Urteil des VG Köln vom 15.02.2006

VG Köln: aufschiebende wirkung, grundstück, friedhof, wahrscheinlichkeit, vollziehung, breite, zugänglichkeit, zusammenwirken, stadt, anbau

Verwaltungsgericht Köln, 17 L 1891/05
Datum:
15.02.2006
Gericht:
Verwaltungsgericht Köln
Spruchkörper:
17. Kammer
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
17 L 1891/05
Tenor:
1. Der Antrag wird abgelehnt. Die Antragstellerin trägt die Kosten des
Verfahrens. 2. Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 855,17 EUR
festgesetzt.
G r ü n d e :
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Der Antrag der Antragstellerin,
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die aufschiebende Wirkung ihrer Klage (17 K 37/06) gegen den Beitragsbescheid des
Antragsgegners vom 26. Juli 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 01.
Dezember 2005 anzuordnen,
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ist unbegründet.
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Gemäß § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO kann das Gericht auf Antrag die aufschiebende
Wirkung eines Widerspruchs bzw. einer Klage ganz oder teilweise anordnen, wenn eine
behördliche Maßnahme kraft Gesetzes sofort vollziehbar ist - wie hier nach § 80 Abs. 2
Satz 1 Nr. 1 VwGO die Heranziehung zu einem Erschließungsbeitrag. Nach § 80 Abs. 4
Satz 3 VwGO, der für das gerichtliche Aussetzungsverfahren entsprechend anwendbar
ist, soll bei der Anforderung öffentlicher Abgaben und Kosten die Aussetzung der
Vollziehung nur bei Vorliegen ernstlicher Zweifel an der Rechtmäßigkeit des
angegriffenen Verwaltungsaktes erfolgen oder wenn die Vollziehung für den
Abgabenpflichtigen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen
gebotene Härte zur Folge hätte.
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Für das Vorliegen der letztgenannten Voraussetzung ist von der Antragstellerin weder
etwas vorgetragen worden noch sind hierfür ansonsten Anhaltspunkte ersichtlich.
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Ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsaktes sind
nach der Rechtsprechung des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-
Westfalen (OVG NRW) allenfalls dann anzunehmen, wenn bei summarischer Prüfung
der Sach- und Rechtslage in einem Hauptsacheverfahren ein Obsiegen des
Antragstellers überwiegend wahrscheinlich ist. In summarischen Verfahren können
dabei vordringlich nur die Einwände berücksichtigt werden, die der
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Rechtsschutzsuchende selbst gegen die Rechtmäßigkeit der Veranlagung vorbringt, es
sei denn, es drängten sich andere, offensichtliche Fehler bei summarischer Prüfung auf.
Ferner können weder aufwendige Tatsachenfeststellungen getroffen werden noch sind
schwierige Rechtsfragen abschließend zu klären.
Auf der Grundlage des Antragsvorbringens spricht derzeit nichts Überwiegendes
dagegen, dass das Grundstück der Antragstellerin in der festgesetzten Höhe
erschließungsbeitragspflichtig ist; der angegriffene Beitragsbescheid leidet auch sonst
nicht an offenkundigen Rechtsfehlern.
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Die Heranziehung der Antragstellerin zu einem Erschließungsbeitrag für die
Erschließungsanlage „G.--------weg „ von der I.----straße bis zum Ausbauende (Ende der
Mischverkehrsfläche) dürfte zu Recht auf die §§ 127 ff. BauGB i.V.m. den Vorschriften
der Satzung der Stadt Köln über die Erhebung eines Erschließungsbeitrages -
Erschließungsbeitragssatzung - vom 29. Juni 2001 gestützt worden sein. Die sich im
Einzelnen hieraus ergebenden Voraussetzungen sind - soweit dies im vorliegend zu
beachtenden Rahmen beurteilt werden kann - erfüllt.
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Bei summarischer Bewertung ist der G.--------weg entgegen der Ansicht der
Antragstellerin als eine selbständige Erschließungsanlage zu qualifizieren. Wie der
Antragsgegner unwidersprochen dargelegt hat, ist die I.----straße - von der der etwa 95
m lange, abgerechnete Teil des G1.--------weges abzweigt - im hier interessierenden Teil
eine vorhandene Straße. Der G.--------weg , der unbestritten erst in jüngerer Zeit
hergestellt worden ist, kann deshalb ungeachtet seiner Länge schon aus
Rechtsgründen kein unselbständiges „Anhängsel" der I.----straße sein.
