Urteil des VG Köln vom 04.02.2010

VG Köln (bundesrepublik deutschland, kläger, politische verfolgung, bundesamt für migration, staatliche verfolgung, verfolgung, bundesamt, deutschland, georgien, anerkennung)

Verwaltungsgericht Köln, 26 K 4876/09.A
Datum:
04.02.2010
Gericht:
Verwaltungsgericht Köln
Spruchkörper:
26. Kammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
26 K 4876/09.A
Tenor:
Die Klage wird abgewiesen. Die Kosten des Verfahrens trägt der Kläger.
T a t b e s t a n d :
1
Der am 00.00.0000 geborene Kläger ist georgischer Staatsangehöriger. Im März 2008
reiste er mit einem deutschen Visum mit dem Flugzeug aus Tiflis kommend in Frankfurt
in die Bundesrepublik Deutschland ein. Am 19.06.2008 beantragte er bei dem
Bundesamt für Migration und Flüchtlinge - Bundesamt -, ihn als Asylberechtigten
anzuerkennen. Zur Begründung gab er im Rahmen seiner Anhörung am 24.06.2008 im
Wesentlichen an, er sei vom KGB erpresst worden. Er habe den Nationaldemokraten
Stimmen für die Präsidentschaftswahl verschaffen sollen. Bis 2005 sei er Agordzineba-
Mitglied gewesen.
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Mit Bescheid vom 21.07.2009 - dem Kläger zugestellt am 28.07.2009 - lehnte das
Bundesamt den Asylantrag des Klägers ab, weil er nicht glaubhaft gemacht habe, dass
er politisch verfolgt werde.
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Das Bundesamt stellte ferner fest, die Voraussetzungen des § 60 Abs. 1 AufenthG und
Abschiebungshindernisse nach § 60 Abs. 2 - 7 AufenthG lägen nicht vor. Zugleich
forderte es den Kläger auf, das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland zu verlassen,
und drohte ihm die Abschiebung nach Georgien an.
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Am 31.07.2009 hat der Kläger Klage erhoben.
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Wegen seines schriftsätzlichen Vorbringens wird verwiesen auf Bl. 22 bis 24 der
Gerichtsakte sowie auf den Erfahrungsbericht des Klägers vom 31.10.2009 (bei Gericht
eingereicht am 20.01.2009) - Bl. 52 bis 55 der Gerichtsakte. In der mündlichen
Verhandlung gab der Kläger an, er sei geflohen, weil er bedroht worden sei, weil er das
Goldversteck des früheren Präsidenten von Batumi nicht verraten habe.
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Der Kläger beantragt sinngemäß,
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die Beklagte unter Abänderung des Bescheides des Bundesamtes vom 24.07.2009 zu
verpflichten, ihn als Asylberechtigten anzuerkennen und festzustellen, dass die
Voraussetzungen des § 60 Abs. 1 AufenthG in Bezug auf Georgien vorliegen,
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hilfsweise,
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die Beklagte unter Abänderung des genannten Bescheides zu verpflichten festzustellen,
dass Abschiebungshindernisse nach § 60 Abs. 2 bis 7 AufenthG vorliegen.
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Die Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Sie verweist auf den Inhalt des angefochtenen Bescheides.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt des
Sitzungsprotokolls, der Streitakte und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge Bezug
genommen. Mit Beschluss vom 15.10.2009 hat die Kammer gemäß § 76 Abs. 1 AsylVfG
den Rechtsstreit dem Berichterstatter als Einzelrichter zur Entscheidung übertragen.
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E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :
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Die Klage, über die nach § 76 Abs. 1 AsylVfG der Einzelrichter entscheidet, ist
unbegründet.
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Der Kläger hat keinen Anspruch auf Anerkennung als Asylberechtigter.
