Urteil des VG Köln vom 22.12.2004

VG Köln: nachträgliche bewilligung, besoldung, nachzahlung, vorverfahren, einverständnis, beamter, rüge, niedersachsen, form, schule

Verwaltungsgericht Köln, 3 K 8910/02
Datum:
22.12.2004
Gericht:
Verwaltungsgericht Köln
Spruchkörper:
3. Kammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
3 K 8910/02
Tenor:
Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Dem Kläger wird
nachgelas- sen, die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder
Hinterlegung in Höhe des je- weils beizutreibenden Betrages
abzuwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Voll- streckung Sicherheit
in derselben Höhe leistet.
T a t b e s t a n d e
1
Der am 14.04.1957 geborene Kläger steht als Studienrat im Dienst des Landes
Niedersachsen. Seine drei Kinder sind 1988, 1991 und 1994 geboren.
2
Auf Vermittlung der Beklagten, des Bundesverwaltungsamtes (BVA) - Zentralstel- le für
das Auslandschulwesen (ZfA) -, schloss der Kläger mit dem Deutschen Schul- verein
Paris einen Dienstvertrag für die Zeit vom 18.08.1998 bis zum 17.08.2001. Die ZfA
stimmte dem Vertrag mit Verpflichtungs- und Zuwendungsbescheid vom 03.02.1998 zu
und sagte für die Vertragsdauer die Gewährung von Zuwendungen nach den Richtlinien
für die Gewährung von Zuwendungen an die vermittelten Lehr- kräfte in der jeweils
geltenden Fassung zu.
3
Von seinem Dienstherrn, dem Land Niedersachsen war der Kläger für die Zeit vom
18.08.1998 bis zum 17.08.2001 unter Wegfall der Bezüge beurlaubt.
4
Mit Schreiben vom 08.04.2002 forderte der Kläger die ZfA unter Bezugnahme auf das
Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 28.06.2001 (BVerwG 2 C 46.00 u.a.) auf, ihm
für die Zeit vom 18.08.1998 bis 31.12.1998 amtsangemessen erhöhten Ortszuschlag zu
zahlen. Diesem Schreiben fügte er bei Fotokopie des Wider- spruchsbescheides des
Niedersächsischen Landesamtes für Bezüge und Versor- gung vom 02.04.2002, sowie
des zugrundeliegenden Widerspruchsschreiben vom 18.12.1990. Daraus ergibt sich,
dass dem Kläger auf seinen Widerspruch gegen die Festsetzung seiner Besoldung
(auch wegen des Ortzuschlags) für die Zeit vom 01.01.1994 (Geburt des dritten Kindes)
5
bis zum 17.08.1998 der Erhöhungsbetrag nach Art. 9 § 1 Abs. 1 Satz 4 BBVAnpG 99
bewilligt wurde. Für die Zeit vor dem 01.01.1994 wurde das Begehren des Klägers
abgelehnt, weil das dritte Kind noch nicht geboren war. Für die Zeit ab dem 18.08.1998
wurde der Anspruch abgelehnt, weil der Kläger ohne Dienstbezüge beurlaubt war.
Mit Bescheid vom 12.07.2002 lehnte die ZfA die Gewährung einer höheren Zu-
wendung ab, weil der Kläger im Verhältnis zur ZfA die Rechtswidrigkeit zu niedrig
bemessener Kinderanteile nicht geltend gemacht habe.
6
Am 23.07.2002 legte der Kläger Widerspruch ein. So wie die Beklagte z.B. die
besoldungsrechtlichen Einstufungen übernommen habe, müsse sie auch damit ver-
bundene Widersprüche gegen sich gelten lassen.
7
Mit Widerspruchsbescheid vom 19.09.2002 wies die ZfA den Widerspruch als
unbegründet zurück. Zur Begründung führte sie im wesentlichen Folgendes aus: Die
dem Kläger während der Dauer des Dienstvertrages gezahlten Zuwendungen seien
nicht auf der Grundlage des BBesG, sondern gemäß § 44 BHO nur in analoger An-
wendung des BBesG geleistet worden. Insoweit sei ab dem 18.08.1998 das Bundes-
verwaltungsamt quasi die die „Bezüge zahlende Stelle" gewesen. Der Kläger hätte
deshalb - was nicht erfolgt sei - gegenüber dem Bundesverwaltungsamt zum Aus- druck
bringen müssen, dass er die ihm gewährten Zuwendungen im Hinblick auf die
kinderbezogenen Anteile für zu niedrig bemessen hielt. Eine „Übernahme" von Wi-
dersprüchen aus früheren Dienstverhältnissen sei im Verwaltungsverfahrensrecht nicht
vorgesehen. Entsprechend erfolge von Seiten der Landesbesoldungsstellen auch keine
Meldung von Widersprüchen von Beamten, wenn diese sich für eine an- dere Tätigkeit
ohne Bezüge beurlauben ließen. Nach allem sei der Kläger allen ande- ren Lehrkräften
mit drei und mehr Kindern gleichzustellen, die gegenüber dem Bun- desverwaltungsamt
keine Einwendungen gegen die Höhe der Zuwendungen (Famili- enzuschlag) geltend
gemacht hätten. Der Widerspruch gegen die Landesbesol- dungsstelle entfalte nur
dieser gegenüber Wirkung.
