Urteil des VG Köln vom 29.04.2008

VG Köln: öffentliches interesse, erhaltung, ausgrabung, unterschutzstellung, vorrang, denkmalschutz, geschichte, stadt, genehmigungsverfahren, regionalplan

Verwaltungsgericht Köln, 4 K 1095/07
Datum:
29.04.2008
Gericht:
Verwaltungsgericht Köln
Spruchkörper:
4. Kammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
4 K 1095/07
Tenor:
Die Klage wird abgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens einschließlich der
außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen.
Tatbestand Die Beteiligten streiten über die denkmalrechtliche Unterschutzstellung der
u.a. auf den Grundstücken der Klägerin (Flurstücke .. und ..., Gemarkung C. , Flur .. in L.
) befindlichen Überreste eines römischen Landguts „C1. I. „ als ortsfestes
Bodendenkmal.
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Der römische Fundplatz Landgut „C1. I. „ wurde erstmalig in den 1960er Jahren erfasst,
als nördlich der Bahnlinie Köln-Aachen römische Scherben und Ziegelfragmente
gefunden wurden. Nachfolgend wurden luftbildarchäologische Aufnahmen gefertigt und
qualifizierte Prospektionen durchgeführt. Weitere Scherben und Ziegelfunde traten im
Rahmen der Untersuchungen auch südlich der Bahnlinie auf. Die Funde nördlich der
Bahnlinie sind im Jahr 1999 vollständig ausgegraben worden. Im selben Jahr fanden
sich in einem Grabungsschnitt südlich der Bahnlinie Pfostengruben (von hölzernen
Ständerbauten), Abfallgruben, Gräben und vier Brunnen, die in das 2./3. Jh. u. Z. datiert
wurden (Fundstelle NW 1999/1142). Auf Grund 1998 - 2000 durchgeführten
qualifizierten Prospektionen bestimmte der Beigeladene an Hand der Konzentration von
Oberflächenfunden (Scherben und Ziegelfragmenten) südlich der Bahnlinie auch den
Platz des Hauptgebäudes des römischen Landgutes (villa rustica). Durch den Nachweis
des Umfassungsgrabens im Jahr 2001 wurde das Landgut - nach Norden, Süden und
Osten - abgegrenzt. Nach Westen sind jenseits des dortigen Feldweges aufgrund einer
Kiesabgrabung keine Funde erhalten. Das südlich der Bahnlinie Köln-Aachen gelegene
Flurstück ... der Klägerin, das einen wesentlichen Teil des Fundplatzes ausmacht,
befindet sich einem Bereich, der im Gebietsentwicklungsplan für den Regierungsbezirk
Köln - Teilabschnitt Region Köln - (heute: Regionalplan) als Bereich für die Sicherung
und den Abbau oberflächennaher nichtenergetischer Bodenschätze (BSAB) dargestellt
ist; die insoweit maßgebliche 4. Regionalplanänderung trat am 15. Juni 2004 in Kraft.
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Die Klägerin hat das Flurstück ... der Firma S. C2. GmbH zu Abgrabungszwecken zur
Verfügung gestellt. Es ist Gegenstand einer beim Rhein- Erft-Kreis beantragten - und im
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Hinblick auf das vorliegende Verfahren noch nicht erteilten - Abgrabungsgenehmigung
als Erweiterung einer bestehenden Kiesgrube.
Mit Schreiben vom 23. Mai 2005 beantragte der Beigeladene bei der Beklagten die
Eintragung des römischen Landgutes „C1. I. „ in die Liste ortsfester Bodendenkmäler.
