Urteil des VG Köln vom 27.08.2009

VG Köln (eugh, egv, genehmigung, verordnung, gerichtshof der europäischen gemeinschaften, verhältnis zwischen, kläger, gericht erster instanz, zugang, preis)

Verwaltungsgericht Köln, 1 K 3481/01
Datum:
27.08.2009
Gericht:
Verwaltungsgericht Köln
Spruchkörper:
1. Kammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
1 K 3481/01
Tenor:
Der Bescheid der Regulierungsbehörde vom 30. März 2001 in der
Fassung des Bescheides vom 17. April 2001 wird aufgehoben.
Von den Kosten des Verfahrens tragen die Beklagte und die
Beigeladene die Gerichtskosten sowie die außergerichtlichen Kosten
der Kläger je zur Hälfte; ihre eigenen außergerichtlichen Kosten tragen
die Beklagte und die Beigeladene jeweils selbst.
Das Urteil ist wegen der Kosten gegen Sicherheitsleistung in Höhe von
120 % des jeweils beizutreibenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
Die Revision wird nicht zugelassen.
T a t b e s t a n d
1
Die Kläger betreiben überwiegend lokale oder regionale Teilnehmernetze, über die sie
Endkunden mit Telekommunikationsdienstleistungen versorgen. Im Jahre 1998
schlossen sie mit der Beigeladenen Standardverträge über den Zugang zu deren
Teilnehmeranschlussleitung (TAL), die auch die Entgelte betrafen und in teilweise
geänderter Fassung mit Wirkung ab dem 01. April 2002 erneuert wurden.
2
Auf Antrag der Beigeladenen vom 19. Januar 2001 genehmigte die damalige
Regulierungsbehörde für Telekommunikation und Post - nunmehr handelnd unter der
Bezeichnung Bundesnetzagentur für Elektrizität, Gas, Telekommunikation, Post und
Eisenbahnen - (Regulierungsbehörde) mit (Anschluss-) Bescheid vom 30. März 2001
(BK 4a-01-001/E 19.01.01), berichtigt durch Bescheid vom 17. April 2001, die Entgelte
der Beigeladenen für den Zugang zur TAL nur teilweise, und zwar - jeweils in
unterschiedlicher Höhe - die monatlichen Überlassungsentgelte für 16
Zugangsvarianten (Ziffer 1 a), die einmaligen Bereitstellungsentgelte für 18
Zugangsvarianten (Ziffer 1 b) und die Kündigungsentgelte für 18 Zugangsvarianten
(Ziffer 1 c). Außer bei den Überlassungsvarianten "Glasfaser 1 Faser" und "Glasfaser 2
Faser" sowie den jeweils fünf Bereitstellungs- und Kündigungsvarianten bei "OPAL"
und "ISIS" verlaufen die TAL-Zugänge über Doppelader-Metallleitungen. Die
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Genehmigung ist auf § 39 1. Alt. i.V.m. §§ 35 Abs. 1, 24, 25 Abs. 1, 27
Telekommunikationsgesetz (TKG) gestützt und erstreckt sich auf die damals
geschlossenen sowie die bis zum 11. April 2001 noch zu schließenden
Zugangsverträge. Sie gilt ab dem 01. April 2001 und ist bezüglich der monatlichen
Überlassungsentgelte bis zum 31. März 2003, im Übrigen bis längstens zum 31. März
2002 befristet. Der Bescheid vom 30. März 2001 wurde den Klägern im Zeitraum
zwischen dem 4. und 7. April 2001 zugestellt.
Die Kläger - bzw. ihre Rechtsvorgänger - haben am 02. Mai 2001 Klage erhoben. Zur
Begründung machen sie im Wesentlichen geltend: Die Genehmigung sei bereits formell
rechtswidrig, da die erforderliche Begründung nicht, zu knapp oder nicht
nachvollziehbar erfolgt sei. Sie hätte ferner gemäß § 2 Abs. 3 der Telekommunikations-
Entgeltregulierungsverordnung wegen nicht prüffähiger Kostennachweise abgelehnt
werden müssen. Außerdem habe die Regulierungsbehörde die für die
Überlassungsentgelte gemäß § 24 Abs. 1 Satz 1 TKG maßgeblichen Kosten der
effizienten Leistungsbereitstellung (KeL) falsch ermittelt. Das herangezogene Modell
des Wissenschaftlichen Instituts für Kommunikationsdienste GmbH vom 26. März 2001
(WIK-Anschlussnetzmodell) verkenne, dass die KeL allein die bei optimaler
Leistungserbringung anfallenden Minimalkosten umfassten. Insoweit stehe der
Regulierungsbehörde kein Beurteilungsspielraum zu. Bei der Ermittlung des
Investitionswerts würden alle vorhandenen Hauptverteilerstandorte berücksichtigt,
obwohl das Netz der Beigeladenen nicht optimal modelliert sei. Auch werde nicht in
Rechnung gestellt, dass einzelne Hauptverteilergebäude zu groß seien. Es werde ein
Leitungsdurchmesser von 0,5 mm angenommen, obwohl das tatsächliche Netz der
Beigeladenen viele Leitungen mit 0,35 bis 0,4 mm Durchmesser aufweise.
Unberücksichtigt bleibe die kostengünstigere Variante der oberirdischen
Leitungsverlegung. Auch hätten nicht die Kosten aller von der Beigeladenen verlegten
TAL angesetzt werden dürfen, sondern nur die Kosten der beschalteten TAL. Ferner sei
die für die Berechnung des Investitionswerts zugrunde gelegte Stichprobe im Umfang
von etwa 2 % der Gesamtmenge der netztopologischen Daten zu niedrig. Der hohe
Ansatz für Entstörungskosten sei nicht damit vereinbar, dass in anderem
Zusammenhang von einem nur etwa 12 Jahre alten Netz ausgegangen werde. Die
Personalkosten seien überhöht, da die Beigeladene über zu viele Mitarbeiter in ihrer
Festnetzsparte verfüge. Der Ansatz für die Kapitalverzinsung sei rechtswidrig, da auch
die Risiken im nicht regulierten Geschäftsbereich der Beigeladenen, wie etwa dem
Mobilfunk, berücksichtigt, steuerrechtliche Aspekte vernachlässigt und ein zu hoher
Risikozuschlag bei der Ermittlung des Fremdkapitalzinssatzes berechnet worden seien.
Die Abschreibungszeiträume für Kupferkabel und Kabelkanalanlagen seien mit 20 und
35 Jahren viel zu kurz bemessen. Auch die KeL für die Bereitstellung der TAL-Variante
CuDA 2Dr seien falsch ermittelt. Die Regulierungsbehörde habe für Schaltungsarbeiten
nicht die Preise der günstigsten Fremdfirmen angesetzt und es seien Kostensenkungen
unberücksichtigt geblieben, die durch eine turnusmäßige Anfahrt der Hauptverteiler
(HVt) in festen Zeitabständen (sog. HVt-Karussell) sowie durch die Einführung einer
elektronischen Schnittstelle für die TAL-Bestellung zu erreichen seien. Auch fehle es an
einer substantiierten Begründung der Kündigungskosten. Die Beigeladene selbst
müsse nämlich im Falle des Verlustes eines eigenen Endkunden an einen
Wettbewerber kein Kündigungsentgelt an sich selbst entrichten. Vielmehr würden die in
diesem Zusammenhang entstehenden Kosten durch die vom Wettbewerber zu
zahlenden Entgelte ausgeglichen. Abgesehen davon entsprächen die
Kündigungsentgelte nicht dem KeL-Maßstab. Was die Entgelte für andere Zugangsarten
angehe, wirkten sich die vorerwähnten Mängel ebenfalls aus. Denn dabei habe die
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Regulierungsbehörde die von der Beigeladenen angesetzten Investitionswerte
entsprechend dem Verhältnis zwischen geltend gemachtem und anerkanntem
Investitionswert für die CuDA 2Dr prozentual gekürzt. Ferner verstoße die
Entgeltgenehmigung gegen § 27 Abs. 3 i.V.m. § 24 Abs. 2 Nr. 1 TKG, da sie Aufschläge
enthalte, die nur auf Grund der marktbeherrschenden Stellung der Beigeladenen auf
dem TAL-Markt durchsetzbar seien. Die Aufschläge seien in dem Überschreiten des
KeL-Niveaus zu sehen. Der Ursachenzusammenhang mit der Marktbeherrschung werde
in solchen Fällen vermutet. Andere Unternehmen hätten das genehmigte Entgelt nicht
am Markt erzielen können. Die Aufschläge seien ferner nicht mit § 19 Abs. 4 Nr. 2 des
Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB) und Art. 82 Abs. 2 lit. a des
Vertrags zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft (EGV) vereinbar. Zudem seien
die Entgelte gemäß § 27 Abs. 3 TKG nicht genehmigungsfähig, weil sie offenkundig
nicht den Anforderungen des § 24 Abs. 2 Nr. 3 TKG entsprächen. Es würden damit von
der Beigeladenen konzernintern gegenüber deren Vertrieb von Endkundenanschlüssen
niedrigere Überlassungsentgelte berechnet und somit Vorteile gegenüber anderen
Nachfragern eingeräumt. Andernfalls lasse sich nicht erklären, warum das monatliche
Überlassungsentgelt für analoge Teilnehmeranschlüsse um 3,01 DM bzw. ab Frühjahr
2002 um 1,96 DM unter dem genehmigten Überlassungsentgelt für die TAL-Variante
CuDA 2Dr liege. Eine sachliche Rechtfertigung für diese Ungleichbehandlung sei nicht
nachgewiesen. Diese Vorteilsgewährung verstoße zudem gegen § 33 Abs. 1 Satz 1
TKG. Schließlich liege eine mit § 24 Abs. 2 Nr. 3 und § 33 Abs. 1 Satz 1 TKG sowie mit
§ 19 Abs. 4 Nr. 2 GWB und Art. 82 Abs. 2 lit. a EGV unvereinbare Preis-Kosten-Schere
vor. Den Wettbewerbern der Beigeladenen sei es nicht möglich, analoge
Teilnehmeranschlüsse am Markt anzubieten, weil die Kosten für die Vorleistungen die
möglichen Umsätze für die Bereitstellung und Überlassung der TAL um 3,01 DM bzw.
ab Frühjahr 2002 um 1,96 DM überstiegen. Eine Quersubventionierung der Entgelte der
Beigeladenen für den analogen Teilnehmeranschluss sei unzulässig.