8
Am 21.10.2002 hat der Kläger Klage erhoben, mit der er einen Anspruch auf
amtsangemessene Alimentation gegenüber der Beklagten weiterverfolgt. Zur Be-
gründung macht er geltend, dass es nach dem Urteil des BVerwG vom 28.06.2001 -
BVerwG 2 C 48/00 - ausreiche, wenn der Betroffene seine zu niedrige Besoldung als
kinderreicher Beamter gerügt habe. Eine derartige Rüge habe der Kläger mit Schrei-
ben vom 18.12.1990 gegenüber seiner zuständigen Besoldungsstelle erhoben und
gleichzeitig - wie viele andere Beamte auch - sein Einverständnis mit einem Ruhen des
Verfahrens bis zu einer gesetzlichen Regelung erklärt. Es könne vom Kläger nicht
verlangt werden, dass er mit Beginn seiner Tätigkeit als Auslandsdienstlehrkraft an der
Deutschen Schule Paris einen neuen Antrag bzw. eine erneute Rüge hätte anbringen,
bzw. seinen Widerspruch hätte wiederholen müssen. Ein solches Ansin- nen sei
spitzfindig und laufe der Grundintension des Urteils des BVerwG zuwider. Da die
Beklagte die Bezüge zumindest in analoger Anwendung des BBesG gezahlt habe und
ihr alle relevanten Besoldungsmerkmale (insbesondere auch die Anzahl und die
Geburtdaten der Kinder) bekannt gewesen seien, habe der Kläger darauf vertrauen
dürfen, dass sein Widerspruch und das Einverständnis mit einem Ruhen des Verfah-
rens auch für die Dauer seines Auslandsdienstes fortgelten würden. Anderenfalls hätte
die Beklagte den Kläger auf die Notwendigkeit eines erneuten Widerspruchs hinweisen
müssen. Dies sei nicht geschehen. Die Hinweispflicht treffe die Beklagte umsomehr,
wenn man berücksichtige, dass gerade in dem hier streitigen Zeitraum und den Jahren
9
davor die Problematik der amtsangemessenen Alimentation kinder- reicher Beamter ein
Thema war, das in der Öffentlichkeit diskutiert worden sei.
Die Prozessbevollmächtigten des Klägers beantragen,
10
den Bescheid der Beklagten vom 12.07.2002 in der Form des Widerspruchsbescheides
vom 19.09.2002 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, dem Kläger den
Erhöhungsbetrag zum Ortzuschlag/Familienzuschlag nach Art. 9 § 1 Abs. 1 Satz 4
BBVAnpG 99 für die Zeit vom 18.08.1998 bis 31.12.1998 zu zahlen.
11
Die Beklagte beantragt,
12
die Klage abzuweisen.
13
Gemäß Richtlinie II vom 01.01.1977 in der zur Vertragszeit geltenden Fassung seien
u.a. Ausgleichszulagen gewährt worden. Die Höhe der Ausgleichszulage bestimmte
sich gemäß Nr. 2.2 der Richtlinie II in der Fassung vom 01.05.1984 nach dem
Richtbetrag, dessen Höhe in sinngemäßer Anwendung der Vorschriften über die
Auslandsdienstbezüge nach BBesG bemessen worden sei, wobei alle Bestandteile um
8,3% zu kürzen gewesen seien. Für die Höhe der Ausgleichszulage seien demnach nur
die gesetzlichen Vorschriften zu beachten, mithin das BBVAnpG 99, das Änderungen
des Familienzuschlags zum 01.01.1999 vorsah. Danach wäre die Beklagte selbst dann
nicht zur Nachzahlung verpflichtet, wenn sie Bezüge zahlen würde, weil ihr gegenüber
die Höhe der (familienbezogenen) Zuwendungen nicht gerügt worden sei. Bei analoger
Anwendung komme eine Nachzahlungsverpflichtung erst recht nicht in Betracht. Die
Beklagte gewähre nur Zuwendungen und handele nicht willkürlich, wenn sie eine
Nachzahlung versage, solange die Höhe der Zuwendungen im Hinblick auf die
kinderbezogenen Anteile nicht ihr gegenüber ausdrücklich gerügt worden ist. Im
Übrigen bestehe im Zuwendungsverhältnis kein Anspruch auf angemessene
Alimentation.
14
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes im Übrigen wird Bezug
genommen auf den Inhalt der Gerichtsakte einschließlich des beigezogenen
Verwaltungsvorgangs der ZfA.
