Urteil des VG Köln vom 19.06.2007

VG Köln: arzneimittel, angemessene frist, bestandteil, schmerz, gefahr, dosierung, beitrag, mangel, saft, beeinflussung

Verwaltungsgericht Köln, 7 K 7601/04
Datum:
19.06.2007
Gericht:
Verwaltungsgericht Köln
Spruchkörper:
7. Kammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
7 K 7601/04
Tenor:
Die Klage wird abgewiesen. Die Klägerin hat die Kosten des Verfahrens
zu tragen.
Die Kostenentscheidung ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110
Prozent des zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand: Die Klägerin zeigte 1978 für das Anwendungsgebiet Fieber- und
Schmerzzustände unterschiedlicher Ursache bei Kindern ihre streitgegenständlichen
Arzneimittel Q. K und Q. S mit den arzneilich wirksamen Bestandteilen Paracetamol 250
mg (Q. K) bzw. 125 mg (Q. S) und Doxylaminsuccinat 10 mg (Q. K) und 5 mg (Q. S) an.
Die Arzneimittel waren in dieser Zusammensetzung und für dieses Anwendungsgebiet
bereits 1971 in das Spezialitätenregister eingetragen worden.
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Die Klägerin reichte im Dezember 1989 den Kurzantrag ein, wobei sie als
Anwendungsgebiet für beide Arzneimittel angab: Fieber und Schmerzzustände
unterschiedlicher Ursachen, insbesondere bei gleichzeitig bestehender Unruhe. Laut
Langantrag von 1993 ist die Anwendung bei Q. S für Kinder von 6 bis 24 Monaten und
bei Q. K für Kinder ab 2 Jahren vorgesehen. Am 22.01.2001 reichte die Klägerin die
Unterlagen gem. dem 10. Änderungsgesetz zum AMG ein.
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Mit Schreiben vom 13.12.2002 setzte das Bundesinstitut für Arzneimittel und
Medizinprodukte (BfArM) der Klägerin für die in der beigefügten Stellungnahme zur
Klinik/Pharmakologie aufgeführten Mängel eine Mängelbeseitigungsfrist von einem
Monat. Laut medizinischer Stellungnahme sei die Verlängerung der Zulassung zu
versagen, weil das Arzneimittel nach dem jeweils gesicherten Stand der
wissenschaftlichen Erkenntnisse nicht ausreichend geprüft worden sei und der Beitrag
von Doxylaminsuccinat zur positiven Beurteilung des Arzneimittels nicht ausreichend
begründet sei. Bioverfügbarkeitsuntersuchungen bei rektaler Applikationsform seien bei
Doxylamin sowie bei Paracetamol nicht vorgelegt worden. Es werde daher das
Arzneimittel als nach dem jeweils gesicherten Stand der wissenschaftlichen
Erkenntnisse nicht ausreichend geprüft beurteilt. Eine Kombinationsbegründung für die
beantragten Anwendungsgebiete fehle. Die von der Gutachterin für die
Kombinationsbegründung herangezogenen Studien von Schmöger et al. (1981) und
Smith et al. (1984) wiesen erhebliche methodische Mängel auf und könnten als
Grundlage für die Kombinationsbegründung nicht akzeptiert werden. Die vorgelegten
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Studien zusammen mit den Ausführungen der Gutachterin hätten die Vorteile von
Doxylamin für die beanspruchte Indikation nach dem wissenschaftlichen
Erkenntnisstand nicht begründen können. Die für die Zielgruppe - Kleinkinder - speziell
vorhandenen Risiken durch Doxylamin, wie die paradoxen zentralnervösen Reaktionen
und die anticholinergische Wirkung, seien nicht diskutiert worden. Aus dem vorgelegten
Gutachten und der Dokumentation ergebe sich eine negative Nutzen/Risikobeurteilung
für den Wirkstoff Doxylamin in der beantragten Altersgruppe.