Die Denkmaleigenschaft wurde wie folgt begründet:
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„Ortsfestes Bodendenkmal sind die erhaltenen Reste des römischen Landgutes. Hierzu
gehören die innerhalb der Grabenanlage befindlichen Gebäuderelikte, Gruben,
Brunnen, Teiche usw. Ebenfalls zum Bodendenkmalgehören die im unmittelbaren
Zusammenhang mit dem Landgut stehenden, sich aber außerhalb der Grabenanlage
befindlichen Relikte, wie Gräber, Heiligtümer, Wege usw. Die im Untergrund
befindlichen archäologischen Zeugnisse sowie der sie umgebende und einschließende
Boden sind besonders geeignet, die Lebensweise und Gepflogenheiten der Menschen
in der römischen Zeit sowie die politischen, kulturellen, wirtschaftlichen und sozialen
Verhältnisse dieser Epochen zu dokumentieren. Für den Erhalt sprechen deshalb
wissenschaftliche Gründe. Zudem ist die Anlage und das untertägig erhaltene
Bodenarchiv besonders geeignet zum Aufzeigen der geschichtlichen Entwicklung der
römischen Besiedlung des Rheinlandes, der Infrastruktur, der Landverteilung sowie der
individuellen, speziellen gewerblichen Tätigkeiten in den einzelnen Hofgütern. Wegen
der nahezu vollständigen flächendeckenden Erhaltung des Bodendenkmals und damit
verbunden der guten Erhaltung der archäologischen Quellen ist das Landgut „C1. I. „
bedeutend für die Geschichte der Menschen und der Siedlungsentwicklung in der
Region. An der Erhaltung des ortsfesten Bodendenkmals besteht ein öffentliches
Interesse."
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Im Rahmen ihrer Anhörung zur beabsichtigen Eintragung wies die Klägerin mit
Schreiben vom 7. Dezember 2005 darauf hin, dass ein öffentliches Interesse an dem
dauerhaften Erhalt des „Landgutes" schon wegen des schlechten Erhaltungszustandes
nicht gegeben sei. Der Beigeladene selbst habe diesen - mit im Rahmen des
Abgrabungsgenehmigungsverfahrens abgegebenen Stellungnahmen - eingeräumt und
eine Sicherung der Quellen durch Ausgrabung als verhältnismäßig bezeichnet. Ein
öffentliches Interesse an der Eintragung fehle aber jedenfalls deshalb, weil sich für den
streitigen Bereich aus dem Regionalplan ein Vorrang für die Bodenschatzgewinnung
ergebe, der zwingend zu beachten sei. Eine Erhaltungspflicht sei nach der planerischen
Zielbestimmung nur gegenüber im Zeitpunkt des Inkrafttretens des Regionalplans
bereits eingetragenen Denkmälern gegeben.
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Mit Stellungnahme vom 25. Januar 2006 führte der Beigeladene dazu aus: Der
Denkmalwürdigkeit stehe nicht entgegen, dass Teile des Bodendenkmals nur noch
geringmächtig erhalten seien, denn wesentlich für die Eintragung sei allein die
Bedeutung, die dem Objekt im öffentlichen Interesse beizumessen sei. Der Eintragung
stehe ebenfalls nicht entgegen, dass in früheren Stellungnahmen eine Ausgrabung als
„Ersatz" für die dauerhafte Erhaltung an Ort und Stelle in Betracht gezogen worden sei;
damit sei lediglich eine mögliche Tendenz für eine - auf der zweiten Stufe - zu treffende
denkmalrechtliche Entscheidung wiedergegeben worden.
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Am 22. Mai 2006 trug die Beklagte das römischen Landguts „C1. I. „ BM ... - Gemarkung
C. , Flur .., Flurstücke ., .., .., .., .., ... - als ortsfestes Bodendenkmal in die Denkmalliste
der Stadt L. ein und teilte dies der Klägerin mit Bescheid vom selben Tage mit.
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Mit hiergegen am 12. Juni 2006 erhobenem Widerspruch wiederholte die Klägerin die
im Rahmen der Anhörung vorgebrachten Einwände und führte ergänzend aus: Der
Vorrang der Bodenschatzgewinnung sei nach den Bestimmungen des ROG auch von
der Beklagten zwingend zu beachten, da die Eintragung eines Bodendenkmals eine
raumbedeutsame Maßnahme sei. Diese strikte Beachtungspflicht schlage bereits auf
die erste Stufe des Denkmalschutzes durch und lasse das öffentliche Interesse an einer
Eintragung entfallen. Denn mit der Festlegung von Vorrangflächen für die
Rohstoffgewinnung und der Zielbestimmung in Kapitel D. 2.5, Ziel 1 des Regionalplans
seien die Belange der Bodendenkmalpflege - hinsichtlich im Zeitpunkt des Inkrafttretens
des Plans noch nicht eingetragener Bodendenkmäler - bereits abschließend
abgewogen und zurückgestellt worden. Dafür sprächen insbesondere auch Ziffer 9. und
13. der Erläuterungen. Etwas anderes ergebe sich auch nicht aus den allgemeinen
Festlegungen zum Denkmalschutz in Kapitel C.
