Urteil des VG Köln vom 08.12.2000

VG Köln: deutsche bundespost, geschäftsführung ohne auftrag, auflage, wettbewerber, verwaltungsverfahren, willenserklärung, erlass, verwaltungsakt, rufnummer, verwaltungsgebühr

Verwaltungsgericht Köln, 11 K 10380/99
Datum:
08.12.2000
Gericht:
Verwaltungsgericht Köln
Spruchkörper:
11. Kammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
11 K 10380/99
Tenor:
Der Gebührenbescheid der Beklagten vom 27. Oktober 1999 wird
aufgehoben.
Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.
T a t b e s t a n d :
1
Mit Gebührenbescheid vom 27. Oktober 1999 erhob die Beklagte Gebühren für den von
der Klägerin genutzten Altbestand an Nummern aus der Zeit vor dem 1. Januar 1998.
Dieser Altbestand wurde auf 3.600.000 Rufnummernblöcke zu je tausend Nummern
geschätzt.
2
Früher benutzte ausschließlich die Deutsche Bundespost Telephonnummern zur
Adressierung, weil ausschließlich sie ein Telephonnetz betrieb. Nach dem ersten Teil
der Postreform 1989 übernahm die Deutsche Bundespost Telekom die betrieblich-
unternehmerischen Aufgaben der Deutschen Bundespost im Fernmeldebereich. Die
politisch-hoheitlichen Aufgaben blieben beim Bundesminister für Post und
Telekommunikation. Rechte, Befugnisse und Zuständigkeiten der Deutschen
Bundespost gingen im Rahmen der von ihr zu erfüllenden Aufgaben auf die Deutsche
Bundespost Telekom über, die Dienstleistungen waren uneingeschränkt weiterzuführen.
Dazu gehörte der Betrieb des Telephonnetzes mit der Nummernverwaltung. Mit der
Postreform II im Jahr 1994 wurde das Sondervermögen in eine Aktiengesellschaft
überführt, ohne dass sich der ordnungspolitische Rahmen änderte.
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Wegen der bevorstehenden Liberalisierung des Telekommunikationsmarktes zum 1.
Januar 1998 wurde über die künftige Nummernstruktur und -verwaltung nachgedacht.
Das Expertengremium für Numme- rierungsfragen empfahl in seinem Abschlußbericht
vom 7. Dezember 1995, bei der Einführung des Wettbewerbs das bisherige System der
Ortsnetzvorwahl beizubehalten und die Telefonnummern nicht umfassend zu ändern.
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Die Klägerin erklärte sich in einer Besprechung vom 9. Mai 1996 bereit, eine
Bestandsaufnahme zur Belegung des Nummernraumes in den Ortsnetzen zu machen.
Sie konnte allerdings den dafür nötigen Zeitbedarf nicht abschätzen, weil das Verfahren
und die Organisation noch nicht geklärt waren. Die Beteiligten waren sich einig, dass
die Nummernverwaltung wegen des Inkrafttreten des Telekommunikationsgesetzes zum
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frühestmöglichen Zeitpunkt vom Regulierer vollständig wahrgenommen werden müsse.
Zunächst verlangte die Beklagte die Übergabe der freien Zehntausenderblöcke, um den
voraussichtlichen Nummernbedarf der Wettbewerber zu decken. Dieser wurde für die
drei Jahre von 1998 bis 2.000 auf 28.000 Rufnummernblöcke geschätzt. Die Klägerin
sollte bei der Benennung der freien Blöcke diejenigen bezeichnen, deren Zuteilung sie
voraussichtlich beantragen wollte, weil das Konzept der Zuteilung ab dem 1. August
1996 auch für Klägerin gelten werde. Bereits ausgelastete Blöcke sollten der Klägerin
auf einen entsprechenden Antrag hin zugewiesen werden. Dem widersprach die
Klägerin zunächst nicht.
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Am 1. August 1996 trat das Telekommunikationsgesetz - TKG -, BGBl. I, S. 1120, in
Kraft. Nach § 43 Abs. 2 TKG werden Rufnummern auf Antrag zugeteilt, für die
Entscheidung über die Zuteilung wird eine Gebühr erhoben. Nach den als
Verwaltungsvorschrift erlassenen "Vorläufigen Regeln für die Zuteilung von
Rufnummern in den Ortsnetzbereichen" (Vfg. BMPT Nr. 109/97 vom 7. Mai 1997,
Amtsblatt Nr. 13/97, S. 650)- ZRO - vergibt die Regulierungsbehörde im Ortsnetzbereich
Rufnummernblöcke von je 1.000 Nummern an die Netzbetreiber (originäre Zuteilung),
die diese im Wege der abgeleiteten Zuteilung an die einzelnen Kunden weitergeben.
