Urteil des VG Köln vom 22.06.2006

VG Köln: bedürfnis, waffenrecht, inhaber, waffengesetz, erwerb, vollstreckung, drucksache, gerichtsakte, anfang, umdeutung

Verwaltungsgericht Köln, 20 K 7667/04
Datum:
22.06.2006
Gericht:
Verwaltungsgericht Köln
Spruchkörper:
20. Kammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
20 K 7667/04
Tenor:
Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger
kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in
Höhe von 110% des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht
der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Die Berufung wird zugelassen.
T a t b e s t a n d :
1
Der Kläger ist Inhaber der Waffenbesitzkarte für Sportschützen Nr. 000/00 („gel- be
Waffenbesitzkarte"), auf der zwei Einzellader-Langwaffen eingetragen sind. Unter dem
17.02.2004 beantragte er formlos die Erweiterung dieser Waffenbesitzkar- te gem. § 14
Abs. 4 WaffG (neu). Unter dem 19.02.2004 übersandte der Beklagte dem Kläger ein
Antragsformular und bat gleichzeitig um Vorlage einer Befürwortung des örtlichen
Schießvereins und des Dachverbandes. Mit weiterem Schreiben vom 19.05.2004 teilte
er dem Kläger mit, dass er gehalten sei, den Antrag abzulehnen, da eine Erweiterung
der gelben Waf- fenbesitzkarte für Sportschützen nicht möglich sei. Der Kläger müsse
eine neue Waf- fenbesitzkarte gem. § 14 Abs. 4 WaffG beantragen und zum
Bedürfnisnachweis eine Bescheinigung des zuständigen Dachverbandes einreichen.
Mit Schreiben vom 08.06.2004 erklärte der Kläger, dass er seinen auf Erweiterung
gerichteten Antrag aufrecht erhalte, und bat um gleiche Verfahrensweise wie bereits
Anfang des Jahres bei anderen Sportschützen.
2
Mit Bescheid vom 28.06.2004 lehnte der Beklagte den Antrag des Klägers ab und wies
darauf hin, dass er bei der Sachbehandlung an einen entsprechenden Er- lass des
Innenministeriums des Landes Nordrhein-Westfalen vom 07.10.2003 (Az: 44.3-2600
(neu) § 14) gebunden sei. Danach komme eine Erweiterung der alten „gelben"
Waffenbesitzkarte nicht in Betracht. Im Übrigen habe der Kläger auch das Bedürfnis
gemäß § 14 Abs. 2 WaffG nicht nachgewiesen.
3
Gegen den ablehnenden Bescheid legte der Kläger am 29.07.2004 Widerspruch ein
und führte zur Begründung aus, der bezeichnete Erlass des Innenministeriums NRW sei
rechtswidrig, denn er stehe im Gegensatz zur Bundestags-Drucksache 14/8886, S. 112.
Danach seien bestehende gelbe Waffenbesitzkarten (alt) dem neu- en Recht ohne
erneute Bedürfnisprüfung anzupassen. So sei ja bereits Anfang des Jahres auch vom
Beklagten selbst und anderen Waffenbehörden im Bereich der Be- zirksregierung Köln
verfahren worden.
4
Die Bezirksregierung Köln wies den Widerspruch durch Widerspruchsbescheid vom
27.09.2004 als unbegründet zurück. Zur Frage der Anwendung des § 14 WaffG verwies
sie auf einen weiteren Runderlass des Innenministeriums NRW vom 19.11.2003 und
führte des Weiteren aus, der Beklagte habe ausdrücklich versichert, dass er stets im
Sinne der Erlasslage gehandelt habe und keine Erweiterung der alten Erlaubnisse
erfolgt sei.
5
Der Kläger hat am 27.10.2004 Klage erhoben. Zur Begründung trägt er vor: Bereits bei
der Ausstellung seiner Waffenbesitzkarte für Sportschützen im Jahre 2001 sei das
Bedürfnis seitens des Beklagten überprüft wor- den; dieses bestehe auch weiterhin,
einer erneuten Überprüfung bedürfe es nicht. Ein solches Erfordernis ergebe sich weder
aus dem Wortlaut des Gesetzes noch entspreche es der Intention des Gesetzgebers.