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Durch Widerspruchsbescheid vom 14. Februar 2007 wies der Landrat des Rhein- Erft-
Kreises den Widerspruch mit der Begründung zurück, an der Erhaltung der
archäologischen Hinterlassenschaften der römischen Siedlungsstelle bestehe - ganz
unabhängig von dem bisher nicht abschließend ermittelten Erhaltungszustand - ein
öffentliches Interesse, da es sich um eine bedeutende Quelle handele, die
Detailinformationen zur Siedlungsgeschichte und zur Entwicklung der Arbeits- und
Produktionsverhältnisse enthalte. Der Eintragung stehe auch die raumordnerische
Wirkung des Regionalplans nicht entgegen, denn eine Aufnahme des
Bodendenkmalschutzes in die Abwägung auf bezirkplanerischer Ebene sei
ausdrücklich nicht erfolgt.
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Die Klägerin hat am 16. März 2007 Klage erhoben. Zur Klagebegründung wiederholt
und vertieft sie ihr Vorbringen aus dem Widerspruchsverfahren.
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Die Klägerin beantragt,
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den Bescheid der Beklagten vom 22. Mai 2006 über die Eintragung des römischen
Landgutes „C1. I. „ in die Denkmalliste der Stadt L. und den Widerspruchsbescheid des
Landrates des Rhein-Erft-Kreises vom 14. Februar 2007 aufzuheben.
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Die Beklagte beantragt,
14
die Klage abzuweisen.
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Sie verweist zur Begründung auf die Ausführungen in der Unterschutzstellungsurkunde
sowie im Widerspruchsbescheid.
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Der Beigeladene tritt der Klage ebenfalls entgegen und beantragt,
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die Klage abzuweisen
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Die Beklagte hat unter dem 8. Mai 2007 ergänzend die sofortige Vollziehung der
Unterschutzstellung des Landgutes „C1. I. „ angeordnet.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte
und die beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Beklagten und des Beigeladenen
Bezug genommen.
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Entscheidungsgründe Die zulässige Klage ist unbegründet.
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Die Eintragung des römischen Landguts „C1. I. „ als ortsfestes Bodendenkmal in die
Denkmalliste der Stadt L. , der Klägerin mitgeteilt durch Bescheid der Beklagten vom 22.
Mai 2006 in der Fassung des Widerspruchsbescheides des Landrates Rhein-Erft-
Kreises vom 14. Februar 2007, ist rechtmäßig, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO.
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Die Unterschutzstellung findet ihre Rechtsgrundlage in § 3 Abs. 1, § 2 Abs. 1 und 5
DSchG NRW.
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Nach § 3 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 1 DSchG NRW sind Denkmäler getrennt nach
Baudenkmälern, ortsfesten Bodendenkmälern und beweglichen Denkmälern in die
Denkmalliste einzutragen.
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Die tatbestandlichen Voraussetzungen für die Eintragung liegen vor. Bei dem Fundplatz
römisches Landgut „C1. I. „ handelt es sich um ein Bodendenkmal im Sinne von § 2 Abs.
1 und Abs. 5 DSchG NRW.
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Bodendenkmäler sind nach Maßgabe des § 2 Abs. 5 Satz 1 DSchG NRW bewegliche
oder unbewegliche Denkmäler, die sich im Boden befinden oder befanden. Denkmäler
sind nach § 2 Abs. 1 Satz 1 DSchG NRW Sachen, Mehrheiten von Sachen und Teile
von Sachen, an deren Erhaltung und Nutzung ein öffentliches Interesse besteht. Nach
Satz 2 dieser Bestimmung besteht ein öffentliches Interesse, wenn die Sachen
bedeutend für die Geschichte des Menschen, für Städte und Siedlungen oder für die
Entwicklung der Arbeits- und Produktionsverhältnisse sind und für die Erhaltung und
Nutzung künstlerische, wissenschaftliche, volkskundliche oder städtebauliche Gründe
vorliegen. Diese Begriffsbestimmung ist für die Bodendenkmäler dahin zu verstehen,
dass nicht nur im Boden vermutete Artefakte oder Zeugnisse tierischen oder
pflanzlichen Lebens Bodendenkmäler sind oder als solche gelten, sondern dass dies
auch für den sie umgebenden Boden gilt, der mit ihnen eine Einheit bildet. Wegen der
für Bodendenkmäler bestehenden Besonderheit, dass eine durch Grabungen vermittelte
sichere Anschauung gleichzeitig auch eine zumindest partielle Zerstörung des
Denkmals bedeutet, muss bei der Unterschutzstellung einer abgegrenzten
Grundstücksfläche als Bodendenkmal keine vollständige Gewissheit über das
Vorhandensein eines Bodendenkmals bestehen. Erforderlich ist vielmehr, dass mit an
Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit in der betroffenen Fläche ein Bodendenkmal
vorhanden ist.
