Urteil des VG Köln vom 16.07.2003

VG Köln: persönliche eignung, weiterbildung, befristung, persönlichkeit, facharzt, werbeverbot, vollstreckung, qualifikation, garant, erstmaliger

Verwaltungsgericht Köln, 9 K 9417/99
Datum:
16.07.2003
Gericht:
Verwaltungsgericht Köln
Spruchkörper:
9. Kammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
9 K 9417/99
Tenor:
Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger
darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in
Höhe des beizutreiben- den Betrages abwenden, sofern nicht die
Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Tatbestand Der Kläger ist als niedergelassener Facharzt für Allgemeinmedizin in
eigener Praxis tätig. Ihm wurde auf seinen Antrag vom 12.07.1995 mit Bescheid der
Beklagten vom 08.02.1996 die Zulassung seiner Praxis als Weiterbildungsstätte sowie
die Befugnis zur Weiterbildung für das Gebiet Allgemeinmedizin mit einem Umfang von
18 Mona- ten, befristet bis zum 01.03.1999, widerruflich erteilt.
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Auf Antrag der Beklagten vom 07.11.1994 wurde gegen den Kläger ein berufsge-
richtliches Verfahren (36 K 8563/94.T) eingeleitet wegen des Vorwurfs, eine ihm ver-
botene Werbung durch andere veranlasst, zumindest aber geduldet zu haben. An- lass
für das Verfahren war der Betrieb eines sog. „Institut M. „, an dem der Kläger beteiligt ist.
Zeitweise fungierte er auch als Geschäftsführer. Für das Institut wurde in mehreren
Inseraten geworben. Ferner war es Thema eines Zeitungsarti- kels, in dem der Kläger
auf einem Bild erschien und als „Laserschutzbeauftragter" bezeichnet wurde. In der
mündlichen Verhandlung vom 03.06.1998 gab der Kläger eine Erklärung ab, dass er die
Anzeigen in bestimmter Weise verändern und ge- meinsam mit der Beklagten nach
Lösungsmöglichkeiten suchen werde. Daraufhin wurde das Verfahren gegen Zahlung
eines Betrages von DM 5.000,- eingestellt.
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Unter dem 30.11.1998 stellte der Kläger bei der Beklagten einen Antrag auf Ver-
längerung der erteilten Weiterbildungsbefugnis. Die Beklagte lehnte diesen Antrag mit
Bescheid vom 25.01.1999 mit der Begründung ab, berufsrechtliche Angelegen- heiten
des Klägers, die Gegenstand eines berufsgerichtlichen Verfahrens gewesen seien,
seien noch nicht abschließend geklärt. Den dagegen eingelegten Widerspruch des
Klägers wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 12.10.1999 zurück. Zur
Begründung führte sie aus, aufgrund des Verhaltens des Klägers, das zu dem früheren
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berufsgerichtlichen Verfahren geführt habe, bestünden berechtigte Zweifel an seiner
persönlichen Eignung als Weiterbilder. Er halte sich nun auch nicht mehr an die der
Einstellung zugrunde liegende Zusage einer Verhaltensänderung, worauf- hin ein
erneutes berufsgerichtliches Verfahren eingeleitet worden sei.
Am 10.11.1999 hat der Kläger Klage erhoben.
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Zu ihrer Begründung trägt er im Wesentlichen vor: Die von der Beklagten im Be- scheid
vom 08.02.1996 vorgenommene Befristung sei rechtswidrig, da sie in der
Weiterbildungsordnung nicht vorgesehen sei. Es bestehe ein Anspruch auf Erteilung der
begehrten Befugnis. Pflichtverletzungen im Rahmen der Weiterbildung würden dem
Kläger nicht vorgeworfen. Allein solche Pflichtverletzungen aber könnten Zweifel an
seiner persönlichen und fachlichen Eignung zur Weiterbildung begründen. Er ha- be
bereits zwei Assistenzärzte erfolgreich weitergebildet.
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Der Kläger beantragt,
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die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 25.01.1999 in der Gestalt des
Widerspruchsbescheides vom 12.10.1999 zu verpflichten, dem Kläger die beantragte
Befugnis zur Weiterbildung zu erteilen.
