Urteil des VG Köln vom 07.05.1999

VG Köln (bundesrepublik deutschland, wohnsitz im ausland, deutschland, nato, kommentar, ergebnis, antragsteller, antrag, absicht, verletzung)

Verwaltungsgericht Köln, 19 L 1104/99
Datum:
07.05.1999
Gericht:
Verwaltungsgericht Köln
Spruchkörper:
19. Kammer
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
19 L 1104/99
Tenor:
1. Der Antrag,
der Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung zu
untersagen, sich in jeglicher Form an Luftangriffen auf die Städte
Beograd und Zemun sowie auf Einrichtungen der Elektrizitäts-, Wasser-
und Gasversorgung dieser Städte zu beteiligen,
insbesondere zu untersagen, - eigene Flugzeuge einzusetzen, -
militärische Einrichtungen in der Bundesrepublik Deutschland für
Luftangriffe anderer NATO-Staaten auf die vorgenannten Städte und
deren Versorgungs- einrichtungen zur Verfügung zu stellen, - anderen
NATO-Staaten Überflugrechte über das Gebiet der Bundesrepublik
Deutschland für Luftangriffe auf die vorgenannten Städte und deren
Versorgungsein- richtungen zu erteilen,
hat keinen Erfolg. Soweit das Antragsbegehren (unmittelbar)auf Art. 25
und 26 GG gestützt ist, vermitteln diese den Antragstellern keine
subjektiv einklagbaren Rechte.
Die hier in Rede stehenden allgemeinen völkerrechtlichen Regelungen
wirken ausschließlich zwischen den Völkerrechtssubjekten
(Außenwirkung) und erzeugen damit nicht über Art. 25 Satz 2 GG
einklagbare Rechtspositionen für in der Bundesrepublik Deutschland
wohnende Einzelpersonen,
vgl. Maunz-Dürig, Grundgesetz Kommentar (Juni 1998), Art. 25 Rn. 21
zu 5a)bb); v. Münch, Grundgesetz-Kommentar, 2. Aufl. 1983, Art. 25, Rn.
12; Schmidt-Bleibtreu- Klein, Kommentar zum Grundgesetz, 9. Aufl.
1999, Art. 25 Rn. 6,
und können damit auch nicht von außerhalb der Bundesrepublik
Deutschland wohnenden Staatsangehörigen ausländischer Staaten hier
eingeklagt werden. Art. 26 GG. erfaßt zwar unmittelbar alle
Rechtssubjekte im Geltungsbereich des Grundgesetzes und gilt auch für
das gesamte staatliche Handeln,
vgl. Maunz-Dürig, a.a.O., Art. 26 Rn. 4 und 35; Schmidt-Bleibtreu-Klein,
a.a.O. Art. 26, Rn. 1,
gleichwohl werden auch hierdurch subjektiv gegen die Bundesrepublik
Deutschland einklagbare Rechtspositionen der Antragsteller nicht
begründet. Soweit das Antragsbegehren auch auf Art. 2 Abs. 2 GG
gestützt ist, gilt im Ergebnis nicht anderes. Zwar dürften die Antragsteller
als Staatsangehörige eines fremden Staates mit Wohnsitz im Ausland
mit Rücksicht auf die Menschenrechtsqualität von Art. 2 Abs. 2 GG und
der Individualrechtschutzgarantie des Art. 19 Abs. 4 GG grundsätzlich
antragsbefugt sein, weil für die hier geltend gemachte Verletzung von
Leben und Gesundheit ursächlich (auch) das nach dem Antrag zu
untersagende (Regierungs)handeln ist. Gleichwohl fehlt es aber für die
beantragte einstweilige Anordnung jedenfalls an dem nach § 123 Abs. 1,
Abs. 3 VwGO i.V.m. §§ 920 Abs. 2, 294 ZPO erforderlichen
Anordnungsanspruch. Ein wie hier schlichtes Regierungshandeln sowie
das dieses Handeln tragende parlamentarische Handeln, ist regelmäßig
der vorliegenden, dem Individualrechtsschutz dienenden gerichtlichen
Kontrolle entzogen, es sei denn, es ist geeignet, unmittelbar zu der
behaupteten Rechtsgutverletzung zu führen,
vgl. Maunz-Dürig, a.a.O., Art. 19 Rn. 77f und 81f; Schmidt-Bleibtreu-
Klein, a.a.O. Art. 19 Rn. 24g.