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Vgl. OVG NRW, Urteil vom 28. März 1995 - 11 A 3554/91 -, NVwZ-RR 1996, 37 (38) und
Beschluss vom 27. August 2007 - 10 A 3856/06 -, NWVBl. 2008, 20-22.
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Zur Überzeugung der Kammer ist aufgrund der - in der Unterschutzstellungsurkunde
und im Widerspruchsbescheid - dargestellten archäologischen Fundsituation und der
fachwissenschaftlichen Bewertung durch den Beigeladenen mit an Sicherheit
grenzender Wahrscheinlichkeit zu erwarten, dass sich in den genannten Flurstücken
Zeugnisse eines römischen Landgutes befinden. Zum Beweis der Existenz der
erhaltenen Reste des römischen Landgutes „C1. I. „ in Gestalt von Gebäuderelikten,
Gruben, Brunnen, Teichen, Umfassungsanlagen usw. konnte der Beigeladene auf die
Ergebnisse von Luftbildern, qualifizierten Begehungen sowie Suchschnitten und
Sondagen verweisen. Das Oberflächenbild an römischen Funden verbunden mit den in
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den Sondagen erfassten Befunden lässt danach keinen Zweifel an der Existenz der
römischen Siedlungsstelle in dem als Bodendenkmal eingetragenen Bereich. Gestützt
hat der Beigeladene seine Schlussfolgerung - von der erfassten archäologischen
Fundsituation auf die ehemalige Existenz einer antiken Siedlungsstelle - durch die
Heranziehung systematischer Untersuchungen vergleichbarer Objekte.
Die zu erwartenden Funde des römischen Landgutes sind auch denkmalwert im Sinne
von § 2 Abs. 1 DSchG NRW, denn an ihrer Erhaltung besteht ein öffentliches Interesse.
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Der Beigeladene hat zum Denkmalwert gutachterlich ausgeführt:
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„Die im Untergrund befindlichen archäologischen Zeugnisse sowie der sie umgebende
und einschließende Boden sind besonders geeignet, die Lebensweise und
Gepflogenheiten der Menschen in der römischen Zeit sowie die politischen, kulturellen,
wirtschaftlichen und sozialen Verhältnisse dieser Epochen zu dokumentieren. Für den
Erhalt sprechen deshalb wissenschaftliche Gründe. Zudem ist die Anlage und das
untertägig erhaltene Bodenarchiv besonders geeignet zum Aufzeigen der
geschichtlichen Entwicklung der römischen Besiedlung des Rheinlandes, der
Infrastruktur, der Landverteilung sowie der individuellen, speziellen gewerblichen
Tätigkeiten in den einzelnen Hofgütern. Wegen der nahezu vollständigen
flächendeckenden Erhaltung des Bodendenkmals und damit verbunden der guten
Erhaltung der archäologischen Quellen ist das Landgut „C1. I. „ bedeutend für die
Geschichte der Menschen und der Siedlungsentwicklung in der Region."
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Diesen überzeugenden Ausführungen schließt die Kammer sich vollumfänglich an.
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Entgegen der Annahme der Klägerin steht auch ein etwaiger schlechter
Erhaltungszustand der Eintragung des Fundplatzes nicht entgegen.
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Der (schlechte) Erhaltungszustand einer Sache ist im Eintragungsverfahren
grundsätzlich bedeutungslos. Ein Verfall oder sonstige Schäden der Substanz stellen
den Denkmalwert einer Sache, auf den es - im Hinblick auf die Zweistufigkeit des
Denkmalschutzes - für die Eintragung allein ankommt, regelmäßig nicht in Frage.