Diese Nummern müssen zehnstellig sein. Die Klägerin ist nach Ziff. 5.2 ZRO
verpflichtet, die vorläufige Zuweisung der von ihr genutzten Nummernblöcke zu
beantragen.
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Die Klägerin teilte der Beklagten am 1. Dezember 1996 und am 17. Februar 1997 die
freien und die von ihr benutzten Rufnummernblöcke mit. Inzwischen hat die Klägerin der
Beklagten 1,83 Mio. Rufnummernblöcke als frei zur Verfügung gestellt. Sie verwaltet
noch 2,79 Mio. Rufnummernblöcke, in denen 232 (265) Mio. Nummern von den etwa 40
Mio. Kunden der Klägerin belegt sind. In 2,58 Mio. der 2,79 Mio. Rufnummernblöcke
sind fast ausschließlich sieben- bis neunstellige Nummern enthalten (101 Mio.
Anschlüsse). Aus diesen Blöcken hat die Klägerin seit dem 1. Januar 1998 keine neuen
Nummern mehr vergeben. Aus den restlichen 0,21 Mio Rufnummernblöcken sind 131
Mio. zehnstellige Nummern vergeben. Aus diesen Blöcken hat die Klägerin seit dem 1.
März 2000 keine Nummern mehr vergeben.
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1997 legte die Beklagte den ersten Entwurf einer Nummern- Gebührenverordnung vor.
Nummern wurden als knappes Gut i. S. der Richtlinie 97/13/EG des Europäischen
Parlamentes und des Rates vom 10. April 1997, ABL Nr. L 117/15
(Genehmigungsrichtlinie 97/13) angesehen, so dass die Beklagte den wirtschaftlichen
Wert der Nummern berücksichtigen konnte. Dieser wurde mit 1 DM je Rufnummer
angesetzt, was 0,1 % der jährlichen Einnahmen aus einem Telefonanschluss darstelle.
Die im Entwurf vom Dezember 1998 enthaltene Regelung, dass bereits genutzte
Nummern als beantragt gelten, wurde nicht beibehalten. Die Telekommunikations-
Nummerngebührenverordnung - TNGebV - wurde am 16. August 1999 erlassen (BGBl.
I, S. 1887) und trat rückwirkend zum 1. August 1996 in Kraft. Sie sieht vor, dass für die
Zuteilung von Nummern Gebühren erhoben werden. Im Abschnitt C sind ermäßigte
Gebühren für die Zuteilung von Rufnummernblöcken mit eingeschränkter Nutzbarkeit
vorgesehen. Nach § 2 TNGebV sind Gebühren für unter Vorbehalt zugeteilte
Rufnummernblöcke zu erstatten, wenn diese Blöcke zurückgegeben werden.
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Die Beklagte forderte die Klägerin mit Schreiben vom 17. Juni 1997 auf, die
vorbehaltliche Zuteilung der von ihr genutzten Rufnummernblöcke zu beantragen. Bei
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einer Besprechung am 9. Juli 1997 erklärte die Klägerin dazu, dass sie erst dann einen
Antrag stellen werde, wenn die Gebührenhöhe geklärt sei. Sie wolle nicht durch die
frühere, ineffiziente Nutzung des Nummernraumes belastet werden.
Am 12. Juli 1999 forderte die Beklagte die Klägerin erneut auf, den von ihr genutzten
Altbestand an Nummern bis zum 31. August 1999 zu beantragen und freie
Rufnummernblöcke zu melden.
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Am 17. September 1999 beantragte die Klägerin die Zuteilung der seit dem 1. Januar
1998 von ihr neu genutzten Rufnummerblöcke in den Ortsbereichen und erklärte, dass
sie den Altbestand der vorher genutzten Nummern der Beklagten zur Verwaltung
übergeben werde.