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Die Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Zur Begründung trägt sie vor: Der Kläger verkenne, dass die ihm erteilte Weiter-
bildungsbefugnis wegen Fristablaufs erloschen sei. Die gegen die vorgenommene
Befristung erhobenen Bedenken seien schon deswegen unbeachtlich, weil der Be-
scheid vom 08.02.1996, mit dem die Befristung angeordnet worden sei, in Bestands-
kraft erwachsen sei. Im Übrigen sei die Möglichkeit einer Befristung im Heilberufsge-
setz ausdrücklich vorgesehen. Die Voraussetzungen für die danach nur mögliche
Erteilung einer neuen Weiterbildungsbefugnis seien nicht gegeben, weil berechtigte
Zweifel an der persönlichen Eignung des Klägers zur Weiterbildung bestünden. Dies sei
auch und gerade anhand des früheren Verhaltens zu beurteilen.
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Das Berufsgericht für Heilberufe beim erkennenden Gericht hat mit Urteil vom
24.11.2000 - 35 K 7212/99.T - gegen den Kläger auf einen Verweis und eine Geld- buße
von DM 10.000,- aufgrund unerlaubter Ausübung ärztlicher Tätigkeit außerhalb seiner
Praxisräume und mehrerer Verstöße gegen das Werbeverbot für Ärzte er- kannt. Die
Berufung des Klägers hat das Landesberufsgericht für Heilberufe beim
Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen mit Urteil vom 12.03.2003 - 6t A 689/01.T -
unter Festsetzung der Geldbuße auf Eur 5.000,- verworfen.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der
Gerichtsakte dieses Verfahrens sowie der berufsgerichtlichen Verfahren 36 K 8563/94.T
und 35 K 7212/99.T und der in den genannten Verfahren vorgelegten Ver-
waltungsvorgänge ergänzend Bezug genommen.
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Entscheidungsgründe Die Klage ist als Verpflichtungsklage zulässig, aber unbegründet.
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Der Ablehnungsbescheid der Beklagten vom 25.01.1999 in der Gestalt des
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Widerspruchsbescheides vom 12.10.1999 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht
in seinen Rechten. Er hat keinen Anspruch auf Erteilung der begehrten
Weiterbildungsbefugnis (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO).
Gemäß § 8 Abs. 1 der Weiterbildungsordnung der Ärztekammer Nordrhein in der aktuell
gültigen Fassung vom 01.03.2001 - WBO - bedürfen Ärzte, die andere Ärzte
weiterbilden, einer entsprechenden Befugnis.
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Ein Anspruch des Klägers auf Verlängerung bzw. Weitergeltung der erteilten
Weiterbildungsbefugnis ergibt sich nicht schon daraus, dass diese Befugnis mit einer
rechtswidrigen Befristung erteilt worden wäre. Denn der die Befristung enthaltende
Bescheid vom 08.02.1996 ist mangels Erhebung eines Widerspruches in Bestandskraft
erwachsen und mithin der gerichtlichen Überprüfung entzogen. Im Übrigen findet sich
entgegen der Auffassung des Klägers in § 38 Abs. 4 Heilberufsgesetz - HeilBG - auch
eine Rechtsgrundlage für die Befristung.
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Der Kläger erfüllt auch nicht die Voraussetzungen für die Erteilung der Befugnis. Gemäß
§ 8 Abs. 2 Satz 1 WBO kann diese nur bei persönlicher und fachlicher Eignung des
Antragstellers erteilt werden. Persönlich geeignet ist der Arzt nur dann, wenn er nach
seiner Persönlichkeit in jeder Hinsicht in der Lage ist, die Weiterbildung
ordnungsgemäß durchzuführen und zu überwachen.
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Vgl. VG Düsseldorf, Urteil vom 23.08.1988 - 3 K 4029/87 -.
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Entscheidend ist dabei, ob der Arzt nach den gesamten Umständen aufgrund seines
bisherigen Verhaltens die Gewähr für eine künftige ordnungsgemäße Tätigkeit bietet.
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Vgl. BVerwG, Urteil vom 30.09.1976 - I C 29.75 -, GewArch 1977, 23f.; VG Düsseldorf,
a.a.O..
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Bei der Bestimmung des Beurteilungsmaßstabes sind einerseits die Anforderungen der
grundrechtlich geschützten Berufsfreiheit zu berücksichtigen, deren Einschränkung
durch vernünftige Erwägungen des Gemeinwohls gerechtfertigt sein muß. Andererseits
fällt ins Gewicht, dass dem weiterbildenden Arzt ein hohes Maß an Verantwortung
übertragen ist. Gemäß § 8 Abs. 5 Satz 1 WBO ist er verpflichtet, die Weiterbildung
persönlich zu leiten und zeitlich und inhaltlich entsprechend der Weiterbildungsordnung
zu gestalten. Auch ist er derjenige, der gemäß § 11 Abs. 1 WBO den weiterzubildenden
Arzt beurteilt. Damit ist er letztlich der Garant dafür, dass der spätere Facharzt eine
umfassende Qualifikation aufweist. Schließlich ist zu berücksichtigen, dass dem die
Weiterbildung leitenden Arzt eine Vorbildfunktion zukommt.
