Urteil des VG Köln vom 09.07.2010

VG Köln (kläger, verlängerung der frist, bruder, aufforderung, frist, polen, abgabe, klasse, urinprobe, rechtsmedizin)

Verwaltungsgericht Köln, 11 K 8535/09
Datum:
09.07.2010
Gericht:
Verwaltungsgericht Köln
Spruchkörper:
11. Kammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
11 K 8535/09
Tenor:
Die Klage wird abgewiesen. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
T a t b e s t a n d Der Kläger ist am 00.00.0000 in Opole (Oppeln)/Polen geboren.
1
Seit dem 21.12.1982 war er in Leverkusen wohnhaft. Am 03.06.1986 bzw. 24.05.1988
erhielt er vom Beklagten einen Führerschein der Klassen 1b, 1a, 3, 4 und 5. Nachdem er
ab 1997 nach unbekannt abgemeldet worden war, meldete er sich am 10.03.2010
wieder in Leverkusen an (L. Straße 000, 00000 Leverkusen) und beantragte am selben
Tage die Erweiterung der Fahrerlaubnis auf die Klasse A. Unter dem 10.06.2009
bevollmächtigte er seinen Bruder B. L1. , ebenfalls wohnhaft unter der genannten
Anschrift, ihn in der Führerscheinangelegenheit gegenüber dem Straßenverkehrsamt
des Beklagten zu vertreten.
2
Das Straßenverkehrsamt des Beklagten erfuhr sodann, dass der Kläger in Oppeln mit
Urteil vom 23. Mai 2007 wegen unerlaubten Besitzes von Betäubungsmitteln im Sinne
des Betäubungsmittelgesetzes rechtskräftig verurteilt wurde. Nach den Ausführungen
seines Bruders ging es um eine geringe Menge Kokain und um 3.500 g Marihuana.
3
Unter dem 03.08.2009 hörte der Beklagte den Kläger dazu an, dass eine Überprüfung
seiner Fahreignung erforderlich sei. Seinem Bruder wurde am 17.08.2009 mündlich
mitgeteilt, dass ein Drogenscreening angeordnet werde; der Bruder bestätigte die
Anwesenheit des Klägers in Leverkusen, damit die Aufforderung zum Screening
zugestellt werden könne. Am 20.10.2009 wurde dem Bruder erneut angekündigt, dass
der Kläger eine Aufforderung für ein Drogenscreening erhalten werde.
4
Diese Aufforderung wurde sodann am 21.10.2009 versandt; der Kläger wurde unter
Hinweis auf seine Verurteilung wegen Betäubungsmittelbesitzes zur Abgabe einer Blut-
und Urinprobe binnen 24 Stunden nach Erhalt des Schreibens aufgefordert. Für den
Weigerungsfall wurde die Entziehung der Fahrerlaubnis angekündigt. Die Aufforderung
wurde am 28.10.2009 mit Postzustellungsurkunde unter seiner Leverkusener Anschrift
zugestellt. Am 02.11.2010 teilte sein Bruder dem Straßenverkehrsamt folgendes mit: Die
Aufforderung sei bei seiner und des Klägers Mutter eingegangen. Diese habe das
Schreiben an den Kläger weitergeleitet, der sich wegen einer ärztlichen Behandlung in
Polen befinde und nicht nach Deutschland kommen könne. Seitens des Beklagten
wurde auf die im Schreiben gesetzte Frist hingewiesen, die maximal bis 48 Stunden
5
verlängert werden könne; Die Probe könne auch im grenznahen Bereich (Görlitz) im
dortigen Gesundheitsamt oder einem rechtsmedizinischen Institut dort oder in Polen
abgegeben werden. Am 03.11.2010 gab der Kläger eine Blut- und Urinprobe im Institut
für Medizinische Diagnostik Oderland - Ärztliches Labor Dr. C. und Kollegen - in G. /P.
ab; die Befunde waren unauffällig.