Nach Verlängerung der Mängelbeseitigungsfrist reichte die Klägerin am 16.04.2003 ihr
Mängelbeseitigungsschreiben nebst Unterlagen ein.
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Die Beklagte wies mit Bescheid vom 22.09.2004 den Antrag der Klägerin auf Zulassung
der streitgegenständlichen Arzneimittel mit der Begründung zurück, den Arzneimitteln
fehle die von der Klägerin angegebene therapeutische Wirksamkeit bzw. diese sei nach
dem derzeit gesicherten Stand der wissenschaftlichen Erkenntnisse unzureichend
begründet worden, § 25 Abs. 2 Nr. 4 AMG. Zudem fehle eine ausreichende Begründung,
dass jeder arzneilich wirksame Bestandteil einen Beitrag zur positiven Beurteilung des
Arzneimittels leiste, § 25 Abs. 2 Nr. 5a AMG. Wegen methodischer Mängel könnten die
eingereichten Studien nicht als Beleg zur klinischen Wirksamkeit herangezogen
werden. Der vorgelegten Literatur sei nicht zu entnehmen, welche Dosierung für
Doxylamin in der vorgesehenen Altersgruppe als klinisch wirksam bei einem
angemessenen Risiko bewertet werden könne. Es fehle an der für fixe Kombinationen
nach § 25 Abs. 2 Nr. 5a AMG geforderten Kombinationsbegründung. Aus den
vorgelegten Unterlagen ergebe sich keine positive Nutzen-Risiko-Relation, vor allem im
Hinblick darauf, dass Doxylamin als Antihistaminikum zu Symptomen einer
unerwünschten paradoxen Reaktion, wie Irritabilität und Desorientiertheit führen könne.
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Die Klägerin hat am 23.10.2004 Klage erhoben. Sie trägt vor, die Wirksamkeit und
Unbedenklichkeit für die in dem streitgegenständlichen Arzneimittel enthaltenen
Einzelsubstanzen Paracetamol und Doxylaminsuccinat seien unstreitig belegt. Es sei
auch die Wirksamkeit und Unbedenklichkeit für die streitgegenständliche Kombination
belegt. Insbesondere die Studie Schmöger und Fallot-Burghardt belege eindeutig den
Vorteil der Wirksamkeit des Kombinationspräparates gegenüber der alleinigen Gabe
von Paracetamol. Die Einschlafquote der mit Q. S behandelten Kinder sei signifikant
besser gewesen als diejenige, die nur mit Paracetamol behandelt worden seien. Auch
wenn die Studie von Schmöger und Fallut-Burghardt nicht den aktuellen Anforderungen
an die Durchführung von Studien entspreche, belege sie gleichwohl die Wirksamkeit
auch hinsichtlich der Dosierung der beiden Wirkstoffe. In der Studie von Smith und
Smith sei gezeigt worden, dass die Kombination aus Paracetamol und
Doxylaminsuccinat besser wirke als die Wirkstoffe alleine. Auch wenn die Studie „nur"
bei Erwachsenen durchgeführt worden sei, belege sie gleichwohl die grundsätzliche
Sinnhaftigkeit der Kombination. Dabei sei die Wahl einer halb so großen
Placebogruppe im Gegensatz zu den anderen Gruppen kein Mangel sondern aus
ethischen Gründen gängige Praxis. Da die Medikation mindestens 24 Stunden nach
Operationsende verabreicht worden sei, seien die von der Beklagten aufgeführten
möglichen Überlagerungseffekte durch die Einnahme anderer Medikamente
vernachlässigbar. Die angeblich nicht ausreichende Sicherheit der Beantwortung des
Fragebogens durch die frisch operierten Patienten sei rein spekulativ. Abgesehen
davon sei bei derartigen Studien zur Messung von Schlaf, Schmerz und Befinden die
Auswertung von subjektiven Eindrücken in Form von Fragebögen bis heute ein
gängiger Wirksamkeitsparameter. Hinsichtlich des weiteren Versagungsgrundes sei auf
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die Kombinationsbegründung von Frau Dr. Mühlenbeck vom 18.10.2005 zu verweisen.