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Mit Gebührenbescheid vom 27. Oktober 1999 erhob die Beklagte Gebühren für den von
der Klägerin genutzten Altbestand an Nummern. Dieser Altbestand wurde auf 3.600.000
Rufnummerblöcke geschätzt. Da diese Blöcke wegen der vergebenen kurzen Nummern
nicht vollständig genutzt werden können, ging der Beklagte nur von einer
Gebührenhöhe von 385.937.500 DM aus. Dies erläuterte die Beklagte in einem
Begleitschreiben.
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Dagegen hat die Klägerin fristgerecht Klage erhoben. Da die Beklagte in der
Klageerwiderung davon ausging, dass der Rufnummernaltbestand der Klägerin mit dem
Gebührenbescheid und den Schreiben vom 27. Oktober 1999 und vom 23. September
1999 zugeteilt sei, hat die Klägerin am 21. September 2000 außerdem gegen die
Zuteilung der Nummern Klage erhoben (11 K 7734/00).
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Die Klägerin weist darauf hin, dass sie die Zuteilung des Altbestandes nicht beantragt
habe. Sie habe den Bestand lediglich im Rahmen einer Geschäftsführung ohne Auftrag
für die Beklagte verwaltet. Sie sei bereit gewesen, diese Rufnummern an die Beklagte
abzugeben. Dies habe die Beklagte aber zunächst nicht verlangt. Die Regelung in Ziff.
5.1 und 5.2 ZRO, dass die Klägerin den Altbestand beantragen müsse, werde durch §
43 Abs. 3 Satz 4 TKG nicht gedeckt und stelle eine rechtswidrige Indienstnahme
Privater dar. Dies verstoße gegen das Gleichheitsgebot, weil eine derartige
Antragstellung nicht dem unternehmerischen Bedarf entspreche. Anträge seien bisher
nur für die seit dem 1. Januar 1998 neu genutzten Rufnummernblöcke gestellt worden.
Diese Blöcke seien inzwischen zugeteilt und die Gebühr dafür bezahlt. Einen
weitergehenden Antrag habe die Klägerin bewußt nicht gestellt, um die
Gebührenerhebung für den Altbestand zu vermeiden.
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Die Nutzung des Altbestandes könne nicht als konkludenter Antrag gewertet werden.
Bei Beginn des Wettbewerbs 1998 sei der Nummernraum im Ortsnetzbereich nicht
einheitlich gegliedert gewesen. Eine Übersicht, wieviele z. T. kurze Rufnummern in den
einzelnen Blöcken vergeben waren, und dementsprechend noch vergeben werden
können, habe nicht bestanden. Als 1997 feststand, dass kurzstellige Rufnummern nicht
mehr vergeben werden durften, habe die Klägerin diese Rufnummernblöcke überhaupt
nicht mehr genutzt, weil eine Lückenfüllung bei 101 Millionen kurzer Rufnummern zu
aufwendig gewesen wäre, aber langfristig eine Sanierung dieser Blöcke geboten sei.
Die Ermittlung des Auslastungsgrades sei bei 4.62 Mio Rufnummernblöcken in 5.200
Ortsnetzen sehr verwaltungsaufwändig und bisher allein von der Klägerin erbracht. Die
Wettbewerber der Kläger vergäben wenig Rufnummern, weil deren Kunden ihre früher
zugeteilten Nummern mitbrächten. Der Umfang der Rufnummernzuteilung an
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Wettbewerber der Klägerin im Ortsnetzbereich sei deshalb erstaunlich gering.
Eine rückwirkende Gebührenerhebung für den Altbestand sei rechtswidrig und eine
rückwirkende Zuteilung überflüssig. Bei der Verabschiedung des
Telekommunikationsgesetzes sei das System der Nummernbewirtschaftung noch völlig
offen gewesen. Erst mit der Kundenschutzverordnung sei die Unterscheidung zwischen
originärer und abgeleiteter Zuteilung eingeführt worden. Für den Ortsnetzbereich sei es
vorher nicht klar gewesen, wie weit die Betreiber in die Nummernzuteilung eingebunden
werden würden. Erst mit der abgeleiteten Zuteilung habe sich die Möglichkeit ergeben,
gebührenpflichtige Tatbestände gegenüber den Netzbetreibern zu schaffen. Die
Ermächtigung in § 43 Abs. 3 Satz 2 TKG sei zu unbestimmt, um derartige rückwirkende
Tatbestände zu decken.