Die Kläger beantragen,
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1. den Bescheid der Regulierungsbehörde vom 30. März 2001, berichtigt durch
Bescheid vom 17. April 2001, aufzuheben,
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2. hilfsweise Beweis zu erheben durch Einholung eines Sachverständigengutachtens
zu den Behauptungen der Kläger, dass
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(1) die tatsächlichen Kosten der Beigeladenen bei der Ausführung der
Umschaltungsaufträge insbesondere durch den Einsatz von Fremdfirmen niedriger
waren als von der Beklagten angenommen,
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(2) die Einführung eines sog. HVt-Karussells und der elektronischen Schnittstelle der
Beigeladenen innerhalb des Geltungszeitraums der angefochtenen Entscheidung
möglich gewesen wäre und zu niedrigeren Kosten als von der Beklagten angenommen
geführt hätte,
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(3) die tatsächlichen Kosten der Beigeladenen bei der Kündigung einer TAL niedriger
waren als von der Beklagten angenommen, insbesondere keine oder in geringerem
Umfang physikalische Schaltarbeiten erforderlich waren.
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Die Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Sie verteidigt den angefochtenen Bescheid und trägt zusätzlich im Wesentlichen vor:
Die Kläger ließen unberücksichtigt, dass der Regulierungsbehörde bei der
Entscheidung über die Orientierung der Entgelte an den KeL ein gerichtlich nur
eingeschränkt überprüfbarer Beurteilungsspielraum zustehe. Die Grenzen dieses
Spielraums, der nicht nur bei der Frage, welche Kostennachweise heranzuziehen seien,
sondern auch bei der Ausfüllung der Entscheidungsmaßstäbe bestehe, habe die
Regulierungsbehörde nicht überschritten. Diese sei auch nicht verpflichtet, allein auf der
Grundlage vollständiger Kostennachweise zu entscheiden. Wenn - wie hier - die
Kostenunterlagen nicht vollständig seien, könne sie zwar nach § 2 Abs. 3 der
Telekommunikations-Entgeltregulierungsverordnung den Entgeltantrag ablehnen,
müsse dies aber nicht. Dass sie stattdessen auf der Grundlage eines analytischen
Kostenmodells entschieden habe, sei nicht ermessensfehlerhaft. Ebenso wenig sei zu
beanstanden, dass sie bei der Bestimmung der KeL nicht von einem fiktiven
kostenoptimalen Netz, sondern entsprechend dem sogenannten scorched-node- Ansatz
von der Anzahl der Hauptverteilerstandorte im realen Netz der Beigeladenen
ausgegangen sei. Soweit die Kläger im Rahmen der Bereitstellungsentgelte das
Kostenniveau von preisgünstigen Fremdfirmen berücksichtigt wissen wollten,
übersähen sie, dass die Beigeladene betriebsverfassungsrechtlich verpflichtet sei,
grundsätzlich eigenes Personal für Umschaltarbeiten am HVt einzusetzen. Auch könne
nicht die Kalkulation auf der Grundlage eines sog. HVt-Karussells verlangt werden, weil
es sich dabei um eine neue, einzelvertraglich gar nicht vereinbarte Leistung handele.
Zudem könne ein HVt-Karussell von der Beigeladenen nicht einseitig eingerichtet
werden, sondern erfordere erst noch einen Abstimmungsprozess über die betrieblichen
und organisatorischen Rahmenbedingungen zwischen der Beigeladenen und ihren
Wettbewerbern. Im Hinblick darauf sei die Genehmigung der Bereitstellungsentgelte
auch nur bis zum 31. März 2002 befristet. Kostenvorteile, die sich im Rahmen der
Bereitstellung außerdem durch eine Bündelung von Umschaltungen erreichen ließen,
seien bereits berücksichtigt. Was ferner die Einrichtung einer elektronischen
Schnittstelle für eine effizientere Auftragsannahme und -bearbeitung angehe, sei dies
nur eine von mehreren technischen Möglichkeiten. Auch habe es dafür im Zeitpunkt der
Genehmigungsentscheidung an einem allseits akzeptierten und kompatiblen Konzept
gefehlt. Die Kündigungsentgelte seien auf der Grundlage der durch Prozesszeiten und
Mitarbeiterlöhne bestimmten Kosten gerechtfertigt. Dabei gehe es mangels
Zugriffsmöglichkeit der Beigeladenen auf die TAL nicht allein um die administrative
Sperrung für den abgehenden Verkehr. Vielmehr seien auch Schaltarbeiten am HVt
notwendig, um die bestehende physische Verbindung zwischen dem Endkunden und
der Vermittlungstechnik des Wettbewerbers so zu unterbrechen, dass eine
unentgeltliche Nutzung der Verbindung unmöglich werde. Es treffe auch nicht zu, dass
für dieselbe Schaltleistung das Entgelt sowohl vom kündigenden als auch vom
übernehmenden Wettbewerber erhoben werde. Eine derartige doppelte Erhebung sei
dadurch ausgeschlossen, dass im Bescheid zwischen einem höheren
Kündigungsentgelt ohne gleichzeitige Umschaltung des Endkunden und einem
niedrigeren Kündigungsentgelt mit gleichzeitiger Umschaltung des Endkunden
unterschieden werde. Im ersteren Falle werde lediglich abgeschaltet; die Neuschaltung
erfolge erst zu einem späteren Zeitpunkt. Bei den Kündigungsentgelten handele es sich
auch nicht um gemäß § 20 Abs. 1 GWB unzulässige Wechselgebühren. Denn anders
als etwa auf dem Energiesektor werde aufgrund des TKG dem Wettbewerber der
Zugang zur Infrastruktur in der Form des unmittelbaren Eingriffs in das Netz des
Marktbeherrschers gewährt. Außerdem sei der für eine Wechselgebühr maßgebliche
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Abgang des Endkunden nicht vergleichbar mit der Vertragsbeendigung im Verhältnis
zwischen der Beigeladenen und dem Wettbewerber. Da sich die Entgelte an den KeL
orientierten, lägen keine Aufschläge i.S.d. § 24 Abs. 2 Nr. 1 TKG und kein Missbrauch
i.S.d. § 19 Abs. 4 Nr. 2 GWB oder Art. 82 Abs. 2 lit. a EGV vor. Zudem werde nicht durch
Verletzung des Abstandsgebots gegen § 24 Abs. 2 Nr. 3 TKG verstoßen. Der angeblich
fehlende Abstand zwischen den umstrittenen Vorleistungs- und den
Endkundenentgelten für den Teilnehmeranschluss sei unerheblich, da es
ausschließlich auf die KeL- Orientierung ankomme. Abgesehen davon seien die
entsprechenden Leistungen nicht vergleichbar. Beim analogen Teilnehmeranschluss
handele es sich um nur ein Element innerhalb der breiten Leistungspalette, für die der
Zugang zur TAL das Vorprodukt sei. Ferner werde von den Klägern verkannt, dass der
Endkundenpreis für den Teilnehmeranschluss und die Verbindungsentgelte im sog.
Price-Cap- Verfahren genehmigt würden. Dies erlaube es der Beigeladenen, innerhalb
des Rahmens des § 24 Abs. 2 TKG die Endkundenpreise zu differenzieren, d.h.
niedrigere Verbindungsentgelte mit einem höheren Anschlusspreis und umgekehrt
höhere Grundanschlusspreise mit niedrigeren Verbindungsentgelten zu verknüpfen.
Deshalb könne im Ergebnis nicht zwingend vom Preis des Endkundenprodukts auf den
Preis der Vorleistung geschlossen werden. Die TAL-Entgelte seien schließlich nicht
wegen einer möglicherweise kartellrechtlich relevanten Preis-Kosten-Schere
unzulässig. Die von den Klägern ins Feld geführte Entscheidung der EU-Kommission
sei nicht einschlägig. Denn danach verstießen die genehmigten Vorleistungsentgelte
jedenfalls dann nicht gegen das Verbot missbräuchlicher Preis-Kosten-Scheren, wenn
die Beigeladene die Möglichkeit habe, eine solche Schere durch die Ausgestaltung
ihrer Endkundenentgelte zu vermeiden. Dies sei der Beigeladenen in der den
vorliegenden Genehmigungszeitraum umfassenden Price-Cap-Periode möglich
gewesen.
Die Beigeladene beantragt,
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die Klage abzuweisen.
15
Sie hält die Klage für unzulässig, soweit die Kläger die Verletzung von § 24 Abs. 1 TKG
und § 2 Telekommunikations-Entgeltregulierungsverordnung rügen. Diese Vorschriften
seien nicht drittschützend. Im Übrigen sei die Klage unbegründet, da - wie umfänglich
ausgeführt wird - die Kläger durch die angegriffene Entgeltgenehmigung jedenfalls nicht
in ihren Rechten verletzt würden. Die von ihr - der Beigeladenen - vorgelegten
Kostenunterlagen seien vollständig. Doch selbst im Falle ihrer Unvollständigkeit sei die
Regulierungsbehörde nicht zur Antragsablehnung verpflichtet. Bei ihren Berechnungen
habe die Regulierungsbehörde richtigerweise einen KeL-Begriff zugrunde gelegt, der
sich nicht an einem optimalen hypothetischen, sondern am tatsächlich vorhandenen
Netz der Beigeladenen orientiere. Damit seien die Kosten für die Überlassung der TAL
zumindest nicht zu hoch angesetzt. Gleiches gelte für die Bereitstellungskosten, bei
denen mögliche Einsparungen durch den Einsatz von Fremdfirmen, durch die
Bündelung von Umschaltaufträgen sowie durch die Einrichtung eines HVt-Karussells
und einer elektronischen Schnittstelle zu Recht nicht berücksichtigt worden seien. Auch
die Einwände gegen die Genehmigung der Kündigungsentgelte seien nicht berechtigt.
16
Wegen weiterer Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakten sowie der nach
Maßgabe der Kammerbeschlüsse vom 24. Februar 2009, 18. März 2009 und 25. März
2009 beigezogenen Verwaltungsvorgänge und Unterlagen der Regulierungsbehörde
verwiesen.
