Urteil des VG Köln vom 21.08.2008

VG Köln: sicherstellung, feuerwehr, eigentümer, zahl, gebäude, eigentumsschutz, mobiliar, polizei, sachbeschädigung, gefährdung

Verwaltungsgericht Köln, 20 K 2634/07
Datum:
21.08.2008
Gericht:
Verwaltungsgericht Köln
Spruchkörper:
20. Kammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
20 K 2634/07
Tenor:
Die Klage wird abgewiesen. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf
die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe
von 110 % des insgesamt vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn
nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 %
des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Tatbestand Der Kläger ist Eigentümer des Gebäudes G.--------straße 0 in 00000 L. -N. .
Bei diesem Gebäude handelt es sich um ein Reihenmehrfamilienhaus, welches als
Studentenwohnheim genutzt wird.
1
Nach den Angaben im polizeilichen Einsatzbericht entwickelte sich in den frühen
Morgenstunden (3.10 Uhr) des 28.03.2004 im Kellergeschoss des Gebäudes infolge
eines technischen Defektes an einem Kühlschrank ein Brand. Im Kellergeschoss hielt
sich zu diesem Zeitpunkt Herr C. sowie eine Besucherin, Frau T. , mit ihrem Kind auf.
Frau T. entdeckte den Brand und floh mit ihrem Kind sowie Herrn C. auf die Straße, von
wo aus sie die Feuerwehr alarmierte. Herr C. begab sich noch einmal zurück in die
Wohnung, um einen Pullover zu holen. Alle drei Personen erlitten eine Rauchvergiftung
und wurden ins Krankenhaus gebracht. Frau T. und ihr Kind wurden nach einer
Untersuchung aus dem Krankenhaus entlassen, Herr C. wurde zunächst stationär
behandelt.
2
Ein namentlich nicht benannter weiterer Bewohner des Hauses (Zimmer 00) wurde im
Rettungswagen untersucht und anschließend entlassen.
3
Dem Einsatzbericht zufolge waren insgesamt sieben Personen im Haus gemeldet; Herr
C. hatte gegenüber den Einsatzkräften erklärt, zur Zeit bewohnten mit ihm vier Personen
das Objekt.
4
Auf der Suche nach weiteren möglichen Verletzten wurden durch die Feuerwehr
insgesamt 17 Zimmer gewaltsam geöffnet, nachdem auf Klingeln oder Klopfen keine
Reaktion erfolgte. Verletzte wurden nicht aufgefunden. Der Beklagte beauftragte noch in
der Nacht den Schlüsseldienst B. mit der Sicherung der geöffneten Türen. 14 Schlüssel
für die neu eingebauten Schlösser wurden asserviert.
5
Der Kläger konnte am 28.03.2004 erreicht werden und erhielt auf der Wache die
Wohnungsschlüssel.
6
Nach Anhörung wurde der Kläger mit Leistungsbescheid vom 05.10.2004 zum Ersatz
der Schlüsseldienstkosten in Höhe von 1.723,18 EUR herangezogen; ein ursprünglich
erlassener weiterer Leistungsbescheid über 252,18 EUR ist nicht mehr
streitgegenständlich.
7
Gegen seine Inanspruchnahme wandte sich der Kläger mit seinem Widerspruch vom
07.10.2004. Er bestreitet, dass die Rauchentwicklung so stark war, dass sie in die
oberen Räume hätte eindringen können. Es sei nicht erforderlich gewesen, die Räume
zu öffnen und mit neuen Schlössern zu versehen, zumal die Räume leer gestanden
hätten. Auf diesen Leerstand habe sein Mieter, Herr C. , die Feuerwehr hingewiesen.
Der Kläger rügte ferner, dass die Feuerwehr sich bei seinem Mieter nicht einmal nach
seiner Rufnummer erkundigt habe, um ihn als Vermieter zu benachrichtigen. Zuletzt
wies der Kläger darauf hin, dass die eingebauten Schlösser für ihn nicht verwendbar
seien, da es sich um eine Schließanlage handele.
8
Der Widerspruch wurde mit Widerspruchsbescheid der Bezirksregierung Köln vom
18.06.2007 zurückgewiesen. Die Schließung der Räumlichkeiten durch eine Fachfirma
sei zur Eigentumssicherung erfolgt, nachdem der Eigentümer nur mit Nebenwohnsitz
festgestellt, nicht aber persönlich habe erreicht werden können.
