Urteil des VG Köln vom 12.07.2002
VG Köln: prüfungsordnung, abschlussprüfung, darlehen, zwischenprüfung, teilerlass, hochschule, politik, diplom, erstausbildung, lfg
Verwaltungsgericht Köln, 18 K 2877/00
Datum:
12.07.2002
Gericht:
Verwaltungsgericht Köln
Spruchkörper:
18. Kammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
18 K 2877/00
Tenor:
Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens, für das Gerichtskosten nicht
erhoben werden.
Die Berufung wird zugelassen.
Tatbestand
1
Der Kläger begann im April 1990 an der Hochschule für Wirtschaft und Politik in
Hamburg ein in zwei Ausbildungsabschnitte unterteiltes Studium. Den ersten Ab- schnitt
mit dem Schwerpunkt Betriebswirtschaftslehre, der Voraussetzung für den Übergang in
den zweiten Abschnitt ist, beendete der Kläger am 22.07.1993 mit der Diplomprüfung 1
zum Diplom-Betriebswirt. Den zweiten Studienabschnitt beendete er am 23.08.1995 mit
der Diplomprüfung 2 zum Diplom-Sozialökonom. Während seines Studiums erhielt der
Kläger darlehensweise Leistungen nach dem Bundesausbil- dungsförderungsgesetz
(BAföG).
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Mit Feststellungs- und Rückzahlungsbescheid vom 16.10.1999, abgesandt am
27.10.1999, forderte das Bundesverwaltungsamt den Kläger zur Rückzahlung der in
Höhe von 24.702,- DM festgestellten Darlehensschuld auf. Das Ende der Förde-
rungshöchstdauer wurde auf den letzten Tag des Monats März 1995 und der Rück-
zahlungsbeginn auf den 30.04.2000 bestimmt.
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Mit Schreiben vom 29.11.1999, bei der Beklagten eingegangen am 01.10.1999, stellte
der Kläger einen Antrag auf Gewährung eines leistungsabhängigen Teilerlasses
hinsichtlich des Darlehens, dass ihm bis zur (mit "sehr gut" bestandenen)
Diplomprüfung 1 bewilligt wurde.
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Mit Bescheid vom 17.12.1999 lehnte das Bundesverwaltungsamt die Gewährung eines
leistungsabhängigen Teilerlasses ab. Den hiergegen am 19.01.2000 erhobe- nen
Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 29.02.2000 zu- rück.
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Am 03.04.2000 hat der Kläger Klage erhoben. Zur Begründung führt er aus, er begehre
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nur einen Teilerlass für den ersten Studienabschnitt mit dem Schwerpunkt
Betriebswirtschaft, nicht hingegen für den sich anschließenden Studienabschnitt
Sozialökonomie. Auch der erfolgreiche Abschluss des ersten Ausbildungsabschnitts
stelle einen berufsqualifizierenden Abschluss dar. Durch die Versagung eines
Teilerlasses werde er im Verhältnis zu denjenigen, die ihre Ausbildung mit der
Diplomprüfung 1 abschließen und erst nach Gewährung eines Teilerlasses mit dem
zweiten Studienabschnitt beginnen würden, willkürlich ungleich behandelt.
Der Kläger beantragt,
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die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides des Bundesverwaltungsamtes vom
17.12.1999 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29.02.2000 zu verpflichten,
dem Kläger einen leistungsabhängigen Teilerlass in gesetzlicher Höhe zu gewähren,
und zwar ausgehend von dem bis zum bis zur Diplomprüfung 1 gewährten Darlehen.
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Die Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Sie führt aus, bei dem vom Kläger absolvierten Studiengang handele es sich um einen
Konsekutivstudiengang, bei dem hinsichtlich der Teilerlassberechtigung auf den letzten
Abschluss abzustellen sei. Insoweit gehöre der Kläger jedoch nicht zu den ersten 30
vom Hundert aller Prüfungsabsolventen.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der
Gerichtsakte und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Beklagten und des
Studentenwerks Hamburg Bezug genommen. Entscheidungsgründe
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Die zulässige Klage ist nicht begründet.
