Urteil des VG Köln vom 10.03.2005

VG Köln: genehmigung, verwaltungsakt, wiederholungsgefahr, vollstreckung, zukunft, unternehmen, behörde, entstehung, vollstreckbarkeit, grundrechtseingriff

Datum:
Gericht:
Spruchkörper:
Entscheidungsart:
Tenor:
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Aktenzeichen:
Verwaltungsgericht Köln, 1 K 6094/03
10.03.2005
Verwaltungsgericht Köln
1. Kammer
Urteil
1 K 6094/03
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten
der Bei- geladenen trägt die Klägerin.
Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar, für die
Beigeladene gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des jeweils
beizutreibenden Betrages. Der Klägerin wird nachgelassen, die
Vollstreckung durch die Beklagte durch Sicher- heitsleistung in Höhe von
120 % des jeweils beizutreibenden Betrages abzuwenden, wenn nicht
die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
T a t b e s t a n d
Die Klägerin ist Anbieterin von Telekommunikationsdienstleistungen und Konkur- rentin
der Beigeladenen, welche Eigentümerin und Betreiberin eines bundesweiten
Telekommunikationsnetzes ist.
Auf Antrag der Beigeladenen vom 24. Juni 2003 erteilte die Regulierungsbehörde für
Telekommunikation und Post (RegTP) dieser mit Bescheid vom 02. September 2003 ( ) die
bis zum 30. Juni 2004 befristete Genehmigung der Entgelte für das Optionsangebot
AktivPlus xxl (neu)" sowie zur Anwendung ihres Rabattprogramms ​Happy Digits" hierauf.
Mit der dagegen am 19. September 2003 erhobenen Klage begehrt die Klägerin
hauptsächlich die Aufhebung des vorgenannten Genehmigungsbescheides. Sie ist der
Auffassung, dieser Antrag sei zulässig, da sich die angegriffene Entgeltgenehmi- gung
nicht infolge Fristablaufs erledigt habe. Sie habe auch nach wie vor ein Rechts-
schutzinteresse an der Aufhebung des Genehmigungsbescheides. Die mit der Klage
aufgeworfenen materiellen Rechtsfragen, ob die Genehmigung sie - die Klägerin - in ihren
subjektiven Rechten verletze, seien für sie nämlich auch nach Ablauf des Ge-
nehmigungszeitraums von erheblicher Bedeutung. Sofern der Genehmigungsbe- scheid
aber als erledigt anzusehen sei, bestehe jedenfalls ein berechtigtes Interesse für den
hilfsweise gestellten Fortsetzungsfeststellungsantrag. Insbesondere das
Fortsetzungsfeststellungsinteresse ergebe sich aus dem Aspekt der Prozessökono- mie;
sie - die Klägerin - dürfe nicht um die Früchte des bisherigen Prozesses ge- bracht werden.
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In der Sache macht die Klägerin geltend, der Genehmigungsbescheid verstoße ge- gen §
24 Abs. 1 und 2 Nr. 1 und 2 TKG a.F., § 2 TEntgV, §§ 19 und 20 GWB und Art. 82 EG; zur
Begründung trägt sie umfänglich vor.
Die Klägerin beantragt,
1. den Bescheid der RegTP vom 02. Sep- tember 2003 ( ) aufzuheben,
2. hilfsweise festzustellen, dass der vorge- nannte Bescheid rechtswidrig gewesen ist.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hält die Klage für unzulässig.
Die Beigeladene beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie ist der Auffassung, die Klage sei unzulässig, da es am Rechtsschutzbedürf- nis fehle;
die Klägerin könne ihre Wettbewerbsposition bei einer Aufhebung der Ge- nehmigung nicht
mehr verbessern. Eine abweichende Abrechnung der unter die Flatrate des angefochtenen
Bescheides fallenden Verbindungen sei tatsächlich nicht mehr möglich, da die hierfür
erforderlichen Daten bereits gemäß § 6 Abs. 2 TDSV gelöscht worden seien. Zudem könne
durch eine nachträgliche Aufhebung der Ge- nehmigung auf die Wettbewerbsverhältnisse
während ihrer Geltungsdauer kein Ein- fluss mehr genommen werden. Abgesehen davon
sei die Klage aber auch unbe- gründet, da die von der Klägerin geltend gemachten
Rechtsverletzungen nicht vorlä- gen.
Wegen weiterer Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der
Gerichtsakte sowie der Verfahrensakte 1 L 2579/03 verwiesen.
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
Die Klage ist unzulässig.
1. Das lässt sich in Bezug auf den hauptsächlich gestellten Anfechtungsantrag allerdings
nicht mit der Erwägung begründen, der angegriffene Genehmigungsbe- scheid habe sich
infolge Fristablaufs am 30. Juni 2004 erledigt.