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Nach Art. 16a Grundgesetz (GG) i. V. m. den Bestimmungen des
Asylverfahrensgesetzes (AsylVfG) werden politisch Verfolgte auf Antrag als
Asylberechtigte anerkannt. Politische Verfolgung ist grundsätzlich staatliche Verfolgung;
sie ist "politisch", wenn sie dem Einzelnen in Anknüpfung an asylerhebliche Merkmale
gezielt Rechtsverletzungen zufügt, die ihn ihrer Intensität nach aus der übergreifenden
Friedensordnung der staatlichen Einheit ausgrenzen. Asylerhebliche Merkmale sind die
politische Überzeugung, die religiöse Grundentscheidung oder unverfügbare Merkmale
des Asylbewerbers, die sein "Anderssein" prägen (insbesondere Rasse, Nationalität,
Zugehörigkeit zu einer sozialen Gruppe).
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Vgl. Bundesverfassungsgericht (BVerfG), Beschluss vom 10.07.1989 - 2 BvR 502/86 u.
a. -, Deutsches Verwaltungsblatt (DVBl.) 1990, 101 (102) = BVerfGE 80, 315; Beschluss
vom 20.12.1989 - 2 BvR 958/86 -, BVerfGE 81, 142,
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Die Gefahr politischer Verfolgung ist begründet, wenn dem Asylsuchenden bei
verständiger Würdigung der gesamten Umstände seines Falles politische Verfolgung
mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit droht. Beachtliche Wahrscheinlichkeit ist dann
anzunehmen, wenn die für eine Verfolgung sprechenden Gründe qualitativ größeres
Gewicht haben als die dagegen sprechenden Tatsachen.
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Vgl. Bundesverwaltungsgericht (BVerwG), Urteil vom 15.03.1988 - 9 C 278.86 -
BVerwGE 79, 143, 150.
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Hat der Asylbewerber seinen Heimatstaat auf der Flucht vor eingetretener oder
unmittelbar drohender politischer Verfolgung verlassen, so ist Asyl zu gewähren, wenn
er vor erneuter Verfolgung nicht hinreichend sicher sein kann.
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Vgl. BVerwG, Beschluss vom 02.07.1980 - 1 BvR 147/80 u. a. -, BVerfGE 54, 341, 360;
Beschluss vom 10.07.1989 - 2 BvR 502/86 u. a. -, BVerfGE 80, 315, 344 f.
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Soweit die Verfolgungsfurcht auf Vorgänge im Heimatland des Asylbewerbers gestützt
wird, genügt es für die Überzeugungsbildung des Gerichts (§ 108 Abs. 1 VwGO), dass
die Asylgründe glaubhaft gemacht sind. Soweit die asylbegründenden Tatsachen auf
dem Territorium der Bundesrepublik Deutschland eingetreten sind, hat der
Asylsuchende demgegenüber den vollen Beweis zu führen.
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Vgl. BVerwG, Urteile vom 29.11.1977 - 1 C 33.71 -, BVerwGE 55, 82; vom 16.04.1985 -
9 C 109.84 -, BVerwGE 71, 180.
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Gemessen an diesen Grundsätzen hat der Kläger keinen Anspruch auf Anerkennung
als Asylberechtigter.
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Der Anerkennung des Klägers als Asylberechtigter stehen Art. 16 a Abs. 2 GG und § 26
a Abs. 1 AsylVfG nicht entgegenstehen. Nach diesen Vorschriften kommt eine
Anerkennung als Asylberechtigter nicht in Betracht, wenn der Ausländer aus einem
sicheren Drittstaat eingereist ist. Sichere Drittstaaten sind gemäß § 26 a Abs. 2 AsylVfG
die Mitgliedstaaten der Europäischen Union und die in der Anlage 1 zum AsylVfG
bezeichneten, nämlich alle - sonstigen - an die Bundesrepublik Deutschland
grenzenden Staaten. Bei dem Kläger ist - dies wird auch von der Beklagten nicht
bezweifelt - davon auszugehen, dass er auf dem Luftweg eingereist ist.