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Die Klägerin werde durch die Nutzung des Altbestandes auch nicht besser gestellt als
ihre Mitbewerber. Die Verwaltung des Altbestandes stelle vielmehr eine Sonderlast dar.
Mit den Gebühren würde der wirtschaftliche Vorteil für die Freiräume in den Blöcken
abgegolten, dieser sei bei bereits teilweise genutzten Ruf- nummernblöcken aber
erheblich gemindert.
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Die Klägerin beantragt,
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den Gebührenbescheid der Beklagten vom 27. Oktober 1999 auf- zuheben.
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Die Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Die Beklagte ist der Ansicht, dass die Nutzung von Nummern nach § 43 Abs. 3 Satz 1
TKG die Stellung eines Antrags logisch voraussetze. Wer die Nummern nutze, müsse
vorher einen Antrag auf Zuteilung stellen. Wenn die Nummer ohne Antragstellung weiter
benutzt werde, liege in der Nutzung ein stillschweigender An- trag. Hier sei deshalb von
einer konkludenten Antragstellung auszugehen. Die Berufung auf den fehlenden Antrag
sei rechtsmissbräuchlich. Als Nutzung sei nicht nur die Vergabe der freien Rufnummern
anzusehen, sondern vor allem das Betreiben von Anschlüssen unter der Rufnummer.
Die Klägerin verwalte die zugeteilten Rufnummern nicht als Erfüllungsgehilfin oder
Geschäftsführerin ohne Auftrag, sondern eigenverantwortlich. Die Altbestände könnten
auch nicht einfach an die Beklagte "zurückgegeben" werden, weil sie von Kunden der
Klägerin genutzt würden. In der Schaltung dieser Anschlüsse liege die Nutzung und der
wirtschaftliche Wert, an den die Gebührenverordnung anknüpfe. Die Sperrung von
Rufnummernblöcken für die Neuvergabe sei eine interne Entscheidung der Klägerin.
Solange Nummern aus Rufnummernblöcken an Kunden der Klägerin vergeben seien,
werde dieser Block von ihr auch dann genutzt, wenn sie keine neuen Nummern aus
diesem Bereich vergebe. Erst nach Räumung des vollständigen Blockes könne dieser
zurückgegeben werden. Eine Nutzung liege schon darin, dass andere Netzbetreiber von
der Nutzung dieser Blöcke ausgeschlossen seien.
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Die Gebührenordnung differenziere auch nach der unterschiedlichen Nutzbarkeit der
verschiedenen Rufnummernblöcke und knüpfe nicht an die Antragstellung, sondern an
die Zuteilung der Nummern an.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der
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Gerichtsakten, der Akten des Verfahrens 11 K 7734/00, der zu diesen Verfahren
beigezogenen Verwaltungsakten und der zum Gegenstand der mündlichen
Verhandlung gemachten Unterlagen verwiesen.
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :
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Die Klage ist zulässig und begründet. Der angefochtene Gebührenbescheid verletzt die
Klägerin in ihren Rechten nach § 113 VwGO.
27
Rechtsgrundlage des Bescheides ist § 1 TNGebV. Danach ist für Amtshandlungen im
Zusammenhang mit Entscheidungen über die Zuteilung von Nummern nach § 43 Abs. 3
des Telekommunikationsgesetzes vom 25. Juli 1996, BGBl.I S. 1120 (TKG) die
Erhebung von Gebühren vorgesehen.
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Ein Zuteilungsbescheid, an den die Gebührenpflicht anknüpfen könnte, ist hier aber
nicht ergangen.
29
Die Schreiben der Beklagten vom 23. September 1999 und vom 27. Oktober 1999
stellen keine ausdrückliche Zuteilungsentscheidung dar.
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Ein Verwaltungsakt enthält eine Regelung mit Außenwirkung, d. h. durch die
Entscheidung entstehen unmittelbar Rechte oder Pflichten. Das Schreiben vom 23.
September 1999 enthält die Aufforderung zur Meldung von freien Rufnummernblöcken
und die Bitte um Informationen zum Rufnummernaltbestand. Aus den Formulierungen
"Durch die Aufnahme des Abschnitts "C Rufnummern mit eingeschränkter Nutzbarkeit"
in das Gebührenverzeichnis ist klargestellt, dass es der ausdrückliche Wille des
Gesetzgebers ist, dass alle Rufnummernblöcke, also auch die, die nicht mehr für
Neuzuteilungen verwendet werden, gebührenpflichtig zugeteilt werden" und "In diesem
Zusammenhang weise ich Sie darauf hin, dass Ihnen Nutzungsrechte an Nummern nur
im Rahmen der Zuteilungsvorschriften zustehen" ist eine Regelung über die Zuteilung
nicht zu entnehmen. Darin liegt nur ein Hinweis auf die Rechtslage, so wie die Beklagte
sie sah.
