Urteil des VG Köln vom 21.10.2004

VG Köln: aufschiebende wirkung, genehmigung, zugang, aufwand, unterliegen, insolvenz, kündigung, obsiegen, ersparnis, kauf

Verwaltungsgericht Köln, 1 L 2280/04
Datum:
21.10.2004
Gericht:
Verwaltungsgericht Köln
Spruchkörper:
1. Kammer
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
1 L 2280/04
Tenor:
Der Antrag wird abgelehnt. Die Kosten des Verfahrens, einschließlich
der außergerichtlichen Kosten der Beige- ladenen, tragen die
Antragstellerinnen als Gesamtschuldnerinnen. Der Streitwert wird auf
50.000,- EUR festgesetzt.
Gründe:
1
I.
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Die Antragstellerinnen sind Telekommunikationsunternehmen, die mit der Beige-
ladenen Verträge über den Zugang zur Teilnehmeranschlussleitung geschlossen ha-
ben, aufgrund derer die Beigeladene ihnen den Zugang zur Teilnehmeranschlusslei-
tung ihrer Endkunden gewährt. Die Beigeladene ist Rechtsnachfolgerin der E. C. bzw.
der E. C. U. und als solche Eigentümerin der von dieser aufgebauten
Telekommunikationsnetze und der hierzu gehörenden technischen Ein- richtungen. Die
zwischen der Beigeladenen und u.a. den Antragstellerinnen abge- schlossenen
Verträge enthalten neben den allgemeinen Vertragsbedingungen insbe- sondere die
technischen Regelungen über den Zugang zur Teilnehmeranschlusslei- tung und
weitere zusätzliche Leistungen sowie die Entgelte, die die Vertragspartner der
Beigeladenen für die Zugangsgewährung an diese zu entrichten haben. Die in den
Verträgen festgelegten einmaligen und laufenden Entgelte waren Gegenstand
verschiedener Genehmigungen der Antragsgegnerin. Im Hinblick auf die am 30. Juni
2004 auslaufende Genehmigung für die einmaligen Entgelte für die Bereitstellung des
Zugangs zur Teilnehmeranschlussleitung, für die Kündigung, das "Schalten zu
besonderen Zeiten" und die "Voranfrage" beantragte die Beigeladene am 27. April 2004
erneut die Genehmigung der entsprechenden Entgelte. Mit dem hier streitigen Bescheid
vom 25. Juni 2004 erteilte die Antragsgegnerin der Beigeladenen für den Zeitraum 1.
Juli 2004 bis 30. Juni 2005 die Genehmigung, wobei sie teilweise erheb- lich unter den
von der Beigeladenen beantragten Beträgen blieb.
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Am 10. August 2004 haben die Antragstellerinnen den vorliegenden Ausset-
zungsantrag gestellt. Sie machen im Wesentlichen geltend, die genehmigten Entgel- te
entsprächen nicht dem Maßstab der Kosten der effizienten Leistungsbereitstel- lung, wie
sich aus einem Vergleich mit den von der Beigeladenen verlangten End-
kundenentgelten ergebe. Zudem enthielten die Entgelte unzulässige Aufschläge und
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trieben sie - die Antragstellerinnen - in eine wettbewerbswidrige Preis-Kosten- Schere.
Die Antragstellerinnen beantragen,
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1. die aufschiebende Wirkung ihrer Klage (Az. 1 K 5603/04) gegen den Beschluss der
Antragsgegnerin vom 25. Juni 2004 (Az. 00 00-00-000/0E 27.04.04) anzuordnen, soweit
a) hierdurch ab dem 1. Juli 2004 Kündigungsentgelte genehmigt wer- den; b) hierdurch
einmalige Bereitstellungsentgelte genehmigt werden, die für die Kupferdoppelader 2
Draht (CuDA 2 Dr) sowie die Kupferdop- pelader 2 Draht hochbitratig (CuDA 2 Dr hoch)
folgende Beträge übersteigen- - für die Übernahme (mit oder ohne Arbeiten beim
Endkunden): 20,65 EUR - für die Neuschaltung (mit oder ohne Arbeiten beim
Endkunden; mit oder ohne Arbeiten am Kabelverzweiger (KVz)): 41,34 EUR hilfsweise
zu b) hierdurch einmalige Bereitstellungsentgelte genehmigt werden, die für die
Kupferdoppelader 2 Draht (CuDA 2 Dr) sowie die Kupferdoppelader 2 Draht hochbitratig
(CuDA 2 Dr hoch) folgende Beträge übersteigen- - für die Übernahme (mit oder ohne
Arbeiten beim Endkunden): 25,81 EUR - für die Neuschaltung (mit oder ohne Arbeiten
beim Endkunden; mit oder ohne Arbeiten am Kabelverzweiger (KVz)): 51,68 EUR
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Die Antragsgegnerin und die Beigeladene beantragen,
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den Antrag abzulehnen.