Mit Verfügung vom 03.12.2009 entzog der Beklagte dem Kläger die Fahrerlaubnis unter
Anordnung der sofortigen Vollziehung und lehnte die Erteilung einer Fahrerlaubnis der
Klasse A ab. Zur Begründung wies er darauf hin, dass der Kläger das angeordnete
Screening weder rechtzeitig noch bei einem Gesundheitsamt bzw. Institut für
Rechtsmedizin abgegeben habe.
6
Am 18.12.2009 hat der Kläger Klage erhoben und trägt im Wesentlichen vor: Die Mutter
habe die Aufforderung an den Bruder B. weitergeleitet, der sich ebenfalls in Polen
aufgehalten habe. Dieser habe das Schreiben am 02.11.2010 erhalten und sich sofort
mit dem Beklagten in Verbindung gesetzt. Er habe dann versucht, ein Institut zu finden,
das das Screening bis zum 03.11.2010 entgegennehmen konnte; lediglich das Institut
für Medizinische Diagnostik sei dazu bereit und in der Lage gewesen. Der Kläger sei
daher seiner Mitwirkungspflicht ausreichend nachgekommen.
7
Der Kläger beantragt sinngemäß,
8
den Beklagten unter Aufhebung des Bescheides vom 03.12.2009 zu verpflichten, ihm -
dem Kläger - die Fahrerlaubnis der Klasse A zu erteilen.
9
Der Beklagte beantragt,
10
die Klage abzuweisen.
11
Er hält seine Entscheidung für rechtmäßig.
12
Hinsichtlich des Sach- und Streitstandes im Übrigen wird Bezug genommen auf den
Inhalt der Gerichtsakte und der dazu beigezogenen Verwaltungsvorgänge und Akten.
13
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e Die Klage ist zulässig, aber unbegründet. Die
angefochtene Verfügung vom 03.12.2009 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in
seinen Rechten. Der Kläger hat weder einen Anspruch auf Aufhebung der Verfügung
noch auf Erteilung der Fahrerlaubnis der Klasse A. Er ist zum Führen von
Kraftfahrzeugen nicht geeignet (§ 3 Abs. 1 StVG).
14
Die Entziehungsverfügung beruht auf § 3 Abs. 1 StVG i.V.m. § 46 Abs. 1 Satz 1 FeV.
Danach hat die Fahrerlaubnisbehörde die Fahrerlaubnis zu entziehen, wenn sich der
Inhaber einer Fahrerlaubnis als ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen erweist.
Hier konnte der Beklagte nach § 46 Abs. 3 i.V.m. § 11 Abs. 8 FeV davon ausgehen,
dass dem Kläger die Fahreignung fehlt. Denn der Kläger hat das nach § 14 Abs. 1 Satz
2 FeV zu Recht angeforderte Gutachten nicht beigebracht; nachvollziehbare
Rechtfertigungsgründe sind nicht erkennbar.
15
Nach § 14 Abs. 1 Satz 2 FeV kann die Beibringung eines ärztlichen Gutachtens
(Screening) angeordnet werden, wenn der Betroffene Betäubungsmittel im Sinne des
Betäubungsmittelgesetzes widerrechtlich besessen hat. Diese Voraussetzungen waren
16
erfüllt. Der Kläger ist nach dem ausdrücklichen Zugeständnis seines Bruders und seines
Prozessbevollmächtigten 2007 in Polen rechtskräftig wegen widerrechtlichen Besitzes
von Betäubungsmitteln verurteilt worden. Es ist nicht zu beanstanden, wenn der
Beklagte das ihm insoweit zustehende Ermessen dahin ausgeübt hat, dass ein
Screening gefordert wird. Das gilt um so mehr, als nach Bekundung seines Bruders der
Besitz von Kokain und einer erheblichen Menge Marihuana in Rede stand (3.500 g).