9
Der Kläger hat am 02.07.2007 Klage erhoben. Er macht geltend, Herr C. sei der einzige
Bewohner des ansonsten als Studentenwohnheim genutzten Hauses gewesen. Der
Brandherd sei offenbar eine Zeitung auf der Herdplatte in einer Junggesellenküche im
Erdgeschoss gewesen, wobei Herr C. das Feuer bei Eintreffen der Feuerwehr bereits
mit zwei Eimern Wasser gelöscht habe. Es habe nur eine begrenzte Rauchentwicklung
gegeben, die allenfalls bis zum Erdgeschoss gedrungen sein könne. Keinesfalls sei
eine Öffnung der Räume bis zum 5. OG mit anschließendem Auswechseln der
Schlösser nötig gewesen. So habe sich die Feuerwehr nach dem Öffnen der
Erdgeschosswohnungen von den Leerständen überzeugen können. Es sei daher
ausreichend gewesen, die (unbeschädigte) Haustüre wieder zu verschließen.
10
Der Kläger beantragt,
11
den Leistungsbescheid des Beklagten vom 05.10.2004 und den Bescheid der
Bezirksregierung Köln vom 18.06.2007 aufzuheben.
12
Der Beklagte beantragt,
13
die Klage abzuweisen.
14
Er nimmt im Wesentlichen auf die Ausführungen im Verwaltungsverfahren Bezug.
15
Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte sowie
den beigezogenen Verwaltungsvorgang des Beklagten Bezug genommen.
16
Entscheidungsgründe: Die Klage ist zulässig, aber nicht begründet.
17
Der angefochtene Leistungsbescheid des Beklagten vom 05.10.2004 in der Gestalt des
18
Widerspruchsbescheides der Bezirksregierung Köln vom 18.06.2007 ist rechtmäßig und
verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
Die Kostenpflicht des Klägers beruht auf § 77 VwVG NRW i.V.m. § 11 Abs. 2 Satz 1, 2
Nr. 8 KostO NRW, § 43 Nr. 2 PolG NRW.
19
Nach § 77 VwVG NRW i.V.m. § 11 Abs. 2 Satz 1, 2 Nr. 8 sind der Vollzugsbehörde vom
Pflichtigen unter anderem die Kosten zu erstatten, die aus einer Sicherstellung oder
Verwahrung entstehen. Im Hinblick auf diese gesetzlich normierte Kostentragungspflicht
ist es unerheblich, dass sowohl im Ausgangs- als auch im Widerspruchsbescheid
fälschlich andere Normen als Rechtsgrundlage für die Heranziehung angegeben sind.
20
Die der Beauftragung des Schlüsseldienstes zugrunde liegende
Sicherstellungsanordnung des Beklagten zur Eigentumssicherung war rechtmäßig.
21
Nach § 43 Nr. 2 PolG NRW kann die Polizei eine Sache sicherstellen, um den
Eigentümer oder den rechtmäßigen Inhaber der tatsächlichen Gewalt vor Verlust oder
Beschädigung der Sache zu schützen. Die Polizei wird in diesem Fall gleichsam in
öffentlich-rechtlich geregelter Geschäftsführung für den Eigentümer oder rechtmäßigen
Inhaber der tatsächlichen Gewalt tätig. Die Rechtmäßigkeit der Sicherstellung bestimmt
sich dabei vorrangig danach, ob die Maßnahme dem mutmaßlichen Willen des
Berechtigten entspricht. Dies ist anzunehmen, wenn sie dessen objektivem Interesse
entspricht, mithin sie jeder Eigentümer bei besonnener Betrachtung als sachgerecht
beurteilt.
22
Vgl. BVerwG, Beschluss vom 03.05.1999 - 3 B 48.99 -, BayVBl. 2000, S. 380 f., OVG
NRW, Beschluss vom 11.04.2003 - 5 A 4351/01 -, BayVGH, Urteil vom 16.01.2001 - 24
B 99.1571 -, NJW 2001, S. 1960 f.
23
Zunächst bestehen nach Auffassung der Kammer keine durchgreifenden Bedenken
dagegen, die Verschließung der nach dem Feuerwehreinsatz offen stehenden
Zimmertüren als Sicherstellung im Sinne des § 43 Abs. 2 Nr. 2 PolG NRW anzusehen.