Neben der klinischen Wirksamkeit von Paracetamol in den Anwendungsgebieten
Schmerz und Fieber bei Kindern sei unstreitig auch die sedierende Wirkung von
Doxylaminsuccinat gegeben. Auch wenn die Anwendung in der Studie von Smith und
Smith bei Erwachsenen erfolge, seien keine Gründe bekannt, die grundsätzlich gegen
die Übertragbarkeit dieser Wirkung auf die Anwendung bei Kindern sprechen würden,
zumal die Übertragbarkeit durch eine jahrzehntelange tatsächliche Anwendung auch in
dieser Altersgruppe belegt sei. Dies werde im Übrigen sowohl in der Stellungnahme der
Gutachterin wie durch entsprechende Zulassung doxylaminsuccinathaltiger
Arzneimitteln auch bei Kindern bestätigt, wie etwa durch die kürzlich erteilte
Nachzulassung für das Arzneimittel Sedaplus Saft der Klägerin. Weiteres
Erkenntnismaterial liefere die Studie von Scheffner und Seitz.
Entgegen der Auffassung der Beklagten sei das positive Nutzen-Risiko- Verhältnis der
streitgegenständlichen Arzneimittel für die Zielgruppe Kleinkinder/Kinder belegt. Die
von der Beklagten gesehene Gefahr, dass von dem betreuenden Erwachsenen ohne
medizinische Notwendigkeit ein Sedativum verabreicht werde, nur um das Kind ruhig zu
stellen, sei zwar grundsätzlich nicht auszuschließen. Dies gelte aber gleichermaßen
auch, wenn im Bedarfsfall ein apothekenpflichtiges Doxylaminmonopräparat zusätzlich
gegeben werde. Im Übrigen könne durch entsprechende Formulierung des
Anwendungsgebietes wie auch der Dauer der Anwendung dieser Gefahr ausreichend
vorgebeugt werden. Ein entsprechender Hinweis sei in den Monopräparaten, z. B. Seda
plus Saft, in der Gebrauchsinformation aufgenommen worden, der darauf hinweise, dass
die An- wendung bei Säuglingen und Kleinkindern nur nach sorgfältiger ärztlicher
Nutzen- Risiko-Abwägung erfolgen solle. Es sei nicht ersichtlich, warum die
Verabreichung eines Kombinationspräparates anstelle der Verabreichung eines
rezeptfreien Monopräparates die Gefahr der unnötigen Verabreichung eines Sedativums
erhöhe.
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Die Voraussetzungen des „well established use" seien erfüllt. Das Arzneimittel sei seit
über 30 Jahren im Gebrauch. In dieser Zeit habe es nur 2 UAW Fälle gege- ben.
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Die Klägerin beantragt,
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den Bescheid des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte vom 22.09.2004
aufzuheben und das Bundesinstitut zu verpflichten, über den Antrag auf Verlängerung
der Zulassung für die Arzneimittel Q. S und Q. K gemäß § 105 AMG unter Beachtung
der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu entscheiden.
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Die Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Sie trägt vor, die Wirksamkeit der Einzelsubstanzen der streitgegenständlichen
Arzneimittel werde nicht in Frage gestellt. Es sei jedoch die Unbedenklichkeit und vor
allem die Sinnhaftigkeit der speziellen Kombination nach wie vor nicht belegt. Die
Mängel der einzigen mit Q. S an Kindern durchgeführten Studie (72 Kinder im Alter von
2 bis 12 Monaten) von Schmöger und Fallot-Burghardt seien bereits im
Versagungsschreiben ausführlich dargelegt worden. Die Ergebnisse der Studie seien
lediglich bezüglich des Merkmals „Einschlafen" von statistischer Signifikanz gewesen.