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Der Bescheid des Bundesverwaltungsamtes vom 17.12.1999 in der Gestalt des
Widerspruchsbescheides vom 29.02.2000 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht
in seinen Rechten (§ 113 Abs. 5 Abs. 1 VwGO). Der Kläger hat keinen Anspruch auf
Gewährung eines leistungsabhängigen Teilerlasses nach § 18 b BAföG.
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Unter den Voraussetzungen des § 18 b Abs. 1 Satz 1 bzw. Abs. 2 Sätze 1 und 2 BAföG
werden dem Auszubildenden, der die Abschlussprüfung bestanden hat und nach ihrem
Ergebnis zu den ersten 30 vom Hundert aller Prüfungsabsolventen gehört, die diese
Prüfung in demselben Kalenderjahr abgeschlossen haben, auf Antrag bis zu 25 vom
Hundert des nach dem 31.12.1983 für diesen Ausbildungsabschnitt geleisteten
Darlehensbetrages erlassen.
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Abschlussprüfung in diesem Sinne ist jede Prüfung, die die konkret durchgeführte
Ausbildung zu einem endgültigen Abschluss bringt und im Falle ihres Bestehens den
Erwerb der Qualifikation für einen Beruf vermittelt.
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Vgl. BVerwG, Urteil vom 25.11.1992 - 11 C 23/92 -, und Beschluss vom 18.06.1998 - 5 B
77/98 -; siehe auch § 2 Abs. 1 BAföG-TeilerlassV, wonach diejenige Prüfung
Abschlussprüfung ist, die dazu bestimmt ist, einen Ausbildungs- oder Studiengang
abzuschließen.
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Weist ein Studiengang mit einer einheitlichen Prüfungsordnung zwei aufeinander
bezogene, abgestufte Teile auf und ist die Prüfung am Ende des ersten Teils sowohl
berufsqualifizierender Abschluss als auch Voraussetzung für die Fortsetzung des
Studienganges (Konsekutivstudiengang), so gilt die bestandene erste Prüfung
förderungsrechtlich für die Dauer des unmittelbar anschließenden Teils der Ausbildung
nicht als berufsqualifizierender Abschluss.
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So in Anlehnung an Tz. 7.1.10 BAföGVwV Blanke, in: Rothe/Blanke, BAföG, 5. Aufl., 19.
Lfg. (Stand: September 2001), § 7 Rn. 11 mit weiteren Nachweisen; wohl auch OVG
NRW, Beschluss vom 24.11.1994 - 16 A 2319/94 -; offenlassend BVerwG, Urteil vom
14.01.1982 - 5 C 49/80 -, FamRZ 1982, 739 ff.
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Auch nach Auffassung der Kammer stellt sich in diesem Falle die nach der
Prüfungsordnung am Ende des ersten Teils erfolgreich abgelegte Prüfung als eine Art
Zwischenprüfung dar, bei der der damit verbundene berufsqualifizierende Abschluss
förderungsrechtlich zu vernachlässigen und die fortgesetzte Ausbildung noch der
Erstausbildung zuzuordnen ist.
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Vgl. wiederum Blanke, in: Rothe/Blanke, BAföG, § 7 Rn. 11; BVerwG, Urteil vom
14.01.1982 - 5 C 49/80 -, FamRZ 1982, 739 ff.