Die ansonsten bei Grundstücken und Wohnungen übliche Sicherstellung durch
Versiegelung stellt sich - anders als im Fall des § 43 Abs. 2 Nr. 1 PolG NRW
(Gefahrenabwehr) - zum Eigentumsschutz nicht als hinreichend erfolgversprechend dar.
Mit dem Verschließen der Räumlichkeiten und der Asservierung der Schlüssel auf der
Polizeiwache ist das für eine Sicherstellung erforderliche öffentlich rechtliche
Verwahrungsverhältnis begründet worden.
24
Soweit der Kläger bereits die Notwendigkeit der Türöffnungen als solche in Frage stellt,
vermag dies Vorbringen im Rahmen der Sicherstellung zum Eigentumsschutz nicht
durchzuschlagen. Streitgegenständlich ist hier nicht der Einsatz der Feuerwehr, sondern
die polizeilich angeordnete Sicherstellung. Allerdings weist das Gericht darauf hin, dass
das Vorbringen des Klägers zur Berechtigung des Umfanges des Feuerwehreinsatzes
in keinerlei Hinsicht nachvollziehbar ist: Weder stimmen die Angaben des Klägers zur
Brandursache mit dem Brandbericht überein, noch lassen sich seine Angaben zum
Leerstand des Hauses mit den Meldungen beim Einwohnermeldeamt und den Angaben
des Herrn C. zur Zahl der Bewohner in Einklang bringen. Bereits aufgrund der Tatsache,
dass ein weiterer namentlich nicht benannter Bewohner (außer Herrn C. ) in der
Brandnacht im Rettungswagen behandelt werden musste, sind die Angaben des
Klägers zur Belegung des Hauses widerlegt. Bei dieser Sachlage ist nicht einsichtig,
25
warum die Feuerwehr aus dem Leerstand einzelner Wohneinheiten den Schluss hätte
ziehen sollen, dass sämtliche weiteren Wohneinheiten unbewohnt seien. Ferner
erschließt sich nicht, woher der Kläger sein Wissen über eine nur begrenzte
Rauchentwicklung bezogen haben will.
Die Schließung der Wohnungstüren als Sicherstellung nach § 43 Abs. 2 Nr. 2 PolG
NRW war rechtmäßig. Bei Abwägung der im konkreten Fall gegebenen Umstände
entsprach es dem objektiven Interesse eines Eigentümers eines Mehrfamilienhauses
mit mehreren Wohneinheiten, die mit Kosten verbundene Sicherstellung zu
veranlassen, um die Wahrscheinlichkeit eines Diebstahls aus den Räumlichkeiten oder
die Gefahr einer Sachbeschädigung auszuschließen.
26
Das Gericht verkennt nicht, dass die Haustür des Gebäudes G.--------straße 0 nicht
beschädigt und damit verschließbar war. Auch war davon auszugehen, dass der Kläger
als Eigentümer binnen eines absehbaren Zeitraumes erreicht werden würde, so die
Zeitspanne einer Gefährdung des Eigentums begrenzt war. Aufgrund der - wenn auch
inhaltlich unrichtigen - Angaben des Klägers zu den Leerständen war ferner davon
auszugehen, dass zumindest ein Teil der Wohneinheiten nicht vermietet war.