Im Hinblick auf die gemäß §§ 29 Abs. 1 und 96 Abs. 1 Nr. 6 des Telekommunika-
tionsgesetzes in der hier maßgeblichen Fassung vom 25.07.1996, BGBl. I S. 1120, (TKG
a.F.) erforderliche Regelungs- und Legitimationswirkung des Genehmigungs- bescheides
ist davon auszugehen, dass dieser Verwaltungsakt gegenüber der Bei- geladenen für den
Genehmigungszeitraum weiterhin gilt. Die Kammer sieht keinen sachlich überzeugenden
Grund, die Frage der Fortgeltung gegenüber der Klägerin als Nichtadressatin anders zu
beurteilen als gegenüber der Beigeladenen. Denn auch wenn die Klägerin aus der Position
der - nur - Drittbetroffenen klagt, ändert sich dadurch nichts am Regelungsinhalt der
Genehmigung.
Unzulässig ist der Anfechtungsantrag aber deshalb, weil der Klägerin das für jede
Individualklage erforderliche - allgemeine - Rechtsschutzinteresse fehlt. In dem für
Zulässigkeitsfragen maßgeblichen Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung steht nämlich
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offensichtlich fest, dass die Klägerin von einer rückwirkenden Aufhebung des
Genehmigungsbescheides keinen rechtlichen Vorteil hätte.
Zwar wäre infolge einer solchen Entscheidung das Optionsangebot ​AktivPlus xxl (neu)" für
die Zeit zwischen dem 02. September 2003 ( ) und dem 30. Juni 2004 nicht - mehr -
genehmigt. Doch ließe sich der dann anzunehmende öffentlich- rechtliche Verstoß gegen §
29 Abs. 1 TKG a.F. oder gegen die von der Klägerin als verletzt gerügten materiellen
Vorschriften (§ 24 Abs. 2 Nr. 2 TKG a.F.; § 19 GWB; Art. 82 EG) nicht mehr rückgängig
machen. Den Endkunden könnten nämlich nicht nachträglich höhere Entgelte für diesen
Zeitraum abverlangt werden. Es fehlte insoweit bereits an einer entsprechenden neuen
Genehmigung. Zudem scheiterte ein Nacherheben von Entgelten daran, dass die dafür
erforderlichen Verbindungsdaten im Hinblick auf die in §§ 7 Abs. 3, 6 Abs. 2 der
Telekommunikations- Datenschutzverordnung vom 18. Dezember 2000, BGBl. I S. 1740,
(TDSV) normierte höchstzulässige Speicherdauer von sechs Monaten längst gelöscht sind.
2. Der Hilfsantrag ist schon deshalb unzulässig, weil die Entgeltgenehmigung - wie oben
dargelegt - nicht erledigt ist und es somit an der Hauptvoraussetzung des § 113 Abs. 1 Satz
1 VwGO für eine Fortsetzungsfeststellungsklage fehlt.
Selbst wenn man Erledigung des Verwaltungsakts unterstellte, wäre in dem für
Zulässigkeitsfragen maßgeblichen Zeitpunkt der Entscheidung des Gerichts das gemäß §
113 Abs. 1 Satz 4 VwGO weiter erforderliche berechtigte Feststellungsinteresse nicht
gegeben.
Die Annahme einer Wiederholungsgefahr setzte voraus, dass die Behörde in naher Zukunft
eine gleichartige Verwaltungsentscheidung träfe. Dazu müssten die gleichen tatsächlichen
und rechtlichen Verhältnisse wie im Zeitpunkt des Erlasses des erledigten Verwaltungsakts
vorliegen, wobei allerdings nicht der Nachweis erforderlich wäre, dass dem zukünftigen
behördlichen Vorgehen in allen Einzelheiten die gleichen Umstände zugrunde liegen, wie
vor Erledigung des Verwaltungs- akts.
Bundesverwaltungsgericht (BVerwG), Beschluss vom 24. August 1979 - 1 B 76.76 -,
Buchholz 402.24 § 2 AuslG Nr. 16; Urteil vom 24. Februar 1983 - 3 C 56.80 - Buchholz 310
§ 113 VwGO Nr. 129; Beschluss vom 21. Oktober 1999 - 1 B 37.99 -, Buchholz 310 § 113
Abs. 1 VwGO Nr. 7.
Ausgehend davon wäre im vorliegenden Falle eine Wiederholungsgefahr zu verneinen, da
sich inzwischen die maßgebliche Rechtslage geändert hat.