Das bereits ist vorliegend aber nicht der Fall. Denn die befürchtete
Bombardierung - und erst diese kann zu einer Rechtsgutverletzung
führen - wird nicht von der Antragsgegnerin, sondern der NATO, einem
eigenständigen Völkerrechtssubjekt, durchgeführt. Vor allem aber ist bei
Akten der hier umstrittenen Art die sog. Kontrolldichte mangels eines
engen Maßstabsnetzes regelmäßig begrenzt. Die Gerichte haben hier
ihre eigene Bewertung nicht an die Stelle der Regierungsentscheidung
zu setzen. Dabei ist die Kontrolle der Auswärtigen Gewalt zudem
besonderen Beschränkungen unterworfen, weil die "Gestaltung
auswärtiger Verhältnisse nicht allein vom Willen der Bundesrepublik
Deutschland bestimmt werden kann, sondern vielfach von Umständen
abhängig ist, die sich ihrer Bestim- mung entziehen. Die Regierung muß
flexibel reagieren können, gerade angesichts nur schwer abschätzbarer
Risikobereiche".
Vgl. Maunz-Dürig, a.a.O., Art. 19 Rn. 81f mit Nachweisen zur Rspr..
Auch im Rahmen einer ausgehend von diesen Grundsätzen dennoch
vorzunehmenden Evidenz- und Willkürkontrolle ist eine anderes
Ergebnis nicht gerechtfertigt. Denn das hier in Rede stehende
(Regierungs)handeln war und ist von Anfang an - in Kenntnis des
fehlenden Beschlusses des Sicherheitsrates - legitimiert durch den
Beschluß des 13. Deutschen Bundestages vom 16. Oktober 1998 und
die neueren, auf diesen Beschluß Bezug nehmenden Beschlüsse des
14. Deutschen Bundestages, ohne daß es hierbei z.B. zu einer
Verletzung verfassungsmäßig garantierter Rechte einer Fraktion
gekommen wäre,
vgl. BVerfG, Beschluß vom 25. März 1999 - 2 BvE 5/99 - zum Antrag der
PDS- Fraktion, (soweit ersichtlich noch nicht veröffentlicht).
Zudem ist die verfassungsrechtliche Ermächtigung des Bundes,
Streitkräfte in einem System kollektiver Sicherheit einzusetzen,
grundsätzlich geklärt,
vgl. BVerfG w.v. zu Lit. B, Ziff. 3 der Gründe unter ausdrücklichem
Hinweis auf BVerG, Urteil vom 12. Juli 1994 - 2 BvE 3/92, 5/93, 7/93,
8/93 -, BVerfGE 90, 286 ff.
Dabei verkennt das Gericht im Rahmen der im gerichtlichen Eilverfahren
allein möglichen und erforderlichen summarischen Prüfung nicht, daß in
der öffentlichen politischen Diskussion verfassungs- wie völkerrechtliche
Bedenken gegen eine Mitwirkung der Antragsgegnerin bei den
umstrittenen Bombardierungen der NATO wie der Handlungen der
NATO selbst bestehen. Jedoch ist für das Gericht nicht glaubhaft ge-
macht, daß damit die Absicht verbunden ist, die allgemeinen
völkerrechtlichen Regelungen inhaltlich außer Kraft zu setzen( vgl. Art.
25 GG) oder der NATO-Einsatz in der Absicht geführt wird, das friedliche
Zusammenleben der Völker zu stören ( vgl. Art. 26 GG). Hinter dem
Einsatz stehende erklärte Absicht ist es vielmehr, unter Inkaufnahme
eines gewaltsamen Eingriffs in die inneren Angelegenheiten eines
fremden souveränen Staates im Ergebnis eine ganze Volksgruppe vor
Vertreibung und u.U. drohendem Völkermord zu bewahren. Dafür, daß
es sich hierbei um lediglich vorgeschobene Beweggründe handelt,
insbesondere die o.a. zustimmenden Beschlüsse des Deutschen
Bundestages nur eine Scheinlegitimität zu begründen vermögen (vgl.
Art. 20 Abs. 4 GG), ergeben sich für das Gericht keine Anhaltspunkte.
Die Antragsteller tragen die Kosten des Verfahrens (§ 154 Abs. 1
VwGO).