Klinisch relevante Ergebnisse bezüglich der beantragten Indikation, die gegebenenfalls
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das Risiko vermehrter unerwünschter Wirkungen der fixen Kombination rechtfertigen
könnten, seien anhand der Studie nicht gezeigt worden. Allein die Tatsache, dass
statistisch signifikant mehr Kinder aus der „Q. S" Behandlungsgruppe eingeschlafen
seien, belege nicht eine günstige Beeinflussung der „Unruhezustände".
Es fehle eine ausreichende Kombinationsbegründung und der Beleg der optimalen
Dosierung der Einzelbestandteile in der Kombination. Das mit der Klageschrift
vorgelegte Gutachten von Frau Dr. Mühlenbeck räume den Mangel nicht aus. Bei der
Studie von Schmöger und Fallot bleibe u. a. ungeklärt, ob nicht bereits allein durch
Fiebersenkung die bestehenden Unruhezustände ausreichend therapiert werden
könnten. Inwiefern daneben hiervon unabhängige weitere Symptome wie Unruhe
bestünden, könne gerade erst nach alleiniger Gabe eines fiebersenkenden Präparates
beurteilt werden. Insofern mache die Kombination keinen Sinn. Die Möglichkeit einer
additiven Behandlung mit einem Sedativum (z. B. als Monopräparat), falls eine alleinige
Fiebersenkung und gegebenenfalls Schmerztherapie nicht ausreichten, bleibe jederzeit
erhalten. Eine fixe Kombination von Schmerzmittel und Sedativum berge hingegen die
Gefahr, dass das erkrankte Kind ohne Not arzneilich wirksame Bestandteile aufnehme,
die sich auf seine körperliche Verfassung auswirkten. Dies sei insbesondere im Hinblick
auf die bekannten Nebenwirkungen von Doxylaminsuccinat nicht akzeptabel. Es
entspreche dem Stand der wissenschaftlichen Erkenntnisse, dass der kindliche
Organismus in seiner jeweiligen Entwicklungsstufe vor allem in der Pharmakokinethik
Besonderheiten aufweise, die bei der Anwendung von Arzneimitteln berücksichtigt
werden müssten. Dies werde auch im Gutachten von Frau Dr. Mühlenbeck bestätigt.
Werde dies bei der Dosierung und Darreichungsform nicht ausreichend berücksichtigt,
könne dies zu schweren Nebenwirkungen führen, obgleich sich das Arzneimittel beim
Erwachsenen als völlig unbedenklich erwiesen habe. Die Tatsache, dass es sich bei
dem streitbefangenen Arzneimittel um lediglich apothekenpflichtige Arzneimittel
handele, erhöhe die Gefahr, dass von dem betreuenden Erwachsenen ohne
medizinische Notwendigkeit ein Sedativum verabreicht werde, nur um das Kind ruhig zu
stellen. Daher sollte immer erst die Ursache und Behandlungsbedürftigkeit der
Unruhezustände durch ärztliche Hilfe abgeklärt werden. Durch Vorliegen einer
entsprechenden Kombination bestehe aber die Gefahr der unnötigen Verabreichung
eines Sedativums.
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Das Nutzen/Risiko-Verhältnis der streitgegenständlichen Arzneimittel (Kombination
fiebersenkender und sedierender Wirkstoff) sei - insbesondere für die Zielgruppe
Kleinkinder/Kinder - nicht belegt. Die Tatsache, dass die streitgegenständlichen
Arzneimittel in der Vergangenheit kaum Nebenwirkungen verursacht hätten, belege
nicht den positiven Nutzen dieser Kombination in der hier beantragten Indikation.