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E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
18
Die Klage ist zulässig und begründet.
19
1. Ihre Zulässigkeit scheitert weder insgesamt noch teilweise an der nach § 42 Abs. 2
Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) erforderlichen Klagebefugnis. Die Kläger können
geltend machen, durch den angefochtenen Bescheid in ihren Rechten verletzt zu sein.
Die in Rede stehende Entgeltgenehmigung gestaltet gemäß §§ 39 und 29 Abs. 2
Telekommunikationsgesetz vom 25. Juli 1996, BGBl. I S. 1120, (TKG 1996) unmittelbar
die zwischen den Klägern und der Beigeladenen bestehenden privatrechtlichen
Vereinbarungen über die Gewährung des TAL-Zugangs, so dass das vom Grundgesetz
gewährleistete Recht verletzt sein kann, den Inhalt von vertraglichen Vereinbarungen
mit der Gegenseite frei von staatlicher Bindung auszuhandeln,
20
so zur vergleichbaren Situation bei Zusammenschaltungsentgelten: BVerwG, Beschluss
vom 13. Dezember 2006 -6 C 23.05-, Buchholz 442.066 § 24 TKG Nr. 2, Randnummer
(Rn.) 15.
21
Unter diesen Umständen kann auf sich beruhen, ob sich die Klagebefugnis bei
gemeinschaftsrechtskonformer Auslegung des § 42 Abs. 2 VwGO sogar auf solche
potenziell Betroffenen erstrecken muss, die noch keine Vertragsbeziehungen über den
TAL-Zugang eingegangen sind,
22
so: Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften (EuGH), Urteil vom 24. April 2008, C-
55/06 , Rn.177 (http://curia.europa.eu/jurisp/).
23
2. Die Klage ist auch begründet. Der angefochtene Bescheid vom 30. März 2001 in der
Fassung des Berichtigungsbescheides vom 17. April 2001 ist rechtswidrig und verletzt
die Kläger in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
24
Die Frage der Rechtmäßigkeit beurteilt sich vorrangig nach den unmittelbar
anwendbaren Vorschriften des Europäischen Gemeinschaftsrechts. Einschlägig ist
neben den Bestimmungen des EGV insbesondere die am 02. Januar 2001 in Kraft
getretene Verordnung (EG) Nr. 2887/2000 des Europäischen Parlaments und des Rates
vom 18. Dezember 2000 über den entbündelten Zugang zum Teilnehmeranschluss,
ABl. EG Nr. L 336, S. 4 (Verordnung 2887/2000). Außerdem sind die Bestimmungen des
nationalen Rechts einschlägig. Danach ist gemäß § 39 1. Alternative i.V.m. § 27 Abs. 3
TKG 1996 die Genehmigung der Entgelte für die Gewährung eines Netzzugangs nach §
35 zu versagen, wenn die Entgelte den Anforderungen des § 24 Abs. 2 Nr. 1 nach
Maßgabe des Absatzes 2 oder offenkundig den Anforderungen des § 24 Abs. 2 Nr. 2
oder 3 nicht entsprechen oder wenn sie mit diesem Gesetz oder anderen
Rechtsvorschriften nicht in Einklang stehen.
25
2.1 Allerdings verstoßen die genehmigten monatlichen und einmaligen Entgelte
entgegen der Auffassung der Kläger nicht gegen Art. 82 EGV.
26
Nach dieser als primäres Gemeinschaftsrecht unmittelbar geltenden, abgesehen davon
gemäß § 27 Abs. 3 TKG 1996 zumindest auch als "andere" Rechtsvorschrift im
Entgeltgenehmigungsverfahren zu berücksichtigenden Bestimmung ist die
missbräuchliche Ausnutzung einer beherrschenden Stellung auf dem Gemeinsamen
27
Markt oder auf einem wesentlichen Teil desselben durch ein oder mehrere
Unternehmen verboten, soweit dies dazu führen kann, den Handel zwischen
Mitgliedstaaten zu beeinträchtigen (Art. 82 Satz 1 EGV). Ein solcher Missbrauch kann
insbesondere in der unmittelbaren oder mittelbaren Erzwingung von unangemessenen
Einkaufs- oder Verkaufspreisen oder sonstigen Geschäftsbedingungen bestehen (Art.
82 Satz 2 lit. a EGV).
Diese Voraussetzungen sind im Falle einer missbräuchlichen Preis-Kosten- Schere
erfüllt. Eine derartige Konstellation liegt vor, wenn die Differenz zwischen den
Endkundenentgelten eines marktbeherrschenden Unternehmens und dem
Vorleistungsentgelt für vergleichbare Leistungen an seine Wettbewerber entweder
negativ ist oder nicht ausreicht, um die produktspezifischen Kosten des
marktbeherrschenden Unternehmens für die Erbringung seiner eigenen
Endkundendienste im nachgeordneten Markt zu decken. Zwar hat die EU- Kommission
(Kommission) festgestellt,
28
vgl. Entscheidung vom 21. Mai 2003 (2003/707/EG), ABl. EG Nr. L 263, S. 9,
29
dass der Beigeladenen u.a. im hier maßgeblichen Zeitraum zwischen dem 01. April
2001 und 31. März 2003 eine solche missbräuchliche Preis-Kosten-Schere anzulasten
ist,
30
vgl. Entscheidung vom 21. Mai 2003, a.a.O., Rn. 153-161,199.
31
Auch hat das Gericht Erster Instanz der Europäischen Gemeinschaften (EuG) die
dagegen erhobene Klage der Beigeladenen abgewiesen,
32
vgl. nicht rechtskräftiges Urteil vom 10. April 2008, T-271/03, Rn. 68-245
(http://curia.europa.eu/jurisp/).
33
Doch hat der angenommene Verstoß gegen Art. 82 EGV keine Auswirkungen auf die im
vorliegenden Falle umstrittenen Vorleistungsentgelte. Das ergibt sich aus Folgendem:
34
Art. 82 EGV ist nicht anwendbar, wenn Unternehmen ein als wettbewerbswidrig zu
beurteilendes Verhalten durch innerstaatliche Rechtsvorschriften vorgeschrieben wird
oder wenn diese einen rechtlichen Rahmen bilden, der selbst jede Möglichkeit für ein
Wettbewerbsverhalten ihrerseits ausschließt,
35
EuGH, Urteil vom 11. November 1997, Slg. 1997, I-6265, Rn. 33.
36
Dass der für einen Verstoß gegen Art. 82 EGV somit erforderliche ausreichende
Handlungsspielraum für die Beigeladene gegeben war, hat das EuG nicht für die
Vorleistungspreise, sondern nur in Bezug auf die Endkundenentgelte der Beigeladenen
bejaht, da insoweit die rechtliche und tatsächliche Möglichkeit der Erhöhung bestanden
habe,
37
vgl. EuG, Urteil vom 10. April 2008, a.a.O., Rn. 105, 109, 122, 125, 131 und 199.
38
Außerdem war für dieses Urteil nicht maßgeblich, ob die Endkundenpreise für sich
genommen missbräuchlich waren; vielmehr bezieht sich der Missbrauchsvorwurf auf die
Unangemessenheit der Spanne zwischen Vorleistungs- und Endkundenpreisen,
39
vgl. EuG, Urteil vom 10. April 2008, a.a.O., Rn. 167.
40
Auch in der Kommentierung
41
zum TKG 1996: Schuster/Stürmer, Beck`scher TKG-Kommentar, 2. Aufl., Rn 26-26 c zu
§ 24; Klotz, MMR 2008, 650; Ruhle/Schuster, MMR 2003, 648; zum TKG 2004:
Schuster/Ruhle, Beck`scher TKG-Kommentar, 3. Aufl. Rn. 84-90 zu § 28;
BerlKommTKG/Groebel, Rn. 55-75 zu § 28; Gerpott, K&R 2005, 108 (110); Mayen, in
Scheurle/Mayen, Telekommunikationsgesetz, Kommentar, 2. Aufl., Rn. 42-59 zu § 28
42
wird an keiner Stelle die Auffassung vertreten, dass von einer missbräuchlichen Preis-
Kosten-Schere notwendigerweise beide Endpunkte der Spanne in dem Sinne betroffen
seien, dass bis zur Schließung der Schere weder die Vorleistungs- noch die
Endkundenentgelte genehmigt werden dürften.
43
Die Vorleistungsentgelte können als solche aber auch deshalb nicht gegen Art. 82 EGV
verstoßen, weil für die Beigeladene insoweit, anders als für die im sog. Price-Cap-
Verfahren nach § 27 Abs. 1 Nr. 2 TKG 1996 regulierten Endkundenentgelte,
44
vgl. Entscheidung der Kommission vom 21. Mai 2003, a.a.O., Rn. 34 - 36,
45
kein ausreichender Handlungsspielraum zur Beseitigung der Preis-Kosten- Schere
bestand. Die Beigeladene konnte diese Entgelte nicht unter Kostenniveau senken,
sondern war gemäß § 24 Abs. 1 Satz 1 TKG 1996 verpflichtet, sie an den Kosten der
effizienten Leistungsbereitstellung zu orientieren. Zudem war sie gemäß § 29 Abs. 1
TKG 1996 an den Inhalt der Genehmigungsentscheidung der Regulierungsbehörde
gebunden,
46
vgl.: BVerwG, Urteil vom 25. Februar 2009 -6 C 25.08-, amtl. Abdruck Rn. 20; BGH,
Urteil vom 24. Mai 2007 -III ZR 467/04-, NJW 2007, 3344 (3345).
47
Soweit demgegenüber die Kommission
48
vgl. Entscheidung vom 21. Mai 2003, a.a.O., Rn. 17, 163 und 206; ähnlich, aber letztlich
offen lassend: BGH, Urteil vom 10. Februar 2004 -KZR 7/02-, NVwZ-RR 2005, 815 (817)
49
die Möglichkeit der Herabsetzung genehmigter Vorleistungsentgelte nicht ausschließt,
werden der zwingende Charakter des § 29 Abs. 1 TKG 1996 und die Bindungswirkung
der Entgeltgenehmigung nicht hinreichend berücksichtigt.