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Sie treten dem Vorbringen der Antragstellerinnen detailliert entgegen und vertei- digen
den angefochtenen Bescheid.
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II.
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Der Antrag hat keinen Erfolg.
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Die im Verfahren nach § 80 Abs. 5 VwGO gebotene Abwägung zwischen dem
öffentlichen Interesse an der Aufrechterhaltung der sofortigen Vollziehbarkeit der im
Streit befindlichen Maßnahmen (§ 80 Abs. 2 TKG) und dem Interesse der Antragstel-
lerinnen an der Aussetzung der Vollziehung fällt zu Lasten der Antragstellerinnen aus.
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Bei der im vorliegenden Verfahren nur möglichen summarischen Prüfung kann nicht
festgestellt werden, dass der Bescheid der Antragsgegnerin vom 25. Juni 2004
offensichtlich rechtmäßig ist oder offensichtlich gegen (auch) dem Schutz der
Antragstellerinnen dienende Rechtsnormen verstößt.
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(1) Grundsätzliche Bedenken gegen die Erhebung gesonderter Kündigungsentgelte
machen die Antragstellerinnen nicht geltend. Sie bestehen auch nicht. Dass die
Kündigungskosten grundsätzlich berücksichtigungsfähig sind, ergibt sich schon aus den
im Falle der Kündigung notwendig werdenden Arbeiten, die die Beigeladene
nachvollziehbar dargelegt hat. Die Antragstellerinnen sind dieser Darstellung nicht
entgegengetreten.
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(2) Die genehmigten Entgelte verfehlen auch nicht offensichtlich den Maßstab der
Kosten der effizienten Leistungsbereitstellung nach § 24 Abs. 1 TKG in der bis zum 25.
Juni 2004 geltenden Fassung (TKG a.F.). Insoweit verweisen die Antragstellerinnen
zum einen auf die Endkundenentgelte der Beigeladenen, die unter den hier umstrittenen
Vorleistungsentgelten lägen, und machen zum anderen geltend, die Beigeladene setze
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für die erforderlichen Schaltungsarbeiten einen überhöhten Aufwand an.
Dass die entsprechenden Endkundenentgelte der Beigeladenen unter den genehmigten
Vorleistungsentgelten liegen, ist kein Indiz dafür, dass Letztere überhöht sind. Denn die
Schaltung eines eigenen Endkundenanschlusses durch die Beigeladene erfordert - wie
diese nachvollziehbar und unwidersprochen vorgetragen hat - erheblich weniger
umfangreiche Tätigkeiten als die Verbindung einer Teilnehmeranschlussleitung mit dem
Netz eines Wettbewerbers; insbesondere fallen danach in aller Regel keinerlei
Schaltarbeiten am Hauptverteiler an. Wegen dieser Unterschiede beim jeweiligen
Aufwand lassen sich die Kosten für beide Vorgänge nicht vergleichen. Auch eine
Rückrechnung des Aufwandes für die Schaltung einer Teilnehmeranschlussleitung für
einen Wettbewerber aus den Endkundenentgelten für einen Anschluss bei der
Beigeladenen ist aus diesem Grund nicht möglich. Davon abgesehen bestehen in
diesem Zusammenhang Bedenken gegen die von den Antragstellerinnen
vorgeschlagene Anwendung der "IC+25%-Formel", die für einen anderen Zweck -
nämlich die Bestimmung der Dumpinggrenze im Rahmen der Abschlagsprüfung nach §
24 Abs. 2 Nr. 2 TKG a.F. - entwickelt worden ist.
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Auch aus dem von den Antragstellerinnen in das Verfahren eingeführte Angebot der E1.
U. O. Q. & T. GmbH ( ) für Schaltarbeiten an Schaltpunkten und Unterverteilern im
Großraum Köln ergibt sich nicht, dass der angefochtenen Genehmigung überhöhte
Kostenansätze zugrunde liegen. Denn das Angebot der E1. bezog sich nach dem
unwidersprochen gebliebenen Vortrag der Beigeladenen auf Schaltarbeiten mit fixen
Volumina im Großraum Köln unter Einschaltung eines Subunternehmers - mithin
beruhte es auf Bedingungen, die sich nicht bundesweit und für alle in Betracht
kommenden Fälle der Überlassung einer Teilnehmeranschlussleitung verallgemeinern
lassen. Zudem umfasst das Angebot nicht sämtliche für die Überlassung einer
Teilnehmeranschlussleitung erforderlichen Maßnahmen.