Gem. § 14 Abs. 4 des neuen Waf- fengesetzes sei zu Gunsten der Sportschützen die
Erlaubnis dahingehend erweitert worden, dass nunmehr neben Einzellader-Langwaffen
mit glatten und gezogenen Läufen auch Repetierlangwaffen mit gezogenen Läufen
sowie einläufige Einzellader- Kurzwaffen etc. durch den Sportschützen erworben
werden dürften. Im Übrigen sei dem Beklagten bekannt, dass er Mitglied eines gemäß §
15 Abs. 1 WaffG anerkann- ten Schießsportverbandes sei, entsprechende
Bescheinigungen lägen dem Beklag- ten vor. Weiterhin verhalte es sich so, dass z.B. in
Rheinland-Pfalz eine Erweiterung der be- reits bestehenden Waffenbesitzkarte für
Sportschützen durch Aufnahme eines Ver- merkes, dass die Genehmigung nunmehr
gem. § 14 Abs. 4 WaffG erteilt sei, vorge- nommen werde. Der Kläger hat hierzu eine
WBK-Eintragung der Kreisverwaltung Bitburg-Prüm in Kopie vorgelegt; auf Blatt 44,45
der Gerichtsakte wird insoweit Be- zug genommen. Den bezeichneten Runderlassen
des Innenministeriums NRW komme keine Geset- zeskraft zu, sie seien im Hinblick auf
den eindeutigen Wortlaut des Gesetzes auch rechtswidrig. Ob es sich bei dem Antrag
um eine Erweiterung oder um einen Neuantrag handele, könne dahinstehen, da
jedenfalls das Bedürfnis gem. § 14 Abs. 2 WaffG gegeben sei.
6
Der Kläger beantragt,
7
den Beklagten zu verpflichten, unter Aufhebung seines Bescheides vom 28.06.2004 in
der Gestalt des Widerspruchsbescheides der Bezirksregierung Köln vom 27.09.2004 die
Erweiterung der alten Waffenbesitzkarte für Sport- schützen (gelbe Waffenbesitzkarte)
auf die in § 14 Abs. 4 WaffG genannten Waffenarten vorzunehmen.
8
Der Beklagte beantragt,
9
die Klage abzuweisen.
10
Er macht geltend, dass der Kläger keinen Anspruch auf Erweiterung seiner nach § 28
Abs. 2 Satz 1 WaffG a.F. erteilten Waffenbesitzkarte auf die in § 14 Abs. 4 WaffG n.F.
11
aufgeführten Waffen habe. Die alte Waffenbesitzkarte gelte gem. § 58 Abs. 1 WaffG n.F.
als Erlaubnis im Sinne des WaffG a.F. fort; ein Recht auf eine Erweiterung der Erlaubnis
bestehe nicht. Der Gesetzgeber habe damit ausdrücklich nur eine Besitzstandswahrung
geregelt. Für den Erwerb jeder der neu in den § 14 Abs. 4 WaffG eingeführten Waffen
müsse der Kläger ein Bedürfnis nach § 14 Abs. 2 WaffG nachweisen. Dies habe er nicht
getan: Er habe in seinem Antrag nicht angegeben, welche Waffenarten er erwerben
wolle, und weigere sich, die entsprechenden Bescheinigungen vorzulegen. Im Übrigen
trete er erneut der Behauptung des Klägers entgegen, er (der Beklagte) habe in anderen
Verfahren eine Erweiterung der alten Erlaubnisse erteilt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der
Gerichtsakte und der vom Beklagten und der Bezirksregierung Köln vorgelegten
Verwaltungsvorgänge Bezug genommen.
12
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :
13
Die Klage ist unbegründet.
14
Der Kläger hat keinen Anspruch auf die - von ihm ausdrücklich begehrte - Erweiterung
seiner im Jahre 2001 erteilten waffenrechtlichen Erlaubnis gemäß § 28 Abs. 2 Satz 1
i.V.m. § 32 Abs. 1 Nr. 2 WaffG a.F. auf die in der neuen Vorschrift des § 14 Abs. 4 WaffG
(zusätzlich) genannten Waffenarten.
