Urteil des VG Köln vom 23.07.2003
VG Köln: schule, mitbestimmungsrecht, vertretung, lehrer, drucksache, gesetzesmaterialien, weiterbildung, gleichbehandlung, rechtsschutzinteresse, eingliederung
Verwaltungsgericht Köln, 34 K 6656/02.PVL
Datum:
23.07.2003
Gericht:
Verwaltungsgericht Köln
Spruchkörper:
Fachkammer für Landespersonalvertretungssachen
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
34 K 6656/02.PVL
Tenor:
1. Das Verfahren wird eingestellt, soweit der Antragsteller den Antrag
zurückgenommen hat. Im Übrigen wird festgestellt, dass der Beteiligte
das Mitbestimmungsrecht des Antragstellers gemäß § 72 Abs. 1 Nr. 4
LPVG bei der Eingruppierung der Lehrerin T. in die Vergütungsgruppe II
a Fallgruppe 3.1 und der Lehrerin T1. in die Vergütungsgruppe III
Fallgruppe 4.3 BAT verletzt hat.
2. Der Gegenstandswert wird auf 4.000,-- Euro festgesetzt.
G r ü n d e
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I.
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Zwischen dem Antragsteller und dem Beteiligten bestehen Meinungsverschie-
denheiten über die Auslegung der Neufassung des § 94 Abs. 4 LPVG.
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Zum Einen vertritt der Antragsteller gegenüber dem Beteiligten die Auffassung, ein
unvorhersehbarer Vertretungsunterricht i.S.d. § 94 Abs. 4 LPVG liege dann nicht mehr
vor, wenn - wie in den hier streitigen Fällen der befristeten Einstellung der Frau T. für die
Zeit vom 14.03. bis 17.07.2002 an der Schule für Geistigbehinderte in Köln und der Frau
T1. für die Zeit vom 16.05. bis 17.07.2002 an der Schule für Lernbehinderte in Köln - das
Ereignis, welches die Vertretung erforderlich mache, länger als zwei Wochen
zurückliege. So sei Frau T. als Vertre- tung für eine Lehrerin eingestellt worden, die
bereits seit dem 21.12.2001 durchge- hend erkrankt gewesen sei. Der von Frau T1.
vertretene Lehrer sei seit dem 09.02.2002 arbeitsunfähig erkrankt gewesen. Seit - wie
hier - drei Monaten bekannte Ereignisse seien nicht mehr unvorhergesehen. Dies gelte
auch dann, wenn sich die Erforderlichkeit von Vertretungsunterricht erst einige Zeit nach
Beginn der Arbeitsun- fähigkeit herausstelle. Sinn und Zweck der Neuregelung in § 94
Abs. 4 LPVG sei es, bei Einstellungen in befristete Arbeitsverhältnisse zur Sicherung
eines unvorherseh- baren Vertretungsunterrichts die Verfahren so unbürokratisch zu
regeln, dass der Vertretungsunterricht möglichst schnell erteilt werden könne. Gerade
dies sei aber nicht der Fall gewesen. So habe im Falle der Einstellung von Frau T. die
Schule den Antrag auf Vertretung bereits am 22.02.2001 gestellt. Im Falle von Frau T1.
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sei der Antrag auf Vertretung bereits am 06.05.2002 gestellt worden. In beiden Fällen
hätten zwischen Antragstellung durch die Schule und dem Abschluss des Ar-
beitsvertrages drei bzw. vier Wochen gelegen, so dass eine bzw. sogar zwei Sitzun- gen
des Personalrats turnusmäßig stattgefunden hätten. Der Personalrat hätte also beteiligt
werden können, ohne dass es zu einer Verzögerung der Maßnahme jeweils gekommen
wäre. Zum Anderen ist der Antragsteller der Auffassung, dass durch § 94 Abs. 4 LPVG
sein Recht auf Mitbestimmung bei der Eingruppierung nicht berührt werde. Der
Beteiligte vertritt demgegenüber einerseits die Ansicht, ein i.S.d. § 94 Abs. 4 LPVG
unvorhersehbarer Bedarf an Vertretungsunterricht könne auch dann bestehen, wenn die
Erkrankung der zu vertretenden Lehrkraft bereits einige Zeit vor Abschluss des
befristeten Arbeitsvertrages bestanden habe, und zwar insbesondere dann, wenn - wie
in den Fällen der befristeten Einstellung von Frau T. und Frau T1. - zunächst ärztliche
Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen für deutlich weniger als vier Wochen vorgelegt
worden seien und die Schule bis zur Vorlage einer die Dauer von vier Wochen
erreichenden Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung dem drohenden Unter- richtsausfall
durch schulorganisatorische Maßnahmen (z.B. Kurzbeschulung) begeg- net sei.
Unvorhersehbar sei in solchen Fällen der den Vertretungsunterricht erforder- lich
machende Langzeitausfall der jeweiligen Lehrkraft. Hinsichtlich der Eingruppie- rung sei
das Mitbestimmungsrecht des Personalrats durch § 94 Abs. 4 LPVG ausge- schlossen.
Die Einstellung erfasse nämlich den Gesamtvorgang der Eingliederung des
Arbeitnehmers und damit auch die tarifmäßige Einstufung.