Vorliegend ging es um die Genehmigung von Entgelten und entgeltrelevanten
Bestandteilen der Allgemeinen Geschäftsbedingungen für das Angebot von
Sprachtelefondienst (Optionstarif ​AktivPlus xxl (neu)") gegenüber Endkunden. Während
diese Genehmigung unmittelbar kraft Gesetzes erforderlich war (§ 25 Abs. 1 TKG a.F.), gilt
nach § 39 Abs. 1 des Telekommunikationsgesetzes in der seit dem 26. Juni 2004
geltenden Fassung vom 22. Juni 2004, BGBl. I 1190, (TKG n.F.) nunmehr Folgendes:
Die Genehmigungspflichtigkeit hängt von einer der Entgeltgenehmigung vorangehenden
selbständigen Ermessensentscheidung der RegTP ab. Denn in § 39 Abs. 1 Satz 1 TKG
n.F. heißt es nunmehr, dass die Regulierungsbehörde Entgelte von Unternehmen mit
beträchtlicher Marktmacht bezüglich des Angebots von Telekommunikationsdiensten (§ 3
Nr. 24 TKG n.F.) für Endnutzer (§ 3 Nr. 8 TKG n.F.) einer Entgeltgenehmigung unterwerfen
kann. Außerdem setzt ein derartiger, die Genehmigungspflichtigkeit erst begründender
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Verwaltungsakt Tatsachen voraus, welche die Annahme rechtfertigen, ​dass die
Verpflichtungen im Zugangsbereich oder zur Betreiberauswahl und Betreibervorauswahl
nach § 40 nicht zur Erreichung der Regulierungsziele nach § 2 Abs. 2 führen würden" (§ 39
Abs. 1 Satz 1 TKG n.F.). Sind diese Voraussetzungen erfüllt, so ​soll" die
Regulierungsbehörde außerdem ​die Genehmigungspflicht auf solche Märkte beschränken,
auf denen in absehbarer Zeit nicht mit der Entstehung eines nachhaltig
wettbewerbsorientierten Marktes zu rech- nen ist" (§ 39 Abs. 1 Satz 2 TKG n.F.). All dies
zeigt, dass die Ex-ante- Genehmigungspflichtigkeit von Endkundenentgelten nach neuem
Recht nur äußerst subsidiär gegenüber der nachträglichen Regulierung nach § 39 Abs. 3
TKG n.F. ist.
Ob unter diesen Umständen künftig in Bezug auf einen eine Flatrate beinhaltenden
Optionstarif im Endnutzerbereich eine dem hier umstrittenen Verwaltungsakt vergleichbare
Entscheidung der RegTP hinreichend wahrscheinlich wäre, kann auf sich beruhen. Für die
Verneinung der Wiederholungsgefahr reicht es nämlich bereits aus, dass eine solche
Entscheidung jedenfalls von anderen rechtlichen Voraussetzungen abhinge als der
Bescheid vom 02. September 2003. Das beantragte Feststellungsurteil hätte für die
Klägerin keinen rechtlichen Wert, da die RegTP daran wegen der dargelegten Änderung
der Rechtslage nicht gebunden wäre.
Ein Fortsetzungsfeststellungsinteresse ergäbe sich auch nicht unter dem Gesichts- punkt
der typischerweise kurzfristigen Erledigung. Danach soll ein derartiges Interes- se im
Hinblick auf den Grundsatz des effektiven Rechtsschutzes (Art. 19 Abs. 4 GG) ohne
weiteres zu bejahen sein, wenn sich der angefochtene Verwaltungsakt typischerweise
kurzfristig erledigt und es deshalb ohne die Zulassung einer
Fortsetzungsfeststellungsklage nie zu einer Hauptsachenentscheidung hinsichtlich der
Rechtmäßigkeit einer solchen Maßnahme käme,
vgl. Kopp/Schenke, VwGO, 13. Aufl., Rn. 145 zu § 113.
Jedoch setzt die Anerkennung eines Fortsetzungsfeststellungsinteresses unter diesem
Gesichtspunkt nach Auffassung des Gerichts voraus, dass der erledigte Verwaltungsakt
einen tiefgreifenden spezifischen Grundrechtseingriff beinhaltet,
vgl. auch OVG NRW, Urteil vom 24. November 1998 - 5 A 1107/96 -, DVBl. 1999, 1226
(1227); a. A. Kopp/Schenke, a. a. O.
Ein solcher ist aufseiten der Klägerin nicht zu erkennen.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 154 Abs. 1, 162 Abs. 3 VwGO, die Entscheidung
über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf § 167 VwGO, §§ 708 Nr.11, 709, 711 ZPO und die
Nichtzulassung der Revision auf den §§ 132 Abs. 2, 135 Satz 3 VwGO i.V.m. §§ 137 Abs. 3
und 150 Abs. 13 TKG n.F.