50
2.2 Ebenso wenig ergäbe sich aus einer Preis-Kosten-Schere ein offenkundiger Verstoß
der monatlichen und einmaligen Entgelten gegen § 24 Abs. 2 Nr. 3 TKG 1996 oder
gegen § 33 Abs. 1 Satz 1 TKG 1996.
51
Nach § 24 Abs. 2 Nr. 3 TKG 1996 dürfen Entgelte einzelnen Nachfragern keine Vorteile
gegenüber anderen Nachfragern gleichartiger oder ähnlicher
Telekommunikationsdienstleistungen auf dem jeweiligen Markt der Telekommunikation
einräumen, es sei denn, dass hierfür ein sachlich gerechtfertigter Grund nachgewiesen
wird. Dieser Gesetzeswortlaut zeigt unmissverständlich, dass sich die Vorschrift gegen
unterschiedliche Entgelte für verschiedene Nachfrager, mithin gegen eine ungleiche
52
externe Behandlung richtet. Die auf der Grundlage des genannten EuG-Urteils
angenommene missbräuchliche Preis-Kosten-Schere bedeutet aber nicht, dass
verschiedene Nachfrager für dieselbe Leistung unterschiedliche Entgelte leisten
müssen, sondern allenfalls, dass die marktbeherrschende Beigeladene intern, d.h. für
die Nutzung der TAL durch ihren Endkundenvertrieb von Teilnehmeranschlüssen,
niedrigere Entgelte berechnet als sie von ihren Wettbewerbern verlangt. Diese Art der
Ungleichbehandlung betrifft nicht einzelne Nachfrager, denn dabei kann es sich nur um
Personen handeln, die mit dem Marktbeherrscher weder identisch noch verbunden sind,
vgl. Schuster/Stürmer, a.a.O., Rn. 51 zu § 24.
53
Soweit sich die Kläger auf § 33 Abs. 1 Satz 1 TKG 1996 berufen, verkennen sie zudem,
dass die Entgeltregulierung in den §§ 24 bis 31 TKG 1996 speziell geregelt ist,
54
vgl. BVerwG, Urteil vom 25. April 2001 --6 C 6.00-, NVwZ 2001,1399,
55
und somit § 33 TKG 1996 daneben von vornherein keine Anwendung findet.
56
2.3 Die Genehmigung der monatlichen Überlassungsentgelte verstößt aber gegen Art. 3
Abs. 3 Verordnung 2887/2000, soweit sie sich auf die Produktvarianten Nr. 1 bis 7 und
10 bis 13 bezieht; im Übrigen (Produktvarianten 8 und 9) verletzt sie § 24 Abs. 2 Nr. 1
TKG 1996.
57
2.3.1 Nach Art. 3 Abs. 3 Verordnung 2887/2000 müssen sich - unbeschadet der hier
nicht einschlägigen Regelung in Art. 4 Abs. 4 - die von gemeldeten Betreibern in
Rechnung gestellten Preise für den entbündelten Zugang zum Teilnehmeranschluss
und zu zugehörigen Einrichtungen an den Kosten orientieren.
58
Die Beigeladene ist - wie unter den Beteiligten unumstritten - wegen ihrer beträchtlichen
Marktmacht gemeldeter Betreiber gemäß Art. 2 lit. a Verordnung 2887/2000.
59
Unter einem Teilnehmeranschluss ist nach Art. 2 lit. c Verordnung 2887/2000 die
physische Doppelader-Metallleitung zu verstehen, die den Netzabschlusspunkt am
Standort des Teilnehmers mit dem Hauptverteiler oder einer entsprechenden
Einrichtung des öffentlichen Telefonnetzes verbindet. Darunter fallen somit alle in Nr. 1
a des Genehmigungstenors aufgeführten Produkte mit Ausnahme der Produktvarianten
8 und 9 ("Glasfaser 1 Faser" und "Glasfaser 2 Faser").
60
Soweit es sich um Teilnehmeranschlüsse handelt, sind diese ferner i.S.d. Art. 2 lit. e
Verordnung 2887/2000 entbündelt, und zwar in der Form der vollständigen
Entbündelung nach Art. 2 lit. f Verordnung 2887/2000, das heißt durch die Ermöglichung
der Nutzung des gesamten Frequenzspektrums der Doppelader- Metallleitung.
61
Das mithin gemäß Art. 249 Abs. 2 EGV unmittelbar geltende Erfordernis der
Kostenorientierung ist als Verpflichtung des gemeldeten Betreibers zu verstehen, die
Preise an den bei der Herstellung der Teilnehmeranschlüsse bereits entstandenen
Kosten zu orientieren, wobei er mit den festgesetzten Preisen einen angemessenen
Gewinn erzielen muss, um die langfristige Weiterentwicklung und Verbesserung der
vorhandenen Telekommunikationsinfrastrukturen zu ermöglichen,
62
EuGH, Urteil vom 24. April 2008, C-55/06, (http://curia.europa.eu/jurisp/) Rn. 69, 71.
63
Zwar steht es im Ermessen der Regulierungsbehörde, die ihr im Einzelfall am besten
geeignet erscheinende Kostenrechnungsmethode zu verwenden, falls - wie unten im
Zusammenhang mit § 2 Abs. 3 der Telekommunikations- Entgeltregulierungsverordnung
näher dargelegt wird - die vom Betreiber vorgelegten Unterlagen nicht vollständig und
nachvollziehbar sind,
64
EuGH, Urteil vom 24. April 2008, C-55/06, a.a.O., Rn. 116, 124, 127, 132 und 134.
65
Auch ist es grundsätzlich nicht als ermessensfehlerhaft zu beanstanden, dass die
Regulierungsbehörde unter den in Betracht kommenden alternativen
Kostenrechnungsmethoden das WIK-Anschlussnetzmodell als das ihr am besten
geeignete ausgewählt hat. Denn das Gemeinschaftsrecht schließt im Falle der
Unvollständigkeit der Kostenunterlagen die Verwendung derartiger analytischer
Kostenmodelle nicht aus,
66
so: EuGH, Urteil vom 24. April 2008, C-55/06, a.a.O., Rn. 128 bis 134.
67
Doch ist die Art und Weise, in der die Regulierungsbehörde den Investitionswert zur
Berechnung der den weitaus größten Teil der monatlichen Überlassungsentgelte
verursachenden Kapitalkosten (Zinsen und Abschreibungen) bestimmt hat, mit dem
Erfordernis der Kostenorientierung nach Art. 3 Abs. 3 Verordnung 2887/2000 nicht
vereinbar.
68
Obwohl - wie im Zusammenhang mit den einmaligen Entgelten noch näher begründet
wird - der Regulierungsbehörde bei der Beurteilung der Kostenorientierung
grundsätzlich ein gerichtlich nur eingeschränkt überprüfbarer Spielraum zusteht, gilt
etwas anderes für die Feststellung des Investitionswerts als Berechnungsgrundlage der
Kosten. Insoweit ist zum einen eine Kostenberechnungsmethode unzulässig, die
ausschließlich auf denjenigen Kosten beruht, die einem anderen Betreiber für die
Errichtung einer vollständig neuen Ortsinfrastruktur zur Erbringung gleichwertiger
Telekommunikationsdienste (aktuelle Kosten) entstehen. Zum anderen dürfen auch
nicht ausschließlich die dem TAL- Betreiber tatsächlich entstandenen Kosten unter
Berücksichtigung der bereits erfolgten Abschreibungen (historische Kosten) angesetzt
werden. Vielmehr muss die Regulierungsbehörde die tatsächlichen Kosten des
Betreibers berücksichtigen. Diese setzen sich zusammen aus seinen historischen
Kosten, was die Berücksichtigung der Anschaffungs- bzw. Herstellungskosten als
Bezugsgrundlage voraussetzt, sowie den voraussichtlichen Kosten, welche
gegebenenfalls aufgrund des Wiederbeschaffungswerts des Netzes oder bestimmter
Teile davon zu kalkulieren sind,
69
so: EuGH, Urteil vom 24. April 2008, C-55/06, a.a.O., Rn. 86, 99, 108, 109, 115, 117-119,
154.
70
Abgesehen davon, dass die Regulierungsbehörde die einschlägige Vorschrift des Art. 3
Abs. 3 Verordnung 2887/2000 im angefochtenen Bescheid weder zitiert noch deren
Voraussetzungen geprüft hat, entspricht die Vorgehensweise der Behörde auch
inhaltlich nicht der vom EuGH vertretenen Normauslegung, an die das erkennende
Gericht faktisch gebunden ist,
71
vgl.: Grabitz/Hilf/Nettesheim, Das Recht der EU, Band III, Rn. 96 zu Art. 234 EGV; v.d.
72
Groeben/Schwarze, Kommentar zum Vertrag über die EU und zur Gründung der EG, 6.
Aufl., Rn. 92, 93 zu Art. 234 EGV; Lenz/Borchardt, EU- und EG-Vertrag, Kommentar, 4.
Aufl., Rn. 61 zu Art. 234 EGV; Schwarze, EU-Kommentar, 2. Aufl., Rn. 66 zu Art. 234
EGV; Streinz/Ehricke, EUV/EGV, Kommentar, Rn. 67 zu Art. 234 EGV.
Denn bei der Bestimmung des - durchschnittlichen - Investitionswerts geht sie
ausschließlich vom Wiederbeschaffungswert aus. Das ergibt sich aus der Begründung
des angefochtenen Bescheids vom 30. März 2001 (S. 35, 40), wonach die
Regulierungsbehörde den Investitionswert in Höhe von 1.634,10 DM für die Haupt-
Zugangsvariante CuDA 2Dr sowie die nicht bezifferten Investitionswerte der anderen
Metall-Zugangsvarianten (S. 49) unter Heranziehung des WIK-Anschlussnetzmodells
ermittelt hat. Wie das WIK darin (Beiakte XVII 6040) ausführt, bewertet es die
notwendigen Anlagegüter "anhand von aktuellen Wiederbeschaffungspreisen, d.h. nach
dem Tageswertprinzip". Dies wird bestätigt durch die vom Gericht angeforderte Auskunft
vom 13. Februar 2009 (Sonderband für In-Camera-Verfahren, S. 17 <20>). Die
Regulierungsbehörde lässt somit im Ergebnis die auf jeden Fall mit zu
berücksichtigenden historischen Anschaffungs- und Herstellungskosten, etwa für
Anfang 2001 schon längst vorhandene Kabelkanäle, Kabel, Schächte und bereits
durchgeführte Tiefbauarbeiten, vollkommen außer Acht.