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Unter Berücksichtigung dieser Erwägungen rechtfertigt nicht jede in der Vergangenheit
begangene, untergeordnete Pflichtverletzung den Schluss fehlender Eignung, sondern
nur eine Pflichtverletzung, die in Würdigung des Verhaltens und der Persönlichkeit des
Betroffenen den Schluss rechtfertigt, er werde seine bedeutsamen und
verantwortungsvollen Pflichten in der Weiterbildung zukünftig nicht ordnungsgemäß
wahrnehmen.
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Vgl. VG Sigmaringen, Beschluss vom 26.02.1998 - 8 K 389/98 -, MedR 1998, 370.
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Dass dies - entgegen der Auffassung des Klägers - nicht nur dann zu verneinen sein
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kann, wenn in der Vergangenheit gegen weiterbildungsspezifische Pflichten verstoßen
wurde,
vgl. auch VG Düsseldorf, a.a.O.,
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zeigt sich bereits daran, dass die persönliche Eignung auch und gerade bei erstmaliger
Erteilung der Befugnis zu beurteilen ist. Das Tatbestandsmerkmal der Eignung hat
einen präventiven Charakter. Auch ein anders gelagerter Pflichtenverstoß kann
insbesondere dann, wenn es sich um einen nachhaltigen oder beharrlichen Verstoß
handelt, den Schluss auf die fehlende persönliche Eignung zum weiterbildenden Arzt
rechtfertigen. Verletzt ein Arzt seine berufsrechtlichen Pflichten in besonderer Weise, so
legt dies den Schluss nahe, dass er auch die ihm in der Weiterbildung obliegenden
Pflichten nicht ordnungsgemäß wahrnehmen wird.
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So liegt der Fall hier. Nach den Feststellungen des Berufsgerichts und des
Landesberufsgerichts für Heilberufe hat der Kläger das Werbeverbot für Ärzte sowie das
Verbot der Ausübung ambulanter ärztlicher Tätigkeit außerhalb seiner Praxis verletzt.
Zwar ist der Kammer nicht verwehrt, die im heilberufsgerichtlichen Verfahren
gewonnenen Erkenntnisse einer eigenständigen Überprüfung dahingehend zu
unterziehen, ob sich aus ihnen hinreichende Schlussfolgerungen für das Fehlen der
persönlichen Eignung ergeben.
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Vgl. BVerfG, Beschluss vom 16.01.1991 - 1 BvR 1326/90 -, NJW 1991, 1530.
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Diese Überprüfung ergibt indes, dass die Feststellungen der Berufsgerichte das
Ergebnis fehlender persönlicher Eignung des Klägers zur Weiterbildung begründen.
Insbesondere handelte es sich bei den geahndeten Verstößen des Klägers nicht um ein
einmaliges Verhalten von eher untergeordneter Bedeutung. Vielmehr kommt ihnen der
Charakter nachhaltiger und beharrlicher Verstöße gegen die berufsrechtlichen
Vorschriften zu. Denn dem Kläger war aufgrund des ersten berufsgerichtlichen
Verfahrens die Rechtsauffassung der Beklagten bekannt. Ferner musste ihm bewusst
sein, dass diese Rechtsauffassung mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit auch in einem
berufsgerichtlichen Verfahren bestätigt werden würde. Dies folgt aus der ihm im
Einstellungsbeschluss des Berufsgerichts aufgegebenen Zahlung i.H.v. DM 5.000,-
sowie der in der mündlichen Verhandlung von ihm selbst abgegebenen Erklärung, dass
er sein Verhalten ändern und gemeinsam mit der Beklagten nach Lösungsmöglichkeiten
suchen werde. Dieser Erklärung wohnt das Bewusstsein inne, dass sein bisheriges
Verhalten nicht beanstandungsfrei war. Dennoch ist nicht ersichtlich, dass der Kläger
nachdrücklich bestrebt gewesen wäre, auf der Grundlage der berufsrechtlichen
Vorschriften die angekündigte, eindeutige Klärung herbeizuführen. Vielmehr setzte er,
wie in den berufsgerichtlichen Entscheidungen im zweiten berufsgerichtlichen
Verfahren festgestellt wurde, sein Verhalten in nur leicht modifizierter Form fort.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO, diejenige über die vorläufige
Vollstreckbarkeit auf § 167 Abs. 2 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 Zivilprozessordnung
- ZPO -.
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