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Die im Klageverfahren vorgeschlagene Formulierung der Indikation in „bei gleichzeitig
bestehenden, behandlungsbedürftigen Unruhezuständen" sei nicht akzeptabel, da nicht
alle Unruhezustände bei Säuglingen und Kleinkindern einer medikamentösen Therapie
bedürften.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird Bezug genommen
auf die Gerichtsakte und die von der Beklagten vorgelegten Verwaltungsvorgänge und
Dokumentationsunterlagen (Klinik).
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Entscheidungsgründe:
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Die Klage ist zulässig, aber nicht begründet. Der Bescheid des Bundesinstituts für
Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) vom 22.09.2004 ist rechtmäßig und verletzt
die Klägerin nicht in ihren Rechten, § 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO. Die Klägerin hat keinen
Anspruch auf Neubescheidung ihres Zulassungsverlängerungsantrags.
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Gemäß § 105 Abs. 4f Satz 1 AMG ist im sog. Nachzulassungsverfahren die Zulassung
um fünf Jahre zu verlängern, wenn kein Versagungsgrund nach § 25 Abs. 2 AMG
vorliegt. Besteht nach Ansicht der Behörde ein solcher Versagungsgrund, so hat sie in
der Regel gemäß § 105 Abs. 5 Satz 1 AMG die Beanstandung auszusprechen und dem
Antragsteller eine angemessene Frist zu deren Beseitigung zu setzen. Erst wenn diese
Frist fruchtlos verstreicht, ist gemäß § 105 Abs. 5 Satz 2 AMG die Versagung
auszusprechen. Die Beklagte hat mit den Mängelschreiben vom 13.12.2002 die
mangelhafte Begründung der Wirksamkeit der streitgegenständlichen Arzneimittel sowie
die fehlende Kombinationsbegründung beanstandet und zur Beseitigung der Mängel
eine entsprechend dem Antrag der Klägerin angemessene Frist gesetzt. Diese ist
verstrichen, ohne dass die Klägerin den Beanstandungen innerhalb der Frist abgeholfen
hat.
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Die Verlängerung der Zulassung des streitgegenständlichen Arzneimittels war gem. §
25 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5a AMG zu versagen, da die Klägerin keine den gesetzlichen
Anforderungen genügende Kombinationsbegründung vorgelegt hat. Gemäß § 22 Abs.
3a AMG, der nach § 31 Abs. 3 Satz 1 AMG auch im Zulassungsverlängerungsverfahren
Anwendung findet, ist, sofern das Arzneimittel mehr als einen arzneilich wirksamen
Bestandteil enthält, zu begründen, dass jeder arzneilich wirksame Bestandteil einen
Beitrag zur positiven Beurteilung des Arzneimittels leistet. Das Erfordernis einer
Kombinationsbegründung nach § 22 Abs. 3a AMG sowie der durch das 4.
Änderungsgesetz zum AMG in das Gesetz eingefügte Zulassungsversagungsgrund des
§ 25 Abs.2 Satz 1 Nr. 5a AMG rechtfertigen sich aus dem Umstand, dass jeder in ein
Arzneimittel aufgenommene Wirkstoff tendenziell die Gefahr zusätzlicher unerwünschter
Wirkungen erhöht und zudem wegen bestimmter therapeutischer Grundsätze fachliche
Anforderungen an ein Kombinationsarzneimittel zu stellen sind, die mit den
Zulassungsversagungsgründen der Bedenklichkeit oder mangelnder Wirksamkeit
schwer erfassbar sind.
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Vgl. Kloesel/Cyran, Arzneimittelrecht, § 22 AMG Anm. 56e, § 25 AMG Erl. 60c unter
Hinweis auf die amtliche Begründung des Gesetzes.