73
Die dagegen vorgebrachten Einwendungen der Beklagten und der Beigeladenen
greifen nicht durch. Wie sich aus der Begründung unter Rn. 115, 118, 119 und 154 des
vorgenannten EuGH-Urteils unmissverständlich
74
so auch: Kühling, K&R 2009, 243 (244)
75
ergibt, kommt es sehr wohl auf die "tatsächlichen Kosten" als Zusammenfassung von
historischen und voraussichtlichen Kosten an. Die Argumentationsweise der Beklagten
und der Beigeladenen in der mündlichen Verhandlung gibt Anlass, die insoweit
maßgeblichen Urteilspassagen wörtlich wiederzugeben:
76
115: "Aus den genannten Bestimmungen ergibt sich, dass der Grundsatz der
Kostenorientierung der Preise für den entbündelten Zugang zum Teilnehmeranschluss
die Berücksichtigung der tatsächlichen Kosten erfordert, d.h. der historischen Kosten
des gemeldeten Betreibers und der aufgrund des Wiederbeschaffungswerts des Netzes
oder bestimmter Teile davon kalkulierten Kosten".
77
118: "Vor diesem Hintergrund müssen die NRB die tatsächlichen Kosten berechnen, die
im Rahmen der Anwendung des Grundsatzes der Kostenorientierung der Preise für den
entbündelten Zugang zum Teilnehmeranschluss zu berücksichtigen sind."
78
119: "Nach allem ist Buchstabe a der dritten Frage dahin zu beantworten, dass die NRB
im Rahmen der Anwendung des Grundsatzes der Kostenorientierung der Preise für den
entbündelten Zugang zum Teilnehmeranschluss nach Art. 3 Abs. 3 der Verordnung Nr.
2887/2000 bei der Ermittlung der Grundlage für die Berechnung der Kosten des
gemeldeten Betreibers die tatsächlichen Kosten berücksichtigen müssen, d.h. die
historischen Kosten des gemeldeten Betreibers sowie die voraussichtlichen Kosten,
wobei Letztere gegebenenfalls aufgrund des Wiederbeschaffungswertes des Netzes
oder bestimmter Teile davon zu kalkulieren sind."
79
154: "In diesem Zusammenhang ist daran zu erinnern, dass die Preise für den
80
entbündelten Zugang zum Teilnehmeranschluss nach dem in Art. 3 Abs. 3 der
Verordnung Nr. 2887/2000 verankerten Grundsatz anhand der tatsächlichen Kosten,
d.h. der historischen Kosten und der voraussichtlichen Kosten des gemeldeten
Betreibers, festzusetzen sind."
Widersprüche oder sonstige Unklarheiten des EuGH-Urteils lassen sich auch nicht aus
den - behaupteten - Unterschieden zur englischen und französischen Sprachfassung
ableiten. Ausweislich der Fußnote zum Datum dieses Urteils ist Deutsch die
Verfahrenssprache des zugrunde liegenden Vorabentscheidungsverfahrens. Somit ist
gemäß Art. 31 der Verfahrensordnung des Gerichtshofes der Europäischen
Gemeinschaften vom 19. Juni 1991, ABl. Nr. L 176, S. 7, allein die in dieser
Verfahrenssprache veröffentlichte Urteilsfassung verbindlich.
81
Ebenso wenig verfängt der Einwand, ein gemischter Ansatz, der sowohl historische als
auch voraussichtliche Kosten berücksichtigen müsse, sei mangels sachlicher
Unterscheidungskriterien nicht praktikabel. Denn nach der dargestellten Auslegung des
EuGH sollen diese unterschiedlichen Betrachtungsweisen nicht etwa kombiniert auf
dieselben Gegenstände und Leistungen angewendet werden. Vielmehr gilt die
historische Betrachtungsweise für bereits tatsächlich entstandene Anschaffungs- und
Herstellungskosten (Rn. 86, 117), während nur die davon zu unterscheidenden
"voraussichtlichen" Kosten, wie diejenigen für die langfristige Entwicklung und
Verbesserung der lokalen Infrastruktur (Rn. 106), auf Wiederbeschaffungsbasis
kalkuliert werden können (Rn. 117, 119).
82
Dass die Ermittlung historischer Herstellungs- und Anschaffungskosten eines ehemals
staatsmonopolistischen Unternehmens wie der Beigeladenen nicht, jedenfalls nicht
innerhalb der zur Verfügung stehenden Zeit, möglich gewesen sei, ist schon deshalb
unerheblich, weil die rechtlichen Erfordernisse der Kostenorientierung nicht zur
Disposition der Regulierungsbehörde stehen und nicht mit Praktikabilitätserwägungen
unterlaufen werden können. Abgesehen davon hätten nicht mehr konkret feststellbare
historische Anschaffungs- und Herstellungskosten notfalls durch sachverständige
Schätzungen ermittelt und dem WIK- Anschlussnetzmodell zugrunde gelegt werden
können. Dass dies nicht unmöglich gewesen wäre, zeigt sich nicht zuletzt daran, dass
anlässlich der Privatisierung der Beigeladenen eine den gesetzlichen Bestimmungen
entsprechende Eröffnungsbilanz (§ 5 Postumwandlungsgesetz) erstellt werden konnte.
83
2.3.2 Die Genehmigung der monatlichen Überlassungsentgelte für die Glasfaser-
Produktvarianten 8 und 9 verstößt gegen § 24 Abs. 2 Nr. 1 TKG 1996.
84
Nach dieser Vorschrift dürfen Entgelte keine Aufschläge enthalten, die nur auf Grund der
marktbeherrschenden Stellung nach § 19 GWB eines Anbieters auf dem jeweiligen
Markt der Telekommunikation durchsetzbar sind. Ob Aufschläge vorliegen, beurteilt sich
aus gesetzessystematischen Gründen nach § 24 Abs. 1 Satz 1 TKG 1996,
85
vgl. zur vergleichbaren Problematik im Rahmen des § 30 Abs. 4 TKG 1996: BVerwG,
Urteil vom 10. Oktober 2002 -6 C 8.01-, Buchholz 442.066 § 30 TKG Nr. 1 (S. 15).
86
Aufschläge sind somit anzunehmen, wenn die Entgelte so hoch sind, dass sie sich nicht
mehr an den KeL orientieren. Dieser Maßstab wird in § 3 Abs. 2 Telekommunikations-
Entgeltregulierungsverordnung vom 1. Oktober 1996, BGBl. I S. 1492, (TEntgV)
abschließend dahingehend bestimmt, dass sich die KeL aus den langfristigen
87
zusätzlichen Kosten der Leistungsbereitstellung und einem angemessenen Zuschlag für
leistungsmengenneutrale Gemeinkosten, jeweils einschließlich einer angemessenen
Verzinsung des eingesetzten Kapitals ergeben, soweit diese Kosten jeweils für die
Leistungsbereitstellung notwendig sind. Ob und inwieweit sich die Entgelte an den KeL
orientieren, hat die Regulierungsbehörde gemäß § 3 Abs. 1 i.V.m. § 2 Abs. 1 und 2
TEntgV anhand der vom beantragenden Unternehmen vorzulegenden
Kostennachweise zu prüfen. Im Rahmen dieser Prüfung soll sie zusätzlich
insbesondere Preise und Kosten solcher Unternehmen als Vergleich heranziehen, die
entsprechende Leistungen auf vergleichbaren Märkten im Wettbewerb anbieten, § 3
Abs. 3 Satz 1 TEntgV.
Die Genehmigung der monatlichen Überlassungsentgelte Nrn. 8 und 9 verstößt nicht
etwa schon deshalb gegen diese Vorgaben, weil die Regulierungsbehörde nicht von
den vorgelegten Kostenunterlagen der Beigeladenen ausgegangen ist, sondern wegen
fehlender Nachweiskraft dieser Unterlagen im Wesentlichen ein Kostenmodell seiner
KeL-Prüfung zugrunde gelegt hat. Dieses methodische Vorgehen ist grundsätzlich
rechtlich nicht zu beanstanden.
88
Allerdings vertritt das Bundesverwaltungsgericht die Auffassung, eine beantragte
Genehmigung könne nicht erteilt werden, wenn die vorgelegten Unterlagen die
Erteilung nicht rechtfertigten,
89
so: BVerwG, Beschluss vom 15. Dezember 2005 - 6 B 70.05-, amtl. Abdruck Rn. 10.
90
Daraus ergäbe sich eigentlich, dass eine KeL-Prüfung auf ausschließlich anderer
methodischer Grundlage - hier derjenigen eines analytischen Kostenmodells -
unzulässig wäre,
91
so: VG Köln, Urteil vom 9. November 2000 -1 K 10406/98-; a.A.: OVG NRW, Beschlüsse
vom 20. Januar 2003 -13 A 362 und 363/01- und vom 28. November 2005 -13 A
3233/03-,
92
und dass die Regulierungsbehörde statt dessen den Genehmigungsantrag in
sachgerechter Ausübung des ihr durch § 2 Abs. 3 TEntgV eingeräumten Ermessens
ablehnen müsste.
93
Dafür spräche auch, dass nach § 3 Abs. 3 Satz 1 TEntgV andere Methoden als die
Prüfung anhand der eingereichten Kostenunterlagen - nur - "zusätzlich" möglich sind,
94
vgl. auch: BVerfG, Beschluss vom 14. März 2006 -1 BvR 2087/03 und 1 BvR 2111/03-,
MMR 2006, 375, Rn. 111,
95
was eine die konkrete Kostenprüfung anhand von Kostenunterlagen des Unternehmens
gleichsam ersetzende Anwendung anderer Beurteilungsmethoden an und für sich
ausschließt.