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Die vom Kläger konkret durchgeführte Ausbildung erfüllt die Voraussetzungen eines
Konsekutivstudiums. Bei der maßgeblichen Prüfungsordnung für den
sozialökonomischen Studiengang an der Hochschule für Wirtschaft und Politik vom
08.11.1994 in der Fassung vom 08.07.1993 handelt es sich insbesondere um eine
einheitliche Prüfungsordnung, auch wenn diese in zwei - aufeinander bezogene -
Teilprüfungsordnungen unterteilt ist. Dem entspricht auch § 1 Abs. 2 der
Prüfungsordnung, nach dem die Regelstudienzeit des sozialökonomischen
Studiengangs neun Semester und zwei Monate beträgt und damit der erste Teil des
Studiums bis zur Diplomprüfung 1 in die Berechnung der Regelstudienzeit des
Gesamtstudiums einbezogen ist. Auch § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 84
FörderungshöchstdauerV geht bei einem zusammenhängend betriebenem Studium der
Sozialökonomie von einer Förderungshöchstdauer von zehn Semestern aus und sieht -
anders als bei Zusatzstudiengängen - keine getrennte Förderungshöchstdauer von drei
Semestern für den zweiten Ausbildungsabschnitt vor.
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Die Einordnung des (zusammenhängend betriebenen) sozialökonomischen
Studiengangs als einheitliche Ausbildung verstößt auch nicht gegen Art. 3 Abs. 1 GG.
Der Kläger sieht sich im Verhältnis zu denjenigen Darlehensnehmern ungleich
behandelt, die den zweiten Ausbildungsabschnitt erst nach längerer Berufstätigkeit und
damit nicht in unmittelbarem Anschluss an den ersten Teil des Studiums absolviert
haben und - auf im Übrigen identischer Tatsachengrundlage - hinsichtlich des ersten
Teils der Ausbildung in den Genuss eines leistungsabhängigen Teilerlasses gekommen
sind.
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Dieser Einschätzung ist insoweit zuzustimmen, als hierin bei isolierter Betrachtung in
der Tat eine Ungleichbehandlung zu erkennen ist. Allerdings sind bei der Prüfung des
allgemeinen Gleichheitssatzes die durch die Annahme einer einheitlichen Ausbildung
entstehenden Folgen für die Darlehensnehmer in ihrer Gesamtheit in den Blick zu
nehmen. Auf dieser Grundlage führt die Einordnung des (ununterbrochen betriebenen)
sozialökonomischen Studiums als einheitliche Ausbildung für die davon betroffenen
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Darlehensnehmer auch zu Vorteilen gegenüber denjenigen Darlehensnehmern, die das
Studium nicht zusammenhängend betrieben haben.
Zum einen ist das (ununterbrochen betriebene) Studium der Sozialökonomie auch in der
Förderphase als eine Ausbildung im Sinne des § 7 Abs. 1 BAföG anzusehen. Dies hat
wie im Falle des Klägers zur Folge, dass eine Förderung des zweiten (sich unmittelbar
anschließenden) Ausbildungsabschnitts generell und nicht nur unter den
Voraussetzungen des § 7 Abs. 2 BAföG möglich ist.
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Siehe hierzu OVG Hamburg, Beschluss vom 02.02.1996 - Bs IV 280/95 - .
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Zum anderen sind die zusammenhängend studierenden Darlehensnehmer in der
Rückzahlungsphase im Verhältnis zu den mit Unterbrechung Studierenden insoweit
bevorteilt, als sie trotz "schlechter" Zwischenprüfung bei hinreichend gutem zweiten
Abschluss in den Genuss eines leistungsabhängigen Teilerlasses in Bezug auf das für
die Gesamtausbildung gewährte Darlehen kommen. Die so gehandhabte - in erster
Linie der Verwaltungsvereinfachung dienende - Praxis der beteiligten Behörden - hier
des Bundesverwaltungsamtes und des Studentenwerks Hamburg - ist im Hinblick auf
Art. 3 Abs. 1 GG nicht zu beanstanden.
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Auf dieser rechtlichen Grundlage wäre die Teilerlassberechtigung des Klägers (bei
entsprechendem Antrag) im Hinblick auf die sozialökonomische Gesamtausbildung zu
beurteilen. Insoweit gehört der Kläger unstreitig nicht zu ersten 30 vom Hundert aller
Prüfungsabsolventen.
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Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 154 Abs. 1, 188 Satz 2 VwGO.
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Die Berufung wird zugelassen, weil die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat (§
124 a Abs. 1 Satz 1 VwGO i.V.m. § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO).
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