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Auch das Begleitschreiben zum Gebührenbescheid vom 27. Oktober 1999 enthält keine
Zuweisung des Rufnummernaltbestandes, sondern nur den Hinweis, dass die Klägerin
noch über den Gesamtbestand von 3,6 Millionen Rufnummernblöcken verfüge und das
ein Teil davon von der Klägerin noch uneingeschränkt genutzt werde. Das Schreiben
enthält dann die Schlussfolgerung: "...sehe ich derzeit eine Gebührenschuld von
385.937.500,00 DM als gesichert an und bitte den entsprechenden Betrag gemäß dem
beiliegenden Gebührenbescheid fristgerecht zu begleichen". Darin liegt keine Regelung
über die Nutzung, sondern nur ein Hinweis und eine Erläuterung zum anliegenden
Gebührenbescheid.
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Eine Zuteilungsentscheidung ergibt sich auch nicht stillschweigend aus dem Erlass des
Gebührenbescheides und dem im Zusammenhang damit stehenden Schriftwechsel
zwischen den Beteiligten.
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Zwischen den Beteiligten war streitig, ob eine Zuteilung notwendig war oder nicht.
Wenn die Beklagte angesichts dieser Meinungsverschiedenheit eine Regelung treffen
wollte, hätte sie dies im Text deutlich zum Ausdruck bringen müssen und hätte das als
Bundesbehörde mit der entsprechenden Kompetenz wahrscheinlich auch äußerlich
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durch die Form und die beigefügte Rechtsmittelbelehrung erkennbar gemacht.
Angesichts der formlosen und nicht eindeutigen Schreiben konnte die Klägerin aber
nicht erkennen, dass eine - inhaltlich weitreichende - Regelung getrof- fen werden sollte.
Auch im öffentlichen Recht ist der Inhalt einer Willenserklärung in entsprechender
Anwendung des § 133 BGB aus der Sicht des Empfängerhorizontes zu beurteilen.
Vgl. Kopp/Ramsauer, VwVfG, 7. Auflage 2000, § 22 Rdnr. 36; Obermayer, VwVfG, 3.
Auflage 1999, § 22 Rdnr. 65.
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Dass in dem Schreiben oder in dem Gebührenbescheid eine Zutei- lungsentscheidung
enthalten sei, hat die Beklagte aber erst im Laufe des gerichtlichen Verfahrens über den
Gebührenbescheid vorgetragen, ohne dass dies vorher für die Klägerin zu erkennen
war.
36
Selbst wenn aber das Schreiben vom 27. Oktober 1999 eine ausdrückliche oder
stillschweigende Zuteilung des Rufnummernaltbestandes darstellen sollte, wäre dieser
Bescheid rechtswidrig.
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Ermächtigungsgrundlage für den Erlaß eines Zuteilungsbescheids ist § 43 Abs. 3 Satz 1
des Telekommunikatinsgesetzes vom 25. Juli 1996, BGBl.I S. 1120 (TKG). Nach dieser
Vorschrift werden Nummern auf Antrag eines Betreibers von
Telekommunikationsnetzen zugeteilt.
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Diese Voraussetzungen liegen hier nicht vor. Der Zuteilungsbescheid wäre formell
rechtswidrig, weil ein wirksamer, verfahrensrechtlichen Antrag fehlt und er wäre
materiell rechtswidrig, weil die notwendige inhaltliche Mitwirkung der Klägerin fehlt.
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Eine Verwaltungsbehörde entscheidet zwar gemäß § 22 Satz 1 des
Verwaltungsverfahrensgesetzes (VwVfG) grundsätzlich nach ihrem eigenen
pflichtgemäßen Ermessen, ob sie ein Verwaltungsverfahren durchführt. Dieser
Grundsatz gilt jedoch nach § 22 Satz 2 Nr. 2 VwVfG nicht, wenn die Behörde aufgrund
gesetzlicher Vorschriften nur auf Antrag tätig werden darf und ein solcher Antrag nicht
gestellt ist. Dabei handelt es sich typischerweise um Verfahren, die im Interesse eines
Einzelnen, dessen Handeln einer Erlaubnis bedarf, durchgeführt werden.