27
Auch unter Würdigung dieser Gesichtspunkte ist die Kammer jedoch zu der
Überzeugung gelangt, dass hier die Verschließung der Wohneinheiten zum
Eigentumsschutz geboten war. Ausweislich der dienstlichen Äußerung von
Polizeimeisterin L1. vom 19.11.2004 sind alle geöffneten Wohnungen mit Mobiliar
versehen gewesen. Selbst wenn es sich im Hinblick auf den Charakter des Gebäudes
als Studentenwohnheim um eine einfache Möblierung gehandelt haben sollte, so dürfte
der Wert der Ausstattung die auf jede Wohneinheit entfallenden Sicherungskosten um
ein Vielfaches übersteigen. Auch dürfen nach Auffassung der Kammer die
Anforderungen an die polizeiliche Beurteilung der Situation vor Ort nicht überspannt
werden. Die Kammer vermag zwar der in der mündlichen Verhandlung geäußerten
Auffassung des Beklagten nicht zu folgen, wonach ein Verschließen bereits deshalb
geboten sei, weil zuvor auch der Eigentümer ein Verschließen für erforderlich gehalten
habe. Diese Sichtweise blendet die zeitliche Komponente der Gefährdung aus. Jedoch
würde es nach Auffassung der Kammer die Anforderungen an die polizeiliche Tätigkeit
überspannen, wenn den im Einsatz befindlichen Polizisten nicht ein weiter Spielraum
bei der Schätzung des Wertes einer Wohnungseinrichtung zukommen würde. Anders
als bei gebrauchten Kraftfahrzeugen ist ein Markt für gebrauchte Möbel (nicht
Antiquitäten) weit weniger etabliert, so dass sich ein objektiver Marktwert bzw. ein
Wiederbeschaffungswert für den Fall des Verlustes oder der Zerstörung schwerlich
bestimmen lässt. Anhaltspunkte dafür, dass hier die Einschätzung von Frau
Polizeimeisterin L1. , das vorgefundene Mobiliar solle geschützt werden, fehlerhaft
gewesen ist, (etwa weil das Mobiliar ersichtlich wertlos gewesen wäre), sind nicht
vorhanden. Bei der Gefahrenprognose war des Weiteren der Charakter des Hauses als
Studentenwohnheim zu berücksichtigen. Allein aus der Differenz zwischen der Zahl der
Wohnsitzmeldungen und der Nennung der Zahl der tatsächlichen Bewohner durch
Herrn C. einerseits bzw. durch den Kläger anderseits folgt, dass es keinen genau
definierten Kreis von Mietern gibt. Hieraus folgen des Weiteren Unklarheiten bezüglich
der Zahl der Personen, welche über einen Schlüssel zum Gebäude verfügen. Während
zum Beispiel der Kläger behauptet hat, nur Herr C. habe sich im Gebäude befunden, hat
nachweislich mindestens ein weiterer Mieter, nämlich Herr H. einen Schlüssel zum
Gebäude gehabt. Denn nach dem Bericht von Frau PK C1. vom 28.03.2004 ist dieser
auf der Wache in Deutz erschienen und gab an, die Tür seiner Wohnung (Wohnungstür
28
0) nicht mehr öffnen zu können. Ob es sich bei Herrn H. um die Person handelt, welche
in der Brandnacht im Rettungswagen behandelt wurde, ist nicht bekannt. Im Beiblatt
zum Brandbericht ist die Rede davon, dass der Bewohner des Zimmers 19 im RTW
untersucht worden sei. Fest steht damit, dass jedenfalls mehrere Schlüssel zum
Gebäude "im Umlauf" waren.
Bei Würdigung sämtlicher Umstände des Falles lagen somit die Voraussetzungen für
eine Sicherstellung vor.
29
Die Maßnahme war auch verhältnismäßig. So hat der Beklagte zunächst versucht, den
Kläger noch in der Brandnacht an seinem Nebenwohnsitz in L. zu erreichen. Dies ist
nicht gelungen. In der konkreten Situation stand dem Beklagten kein schonenderes
Mittel zur Abwehr der Gefahr eines Diebstahls oder einer Sachbeschädigung zur
Verfügung. Gegen die Höhe der Schlüsseldienstkosten bestehen ebenfalls keine
durchgreifenden Bedenken. Die verlangten Kosten beruhen auf Pauschalverträgen
zwischen dem Beklagten und der Schlüsseldienstfirma, wobei die Schlüsseldienstfirma
im Hinblick auf die Vielzahl der zu sichernden Wohneinheiten nicht lediglich die
vertraglich vereinbarte Reduzierung des Pauschalsatzes auf 80 % ab der zweiten zu
schließenden Wohneinheit in Ansatz gebracht hat, sondern die Pauschalen insgesamt
um 50 % reduziert hat. Im Übrigen ist zwar die Höhe die Sicherungsleistung absolut
betrachtet hoch. Die Höhe des Betrages beruht aber auf der großen Zahl der zu
sichernden Wohneinheiten. Betrachtet man die Kosten, die für jede einzelne
Wohneinheit entstanden sind, so handelt es sich um einen eher geringfügigen
Kostenbeitrag von ca. 125 EUR je Wohneinheit, der zu dem angestrebten Erfolg in
keinem Missverhältnis steht. Deshalb war die vorgesehene Sicherungsmaßnahme nach
Auffassung des Gerichts für den Kläger objektiv nützlich und es drängte sich auch kein
schonenderes Mittel auf.
30
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die
vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO, §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
31