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Der Beitrag eines arzneilich wirksamen Bestandteils zur positiven Beurteilung des
Arzneimittels kann insbesondere darin bestehen, dass der arzneilich wirksame
Bestandteil zur Wirksamkeit des Präparates in der vorgegebenen Indikation beiträgt
oder unerwünschten Effekten entgegen wirkt, wobei dies nicht in jedem Fall voraussetzt,
dass jeder arzneilich wirksame Bestandteil für sich allein genommen hinsichtlich der in
Anspruch genommenen Indikation wirksam ist. Hiernach reicht es aus, wenn der
Wirkungseintritt, soweit therapeutisch erwünscht, früher erreicht, verstärkt, verlängert
oder der erstrebte Heilerfolg mit geringerer Menge der Wirksubstanz erreicht wird.
23
Vgl. BVerwG, Urteile vom 16.10.2003 - 3 C 28.02 und 3 C 3.03 - sowie Kloesel/Cyran,
a.a.O., § 22 Erl. 56e.
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In diesem Zusammenhang wird kein Nachweis verlangt, sondern lediglich eine
ausreichende Begründung, die sich aber notwendigerweise auf die mit dem
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Zulassungsantrag vorzulegenden Unterlagen zu stützen hat. Die ausreichende
Begründung ist dann nicht erbracht, wenn die vom Antragsteller eingereichten
Unterlagen nach dem jeweils gesicherten Stand der wissenschaftlichen Erkenntnisse
den geforderten Schluss nicht zulassen, wenn sie sachlich unvollständig sind - etwa zu
bestimmten Forschungsergebnissen oder klinischen Erprobungen keine Stellung
nehmen, die gegen die therapeutische Wirksamkeit sprechen - oder wenn sie inhaltlich
unrichtig sind.
Vgl. hierzu BVerwG a.a.O. und Urteile vom 14.10.1993 - 3 C 21.91 und 3 C 46.91 -, NJW
1994, 2433-2435 = Pharma Recht 1994, 77-83 .
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Im Hinblick auf die erhöhten Risiken von Kombinationspräparaten, die auch in der
sinnlosen Beigabe arzneilich wirksamer Stoffe bestehen können, erfordert § 25 Abs. 5a
AMG, dass die konkrete Kombination in Bezug auf Wirksamkeit und Unbedenklichkeit
zu rechtfertigen ist. Das erforderliche Gewicht des positiven Beitrags jedes beteiligten
Wirkstoffs hängt mithin vom Maß der vom Präparat insgesamt und seinen Bestandteilen
ausgehenden Risiken ab. Aus den Angaben und Unterlagen, die dem Antrag auf
Genehmigung für das Inverkehrbringen beizufügen sind, muss danach hervorgehen,
dass die Wirksamkeit höher zu bewerten ist als die potentiellen Risiken.
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Vgl. BVerwG. Urteil vom 16.10.2003 - 3 C 3.03 - .
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Diesen Nachweis hat die Klägerin nicht erbracht. Laut Monografie zu Paracetamol von
1993 hat dieser arzneilich wirksame Bestandteil des Arzneimittels analgetische,
antipyretische und sehr schwach antiphlogistische Wirkung. In ihrer Studie weisen
Schmöger et al. darauf hin, dass durch eine Vielzahl von Publikationen die beruhigende
Wirkung von Paracetamol belegt ist. Diese beruhigende Wirkung wird als Folge der
Fiebersenkung angesehen. Die Wirkung von Paracetamol reicht auch nach Schmöger
et al. bereits aus, um mit Fieber und Schmerzzuständen verbundene Unruhe zu
mindern. Dadurch ist das Anwendungsgebiet bereits erfasst.
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Der weitere arzneilich wirksame Bestandteil Doxylamin trägt nicht zur besseren Wirkung
im Anwendungsgebiet Fieber und Schmerzzustände, insbesondere bei gleichzeitig
bestehender Unruhe bei. Die Klägerin hat nicht belegt, dass durch Doxylaminsuccinat
der Wirkungseintritt im Anwendungsgebiet früher erreicht, verstärkt, verlängert oder der
erstrebte Heilerfolg mit geringerer Menge der Wirksubstanz erreicht wird. Zwar kommt
Doxylamin als Antihistaminikum sedierende Wirkung zu. Es ist aber nicht
nachgewiesen, dass sich Doxylamin neben Paracetamol auf die mit Fieber- und
Schmerz verbundene Unruhe noch verstärkend auswirkt. Schmöger und Fallot-
Burghardt, auf deren Studie aus dem Jahr 1981 sich das klinische Gutachten von Dr.