96
Doch sind die genannten Vorschriften im Hinblick auf die nunmehr vorliegende
Rechtsprechung des EuGH,
97
Urteil vom 24. April 2008, C-55/06, a.a.O., Rn. 116, 124, 127, 132 und 134,
98
gemeinschaftsrechtskonform dahin auszulegen, dass es im Ermessen der
Regulierungsbehörde steht, die ihr im Einzelfall am besten geeignet erscheinende
Kostenrechnungsmethode zu verwenden, falls die vom Betreiber vorgelegten
Unterlagen nicht vollständig und nachvollziehbar sind. Dieses EuGH-Urteil ist zwar zur
Verordnung 2887/2000 ergangen. Es ist jedoch u.a. auch zur Auslegung des nationalen
Rechts heranzuziehen, da in diesem Urteil ausgeführt wird, dass § 24 TKG 1996 sowie
die §§ 2 und 3 TEntgV eine detaillierte Anwendung des Grundsatzes der
Kostenorientierung darstellen und diesen Grundsatz unter Wahrung des
Gemeinschaftsrechts umsetzen,
99
EuGH, Urteil vom 24. April 2008, C-55/06, a.a.O., Rn. 145, 149.
100
Hinzu kommt, dass das nationale Recht trotz der Regelung in Art. 1 Abs. 4 Verordnung
2887/2000 nicht vom gemeinschaftsrechtlichen Grundsatz der Kostenorientierung mit
der Folge seiner Unanwendbarkeit abweichen darf,
101
EuGH, Urteil vom 24. April 2008, C-55/06, a.a.O., Rn. 140-150.
102
Somit schlägt das, was der EuGH in Auslegung dieses gemeinschaftsrechtlichen
Maßstabes entscheiden hat, auf die - soweit erforderlich - gemeinschaftsrechtskonforme
Auslegung der entsprechenden nationalen Rechtsvorschriften durch.
103
Die nach dem Gemeinschaftsrecht und den damit konformen §§ 2 und 3 TEntgV
erforderliche Voraussetzung für eine nicht auf Kostenunterlagen des antragstellenden
Unternehmens basierende Kostenprüfung sind erfüllt. Die von der Beigeladenen
vorgelegten Kostenunterlagen sind nämlich unvollständig.
104
Aus den Antragsunterlagen der Beigeladenen (BA II 454-456, 515) ergibt sich, dass
diese ausschließlich Wiederbeschaffungswerte (Tagesneupreise) zum Stichtag
31.12.1999 ansetzt. Kostennachweise i.S.d. § 2 Abs. 1 Nr. 4 und Abs. 2 TEntgV müssen
demgegenüber die tatsächlichen Kosten, d.h. die buchhalterischen Ist- Kosten, belegen,
105
vgl. OVG NRW, Beschluss vom 15. August 2003 -13 A 2773/01-; VG Köln, Urteil vom
18. November 2004 -1 K 639/00-.
106
Denn nach § 2 Abs. 1 Nr. 4 TEntgV hat das regulierte Unternehmen Angaben über die
Entwicklung der Deckungsbeiträge zu machen und entsprechende Nachweise
vorzulegen. Der Begriff des Deckungsbeitrags bezieht sich auf ein bestimmtes Objekt
bzw. eine bestimmte Leistung. Er stellt die Differenz zwischen den Erlösen und den
Kosten dar, die ausschließlich durch das Objekt selbst - hier die Glasfaser TAL -
verursacht werden,
107
vgl. Busse v Colbe/Pellens, Lexikon des Rechnungswesens, 4. Aufl. 1998, S. 175, 176.
108
Zur Ermittlung des Deckungsbeitrags ist deshalb der Nachweis der durch die jeweils in
Rede stehende Leistung verursachten Kosten erforderlich. Daran fehlt es im
vorliegenden Falle.
109
Sind somit die von der Beigeladenen vorgelegten Unterlagen schon wegen fehlender
Wiedergabe der tatsächlichen, buchhalterischen Ist-Kosten nicht verwertbar, kann
dahingestellt bleiben, ob sie auch aus den im Bescheid vom 30. März 2001 (S. 32-35)
110
genannten weiteren Gründen unvollständig und/oder nicht aussagekräftig sind.
Die Regulierungsbehörde hat das ihr durch § 2 Abs. 3 TEntgV eingeräumte Ermessen,
den Entgeltgenehmigungsantrag für die monatlichen Glasfaser- Überlassungsentgelte
trotz Unvollständigkeit der Kostenunterlagen nicht abzulehnen, fehlerfrei ausgeübt
(Bescheid 35). Es ist nicht zu beanstanden, dass sie dem Ziel der Verhinderung des
Nachteils, der mit einer Verzögerung der endgültigen Genehmigung für die
Kalkulationssicherheit der Wettbewerber verbunden gewesen wäre, größeres Gewicht
beigemessen hat als dem Interesse an höherer Verlässlichkeit einer auf der Grundlage
vollständiger Kostennachweise durchgeführten späteren Entgeltprüfung. Damit hat sie
von der Ermächtigung keinen zweckwidrigen Gebrauch gemacht, § 114 S. 1 VwGO.
111
Ebenso wenig ist ermessensfehlerhaft, dass die Regulierungsbehörde - auch - in Bezug
auf die beiden monatlichen Glasfaser-Entgelte unter den in Betracht kommenden
alternativen Kostenrechnungsmethoden das WIK-Anschlussnetzmodell als das ihr am
besten geeignete ausgewählt hat. Denn wie bereits oben unter 2.3.1 ausgeführt,
schließt das Gemeinschaftsrecht, das auch im vorliegenden Zusammenhang als
Richtschnur für die Auslegung des innerstaatlichen Rechts (§ 3 TEntgV) dient, im Falle
der Unvollständigkeit der Kostenunterlagen die Verwendung derartiger analytischer
Kostenmodelle nicht aus.
112
Jedoch ist es rechtswidrig, dass die Regulierungsbehörde unter Heranziehung des WIK-
Anschlussnetzmodells den für die Entgeltbemessung maßgeblichen durchschnittlichen
Investitionswert für alle TAL-Varianten, mithin unter Einbeziehung der
Glasfaserleitungen, ausschließlich auf der Grundlage von Wiederbeschaffungspreisen
nach dem Tageswertprinzip kalkuliert hat. Auch insoweit wird zur Vermeidung von
Wiederholungen auf die obigen Ausführungen zu den monatlichen
Überlassungsentgelten für Metallleitungen verwiesen. Zwar sind Glasfaser-TAL erst in
jüngerer Zeit verlegt worden, so dass sich bei isolierter, allein auf diese TAL-Art
bezogener Betrachtungsweise eine Minderung des tatsächlichen Werts durch
Abschreibungen bei weitem nicht in dem Umfang ausgewirkt haben wird wie bei den
herkömmlichen Metallleitungen. Da aber bei den Glasfaser-TAL derselbe prozentuale
Abstand zwischen dem von der Beigeladenen kalkulierten und dem von der
Regulierungsbehörde auf Wiederbeschaffungsbasis ermittelten Investitionswert für die
Grundvariante der Metall-TAL (CuDA 2Dr) in Ansatz gebracht wurde (Bescheid 49),
wirkt sich der oben dargestellte methodische Fehler auch auf die Entgeltgenehmigung
für die Überlassung der Glasfaser-Produktvarianten Nr. 8 und 9 aus.
113
2.3.3 Es ist nicht Aufgabe des Gerichts, im Rahmen des vorliegenden
Anfechtungsrechtsstreits gegen die Genehmigung der monatlichen
Überlassungsentgelte einen den oben genannten Vorgaben entsprechenden
Investitionswert zu ermitteln oder ermitteln zu lassen. Denn dies liefe nicht nur darauf
hinaus, in unzulässiger Weise die gemäß § 79 Abs. 1 Satz 1 TKG 1996 erforderliche
Begründung des angefochtenen Verwaltungsakts in einem wesentlichen Punkt von
Amts wegen auszutauschen. Es wäre auch nicht mit dem Grundsatz vereinbar, dass im
Anfechtungsrechtsstreit von der im Zeitpunkt der behördlichen Entscheidung
bestehenden Sachlage auszugehen ist, wofür hier zudem spricht, dass die
telekommunikationsrechtliche Entgeltgenehmigung auf einem gemäß §§ 73 bis 75 TKG
1996 formalisierten Beschlusskammerverfahren beruht.
114
Sind somit die Kapitalkosten allein wegen Zugrundelegung zu hoch bemessener
115
Investitionswerte rechtswidrig, kann - und muss aus prozessökonomischen Gründen -
dahingestellt bleiben, ob der Ansatz der Kapitalkosten auch an weiteren von den
Klägern gerügten Rechtsmängeln (u.a. bezüglich der Effizienzbeurteilung,
Stichprobenbildung, des Zinssatzes und der Abschreibungszeiträume) leidet. Allerdings
sei darauf hingewiesen, dass in der bisherigen Rechtsprechung der Zinssatz von real
8,75 % im Ergebnis nicht beanstandet wurde,
vgl.: VG Köln, Urteile vom 24. Juni 2004 -1 K 7903/01-, vom 17. Februar 2005 -1 K
8312/01-, vom 7. Juli 2005 -1 K 10240/02-; OVG NRW, Beschluss vom 19. August 2005
-13 A 1937/04- .
116
Die Rechtswidrigkeit des Kapitalkostenansatzes beeinträchtigt die in Rede stehende
Entgeltgenehmigung insgesamt, da Überlassungsentgelte, welche auf nicht zutreffend
ermittelten Kapitalkosten beruhen, sich weder an den Kosten (Art. 3 Abs. 3 Verordnung
2887/2000) noch an den KeL (§ 24 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 Nr. 1 TKG 1996)
orientieren. Unter diesen Umständen ist es ferner nicht entscheidungserheblich und
bleibt daher ebenfalls offen, ob und inwieweit außer den Kapitalkosten auch die
weiteren von den Klägern angegriffenen Entgeltanteile, mit denen z.B. die Betriebs- und
Mietkosten sowie die Produkt- und Angebotskosten erfasst werden sollen, zu
beanstanden sind.
117
2.4 Die Genehmigung der einmaligen Entgelte (Bereitstellungs- und
Kündigungsentgelte) verstößt ebenfalls gegen die oben dargelegten Anforderungen von
Art. 3 Abs. 3 Verordnung 2887/2000, soweit sie sich auf physische Doppelader-
Metallleitungen beziehen, und gegen die oben genannten Maßstäbe des § 24 Abs. 2 Nr.