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Vgl. Driehaus, Erschließungs- und Ausbaubeiträge, 7. Aufl. 2004, § 12 Rdnr. 15 m.w.N.
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Soweit die Antragstellerin darüber hinaus vorbringt, der G.--------weg sei Teil des
Friedhofs, weil es ursprünglich vermutlich nur ein Flurstück gegeben habe, auf dem sich
Friedhof und Weg befunden hätten, ist das nicht nachvollziehbar. Denn jedenfalls heute
verläuft der G.--------weg auf einem selbständigen Flurstück und ist als öffentliche Straße
gewidmet, dient mithin einem anderen Zweck als der Friedhof.
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Des Weiteren dürfte die Annahme des Antragsgegners zutreffen, das Grundstück der
Antragstellerin werde im Sinne von § 131 Abs. 1 und § 133 Abs. 1 BauGB durch den
befahrbaren Teil des G1.--------weges erschlossen, auch wenn es nicht unmittelbar
daran angrenzt, und sei deshalb bei der Aufwandsverteilung zu berücksichtigen. Dem
steht voraussichtlich nicht entgegen, dass das Grundstück bereits über die M.--------
gasse erschlossen wird. Die Frage, ob ein Grundstück (auch) durch eine zweite (oder
gar dritte) Anbaustraße erschlossen ist, beantwortet sich nach den gleichen Kriterien,
die für das Erschlossensein durch die erste Anbaustraße maßgeblich sind. Durch
Anbaustraßen werden die Grundstücke erschlossen, denen die Anlage ihrer
bestimmungsgemäßen Funktion entsprechend das verschafft, was für ihre Bebaubarkeit
an wegemäßiger Erschließung erforderlich ist. Das ist mit Blick auf das Grundstück der
Antragstellerin wohl nicht nur durch die M.--------gasse , sondern auch durch den
befahrbaren Teil des G1.--------weges in Verbindung mit dem unbefahrbaren Weg, der
zwischen dem Wendehammer am Ende jener Strecke und der Straße V. H. H1. verläuft,
der Fall. Bei dem unbefahrbaren Weg dürfte es sich um einen Wohnweg i.S.v. § 127
Abs. 2 Nr. 2 BauGB handeln, der dem Grundstück der Antragstellerin die
bauordnungsrechtlich hinreichende Zugänglichkeit und damit die Bebaubarkeit
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vermittelt. Bei der Beurteilung, ob ein Grundstück im Fall z.B. eines Angrenzens an zwei
(Anbau- )Straßen durch die gerade abzurechnende Erschließungsanlage nach
Maßgabe der §§ 30 ff. BauGB bebaubar ist und somit erschlossen wird, müssen andere
für das betreffende Grundstück etwa schon bestehende Anbaustraßen grundsätzlich
„hinweggedacht werden".
Vgl. BVerwG, Urteil vom 01. März 1996 - 8 C 26.94 -, Buchholz 406.11 § 131 BauGB Nr.
101, S. 66, 72 = NVwZ-RR 1996, 463, 465.
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Da das einschlägige Bebauungsrecht für die Bebaubarkeit des Grundstücks der
Antragstellerin eine fußläufige Erreichbarkeit ausreichen lässt (vgl. § 4 Abs. 1 Nr. 1
BauO NRW), ist vor dem dargelegten rechtlichen Hintergrund ein Erschlossensein ihres
Grundstücks sowohl durch den befahrbaren Teil des G1.--------weges als auch durch
den unbefahrbaren Weg mit überwiegender Wahrscheinlichkeit zu bejahen. Das
Grundstück der Antragstellerin stellt bei Hinwegdenken der M.--------gasse ein
zufahrtsloses (Hinterlieger-) Grundstück dar, das einzig an dem unbefahrbaren Weg
liegt, der seinerseits in einer Entfernung von weniger als 50 m in den G.--------weg
mündet. Dem Grundstück der Antragstellerin wird sonach durch den unbefahrbaren Weg
im Zusammenwirken mit der befahrbaren Verkehrsanlage G.--------weg , in die dieser
mündet, die Bebaubarkeit vermittelt.