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Der Gesetzgeber hat den Denkmalschutz in Nordrhein-Westfalen mit der Entscheidung
für die konstitutive Denkmalliste - im Wesentlichen - zweistufig ausgestaltet. Es ist daher
zu trennen zwischen der konstitutiven Begründung des Denkmalschutzes durch die
Eintragung (§§ 3 ff. DSchG NRW) - auf der ersten Stufe - und den Wirkungen des
Denkmalschutzes als Folge der Eintragung (§§ 7 ff. DSchG NRW) - auf der zweiten
Stufe. Auf der ersten Stufen findet eine Abwägung betroffener Belange nicht statt; hier ist
allein die Denkmaleigenschaft ausschlaggebend. Steht fest, dass es sich um ein
Denkmal handelt, muss gemäß § 3 Abs. 1 DSchG NRW eine Eintragung erfolgen.
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OVG NRW, Urteil vom 16.12.1985 - 11 A 1588/83 -.
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Bedeutung erlangt der (schlechte) Erhaltungszustand im Eintragungsverfahren daher
nur dann, wenn er Anlass zu Zweifeln an der Denkmaleigenschaft gibt; sodann wäre zu
ermitteln und zu bewerten, ob und inwieweit dadurch das Erhaltungs- und
Nutzungsinteresse beeinträchtigt ist. Kann die schlecht erhaltene Sache ihren
historischen Aussagewert noch erfüllen, wird die Eintragungspflicht nicht tangiert.
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Memmesheimer, Upmeier, Schönstein, Denkmalrecht NRW, 2. Aufl. 1989, § 3 Rn. 19.
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Es liegen vorliegend keine Anhaltspunkte dafür vor, dass der Erhaltungszustand Anlass
zu Zweifeln an dem - oben aufgezeigten - Erhaltungsinteresse und damit an der
Denkmalwürdigkeit des römischen Landgutes gibt.
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Zu Recht weist der Beigeladene darauf hin, dass Bodendenkmäler aus dem 2. / 3. Jh. u.
Z. regelmäßig nur noch eine mäßige Substanzerhaltung aufweisen. Ungeachtet dessen
liegen auch keine widersprüchlichen Aussagen des Beigeladenen hinsichtlich der
insoweit allein maßgeblichen Bedeutung der Funde vor. Vielmehr hat der Beigeladene
wiederholt - so auch in seinen im Rahmen des Abgrabungsgenehmigungsverfahrens
abgegebenen Stellungnahmen vom 6. November 2000 und 23. Dezember 2004 -
ausgeführt, dass den Funden ein hoher Aussagewert zukommt. Darüber hinaus hat die
Widerspruchsbehörde zu Recht darauf hingewiesen, dass der Erhaltungszustand des
Bodendenkmals auch weiterhin nicht abschließend ermittelt ist. Eine solch
abschließende und endgültige Ermittlung wäre letztlich erst durch eine Ausgrabung zu
erzielen.
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Der Annahme des öffentlichen Interesses für die Eintragung stehen die
Vorüberlegungen des Beigeladenen hinsichtlich einer Ausgrabung des römischen
Landgutes nicht entgegen.
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Es kann schon nicht festgestellt werden, dass vorliegend alleiniges Ziel der
Unterschutzstellung die Ermöglichung einer Sicherung der Reste des römischen
Landgutes als Sekundärquelle - und damit die Ausgrabung - ist. Zwar hat der
Beigeladene in seinen Stellungnahmen vom 6. November 2000 und 23. Dezember
2004 eine Ausgrabung der Funde als „Ersatz" für die dauerhafte Erhaltung an Ort und
Stelle in Betracht gezogen; damit ist jedoch lediglich eine mögliche Tendenz für eine
erst auf der zweiten Stufe des Denkmalschutzes zu treffende Entscheidung aufgezeigt
worden. Denn eine Abwägung der verschiedenen durch eine Ausgrabung betroffenen
Belange findet - wie eingangs ausgeführt - nicht schon im Rahmen des
Eintragungsverfahren, sondern erst im nachfolgenden Genehmigungsverfahren statt. Mit
der Eintragung eines ortsfesten, d.h. unbeweglichen Bodendenkmals wird daher
regelmäßig nicht die Art und Weise der späteren Erhaltung und Nutzung vorgegeben.
Da zum gegenwärtigen Zeitpunkt zudem in keiner Weise absehbar ist, welche weiteren
Funde die Untersuchung des Bodendenkmals noch ergeben wird, kann das Ergebnis
einer Abwägung - zwischen dem Schutz des Denkmals auf der einen Seite und dem
öffentlichen Interesse an der Verwirklichung der erlaubnispflichtigen Maßnahme in
Gestalt der Ausgrabung auf der anderen Seite - keineswegs sicher prognostiziert oder
gar als - durch die Vorüberlegungen des Beigeladenen - vorweg genommen angesehen
werden.