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§ 43 Abs. 3 Satz 1 TKG geht ausdrücklich davon aus, dass ein Antrag gestellt werden
muss. Er folgt insoweit der Vorgabe der Richtlinie 96/19 EG vom 13. 3. 1996 zur
Änderung der Richtlinie 90/388 EWG, ABl. Nr. L 74, S. 13, hinsichtlich der Einführung
des vollständigen Wettbewerbs auf den Telekommunikationsmärkten, wonach die
Nummernvergabe einen Antrag voraussetzt. Anders als § 47 Abs. 5 TKG, der eine
Zuteilung von Frequenzen auch von Amts wegen zuläßt, sieht § 43 Abs. 3 TKG diese
Möglichkeit gerade nicht vor.
41
Es handelt sich hier deshalb um einen mitwirkungsbedürfigen Verwaltungsakt, bei dem
das Einverständnis des Betroffenen vorausgesetzt wird. Denn mit der Zuteilung von
Nummern werden subjektive Rechte zugewiesen. Dem Bürger sollen gegen seinen
Willen jedoch keine Wohltaten aufgedrängt und keine Pflichten aufgebürdet werden, zu
deren Übernahme er nicht verpflichtet ist und die vielleicht seine Kraft übersteigen.
42
Demzufolge wurde § 2 Satz 1 des Entwurfs der Nummerngebührenverordnung -
TNGebV - (Stand 2/99), der eine Nummernzuteilung ohne Antrag vorsah, im Laufe des
43
Normsetzungsverfahrens 1999 wieder gestrichen, weil nach einer Stellungnahme des
Bundesministerium der Justiz vom 10. Mai eine solche "Antragsfiktion" nicht von der
Verordnungsermächtigung des § 43 Abs. 3 Satz 4 TKG gedeckt ist.
Die Klägerin hat hier ausdrücklich keinen Antrag auf Zuteilung des
Nummernaltbestandes gestellt. Die fortdauernde Nutzung der Rufnummern des
Altbestandes kann auch nicht als konkludente Antragstellung gewertet werden.
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Der Wille und die Erklärung des Betroffenen können nur dort aus seinem Verhalten
ermittelt werden, wo eine ausdrückliche Willenserklärung fehlt. Hat der Antragsteller
ausdrücklich erklärt, dass er keinen Antrag stellen will, etwa weil er sein Handeln nicht
für erlaubnisbedürftig hält, kann ihm ein stillschweigender Antrag grundsätzlich nicht
gegen seinen erklärten Willen unterstellt werden.
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Vgl. Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 5. Auflage 1998, § 22 Rdnr. 37.
46
Das Herbeiführen einer erlaubnispflichtigen Lage allein gestattet ohne zusätzliche
Indizien auch nicht den Schluß auf den Antragswillen.
47
OVG Koblenz, Urteil vom 16. Oktober 1985 - 11 A 16/84 -, NVwZ 1986, 576, 577;
Knack/Clausen, VwVfG, 6. Auflage 1998, § 22 Rdn. 4.2; Obermayer, a. a. O., § 22 Rdnr.
66.
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Angesichts dieser Maßstäbe ist davon auszugehen, dass die Klägerin keinen
konkludenten Antrag auf Zuteilung des Nummernaltbestandes gestellt hat. Nachdem die
Beklagte die Klägerin im Jahre 1997 aufgefordert hatte, einen Antrag zu stellen, hat die
Klägerin schon im Juli 1997 darauf hingewiesen, dass sie sich dies vorbehalten wolle.
Später hat die Klägerin mehrfach betont, dass sie den Nummernaltbestand nicht
übernehmen wolle und dazu auch nicht verpflichtet sei. Da die Klägerin tatsächlich auch
nur 265 Millionen Rufnummern nutzt, ist es aus ihrer Sicht verständlich, dass sie die
Zuteilung von 3,6 Millionen Rufnummernblöcken zu je tausend Nummern angesichts
des damit verbundenen Sanierungsaufwandes und der damit entstehenden Gebühren
nicht willentlich herbeiführen möchte und dass dies nicht ihrer unternehmerischen
Planung entspricht. Für Neuzuteilungen hat die Klägerin folgerichtig neue
Nummernblöcke beantragt und nach Zuteilung dieser Blöcke die Gebühr dafür bezahlt.