Am 02.08.2002 hat der Antragsteller das vorliegende Beschlussverfahren einge- leitet.
Er stellt klar, dass soweit die befristeten Einstellungen von Frau T. und Frau T1. durch
Zeitablauf ihre Beendigung gefunden hätten, ein abstraktes Feststellungsinteresse
bestehe, weil die Auslegung der Neufassung des § 94 Abs. 4 LPVG zwischen ihm und
dem Beteiligten weiterhin streitig sei.
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Nach teilweiser Antragsrücknahme in dem Anhörungstermin vom 23.07.2003 beantragt
der Antragsteller,
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festzustellen, dass der Beteiligte das Mitbestimmungsrecht des Antragstel- lers gemäß §
72 Abs. 1 Nr. 4 LPVG bei der Eingruppierung der Lehrerin T. in die Vergütungsgruppe II
a Fallgruppe 3.1 und der Lehrerin T1. in die Vergütungsgruppe III Fallgruppe 4.3 BAT
verletzt hat.
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Der Beteiligte beantragt,
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den Antrag abzulehnen.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes im Übrigen wird auf den
Inhalt der Gerichtsakte einschließlich der beigezogenen Verwaltungsvorgän- ge des
Beteiligten und der ebenfalls beigezogenen Personalakten der Frau T. und der Frau T1.
Bezug genommen.
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II.
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Soweit der Antragsteller den Antrag im Anhörungstermin zurückgenommen hat, ist das
Verfahren einzustellen (§§ 79 Abs. 2 LPVG, 83 a Abs. 2 ArbGG).
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Im Übrigen hat der Antrag Erfolg.
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Der Antrag ist zulässig. Ein Rechtsschutzinteresse ist gegeben, weil der Beteiligte
weiterhin grundsätzlich bei Einstellungsmaßnahmen im Sinne des § 94 Abs. 4 LPVG
ein Mitbestimmungsrecht des Antragstellers hinsichtlich der Eingruppierung nicht
anerkennt.
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Der Antrag ist auch begründet. Ein Mitbestimmungsrecht des Antragstellers gemäß § 72
Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 LPVG ist auch gegeben, wenn Eingruppierungen im Zu-
sammenhang mit Einstellungen in befristete Arbeitsverhältnisse zur Sicherung eines
unvorhersehbaren Vertretungsunterricht stehen. Nach dem Wortlaut des § 94 Abs. 4
LPVG kann in derartigen Fällen nur das Mitbestimmungsrecht des Personalrats nach §
72 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 LPVG ausgeschlossen sein. § 72 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 LPVG ist als
selbständiger Mitbestimmungstatbestand anzusehen; die Eingruppierung ist nicht
lediglich als Teil der Einstellungsmaßnahme zu betrachten.
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vgl. Cecior/Dietz/Vallendar/Lechtermann/Klein, Das Personal- vertretungsrecht in
Nordrhein-Westfalen, § 72 Rdnr. 94.
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Auch nach Sinn und Zweck des § 94 Abs. 4 LPVG ist nicht davon auszugehen, dass
über den Wortlaut hinaus das Mitbestimmungsrecht des Personalrats bei
Eingruppierungen in den dort geregelten Fällen ausgeschlossen sein soll. Es kann den
Gesetzesmaterialien (vgl. Gesetzentwurf vom 11.05.2001 - LT - Drucksache 13/1173
sowie Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Schule und
Weiterbildung vom 09.11.2001 - LT - Drucksache 13/1746) nicht entnommen werden,
dass eine noch weitergehende Einschränkung des Mitbestimmungsrechts beabsichtigt
war. Auch die Zielsetzung, bei unvorhergesehenen Vertretungsfällen die Einstellung
von Lehrkräften möglichst zügig und unbürokratisch vornehmen zu können, steht einer
Differenzierung zwischen den einzelnen Mitbestimmungstatbeständen nicht entgegen.
In der Regel entstehen keine Verzögerungen bei der Einstellung, wenn die Frage der
Eingruppierung der Lehrkräfte wegen der längeren Dauer des
Mitbestimmungsverfahrens erst zu einem späteren Zeitpunkt entschieden werden kann;
in diesen Fällen kann die Einstellung bereits vor dem Abschluss des Mit-
bestimmungsverfahrens erfolgen und es können zunächst lediglich vorläufige
Gehaltszahlungen geleistet werden.
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Eine Differenzierung zwischen den einzelnen Mitbestimmungstatbeständen erscheint
auch deshalb mit der Zielsetzung des § 94 Abs. 4 LPVG vereinbar, weil insbesondere
bei den tarifrechtlich oft schwierigen Fragen der Eingruppierung die Lehrerpersonalräte
regelmäßig als erfahrener und kompetenter eingeschätzt werden können als die
örtlichen Lehrerräte. Während bei der Frage der Einstellung in besonderem Maße die
Interessen der durch den örtlichen Lehrerrat vertretenen Lehrer an einer bestimmten
Schule berührt sind, sind bei der Frage der Eingruppierung der Lehrkräfte in
Vergütungsgruppen auch übergeordnete Gesichtspunkte wie die Gleichbehandlung der
Lehrer an verschiedenen Schulen zu berücksichtigen.
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Für eine Kostenentscheidung ist im personalvertretungsrechtlichen Beschlussverfahren
kein Raum.
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