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Anliegen des Denkmalschutzes ist es, Bodendenkmäler so weit wie möglich unberührt -
zumindest aber als Sekundärquelle gesichert - zu erhalten. Diesem Anliegen wird auch
durch eine Unterschutzstellung eines Bodendenkmals, die nicht die Funktion hat, die
dauerhafte und unberührte Erhaltung des Denkmals an Ort und Stelle zu sichern, die
vielmehr darauf abzielt, eine geordnete und denkmalrechtlich einwandfreie Sicherung
als Sekundärquelle zu ermöglichen, Rechnung getragen,
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vgl. dazu OVG NRW, Beschluss vom 23.10.2007 - 10 B 1566/07 - zur Eintragung eines
unbeweglichen Bodendenkmals (Steinzeitliche Siedlungsplätze) nach Erteilung einer
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bestandskräftigen Beseitigungserlaubnis nach dem DSchG.
Eine solche Fallgestaltung liegt jedoch - wie ausgeführt - hier nicht vor. Es ist
insbesondere auch keine Zusicherung hinsichtlich einer Beseitigungserlaubnis
ergangen.
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Das öffentliche Interesse für die Eintragung des Bodendenkmals fehlt auch nicht
aufgrund der regionalplanerischen Ausweisung des Gebiets als Abgrabungsbereich
(BSAB).
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Das von der Eintragung des Bodendenkmals betroffene Flurstück 100 der Klägerin ist
im Regionalplan für den Regierungsbezirk Köln in seiner insoweit maßgeblichen 4.
Änderung - in Kraft getreten am 15. Juni 2004 - als Bereich für die Sicherung und den
Abbau oberflächennaher nichtenergetischer Bodenschätze (BSAB) dargestellt (vgl. die
Karte „L 5104 E. „). Das textliche Ziel 1 des zugehörigen Kapitels D. 2.5 lautet: „In den
zeichnerisch dargestellten Bereichen für die Sicherung und den Abbau
nichtenergetischer oberflächennaher Bodenschätze (BSAB) ist deren Abbau zu
gewährleisten; die Innanspruchnahme der Bereiche für andere Zwecke ist
auszuschließen. Beim Abbau dürfen die innerhalb dieser Bereiche vorhandenen
Nutzungen nur insoweit beeinträchtigt werden, wie dies für einen geordneten Abbau
erforderlich ist. Schutzwürdige Lebensräume für Pflanzen und Tiere (Biotope),
geowissenschaftlich bedeutsame Objekte (Geotope) und Bodendenkmäler sind soweit
wie möglich zu erhalten. Bei nachweislich unvermeidbarer Inanspruchnahme sind
Ersatzmaßnahmen an anderer Stelle vorzunehmen und dauernd zu sichern. Außerhalb
der zeichnerisch dargestellten BSAB sind neue Abgrabungen und
Abgrabungserweiterungen auszuschließen. ..."
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Zwar sind Ziele der Raumordnung nach § 4 Abs. 1 Satz 1 ROG von öffentlichen Stellen
bei ihren raumbedeutsamen Planungen und Maßnahmen zu beachten. Die
Zielbestimmung 1 in Kapitel D.2.5 (BSAB) weist jedoch der Gewinnung von
Bodenschätzen in den für Abgrabungen vorgesehenen Bereichen gegenüber den
Belangen der Bodendenkmalpflege keinen absoluten Vorrang zu. Die Formulierung
„Bodendenkmäler sind soweit wie möglich zu erhalten" lässt insbesondere nicht den
Schluss zu, dass Belange der Bodendenkmalpflege hinsichtlich - im Zeitpunkt des
Inkrafttretens der 4. Änderung des Regionalplans - noch nicht eingetragener
Bodendenkmäler bereits abschließend abgewogen und zurückgestellt worden sind.