2. Der Streitwert wird auf einheitlich DM 4.000,00 festge- setzt (§§ 13
Abs. 1 Satz 1, 20 Abs. 3 GKG).
1. Der Antrag,
1
der Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung zu untersagen, sich in
jeglicher Form an Luftangriffen auf die Städte Beograd und Zemun sowie auf
Einrichtungen der Elektrizitäts-, Wasser- und Gasversorgung dieser Städte zu
beteiligen,
2
insbesondere zu untersagen, - eigene Flugzeuge einzusetzen, - militärische
Einrichtungen in der Bundesrepublik Deutschland für Luftangriffe anderer NATO-
Staaten auf die vorgenannten Städte und deren Versorgungs- einrichtungen zur
Verfügung zu stellen, - anderen NATO-Staaten Überflugrechte über das Gebiet der
Bundesrepublik Deutschland für Luftangriffe auf die vorgenannten Städte und deren
Versorgungsein- richtungen zu erteilen,
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hat keinen Erfolg. Soweit das Antragsbegehren (unmittelbar)auf Art. 25 und 26 GG
gestützt ist, vermitteln diese den Antragstellern keine subjektiv einklagbaren Rechte.
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Die hier in Rede stehenden allgemeinen völkerrechtlichen Regelungen wirken
ausschließlich zwischen den Völkerrechtssubjekten (Außenwirkung) und erzeugen
damit nicht über Art. 25 Satz 2 GG einklagbare Rechtspositionen für in der
Bundesrepublik Deutschland wohnende Einzelpersonen,
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vgl. Maunz-Dürig, Grundgesetz Kommentar (Juni 1998), Art. 25 Rn. 21 zu 5a)bb); v.
Münch, Grundgesetz-Kommentar, 2. Aufl. 1983, Art. 25, Rn. 12; Schmidt-Bleibtreu-Klein,
Kommentar zum Grundgesetz, 9. Aufl. 1999, Art. 25 Rn. 6,
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und können damit auch nicht von außerhalb der Bundesrepublik Deutschland
wohnenden Staatsangehörigen ausländischer Staaten hier eingeklagt werden. Art. 26
GG. erfaßt zwar unmittelbar alle Rechtssubjekte im Geltungsbereich des Grundgesetzes
und gilt auch für das gesamte staatliche Handeln,
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vgl. Maunz-Dürig, a.a.O., Art. 26 Rn. 4 und 35; Schmidt-Bleibtreu- Klein, a.a.O. Art. 26,
Rn. 1,
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gleichwohl werden auch hierdurch subjektiv gegen die Bundesrepublik Deutschland
einklagbare Rechtspositionen der Antragsteller nicht begründet. Soweit das
Antragsbegehren auch auf Art. 2 Abs. 2 GG gestützt ist, gilt im Ergebnis nicht anderes.
Zwar dürften die Antragsteller als Staatsangehörige eines fremden Staates mit Wohnsitz
im Ausland mit Rücksicht auf die Menschenrechtsqualität von Art. 2 Abs. 2 GG und der
Individualrechtschutzga- rantie des Art. 19 Abs. 4 GG grundsätzlich antragsbefugt sein,
weil für die hier geltend gemachte Verletzung von Leben und Gesundheit ursächlich
(auch) das nach dem Antrag zu untersagende (Regierungs)handeln ist. Gleichwohl fehlt
es aber für die beantragte einstweilige Anordnung jedenfalls an dem nach § 123 Abs. 1,
Abs. 3 VwGO i.V.m. §§ 920 Abs. 2, 294 ZPO erforderlichen Anordnungsanspruch. Ein
wie hier schlichtes Regierungshandeln sowie das dieses Handeln tragende
parlamentarische Handeln, ist regelmäßig der vorliegenden, dem Individualrechtsschutz
dienenden gerichtlichen Kontrolle entzogen, es sei denn, es ist geeignet, unmittelbar zu
der behaupteten Rechtsgutverletzung zu führen,
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vgl. Maunz-Dürig, a.a.O., Art. 19 Rn. 77f und 81f; Schmidt- Bleibtreu-Klein, a.a.O. Art. 19
Rn. 24g.