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Allerdings hat der Kläger nicht glaubhaft gemacht, dass er in Georgien politisch verfolgt
wurde oder bei einer Rückkehr dorthin verfolgt würde. Sein Vorbringen ist in höchstem
Maße widersprüchlich und gesteigert, so dass es ihm auch nicht im Ansatz
abgenommen werden kann. Noch bei seiner Anhörung am 24.06.2008 räumte der
Kläger seine ungehinderte Ausreise ein. In seinem "Erfahrungsbericht" vom 31.10.2009
schildert er dagegen, er habe heimlich einchecken und ohne Passkontrolle ins
Flugzeug gelangen können. Für ein heimliches Einchecken bestand angesichts seines
gültigen Reisepasses jedoch keinerlei Veranlassung. In der mündlichen Verhandlung
gab der Kläger wieder an, er habe ohne Probleme durch die Grenzkontrollen gelangen
können, weil seine Daten noch nicht im System gewesen seien und der Staat ihn noch
nicht offiziell gesucht habe. Der Kläger schreibt seiner Person immer wieder neue und
wichtigere Rollen im politischen Geschehen Georgiens der letzten Jahre zu. So will er
Stellvertreter des stellvertretenden Verteidigungsministers der Adscharischen Republik
gewesen sein, dann will er Vertreter der Steuerinspektion beim Zoll gewesen sein;
wiederum will er Leiter des Steueramtes und sogar stellvertretender
Verteidigungsminister gewesen sein. Auch sollen 5.000 Soldaten unter seiner Leitung
gestanden haben. Während der Kläger seinen Prozessbevollmächtigten vortragen ließ,
er habe sich seit 2004 verstecken müssen, um seiner Verhaftung zu entgehen, so dass
ihm 2008 die Flucht gelungen sei, scheut er sich nicht, an anderer Stelle vorzutragen, er
sei 2004 festgenommen worden. Auch 2006, als er aus Deutschland - er konnte 2005
(wie schon in den Jahren zuvor) ungehindert nach Deutschland reisen - gekommen sei,
habe man ihn wieder verhaftet. In der mündlichen Verhandlung schließlich lieferte der
Kläger eine vollends neue Geschichte. Nun gab er an, er sei geflohen, weil er bedroht
worden sei, weil er das Goldversteck des früheren Präsidenten von Batumi nicht
verraten habe. Er habe sich etwa 1 1/2 Jahre im Wald verstecken müssen.
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Vor dem Hintergrund dieser erheblichen Widersprüche und Steigerungen kann dem
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Kläger nicht geglaubt werden. Zur Vermeidung von Wiederholungen wird im Übrigen
verwiesen auf die zutreffenden Ausführungen des Bundesamtes in dem angegriffenen
Bescheid, denen das Gericht folgt.
Dementsprechend hat der Kläger auch keinen Anspruch auf die Feststellung nach § 60
Abs. 1 AufenthG.
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Nach dieser Vorschrift darf ein Ausländer in Anwendung des Abkommens vom
28.07.1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 2 S. 559) nicht in einen
Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner
Rasse, Religion, Staatsangehörigkeit, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten
sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Ob ein
Abschiebungshindernis aus den genannten Gründen besteht, ist gemäß § 60 Abs. 1
Satz 5 Aufenthaltsgesetz (AufenthG) vom Bundesamt festzustellen.
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Diese Voraussetzungen liegen - wie das Bundesamt ebenfalls zutreffend festgestellt hat
- hier nicht vor.
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Abschiebungshindernisse nach § 60 Abs. 2 bis 7 AufenthG hat der Kläger ebenfalls
nicht glaubhaft gemacht. Insbesondere kann nicht davon ausgegangen werden, dass
dem Kläger bei einer Rückkehr nach Georgien Inhaftierung und Folter drohen.
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Auch die gegen den Kläger ergangene Abschiebungsandrohung lässt keinen
Rechtsfehler erkennen.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Gerichtskosten werden für das
Verfahren nicht erhoben (§ 83b Abs. 1 AsylVfG).
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