Eine solche Auslegung lässt sich weder dem Wortlaut der Zielbestimmung 1, dem Sinn
und Zweck noch dem Gesamtzusammenhang der Zielbestimmungen entnehmen. Aus
der Zielbestimmung 1 ergibt sich vielmehr eine umfängliche Beachtenspflicht im Sinne
von § 4 Abs. 1 Satz 1 ROG zu Gunsten der Bodendenkmalpflege. Die (endgültige)
Abwägung ist danach nicht auf regionalplanerischer Ebene erfolgt, sondern auf die
nachgeordneten Ebenen bzw. in Genehmigungsverfahren verlagert worden. Die
Beachtenspflicht erfasst sowohl bereits eingetragene als auch noch nicht eingetragene
Bodendenkmäler. Entgegen der Annahme der Klägerin lässt die Verwendung des
Begriffes „Bodendenkmal" in der Zielbestimmung 1, Kapitel D.2.5 (BSAB), nicht den
Schluss zu, dass sich im ausgewiesenen Abgrabungsbereich die Vorgabe,
Bodendenkmäler soweit wie möglich zu erhalten, nur auf bereits in die Denkmalliste
eingetragene Bodendenkmäler beschränkt. Denn der Gesetzgeber verwendet den
Begriff des Bodendenkmals im DSchG NRW gleichermaßen für eingetragene und auch
für nicht eingetragene Bodendenkmäler. In § 3 Abs. 1 Satz 3 DSchG NRW ist
angeordnet, dass die Vorschriften der §§ 13-19 DSchG NRW unabhängig von der
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Eintragung der Bodendenkmäler in die Denkmalliste gelten. Diese Vorschriften sind
somit auf alle Objekte anzuwenden, welche die Legaldefinition für Bodendenkmäler in §
2 Abs. 5 DSchG NRW erfüllen. Eine weitere Differenzierung nehmen auch die §§ 13-19
DSchG NRW nicht vor.
Auch dem Sinn und Zweck der Zielbestimmung sowie dem Gesamtzusammenhang ist
nicht zu entnehmen, dass der Vorrang der Gewinnung von Bodenschätzen gegenüber
noch nicht eingetragenen Bodendenkmälern absolut zu verstehen ist. Vielmehr machen
sowohl die Erläuterungen unter Ziffer 9 und 13 im Kapitel D.2.5 (BSAB) als auch die
allgemeinen Zielformulierungen und Erläuterungen zum Denkmalschutz im Kapitel C.
deutlich, dass insbesondere Belange des Bodendenkmalschutzes von öffentlichen
Stellen bei ihren raumbedeutsamen Planungen und Maßnahmen zu beachten sind, d.h.
dass eine Einstellung der Belange in eine Abwägung auf der Ebene der Fachplanung
bzw. im Rahmen von Genehmigungsverfahren zu erfolgen hat. Aus den Erläuterungen
unter Ziffer 9 und 13 ergibt sich, dass schon möglichst keine dem (Boden-)Denkmal-
schutz unterliegenden Flächen durch Ausweisung als BSAB für den Abbau von
Bodenschätzen bereit gestellt werden sollen, was sich jedoch im Regierungsbezirk Köln
nicht immer vermeiden lasse. Die im Kapitel C. des Regionalplans - in Ansehung von §
24 Abs. 7 LEPro - formulierten allgemeinen Ziele zum Denkmalschutz, insbesondere
zum Bodendenkmalschutz, bilden den Rahmen für die konkret formulierten Ziele der
Raumordnung. Die Erläuterungen unter Ziffer 1-3, Kapitel C., machen deutlich, dass
hinsichtlich der Ziele des Denkmalschutzes eine (frühzeitige) Einbeziehung durch
Abstimmung und Abwägung auf der Ebene der Fachplanung und im Rahmen von
Umweltverträglichkeitsprüfungen gewollt ist. Relevant ist die einzelfallbezogene
Abstimmung bzw. Abwägung danach insbesondere für „Bodendenkmäler", die - anders
als obertägige Denkmäler - nur sporadisch erfasst sind und oft erst während laufender
Maßnahmen aufgedeckt und bekannt werden.
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Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 154 Abs. 1, 162 Abs. 3 VwGO. Es entspricht
der Billigkeit (§ 162 Abs. 3 VwGO), dass die Klägerin auch die außergerichtlichen
Kosten des Beigeladenen trägt, da der Beigeladenen einen Antrag gestellt und sich
damit einem Kostenrisiko ausgesetzt hat (vgl. § 154 Abs. 3 VwGO).
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Die Kammer hat die Berufung nicht zugelassen, da die Voraussetzungen nach § 124
Abs. 2 VwGO erkennbar nicht vorliegen.
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