1 TKG 1996 i.V.m. § 3 TEntgV, soweit sie Varianten bei OPAL und ISIS betreffen.
118
Mit Ausnahme der besonderen Anforderungen bei der Ermittlung des Investitionswerts
steht der Regulierungsbehörde bei der Prüfung, ob sich die Entgelte an den Kosten
bzw. den KeL orientieren oder unzulässige Aufschläge enthalten, im Übrigen ein
gerichtlich nur eingeschränkt überprüfbarer Beurteilungsspielraum zu. Das ergibt sich
aus dem auch insoweit faktisch bindenden Urteil des EuGH vom 24. April 2008, C-
55/06,
119
a.a.O., Rn. 155-159,
120
wonach der Regulierungsbehörde bei der Ermittlung der dem TAL-Betreiber
entstandenen und zu berücksichtigenden Kosten "weit reichende Befugnisse" zustehen.
Der Sinnzusammenhang, in dem die darauf bezogenen Urteilsausführungen und die
entsprechenden Vorlagefragen des erkennenden Gerichts stehen, macht deutlich, dass
mit der Formulierung "weit reichende Befugnisse" das gemeint ist, was im
innerstaatlichen Recht unter dem Begriff Beurteilungsspielraum verstanden wird,
121
so auch: Ladeur, K&R 2009, 299 (302); ähnlich Kühling, a.a.O., S. 244, der von einem
"Spielraum" spricht.
122
Dieses Verständnis wird dadurch bestätigt, dass im vorgenannten EuGH-Urteil an
anderer Stelle,
123
a.a.O., Rn. 44 und 116,
124
ohne weiteres von "Ermessen" bei der regulierungsbehördlichen Festlegung der
Berechnungsgrundlagen von Kostenbestandteilen die Rede ist. Nach ständiger
Rechtsprechung des EuGH,
125
vgl.: Urteile vom 11. Juli 1985, 42/845, Slg. 1985, 2545, Rn. 34, vom 17. November
1987, 142/84, Slg. 1987, 4487, Rn. 62, vom 2. Oktober 2003, C-194/99 P,
(http://curia.europa.eu/jurisp/) Rn. 78,
126
hat behördliches Ermessen bei komplexen wirtschaftlichen Gegebenheiten zur Folge,
dass das Gericht die Überprüfung - vergleichbar dem Prüfungsprogramm bei
behördlichen Beurteilungsspielräumen nach innerstaatlichem Recht - darauf zu
beschränken hat, ob die Verfahrensvorschriften eingehalten worden sind, ob die
Begründung ausreichend ist, ob der Sachverhalt zutreffend festgestellt worden ist und
ob keine offensichtlich fehlerhafte Würdigung des Sachverhalts und kein
Ermessensmissbrauch vorliegen. Zwar befasst sich das Urteil des EuGH vom 24. April
2008 nur mit Anschaffungs- und Herstellungskosten. Doch spricht nichts dafür, dass die
darin entwickelten Maßstäbe der Kostenorientierung nicht auch für einmalige Kosten der
Leistungsbereitstellung gelten.
127
Die Ermittlung der Kosten, die im Rahmen des Großunternehmens der Beigeladenen
auf einzelne Leistungen wie das Bereitstellen der TAL und das Rückgängigmachen
dieser Leistung infolge Kündigung entfallen, sowie deren Beurteilung anhand des
Kosten- bzw. KeL-Maßstabs erfordern komplexe betriebswirtschaftliche Überlegungen,
128
vgl. z.B. Gerpott/Winzer, K&R 2000, 521; Vogelsang, MMR 1998, 594.
129
Die Beurteilungskriterien sind nämlich in der Verordnung 2887/2000 gar nicht genannt,
während sie in § 3 Abs. 2 und 4 TEntgV zwar grob umrissen, aber nach den
Erfahrungen der Kammer,
130
vgl. u.a. das im Verfahren 1 K 8003/98 eingeholte Sachverständigengutachten,
131
nicht einmal aus betriebswirtschaftlicher Sicht so klar sind, dass sich die anstehenden
Fragen durch Sachverständigenbeweis eindeutig und zweifelsfrei beantworten ließen.
Die Komplexität und Schwierigkeit der Kostenermittlung und - beurteilung erstrecken
sich in großen Teilen auf Fragen- und Themenbereiche, die jenseits allgemein
anerkannter ökonomischer Erkenntnisse des Rechnungswesens liegen. Auch ein -
ansonsten - wissenschaftlich und praktisch besonders versierter Sachverständiger
beträte hier gleichsam unsicheres Gelände,
132
vgl. z.B.: Knieps, MMR 1998, 598 ff; Masing, AöR Bd. 128 (2003), 558 (576-579),
133
und wäre u.a. auf weder normativ noch fachlich hinreichend bestimmte regulatorische
Wertungsvorgaben angewiesen. Das gilt insbesondere dann, wenn es, wie im
vorliegenden Falle bezüglich der für die Entgeltbemessung wesentlichen
Prozesskostenrechnung (Bescheid 50), an vollständigen und nachvollziehbaren
Kostennachweisen des antragstellenden Unternehmens fehlt.
134
Unter diesen Umständen kann dahingestellt bleiben, ob sich die Einschränkung des
gerichtlichen Prüfungsprogramms nach Maßgabe der o.g. EuGH- Rechtsprechung dem
im maßgeblichen Zeitpunkt geltenden innerstaatlichen Telekommunikationsrecht auch
135
ohne entsprechende ausdrückliche Normierung entnehmen ließe,
generell bejahend für den Bereich der telekommunikationsrechtlichen Entgeltprüfung:
Koenig/Braun, MMR 2001, 563 (566-568); Manssen, Telekommunikations- und
Multimediarecht, Kommentar, Bd. 1, Rn. 8 zu § 24 und Rn. 30 zu § 27; Spoerr, in
Trute/Spoerr/Bosch, Telekommunikationsgesetz mit FTEG, Kommentar, 1. Aufl., Rn. 54-
61 zu § 24; Trute, in: Festgabe 50 Jahre Bundesverwaltungsgericht, S. 857 (860-863);
verneinend: OVG NRW, Beschluss vom 19. August 2005 -13 A 1521/03-; v. Danwitz,
DVBl 2003, 1405; für das TKG 2004 offen lassend, aber in der Tendenz wohl
verneinend: BVerwG, Urteil vom 24. Juni 2009 - 6 C 19.08 -, amtl. Abdruck Rn. 21.
136
Der Genehmigung der einmaligen Entgelte liegen entsprechend der Kalkulation der
Beigeladenen Produkt- und Angebotskosten zugrunde, die sich aus der Multiplikation
von Prozesszeiten und Stundensätzen und der anschließenden Addition von
Gemeinkostenzuschlägen ergeben; bei den Bereitstellungsentgelten werden zudem in
geringem Umfang Materialkosten berücksichtigt (BA XVII 6094 ff, 6103 ff).
137
Die Genehmigung ist schon deshalb beurteilungsfehlerhaft, weil die von der
Regulierungsbehörde gewählten Ansätze für die jeweiligen Prozesszeiten nicht auf
"zutreffend festgestelltem Sachverhalt" beruhen. Dieses EuGH-Prüfkriterium deckt sich
inhaltlich mit dem vom Bundesverwaltungsgericht bei anerkannten
Beurteilungsspielräumen in ständiger Rechtsprechung,
138
vgl. u.a. Urteil vom 02. April 2008 -6 C 15.07-, juris Rn. 21,
139
vertretenen Erfordernis vollständiger und zutreffender Ermittlung des erheblichen
Sachverhalts.
140
Die Regulierungsbehörde (Bescheid 50/51) erkennt die auf einem Gutachten der
refaconsult beruhende Prozesszeitenberechnung der Beigeladenen nicht an, da dieses
Gutachten nach Auffassung des von der Regulierungsbehörde mit einer Überprüfung
beauftragten Fraunhofer Instituts für Materialfluss und Logistik (IML) gravierende
statistische Mängel aufweise. Statt dessen nimmt sie zum einen unter Berufung auf
einen Erfahrungswert aus der Industrie eine Produktivitätssteigerung bei den
administrativen Tätigkeiten von 20% an und kürzt um diesen Prozentsatz die in der
vorangegangenen Entgeltgenehmigung vom 08. Februar 1999 (Vorgenehmigung)
angenommenen Zeitansätze. Zum anderen geht sie in Bezug auf die nicht
administrativen Prozessschritte uneingeschränkt von den der Vorgenehmigung
zugrunde liegenden Zeitansätzen aus. Eine Berücksichtigung der von den
Wettbewerbern behaupteten Effizienzsteigerungsmöglichkeiten durch die Installation
elektronischer Schnittstellen bei der TAL-Bestellung und durch die Einführung eines
sogenannten "HVt-Karussells" zur Bündelung von Schaltarbeiten lehnt die
Regulierungsbehörde ausdrücklich ab. Die Einzelheiten der Begründung und
Berechnung (BA XVI 5729-5731, 5771/5772; BA XVII 6089-6107) stellen - wie in den
Beschlüssen der Kammer vom 24. Februar 2009, 18. März 2009 und 25. März 2009
dargelegt - schützenswerte Geschäftsgeheimnisse der Beigeladenen dar und dürfen
daher auch nicht in dieser Urteilsbegründung offenbart werden.
141
Für eine vollständige und zutreffende Ermittlung des hinsichtlich der Prozesszeiten
erheblichen Sachverhalts wäre - wie die Regulierungsbehörde im Zusammenhang mit
der Verwerfung des refaconsult-Gutachtens selbst formuliert - die Feststellung
142
repräsentativer Mittelwerte der einzelnen Prozesse erforderlich (Bescheid 50). Es
müsste dazu im Wesentlichen all das erfüllt sein, was das IML (BA XVI 5853-5969) und
die Fachabteilung der Regulierungsbehörde in ihrem Prüfbericht vom 26. März 2001
(BA XVI 5723-5727 und 5729-5731) an dem refaconsult- Gutachten bemängeln. Daran
fehlt es aber im maßgeblichen Zeitpunkt des Erlasses des angefochtenen Bescheides.
Auch der vorgenannte Prüfbericht spricht davon, dass "keine abgesicherten Zeitwerte
vorliegen" (BA XVI 5731).