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Vgl. zu einer vergleichbaren Konstellation das Urteil der Kammer vom 21. Juni 2005 - 17
K 8988/03 -.
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Ob eine Einschränkung für den Fall zu machen ist, dass an einem zwischen zwei
Anbaustraßen „durchlaufenden", unbefahrbaren öffentlichen Weg zum einen nur
Grundstücke liegen, welche bereits anderweitig erschlossen sind, und sich zum
anderen aus den planerischen Festsetzungen ergibt, dass der Weg lediglich
Verbindungsfunktion haben soll, mag dahinstehen. Denn hier liegt jedenfalls ein
bebautes Grundstück an dem Fußweg, dessen Bebaubarkeit vom Vorhandensein
gerade dieses Weges abhängt, weil es über keine anderweitige Erschließung verfügt
(Flurstück ....). Deshalb kann der Weg nicht lediglich Verbindungsfunktion haben,
sondern besitzt die Bestimmung als Erschließungsvermittler zu anderen Anbaustraßen.
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Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 23. Dezember 2004 - 3 A 2210/03 - m.w.N.
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Soweit die Antragstellerin meint, ihrem Grundstück werde durch diese Erschließung ein
geringerer Erschließungsvorteil als bei einem Erschlossensein durch eine „normale"
Anbaustraße gewährt, da sie nicht mit einem Kraftfahrzeug bis an die Grenze ihres
Grundstücks heranfahren könne, kann sie damit nicht durchdringen. Es handelt sich
nach den bebauungsrechtlichen Vorschriften um eine vollwertige Erschließung, die
deshalb auch mit einem vollen Erschließungsbeitrag belegt werden kann.
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Das Flurstück .... grenzt ferner in einer ausreichenden Breite an den Fußweg an, der
seinerseits eine hinreichende Breite aufweist. Ob die Baugenehmigungsbehörde von
einer Bebaubarkeit dieses Grundstücks nur im Hinblick auf die Erschließung durch die
M.--------gasse ausgegangen ist, wogegen allerdings dessen Lagebezeichnung spricht,
ist erschließungsbeitragsrechtlich ohne Belang.
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Darüber hinaus spricht derzeit nichts Überwiegendes dafür, dass die weiteren gegen die
Aufwandsverteilung gerichteten Einwände der Antragstellerin durchgreifen werden.
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Flurstück .../.. ist nicht in das Abrechnungsgebiet einzubeziehen, weil es weiter als 50 m
von der hier abgerechneten Strecke des G1.--------weges entfernt liegt. Dieser gibt damit
nichts für die Bebaubarkeit jenes Grundstücks i.S.d. §§ 30 ff. BauGB i.V.m. § 4 Abs. 1
Nr. 1 BauO NRW her. Flurstück .... ist bei der Aufwandsverteilung zutreffend deshalb
nicht berücksichtigt worden, weil es nur über eine - nicht ausreichende - sogenannte
Punkterschließung zu dem unbefahrbaren Weg verfügt.
Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 05. Mai 2000 - 3 A 3132/99 -.
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Die Annahme des Antragsgegners, das Flurstück ... (Friedhof) sei nicht in das
Verteilungsgebiet einzubeziehen, begegnet bei summarischer Prüfung ebensowenig
ernstlichen Zweifeln. Eine überwiegende Wahrscheinlichkeit dafür, dass der
Rechtsbehelf der Antragstellerin insoweit Erfolg haben wird, lässt sich auf der Basis der
Aktenlage und vor dem Hintergrund der in der Antragserwiderung zitierten
Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts derzeit nicht feststellen. Die Frage, ob
das Friedhofsgrundstück innerhalb der Ortslage liegt, also (auch) durch den G.---- ----
weg erschlossen wird, ist daher einer Klärung im Hauptsacheverfahren vorbehalten.
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Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht
auf § 53 Abs. 3 Nr. 2, § 52 Abs. 1 GKG. Die Kammer hat entsprechend ihrer ständigen
Rechtsprechung ein Viertel der streitigen Beitragssumme angesetzt.
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