15
Für eine dahingehende Verpflichtung des Beklagten fehlt es an einer entsprechenden
gesetzlichen Grundlage. Die seinerzeit erteilte „gelbe" WBK gilt nach § 58 Abs. 1 WaffG
weiter, sie berechtigt aber - auch weiterhin - nur zum Erwerb von Einzellader-
Langwaffen (§ 28 Abs. 2 Satz 1 WaffG a.F.). Durch die Regelung des § 58 Abs. 1 WaffG
wird allein Bestandsschutz gewährt, weitergehende Rechtspositionen werden den
Inhabern waffenrechtlicher Erlaubnisse nicht eingeräumt. Eine Übergangsregelung
dahingehend, dass Inhaber von gelben Waffenbesitzkarten nach altem Waffenrecht
nunmehr automatisch berechtigt sind, auch Schusswaffen der in § 14 Abs. 4 WaffG
zusätzlich aufgenommenen Waffenarten zu erwerben, enthält das neue Waffengesetz
nicht. Auch aus der Bestimmung des § 14 Abs. 4 WaffG selbst ergibt sich kein Anspruch
auf die vom Kläger gewünschte Erweiterung seiner bestehenden gelben
Waffenbesitzkarte. Der Wortlaut der Vorschrift gibt hierfür nichts her. Der Kläger kann
sich zur Stützung seiner Rechtsauffassung auch nicht mit Erfolg auf den Willen des
Gesetzgebers berufen, wie er seiner Ansicht nach in den Gesetzesmaterialien zum
Ausdruck ge- kommen sei: Bei der von ihm angeführten Bundestags-Drucksache
14/8886 handelt es sich um die Beschlüsse des Innenausschusses des Bundestags zu
dem Gesetzentwurf. Den dortigen Ausführungen auf S. 112 kann nur entnommen
werden, dass für Inhaber einer neuen gelben Waffenbesitzkarte die Behörde bei einer
Eintragung der erworbenen Waffen in diese Waffenbesitzkarte bezüglich des
Bedürfnisses nicht mehr das Vorliegen der Voraussetzungen des § 14 Abs. 2 Satz 2
WaffG prüfen muss, und zwar in erster Linie zur Entlastung der Schießsportverbände,
welche die Bescheinigungen der Sportordnungskonformität der auf „Gelber WBK"
erworbenen Waffen auszustellen hätten. Soweit nach den Beschlüssen des
Innenausschusses gegenüber dem Gesetzentwurf in Absatz 3 des § 14 WaffG (dem
heutigen § 14 Abs. 4 WaffG) die beiden Passagen „unter Beachtung des Absatzes 1
Satz 2 und 3" (in Satz 1) und „ unter Vorlage einer Bescheinigung nach Abs. 1 Satz 2 Nr.
2" (in Satz 2) gestrichen worden sind, ist festzustellen, dass in der endgültigen Fassung
des § 14 Abs. 4 WaffG jedoch die Wendung „Sportschützen nach Absatz 2 wird
16
abweichend von ... erteilt." aufgenommen worden ist. Durch diesen Verweis wird der
Sportschütze nach Absatz 4 der Norm als ein solcher nach dem Verständnis des
Absatzes 2 definiert.
Will ein Sportschütze eine Schusswaffe der in § 14 Abs. 4 WaffG zusätzlich
aufgenommenen Waffenarten erwerben, so ist er daher - wie der Beklagte zu Recht
ausgeführt hat - gehalten, unter Bezeichnung der zu erwerbenden Waffe einen (Neu-
)Antrag auf Erteilung einer gelben Waffenbesitzkarte nach dem WaffG-2003 zu stellen.
17
Dem Kläger ist allerdings einzuräumen, dass dies in Rheinland-Pfalz - und in weiteren
Bundesländern - anders gehandhabt wird; die aufgezeigte Ungleichbehandlung vermag
seinem Begehren in rechtlicher Hinsicht indes nicht zum Erfolg zu verhelfen. Es ist
jedoch für das Gericht durchaus nachvollziehbar, dass der Kläger aus seiner Sicht als
betroffener Sportschütze die gegenwärtige bestehende divergierende
Verwaltungspraxis in einzelnen Bundesländern als in hohem Maße unbefriedigend
empfindet. Auch aus Sicht des Gerichtes ist es nicht nachvollziehbar, dass die
Verwaltungsvorschrift zu dem neuen Waffengesetz, das bereits zum 01.04.2003 in Kraft
getreten ist, immer noch nicht erlassen worden ist und aus diesem Grunde keine
bundeseinheitliche Handhabung gewährleistet ist.
18
Soweit der Kläger allerdings geltend macht, auch im Zuständigkeitsbereich des
Beklagten selbst seien andere Sportschützen abweichend behandelt worden, hat er
diese Behauptung in keiner Weise substantiiert bzw. belegt. Der Beklagte seinerseits ist
diesem Vorwurf durchgängig und nachdrücklich entgegen getreten, die Kammer sieht
keinen Anlass, diese Erklärungen in Zweifel zu ziehen. Ein Anspruch des Klägers auf
Gleichbehandlung durch den Beklagten in dessen Zuständigkeitsbereich scheidet
daher bereits aus diesem Grunde aus.