Dieser Sachverhaltsmangel lässt sich nicht durch den Rückgriff auf die in der
Vorgenehmigung angesetzten Prozesszeiten oder bei den administrativen Schritten
durch einen 20%-igen Abschlag auf die damaligen Zeiten beurteilungsfehlerfrei
ausgleichen. Zwar hat die Kammer in ihrem bezüglich der einmaligen Entgelte
rechtskräftig gewordenen Urteil vom 27. November 2008 -1 K 1749/99- (amtl. Abdruck S.
27) ausgeführt, dass die damaligen Prozesszeitenannahmen nicht auf unzutreffend
festgestelltem Sachverhalt beruhten. Doch rechtfertigt dies nicht, auch im vorliegenden
Falle vom gleichen Prozesszeitenniveau auszugehen. Das ergibt sich aus Folgendem:
143
Bei der Überprüfung der Vorgenehmigung hatte berücksichtigt werden müssen, dass die
Regulierungsbehörde vom erkennenden Gericht mit Beschluss vom 20. Januar 1999 -1
L 3890/98- u.a. verpflichtet worden war, innerhalb von 14 Tagen über die Genehmigung
der TAL-Entgelte auf der Grundlage der zu jenem Zeitpunkt vorliegenden Ergebnisse
der Überprüfung der von der Beigeladenen vorgelegten Genehmigungsunterlagen zu
entscheiden. Eine derartige Beschränkung der Beurteilungsgrundlage bestand aber im
vorliegenden Genehmigungsverfahren nicht mehr. Ferner hatten ausweislich der
Vorgenehmigung (dort S. 39) im Januar 1999 nur "erste Untersuchungsergebnisse" des
in Auftrag gegeben Gutachtens berücksichtigt werden können. Der damaligen
Berechnung der Prozesszeiten hatten somit - ebenfalls - keine validen
Datenerhebungen zugrunde gelegen, sondern es waren die Angaben der Beigeladenen
durch für jedes beteiligte Ressort unterschiedlich geschätzte prozentuale Abschläge für
Rationalisierungspotenziale gemindert worden. Dass die jenen Schätzungen zugrunde
liegenden Sachverhaltsannahmen auch noch in dem im vorliegenden Verfahren
maßgeblichen Zeitpunkt, d.h. gut zwei Jahre später, realitätsgerecht waren, ist
angesichts der starken Dynamik, die - wie gerichtsbekannt - zumindest in den ersten
Jahren der Entmonopolisierung des Telekommunikationsmarktes herrschte,
auszuschließen. Andernfalls wäre auch nicht nachvollziehbar, warum die einmaligen
TAL-Entgelte für die weitaus gebräuchlichste Variante CuDA 2Dr in der ab dem 01. April
2002 geltenden Anschlussgenehmigung vom 11. April 2002 (BK 4a-02-004/E 31.01.02)
wie folgt erheblich gesenkt werden konnten:
144
Bereitstellungsentgelte neu (ab 01.04.2002) alt (01.04.2001-31.03.2002) Übernahme
ohne Arbeiten beim Endkunden 70,56 EUR 92,59 EUR Übernahme mit Arbeiten beim
Endkunden 91,65 EUR 117,14 EUR Neuschaltung mit Arbeiten am KVz und ohne
Arbeiten beim Endkunden 92,63 EUR 107,84 EUR Neuschaltung mit Arbeiten am KVz
und mit Arbeiten beim Endkunden 125,35 EUR 157,64 EUR Neuschaltung ohne
Arbeiten am KVz und ohne Arbeiten beim Endkunden 81,12 EUR 86,51 EUR
Neuschaltung ohne Arbeiten am KVz und mit Arbeiten beim Endkunden 113,84 EUR
135,87 EUR
145
Selbst wenn man in Rechnung stellte, dass bei der Anschlussgenehmigung - wie von
der Beigeladenen in der mündlichen Verhandlung vorgetragen - vom Vorliegen
elektronischer Schnittstellen ausgegangen wurde, ließen sich allein damit die
146
beträchtlichen Unterschiede nicht erklären.
Ferner ist zu berücksichtigen, dass für die anderen Produktvarianten (außer CuDa 2Dr)
überhaupt keine prüfbaren Prozessdaten vorliegen (BA XVI 5721), so dass insoweit erst
recht nicht das Niveau der Vorgenehmigung herangezogen werden konnte.
147
Soweit die Regulierungsbehörde in Bezug auf den administrativen Teil der
Prozesszeiten einen 20%-igen Abschlag für Produktivitätssteigerungen für angemessen
hält, beruht auch dies nicht auf zutreffend festgestelltem Sachverhalt. Zwar stützt sich
die Regulierungsbehörde dabei auf eine Auskunft des Fraunhofer Instituts vom 29. März
2001 (BA XVI 5970), wonach üblicherweise in der Industrie von einem Erfahrungswert
für Rationalisierungspotentiale bei neuen Arbeitsabläufen zwischen 10% und 30%
ausgegangen werde. Doch wird dies zum einen nicht näher belegt; zum anderen spricht
nichts dafür, dass administrative Teiltätigkeiten in der Telekommunikationsbranche mit
den Verhältnissen in der Industrie vergleichbar wären.
148
Soweit die Beklagte schließlich einwendet, sie habe infolge ihrer ermessensfehlerfrei
gegen eine Antragsablehnung nach § 2 Abs. 3 TEntgV getroffenen
Verfahrensentscheidung sowie im Hinblick auf das Fehlen belastbarer Daten und mit
Rücksicht auf die maximal 10-wöchige Entscheidungsfrist (§ 28 Abs. 2 TKG 1996) nur in
der geschehenen Weise die Prozesszeiten "bestimmen" können, ist ihr
entgegenzuhalten, dass diese Umstände nicht von den oben genannten normativen
Anforderungen der Kosten- und KeL-Orientierung befreien. Die Ermächtigung,
Entgeltgenehmigungen ausnahmsweise ohne konkrete, anhand von aussagekräftigen
Kostennachweisen durchgeführte Prüfung erteilen zu können, betrifft nur das
methodische Vorgehen, ändert aber nichts am Maßstab der Kosten- bzw. Kel-
Orientierung,
149
vgl. zur Differenzierung zwischen Maßstab und Methode: Masing, Gutachten zum 66.
Deutschen Juristentag, Stuttgart 2006, D 130.
150
Dass die mit diesem Maßstab verbundenen inhaltlichen Anforderungen eingehalten
werden, hat das Verwaltungsgericht trotz der ansonsten weit reichenden Befugnisse der
Regulierungsbehörde gerade im Hinblick auf den drittbetroffenen Wettbewerber
sicherzustellen,
151
vgl. EuGH, Urteil vom 24. April 2008, C-55/06, a.a.O., Rn.168,170, 178.
152
Sind somit die tatsächlichen Kosten maßgeblich,
153
vgl. EuGH, Urteil vom 24. April 2008, C-55/06, a.a.O., Rn.119,
154
so bedeutet dies, dass sich auch die für die Berechnung dieser Kosten erheblichen
Einsatzgrößen - ungeachtet der bisherigen Kommentierungen zum Zusatzmerkmal
"effizient" - an den tatsächlichen Verhältnissen orientieren müssen.
155
Unter diesen Umständen kann auf sich beruhen, ob in Bezug auf die Stundensätze und
die Ansätze für Gemeinkosten weitere Sachverhaltsfehler vorliegen, denn schon allein
die fehlerhaften Prozesszeiten-Annahmen führen zur Rechtswidrigkeit der
Genehmigung der einmaligen Entgelte .
156
Ebenso wenig kommt es somit darauf an, ob in Bezug auf die Nichtberücksichtigung
einer elektronischer Schnittstelle und eines "HVt-Karussells" eine offensichtlich
fehlerhafte Würdigung des Sachverhalts oder Ermessensmissbrauch vorliegt.
157
2.5 Die Kläger werden durch die Rechtswidrigkeit der Entgeltgenehmigung schließlich
auch in ihren Rechten verletzt (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
158
In Bezug auf die monatlichen Überlassungsentgelte ergibt sich dies daraus, dass bei
einer den obigen Anforderungen entsprechenden Mitberücksichtigung der historischen
TAL-Kosten die darauf bereits erfolgten Abschreibungen nach der Definition des EuGH,
159
vgl. Urteil vom 24. April 2008, C-55/06, a.a.O., Rn. 86,
160
abzuziehen wären. Demzufolge müsste bei den Metallleitungen ein richtig ermittelter
Investitionswert niedriger ausfallen als bei Zugrundelegung ausschließlich auf
Wiederbeschaffungsbasis ermittelter Kosten. Das bedingte geringere Kapitalkosten und
somit auch niedrigere Überlassungsentgelte als die hier genehmigten. Vergleichbares
gilt - wenn auch mit geringerer Auswirkung - für die Anschaffungs- und
Herstellungskosten der Glasfaser-Produktvarianten 8 und 9.
161
Ferner hätte die Genehmigung der einmaligen Entgelte allein aufgrund zutreffend
festgestellter Prozesszeiten niedriger ausfallen müssen, was sich aus dem durch
Rationalisierungsfortschritte nicht zu erklärenden erheblichen Absinken des
Entgeltniveaus in der folgenden Genehmigungsperiode ergibt. Abgesehen davon ist die
Kammer der Auffassung, dass für das Erfordernis der Rechtsverletzung bereits die
bloße Möglichkeit eines niedrigeren Entgelts ausreicht.
162
Unter diesen Umständen kommt es auf die im hilfsweise gestellten Antrag zu 2
genannten Beweisthemen für die Entscheidung des vorliegenden Rechtsstreits nicht an.
163
Die Kostenentscheidung folgt aus den §§ 154 Abs. 1 und Abs. 3, 159 Satz 1 VwGO.
164
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i.V.m. §
709 Satz 1 ZPO.
165
Die Revision ist nicht zuzulassen, weil die Rechtssache ausgelaufenes Recht betrifft,
was einer grundsätzlichen Bedeutung entgegensteht, und das Urteil nicht von einer
Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten
Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht, § 135 S. 2
i.V.m. § 132 Abs. 2 Nr. 1 und 2 VwGO.
166