15
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
16
Im Einverständnis mit den Beteiligten kann ohne Durchführung einer mündlichen
Verhandlung entschieden werden (§ 101 Abs. 2 VwGO).
17
Die zulässige Klage ist unbegründet. Der angegriffene Bescheid ist rechtmäßig und
verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Der Kläger hat für den Zeitraum vom 18.08.
bis 31.12.1998 gegen die Beklagte keinen Anspruch auf nachträgliche Bewilligung
eines erhöhten kinderbezogenen Anteils der Zuwendungen.
18
Ein solcher Anspruch ergibt sich nicht aus Art. 9 § 1 Abs. 1 Sätze 1 und 2 BBVAnpG 99.
Im Verhältnis zwischen dem Kläger und der Beklagten kommen die Vorschriften des
BBVAnpG nicht zur unmittelbaren Anwendung, weil zwischen dem Kläger und der
Beklagten kein Beamtenverhältnis, sondern nur ein Zuwendungsverhältnis besteht.
19
Ein entsprechender Anspruch des Klägers ergibt sich auch nicht aus Nr. 2.2 der
20
Richtlinie II i.V.m. Art. 9 § 1 Abs. 1 Sätze 1 und 2 BBVAnpG 99 analog.
Nach Art. 9 § 1 Abs. 1 Sätze 1 und 2 BBVAnpG 99 erhalten Kläger und
Widerspruchsführer, die ihren Anspruch auf amtsangemessene Alimentation innerhalb
der Zeit vom 01.01.1988 bis 31.12.1998 geltend gemacht haben, ohne dass über diesen
Anspruch schon abschließend entschieden worden ist, eine Nachzahlung für das dritte
und jedes weitere im Orts- bzw. Familienzuschlag zu berücksichtigende Kind. Der
Erhöhungsbetrag errechnet sich auf der Grundlage von 115% des jeweiligen
durchschnittlichen sozialhilferechtlichen Gesamtbedarfs eines Kindes nach den in der
Entscheidung des BVerfG vom 24.11.1998 - 2 BvL 26/91 - bestimmten Maßgaben. Nach
Satz 3 der Vorschrift erfolgt die Nachzahlung frühestens mit Wirkung ab dem 01. Januar
des Haushaltsjahres, in dem das Vorverfahren begonnen hat.
21
Dazu ist inzwischen höchstrichterlich entschieden, dass Vorverfahren i.S.d. Art. 9 § 1
Satz 3 BBVAnpG 9 das Vorverfahren nach § 126 Abs. 3 BRRG ist, wobei den
inhaltlichen Anforderungen eines „Widerspruchs" i.S.d. § 126 Abs. 3 BRRG dann
genügt ist, wenn durch den Rechtsbehelf für den Dienstherrn erkennbar wird, wogegen
er eingelegt und was mit ihm begehrt wird,
22
vgl. BVerwG Urteil vom 28.06.2001 - 2 C 48.00 -.
23
Unter Berücksichtigung dieser Vorgaben gehört der Kläger nicht zum
anspruchsberechtigten Personenkreis. Er hat seinen Anspruch auf amtsangemessene
Alimentation im Zeitraum vom 01.01.1988 bis 31.12.1998 niemals gegenüber der
Beklagten geltend gemacht. Das von ihm in Bezug genommene Widerspruchsschreiben
vom 18.12.1990 an die Besoldungsstelle der Bezirksregierung Braunschweig entfaltet
im Rechtsverhältnis zwischen dem Kläger und der Beklagten keinerlei Wirkung.
24
Sonstige Anspruchsgrundlagen sind nicht ersichtlich. Insbesondere hat der Kläger
keinen Anspruch auf Verpflichtung der Beklagten, ihn im Wege des Schadensersatzes
so zu stellen, als ob er gegenüber der Beklagten die Höhe der familienbezogenen
Zuwendungen mit Rücksicht auf die Zahl seiner Kinder gerügt hätte. Voraussetzung für
einen Schadensersatzanspruch des Klägers ist, das die Beklagte schuldhaft im
Widerspruch zu einer ihr aus dem Verpflichtungs- und Zuwendungsverhältnis zum
Kläger entstandenen Verpflichtung gehandelt hat und dieses pflichtwidrige Verhalten
den geltend gemachten Schaden adäquat kausal verursacht hat.
25
Diese Voraussetzungen liegen hier nicht vor. Die Beklagte war nicht gehalten, von sich
aus den Kläger darauf hinzuweisen, dass ein etwa bei seinem Dienstherrn im Hinblick
auf die familienbezogenen Bestandteile seiner Besoldung eingelegter Widerspruch ihr
gegenüber keine Wirkung entfaltet. Es wäre vielmehr - gerade angesichts des vom
Kläger erwähnten Umstandes der öffentlichen Diskussion der amtsangemessenen
Besoldung kinderreicher Beamter - Sache des Klägers gewesen, bei der Beklagten um
Auskunft nachzusuchen.
26
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die
vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.
27