Mühlenbeck und das Mängelbeseitigungsschreiben von Dr. Seegerer beziehen, weisen
in ihrer Studie einleitend selbst auf andere Autoren hin, in deren Studie durch die
gleichzeitige Doxylamingabe neben Paracetamol keine Verbesserung der
psychomotorischen Unruhe festgestellt wurde. Zur Begründung der Kombination im
vorliegenden Anwendungsgebiet ist die Studie von Schmöger und Fallot abgesehen
von methodischen Mängeln wie der fehlenden Verblindung, die bei klinischen
Prüfungen nach den Arzneimittelprüfrichtlinien (Neubekanntmachung vom 5. Mai 1995,
BAnz. Nr. 96a vom 20. Mai 1995) im Vierten Abschnitt unter F 1 S. 2 vorgesehen ist,
insbesondere wegen des Parameters „Einschlafen" ungeeignet. Prüfparameter der
Studie war, die sedierende Wirkung bei fiebernden Kleinkindern nachzuweisen anhand
von Untersuchungen des Schlafes/Wiedereinschlafens. Das Anwendungsgebiet erfasst
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aber nicht den Schlaf sondern die Unruhezustände bei Fieber oder Schmerz. Die Frage
der Wirkung auf die mit Fieber oder Schmerz verbundenen Unruhezustände ist von
Schmöger et al. nicht geprüft worden. Es ist daher unerheblich, ob die in der Studie
erzielten Ergebnisse bezüglich des Merkmals „Einschlafen" von statistischer Signifikanz
waren, da durch die Studie die günstigere Beeinflussung der „Unruhezustände" und
damit die Verbesserung der Wirksamkeit im beantragten Anwendungsgebiet nicht
belegt ist. Im Hinblick auf die Studie von Schmöger et al. hat die Klägerin im
Klageverfahren auch eine Umformulierung des Anwendungsgebietes in „...bei
gleichzeitig bestehenden, behandlungsbedürftigen Einschlafstörungen" vor dem
Hintergrund der „Notwendigkeit einer zusätzlichen Schlafinduktion" in Erwägung
gezogen, womit sie allerdings das vorliegende Anwendungsgebiet verlassen würde.
Die Studie von Smith und Smith aus dem Jahr 1984, durchgeführt an 2.931
erwachsenen Patienten zwischen 17 und 92 Jahren, rechtfertigt ebenfalls nicht die
Kombination des Antihistaminkums Doxylaminsuccinat mit Paracetamol. Die Studie
kann nicht zum Beleg einer sinnvollen Kombination von Paracetamol mit
Doxylaminsuccinat für die Anwendung bei Kleinkindern von 6 bis 24 Monaten bzw.
Kinder ab 2 Jahren herangezogen werden, da die Studie zwar mit den gleichen
arzneilich wirksamen Bestandteilen, aber in einer höheren Stärke und in anderer
Darreichungsform an Erwachsenen durchgeführt wurde. Eine adäquate Bewertung von
Arzneimitteln zur Anwendung bei Kindern kann wegen der physiologischen
Unterschiede zwischen Kindern und Erwachsenen nicht durch Studien an Erwachsenen
erzielt werden, denn es entspricht dem Stand der wissenschaftlichen Erkenntnisse, dass
der kindliche Organismus in seiner jeweiligen Entwicklungsstufe vor allem in der
Pharmakokinetik Besonderheiten zu dem des erwachsenen Organismus aufweist.