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Das bereits ist vorliegend aber nicht der Fall. Denn die befürchtete Bombardierung - und
erst diese kann zu einer Rechtsgutverletzung führen - wird nicht von der
Antragsgegnerin, sondern der NATO, einem eigenständigen Völkerrechtssubjekt,
durchgeführt. Vor allem aber ist bei Akten der hier umstrittenen Art die sog.
Kontrolldichte mangels eines engen Maßstabsnetzes regelmäßig begrenzt. Die Gerichte
haben hier ihre eigene Bewertung nicht an die Stelle der Regierungsentscheidung zu
setzen. Dabei ist die Kontrolle der Auswärtigen Gewalt zudem besonderen
Beschränkungen unterworfen, weil die "Gestaltung auswärtiger Verhältnisse nicht allein
vom Willen der Bundesrepublik Deutschland bestimmt werden kann, sondern vielfach
von Umständen abhängig ist, die sich ihrer Bestim- mung entziehen. Die Regierung
muß flexibel reagieren können, gerade angesichts nur schwer abschätzbarer
Risikobereiche".
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Vgl. Maunz-Dürig, a.a.O., Art. 19 Rn. 81f mit Nachweisen zur Rspr..
12
Auch im Rahmen einer ausgehend von diesen Grundsätzen dennoch vorzunehmenden
Evidenz- und Willkürkontrolle ist eine anderes Ergebnis nicht gerechtfertigt. Denn das
hier in Rede stehende (Regierungs)handeln war und ist von Anfang an - in Kenntnis des
fehlenden Beschlusses des Sicherheitsrates - legitimiert durch den Beschluß des 13.
Deutschen Bundestages vom 16. Oktober 1998 und die neueren, auf diesen Beschluß
Bezug nehmenden Beschlüsse des 14. Deutschen Bundestages, ohne daß es hierbei
z.B. zu einer Verletzung verfassungsmäßig garantierter Rechte einer Fraktion
gekommen wäre,
13
vgl. BVerfG, Beschluß vom 25. März 1999 - 2 BvE 5/99 - zum Antrag der PDS-Fraktion,
(soweit ersichtlich noch nicht veröffentlicht).
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Zudem ist die verfassungsrechtliche Ermächtigung des Bundes, Streitkräfte in einem
System kollektiver Sicherheit einzusetzen, grundsätzlich geklärt,
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vgl. BVerfG w.v. zu Lit. B, Ziff. 3 der Gründe unter ausdrücklichem Hinweis auf BVerG,
Urteil vom 12. Juli 1994 - 2 BvE 3/92, 5/93, 7/93, 8/93 -, BVerfGE 90, 286 ff.
16
Dabei verkennt das Gericht im Rahmen der im gerichtlichen Eilverfahren allein
möglichen und erforderlichen summarischen Prüfung nicht, daß in der öffentlichen
politischen Diskussion verfassungs- wie völkerrechtliche Bedenken gegen eine
Mitwirkung der Antragsgegnerin bei den umstrittenen Bombardierungen der NATO wie
der Handlungen der NATO selbst bestehen. Jedoch ist für das Gericht nicht glaubhaft
ge- macht, daß damit die Absicht verbunden ist, die allgemeinen völkerrechtlichen
Regelungen inhaltlich außer Kraft zu setzen( vgl. Art. 25 GG) oder der NATO- Einsatz in
der Absicht geführt wird, das friedliche Zusammenleben der Völker zu stören ( vgl. Art.
26 GG). Hinter dem Einsatz stehende erklärte Absicht ist es vielmehr, unter Inkaufnahme
eines gewaltsamen Eingriffs in die inneren Angelegenheiten eines fremden souveränen
Staates im Ergebnis eine ganze Volksgruppe vor Vertreibung und u.U. drohendem
Völkermord zu bewahren. Dafür, daß es sich hierbei um lediglich vorgeschobene
Beweggründe handelt, insbesondere die o.a. zustimmenden Beschlüsse des Deutschen
Bundestages nur eine Scheinlegitimität zu begründen vermögen (vgl. Art. 20 Abs. 4
GG), ergeben sich für das Gericht keine Anhaltspunkte.
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Die Antragsteller tragen die Kosten des Verfahrens (§ 154 Abs. 1 VwGO).
18
2. Der Streitwert wird auf einheitlich DM 4.000,00 festge- setzt (§§ 13 Abs. 1 Satz 1, 20
Abs. 3 GKG).
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