19
Es kann auch nicht, wie der Kläger nunmehr im Klageverfahren geltend macht,
dahinstehen, ob es sich bei seinem Antrag um einen Erweiterungsantrag oder einen
Neuantrag handelt. Der Kläger hat im Verwaltungsverfahren ausdrücklich auf einer
Erweiterung seiner alten gelben Waffenbesitzkarte durch eine amtliche Eintragung
bestanden und nicht etwa - alternativ - einen Antrag gestellt auf Erteilung einer neuen
gelben Waffenbesitzkarte unter Bezeichnung jedenfalls einer ersten zu erwerbenden
Waffe (die dann vom Beklagten in die Waffenbesitzkarte einzutragen gewesen wäre mit
der Folge einer materiellen Erlaubnis zum dauerhaften Besitz dieser Waffe). Nur dieses
erste Begehren hat der Kläger nach Ablehnung durch den Beklagten und Durchführung
des Vorverfahrens im gerichtlichen Verfahren weiterverfolgt und in der mündlichen
Verhandlung einen entsprechenden Verpflichtungsantrag gestellt. Hieran ist das Gericht
gemäß § 88 VwGO gebunden, für eine Auslegung oder Umdeutung des Klageantrages
ist kein Raum.
20
War somit vom Gericht nicht zu entscheiden, ob dem Kläger ein Anspruch auf Erteilung
einer neuen gelben Waffenbesitzkarte nach Maßgabe des § 14 Abs. 4 WaffG zusteht, so
wird angesichts des wechselseitigen Vorbringens der Beteiligten darauf hingewiesen,
dass dies - im maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung - zu verneinen
gewesen wäre. Der Kläger hat nämlich trotz Aufforderung des Beklagten eine
Bescheinigung des Schießsportverbandes oder eines ihm angegliederten
Teilverbandes gemäß § 14 Abs.2 Satz 2 Nr.1 WaffG nicht beigebracht. Dies ist aber
nach neuem Waffenrecht Voraussetzung für die Erteilung einer gelben
Waffenbesitzkarte, auf die seinerzeit erfolgte Bedürfnisprüfung nach dem WaffG-1976
21
kann sich der Kläger nicht berufen. Wegen der Verweisung in § 14 Abs. 4 WaffG auf
Abs.2 der Norm („Sportschützen nach Absatz 2") ist auch nach Auffassung der Kammer
davon auszugehen, dass zumindest die dort geforderte Mitgliedschaft in einem, einem
anerkannten Schießsportverband angegliederten Verein (§ 14 Abs. 2 Satz 1 WaffG) und
die Voraussetzungen von § 14 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 WaffG vorliegen müssen.
Vgl. König/Papsthart, Das neue Waffenrecht, Leitfaden, Rdnr. 344.
22
Diese Frage bedurfte indes - wie ausgeführt - keiner weitergehenden Vertiefung.
23
Ebenfalls keiner Klärung bedurfte die weitere Frage, inwieweit - wie es der Beklagte
fordert - im Rahmen einer Bedürfnisprüfung bei einer Erlaubniserteilung nach § 14 Abs.
4 WaffG auch die Voraussetzungen des § 14 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 WaffG vorliegen
müssen.
24
Verneinend insoweit: Apel/Bushart Waffenrecht, Bd. 2: Waffengesetz, Kommentar,
3.Auflage 2004, § 14 Rdnr. 25.
25
Zumindest für die erste zu erwerbende und dann in die daraufhin ausgestellte - neue -
gelbe Waffenbesitzkarte einzutragende Waffe dürfte auch nach Auffassung des Gerichts
ein Bedürfnisnachweis gemäß § 14 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 WaffG erforderlich sein.
26
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.
27
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i.V.m. §
708 Nr. 11, § 711 ZPO.
28
Die Entscheidung über die Zulassung der Berufung folgt aus §§ 124a Abs. 1 Satz 1, 124
Abs. 2 Nr. 3 VwGO. Die Rechtssache hat grundsätzliche Bedeutung, da die Rechtsfrage
nach der Anwendbarkeit des § 14 Abs. 4 WaffG im Zusammenhang mit Erlaubnissen
nach § 28 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. § 32 Abs. 1 Nr. 2 WaffG a.F. Auswirkungen über den
Einzelfall hinaus hat und in der Verwaltungspraxis im Bundesgebiet eine
unterschiedliche Handhabung besteht; aus Gründen der Rechtssicherheit liegt sie im
allgemeinen Interesse.
29