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Die Antragstellerinnen behaupten weiter das Vorliegen einer gem. § 27 Abs. 3 TKG a.F.
i.V. mit §§ 19, 20 GWB, Art. 82 EGV unzulässigen Preis-Kosten-Schere. Ob dies
tatsächlich der Fall ist, kann im vorliegenden, auf summarische Überprüfung gerichteten
Verfahren wegen der Vielzahl der damit zusammenhängenden rechtlichen Fragen nicht
entschieden werden. Diese Überprüfung ist dem Hauptsacheverfahren vorbehalten.
Jedenfalls liegt eine Preis-Kosten-Schere nicht offensichtlich vor.
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(3) Kann somit weder eine offensichtliche Verletzung die Antragstellerinnen schützender
Normen festgestellt noch schlechthin ausgeschlossen werden, geht die demnach
anzustellende Interessenabwägung zu Lasten der Antragstellerinnen aus. Hierbei hat
die Kammer die Folgen eines Obsiegens der Antragstellerinnen im vorliegenden
Verfahren und ihrem anschließendem Unterliegen im Hauptsacheverfahren den
Auswirkungen im umgekehrten Fall gegenüber gestellt. Sollten die Antragstellerinnen
im vorliegenden Fall obsiegen, im Hauptsacheverfahren jedoch unterliegen, so hätten
sie für die Dauer des Hauptsacheverfahrens die Differenz zwischen den einstweilen und
den endgültig zu entrichtenden Entgelten erspart. Diese Ersparnis könnten sie für
weitere Marketingmaßnahmen verwenden. Nach den Grundsätzen eines ordentlichen
Kauf- manns müssten sie jedoch Rückstellungen bilden für den Fall des Unterliegens im
Hauptsacheverfahren, so dass ihnen die Ersparnisse wirtschaftlich nur zu einem Teil zur
freien Verfügung stünden. Die Beigeladene hingegen trüge das Risiko, nach dem
Abschluss des Hauptsacheverfahrens ihre Ansprüche etwa wegen zwischenzeitlicher
Insolvenz der Antragstellerinnen nicht realisieren zu können.
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Im umgekehrten Fall müssten die Antragstellerinnen zunächst zu hohe Entgelte an die
Beigeladene entrichten und erlitten insoweit eine Einbuße an Liquidität. Dass dies
existenzbedrohende Folgen für die Antragstellerinnen haben könnte, ist weder
vorgetragen worden noch sonst ersichtlich, zumal die jetzt genehmigten Entgelte zum
Teil erheblich unter den von den Antragstellerinnen zu zahlenden Vorgängerentgelten
liegen. Das Risiko der Antragstellerinnen, ihren Rückforderungsanspruch gegen die
Beigeladene wegen deren zwischenzeitlicher Insolvenz nicht durchsetzen zu können,
ist hingegen wegen der wirtschaftlichen Lage der Beigeladenen zu vernachlässigen.
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Unter diesen Umständen bewertet die Kammer das Interesse, der Beigeladenen nicht
das Insolvenzrisiko der Antragstellerinnen aufzubürden, höher als das Interesse der
Antragstellerinnen an - ohnehin um Rückstellungen gemindertem - kurzfristigem
Liquiditätszuwachs.
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Die Kammer hat zudem erwogen, ob die hier streitige Entgeltgenehmigung gegen
drittschützende Vorschriften des TKG in der seit dem 26. Juni 2004 geltenden Fassung
vom 22. Juni 2004 (BGBl. I S. 1190) - TKG 2004 - verstößt. Das TKG 2004 findet hier
möglicherweise deswegen Anwendung, weil der Genehmigungszeitraum (1. Juli 2004 -
30. Juni 2005) und damit die innere Wirksamkeit der streitigen Entgeltgenehmigung
vollständig in den Geltungszeitraum des TKG 2004 fällt und daher von der
Übergangsregelung des § 150 Abs. 1 TKG 2004 nicht erfasst sein könnte, die in Satz 1
von einem Wirksambleiben spricht. Der insoweit wegen des Fehlens einer vorgängigen
Regulierungsverfügung gemäß § 13 Abs. 1 i.V. mit § 21 TKG 2004 in Betracht zu
ziehende Verstoß gegen § 30 Abs. 1 i.V. mit § 21 TKG 2004 würde dem Antrag jedoch
nicht zum Erfolg verhelfen, da keine Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass hierdurch eine
Norm verletzt würde, die (auch) dem Schutz der Antragstellerinnen zu dienen bestimmt
ist.
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Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1, § 159 Satz 2, § 162 Abs. 3 VwGO.
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Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 52 Abs. 1, § 53 Abs. 3 GKG in der Fassung des
Kostenrechtsmodernisierungsgesetzes vom 5. Mai 2004. Die Kammer hat für jede der
beiden Antragstellerinnen die Hälfte des im Hauptsacheverfahren zugrunde zu
legenden Streitwertes von 50.000,- EUR angesetzt.
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Der Beschluss ist unanfechtbar, § 137 Abs. 3 i.V. mit § 132 TKG 2004.
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