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Das Nichtstellen eines Antrages ist auch nicht als widersprüchliches Handeln nach dem
Grundsatz "protestatio facto contraria non nocet" rechtsmissbräuchlich. Denn die
Klägerin geht davon aus, dass sie zur Weiternutzung der schon früher vergebenen
Nummern berechtigt ist und dass der Altbestand nicht mehr neu zuge- teilt werden
muss. Ihr Verhalten ist damit nicht widersprüchlich, sondern von ihrem Standpunkt aus
folgerichtig und rechtstreu. In solchen Fällen kann nicht von dem missbräuchlichen
Ausnutzen einer formalen Position ausgegangen werden.
50
Vgl. Stelkens/Bonk/Sachs, a.a.O., § 22 Rd. 26; OVG Münster, Beschluss vom 5. 7. 2000
- 13 B 2016/99 -; OVG Koblenz, Urteil vom 16. Oktober 1985 - 11 A 16/84 -, NVwZ 1986,
S. 576ff.
51
Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass selbst im Haus der Beklagten unterschiedliche
Rechtsauffassungen zur Frage der Zuteilungsbedürftigkeit der Rufnummern bestanden.
Der Klägerin kann deshalb nicht unterstellt werden, bewußt gegen das
52
Telekommunikationsgesetz zu verstoßen, um sich dadurch einer Zahlungspflicht zu
entziehen.
Ein Zuteilungsantrag kann auch nicht deshalb fingiert werden, weil Schwierigkeiten
bestehen, die Stellung eines Antrages zu erzwingen. Es kann offen bleiben, ob die
Beklagte u. U. die Möglichkeit hat, durch Erlass eines feststellenden Verwaltungsaktes
den Umfang von umstrittenen Rechten oder Pflichten klarzustellen.
53
Die fehlende Antragstellung ist auch nicht nach § 46 VwVfG geheilt. Nach § 46 VwVfG
kann ein Fehlverhalten der Behörde unbeachtlich sein, wenn es sich dabei nur um ein
bloßes Verfahrenserfordernis handelt.
54
Vgl. OVG Koblenz, a. a. O., S. 578.
55
Hier dient der Antrag aber nicht nur formell der Einleitung des Verwaltungsverfahrens
als solchem, sondern ist wegen der Dispositionsmaxime des Bürgers auch materiell-
rechtlich notwendig. Sein Fehlen ist deshalb nicht als bloßer Verfahrensfehler heilbar,
sondern führt mangels Vorliegen der sachlichen Vorausset- zungen zur
Rechtswidrigkeit und Aufhebung des Zuteilungsbescheides.
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Vgl. hierzu Siegmund, in: Brandt/Sachs, Handbuch Verwaltungsverfahren und
Verwaltungsprozeß, 1999, Rdnr. B 114.
57
Die weitere Nutzung der vor dem 1. Januar 1998 an Endkunden vergebenen Nummern
ist kein Tatbestand, an den die Gebührenpflicht anknüpft.
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Nach der Nummerngebührenverordnung werden Verwaltungsgebühren für die
Zuteilung oder die Ablehnung eines entsprechenden Antrages erhoben und keine
Benutzungsgebühren für die Nutzung der Nummer. Die Berücksichtigung des
wirtschaftlichen Wertes ändert nichts an der grundsätzlichen Ausgestaltung als
Verwaltungsgebühr und ihre auf die Zukunft bezogene Funktion als Lenkungsin-
strument. Der wirtschaftliche Wert der Nutzung ist nur der Maßstab für die
Gebührenhöhe, kein Entgelt für die Benutzung als solche. Die rechtmäßige Nutzung der
Nummern ohne verwaltungsmäßige Zuteilungsentscheidung kann daher keine
Verwaltungsgebühr auslösen.
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Die Verleihung von Monopolrechten durch § 1 Abs. 1 und 4 des
Fernmeldeanlagengesetzes - FAG - (Art. 5 des Postneuordnungsgesetzes vom 14. 9.
1994, BGBl. I S. 2325 -PTNeuOG -) stellt als Gesetzgebungsakt auch keine
Verwaltungsentscheidung dar, an die eine Gebührenpflicht anknüpfen könnte.
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Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 1 VwGO.
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