § 4 Abs. 19 AMG in der Fassung des 14.
Änderungsgesetzes definiert. Danach sind Wirkstoffe Stoffe, die dazu bestimmt sind, bei
der Herstellung von Arzneimitteln als arzneilich wirksame Bestandteile zu dienen. Es
reicht daher für eine Änderung der Zusammensetzung der Wirkstoffe (arzneilich
wirksamen Bestandteile) aus, dass der Inhaber der Zulassung bzw. der fiktiven
Zulassung die Bestimmung eines Inhaltsstoffes zum arzneilich wirksamen Bestandteil
ändert.
15
Die Klägerin hat mit ihrem Mängelbeseitigungsschreiben vom 9. September 2002 eine
Änderung der arzneilich wirksamen Bestandteile angezeigt, auch wenn sie eine
Änderungsanzeige auf dem von der Beklagten für Änderungsanzeigen vorgesehenen
Formblatt nicht abgegeben hat. Im Schreiben vom 9. September 2002 ist ausgeführt,
dass Dexpanthenol nicht mehr als arzneilich wirksamer Bestandteil, sondern als
wirksamer Bestandteil angegeben wird. Eine Einschränkung dahingehend, dass es sich
nicht um eine Änderung, sondern nur um den Vorschlag einer Änderung handelt, ist
dem Schreiben vom 9. September 2002 nicht zu entnehmen. Vielmehr können die mit
diesem Schreiben eingereichten Unterlagen nur dann der Mängelbeseitigung dienen,
wenn man eine Änderung der arzneilich wirksamen Bestandteile zugrunde legt. Sowohl
die vorgelegte Begründung zur Dosierung als auch die nachgereichte
Kombinationsbegründung gehen nämlich davon aus, dass Dexpanthenol kein arzneilich
wirksamer Bestandteil ist. Ausführungen dazu, dass das Arzneimittel auch dann die
Nachzulassungs- voraussetzungen erfüllt, wenn Dexpanthenol als arzneilich wirksamer
16
Bestandteil angesehen wird, fehlen völlig. Da für die Anzeige einer Änderung im Sinne
des § 29 Abs. 1 AMG keine Formvorschriften gelten, war das Schreiben vom 9.
September 2002 aus der Sicht des für die Auslegung maßgeblichen
Empfängerhorizonts dahin auszulegen, dass nur noch Dimethylsulfoxid und Heparin-
Natrium arzneilich wirksame Bestandteile waren und das Arzneimittel E. in der so
geänderten Form Gegenstand des Nachzulassungsantrags sein sollte. Dies wird
dadurch bestätigt, dass auch in der Klagebegründungsschrift vom 2. Februar 2004 nur
Dimethylsulfoxid und Heparin als die für die Wirksamkeit relevanten Bestandteile
bezeichnet werden.
Die Klägerin hat die daher mit Eingang des Mängelbeseitigungsschreibens vom 9.
September 2002 am 11. September 2002 angezeigte Änderung der arzneilich
wirksamen Bestandteile des Arzneimittels E. auch nicht durch ihre Erklärung in der
mündlichen Verhandlung wirksam zurückgenommen. Die Änderung der arzneilich
wirksamen Bestandteile eines fiktiv zugelassenen Arzneimittels wird mit dem Eingang
der Anzeige bei der zuständigen Behörde erklärt; ihre Zulässigkeit richtet sich nach dem
zum Zeitpunkt des Eingangs gültigen Recht.
17
Vgl. Oberverwaltungsgericht (OVG) Berlin, Urteil vom 31. Oktober 2002 - OVG 5 B 24.00
-, S. 6 des Urteilsabdrucks; VG Köln, Urteil vom 27. Februar 2007 - 7 K 2591/04 -, S. 8
des Urteilsabdrucks, und Urteil vom 14. Dezember 2005 - 24 K 1150/02 -, S. 8 des
Urteilsabdrucks.
18
Auf die Umsetzung der erklärten Änderung im Vertrieb des Arzneimittels kommt es
daher nicht an. Es kann dahinstehen, ob eine Änderungsanzeige, die nach § 29 Abs. 3
Satz 1 AMG eine Neuzulassungspflicht begründet, grundsätzlich nicht
zurückgenommen werden kann, so dass mit Eingang dieser Anzeige die fiktive
Zulassung eines Arzneimittels erlischt.
19
So Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen (OVG NRW), Beschluss
vom 31. Oktober 2006 - 13 A 3269/05.
20
Jedenfalls kann eine angezeigte Änderung, auch wenn sie unzulässig ist und zu einer
Neuzulassungspflicht führt, nach der Entscheidung des BfArM über den
Nachzulassungsantrag nicht mehr zurückgenommen werden. Mit der Anzeige der
Änderung eines fiktiv zugelassenen Arzneimittels ist jeweils eine entsprechende
Änderung des Nachzulassungsantrags verbunden, da sich dieser nur auf das (nach
Auffassung des Antragstellers) fiktiv zugelassene Arzneimittel beziehen kann. Ob die
Änderung eines Antrags nach einer Entscheidung der Behörde zulässig ist, richtet sich
nach dem jeweiligen Fachrecht.
21
Vgl. Kopp/Ramsauer, Verwaltungsverfahrensgesetz, 9. Auflage, § 22 Rdnr. 59;
Stelkens/Bonk/Sachs, Verwaltungsverfahrensgesetz, 6. Aufl., § 22 Rdnr. 74.
22
Eine ausdrückliche Regelung zur Rücknahme von Änderungsanzeigen und damit
verbundenen Änderungen des Nachzulassungsantrags enthält das Arzneimittelgesetz
nicht. Aus dem Sinn und Zweck der Regelungen zum Mängelbeseitigungsverfahren in §
105 Abs. 5 AMG folgt aber, dass bei der Nachzulassung dem Verwaltungsverfahren
eine besondere Bedeutung zukommt. So ist die Zulassung zu versagen, wenn gerügten
Mängeln nicht innerhalb der Mängelbeseitigungsfrist abgeholfen wird (§ 105 Abs. 5 Satz
2 AMG). Neue Unterlagen zur Mängelbeseitigung können gemäß § 105 Abs. 5 Satz 3
23
AMG nach Abschluss des Verwaltungsverfahrens nicht mehr eingereicht werden. Mit
der in diesen Regelungen zum Ausdruck kommenden besonderen Bedeutung des Ver-
waltungsverfahrens ist die Rücknahme einer vor der Entscheidung über die
Nachzulassung angezeigten Änderung nicht zu vereinbaren, denn ansonsten würden
die für die Verwaltungsentscheidung wesentlichen Grundlagen rückwirkend geändert
und ein Sachverhalt zur Entscheidung gestellt, der nicht Gegenstand der
Verwaltungsentscheidung war.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.
24
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 167 VwGO, 708 Nr.
11, 711 ZPO.
25