Der Antragsteller hat die danach zu Recht geforderte Blut- und Urinprobe nicht innerhalb
der gesetzten Frist von 24 Stunden abgegeben. Diese Frist ist nicht zu beanstanden, da
etliche Betäubungsmittel sonst nicht mehr zuverlässig nachgewiesen werden können.
17
Vgl. insgesamt Schubert u.a., Kommentar zu den Begutachtungsleitlinien zur
Kraftfahrereignung, 2. Aufl. 2005, S. 178, 179.
18
Es kommt auch nicht darauf an, ob der Kläger sich unmittelbar nach dem Erhalt der
Aufforderung am 02.11.2009 um die Abgabe bemüht hat. Zu dem Zeitpunkt der
tatsächlichen Abgabe am 03.11.2009 waren bereits 6 Tage und damit erheblich mehr
als 24 Stunden verstrichen, da ihm die Aufforderung bereits am 28.10.2009 unter seiner
Meldeanschrift in Leverkusen wirksam zugestellt worden war. Der Bruder des Klägers,
der von diesem mit der Wahrnehmung seiner Interessen gegenüber der
Straßenverkehrsbehörde bevollmächtigt war, hatte auf Nachfrage gegenüber dem
Straßenverkehrsamt ausdrücklich mitgeteilt, dass sich der Kläger in Leverkusen aufhalte
und ihm dort die Screeningaufforderung zugestellt werden könne. Er hat auch bis zum
Ergehen der Aufforderung nicht darauf hingewiesen, dass der Kläger sich in Polen
aufhält. Dem bevollmächtigten Bruder war aber mehrfach angekündigt worden, dass
eine Screeningaufforderung (an die dem Straßenverkehrsamt allein bekannte
Leverkusener Anschrift) zugehen würde. Dann aber musste der Kläger für diese seinem
Bruder als Bevollmächtigtem angekündigte Screeningaufforderung in doppelter Hinsicht
Vorsorge treffen: Er musste sowohl sicherstellen, dass er noch am Tage der Zustellung
von der Frist zur Abgabe erfuhr (per Telefon, Fax, e-mail oder Sms) als auch bereits
vorsorglich Schritte unternommen haben, um die sofortige Umsetzung der
Screeningaufforderung bei einem geeigneten Institut (Rechtsmedizin,
Untersuchungsamt) sicherzustellen; wenn er hier Zweifel gehabt hätte, hätte ein
sofortiger Anruf beim Straßenverkehrsamt noch innerhalb der Frist von 24 Stunden
Klarheit schaffen können, wobei auch eine Verlängerung der Frist auf 48 Stunden
möglich gewesen wäre (Gespräch mit dem Bruder des Klägers am 02.11.2009, Bl. 127
der Beiakte Heft 1). Beides hat der Kläger unterlassen und damit nicht ausreichend an
der Aufklärung seiner Fahreignung mitgewirkt. Die am 03.11.2009 abgegebene Probe
ist wegen der verstrichenen Zeit nicht verwertbar; unabhängig davon ist nicht
sichergestellt, ob vor allem die Urinprobe unter ausreichender Überwachung ihrer
Abgabe gewonnen worden ist, um Manipulationen auszuschließen (wie dies etwa bei
einer Abgabe bei der Rechtsmedizin oder einem Gesundheitsamt der Fall gewesen
wäre).
19
Da der Antragsteller das zu Recht geforderte Gutachten damit ohne anzuerkennende
Gründe nicht innerhalb der gesetzten Frist und nicht bei einer anerkannten Stelle
veranlasst hat, hat der Beklagte zutreffend nach § 11 Abs. 8 Satz 1 FeV auf seine
Nichteignung zum Führen von Kraftfahrzeugen geschlossen und ihm die Fahrerlaubnis
entzogen. Auch die Erteilung einer Fahrerlaubniserweiterung ist dann nicht möglich.
20
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.
21