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Vgl. hierzu die Note for Guidance vom 17.03.1997 CPMP/EWP/462/95 - Empfehlungen
für die klinische Prüfung von Arzneimitteln an Kindern.
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Eine Studie, mit der zudem nur subjektive Eindrücke von Erwachsenen in der
postoperativen Phase nach Augen- bzw. Ohrenoperation abgefragt werden und die
außerdem, wie von der Beklagten zutreffend festgestellt, an methodischen Mängeln
leidet, erscheint der Kammer zur Bewertung eines Medikamtents für die Anwendung bei
Kleinkindern/Kindern ungeeignet.
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Wie von der Beklagten zutreffend ausgeführt und im Bericht von Schmöger et al.
bestätigt, lässt sich ein sedierender Effekt bei Fieber- und Schmerzzuständen bereits
durch die Gabe von Paracetamol erreichen. Ein Effekt von Doxylamin bei der mit Fieber
und Schmerz verbundenen Unruhe ist nicht nachgewiesen worden. Dann aber ist die
Beigabe von Doxylamin im Sinne der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts
sinnlos und zu vermeiden.
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Dies insbesondere deshalb, weil Doxylamin als Antihistaminikum bei Kindern anders
als bei Erwachsenen zu unerwünschten Nebenwirkungen führen kann. So hat
Seidenberg in seinem Aufsatz „Antihistaminika in der Pädiatrie" von 1989 ausgeführt,
dass generell die zentralen Nebenwirkungen der Antihistaminika im Kindesalter anders
zu gewichten seien als im Erwachsenenalter. Während bei Erwachsenen die Sedierung
im Vordergrund stehe, werde bei Kindern besonders häufig eine zentrale Stimulation
beobachtet. Irritabilität, Desorientiertheit bis zu Halluzinationen kämen bei
Antihistaminika schon in therapeutischen Dosen vor. Neben dem Risiko paradoxer
zentralnervöser Reaktionen kommt Doxylamin als Antihistaminikum auch eine
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anticholinergische Wirkung - Austrocknung der Mund- und Nasenschleimhaut,
Eindickung des Bronchialschleims - zu, welche bei fiebernden Kleinkindern
unerwünscht sein kann. Hinzukommt die unnötige Gewöhnung des Kleinkindes an ein
Sedativum durch Reduzierung der Hemmschwelle. Letztendlich bestehen gegen die
Gabe eines zum Einschlafen führenden Sedativums auch insoweit Bedenken, als sich
dann nicht zeigt, ob das Kind an weiteren Krankheiten bzw. nicht durch Paracetamol zu
behebenden Schmerz- und Fieberzuständen leidet. Dass Doxylaminsuccinat als
arzneilich wirksamer Bestandteil für die Anwendung auch bei Kindern zugelassen ist, ist
vorliegend insofern ohne Bedeutung, als es sich bei den Präparaten um Monopräparate
handelt bzw. das Anwendungsgebiet ausdrücklich eine Kurzzeitbehandlung von
Schlafstörungen betrifft. Die mit dem Antihistaminikum verbundenen schädlichen
Nebenwirkungen sind von der Klägerin zwar gesehen, aber in den vorgelegten
Gutachten von Dr. Mühlenbeck und Dr. Seegerer nicht hinreichend diskutiert worden.
Das Argument von nur 2 UAW Meldunden (klinisches Gutachten) trotz langjähriger
Marktpräsenz ist nicht geeignet, die überflüssige Beigabe eines Sedativums für Kinder
zu begründen.
Die Verlängerung der Zulassung ist daher zu Recht wegen der erhöhten Risiken der
Kombination von Paracetamol mit Doxylaminsuccinat bei der Anwendung an Kindern im
vorliegenden Anwendungsgebiet versagt worden.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die
vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 Abs. 1 VwGO, § 709 Satz 1 und 2 ZPO.
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