Urteil des VG Köln vom 20.03.2008

VG Köln: bestattungskosten, psychiatrisches gutachten, öffentliche sicherheit, ersatzvornahme, vwvg, tod, obg, gemeinde, rechtsgrundlage, verwaltungsakt

Verwaltungsgericht Köln, 27 K 1013/08
Datum:
20.03.2008
Gericht:
Verwaltungsgericht Köln
Spruchkörper:
27. Kammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
27 K 1013/08
Tenor:
Der Leistungsbescheid des Beklagten vom 04. April 2006 in der Gestalt
des Widerspruchsbescheides vom 23. Januar 2008 wird aufgehoben.
Die Kosten des Verfahrens trägt der Beklagte.
Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der
Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von
120% des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin
zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
T a t b e s t a n d
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Am 21. Dezember 2003 verstarb in Köln der zuletzt dort wohnhafte F. E. . Die Klägerin
ist dessen Tochter aus der 1973 geschiedenen Ehe.
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Nachdem der Beklagte über den Todesfall am 22. Dezember 2003 informiert worden
war und innerhalb der nächsten Tage niemand dessen Bestattung veranlasst hatte,
beauftragte der Beklagte am 29. Dezember 2003 ein Bestattungsunternehmen, die
Einäscherung und anonyme Urnenbeisetzung des Verstorbenen durchzuführen.
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Im Mai 2005 wandte sich der Beklagte wegen der hierdurch angefallenen
Bestattungskosten an eine Schwester des Verstorbenen, die die Kostenerstattung mit
Hinweis darauf ablehnte, dass der Verstorbene eine Tochter in Düsseldorf sowie einen
Sohn aus einer nichtehelichen Verbindung in Köln habe. Daraufhin hörte der Beklagte
unter dem 12. Mai 2005 die Klägerin und ihren (Halb)Bruder zur beabsichtigten
Inanspruchnahme wegen der Bestattungskosten in Höhe von 2.046,21 EUR an.
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Gegen diese Inanspruchnahme wandte sich die Klägerin mit anwaltlichem Schreiben
vom 31. Mai 2005 und machte geltend, sie sei von dem Tod ihres Vaters nicht
unterrichtet worden und habe deshalb keine Gelegenheit gehabt, sich um die
Beisetzung zu kümmern. Sie sei stets unter ihrer derzeitigen Adresse erreichbar
gewesen. Sie habe auch über einen Bruder, eine Schwester und einen Sohn des
Verstorbenen, die alle in Köln lebten, über den Todesfall informiert werden können. Die
Ehe ihrer Eltern sei geschieden worden, als sie zwei Jahre alt gewesen sei. Ihr Vater
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habe sich nie für sie interessiert, sie auch nie besucht oder Unterhalt für sie gezahlt.
Mit Bescheiden vom 04. April 2006 nahm der Beklagte die Klägerin und ihren
Halbbruder wegen der entstandenen Bestattungskosten jeweils in Höhe von 1.060,60
EUR (jeweils 1/2 der Bestattungskosten in Höhe von 2.046,21 EUR und der
Verwaltungsgebühr in Höhe von 75,00 EUR) in Anspruch.
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Hiergegen legte die Klägerin mit anwaltlichem Schreiben vom 25. April 2006
Widerspruch ein, den sie wiederum im Wesentlichen damit begründete, dass sie über
den Tod ihres Vaters nicht unterrichtet worden sei und deshalb keine Gelegenheit
gehabt habe, selbst für die Bestattung zu sorgen. Außerdem wandte sich die Mutter der
Klägerin an den Beklagten und wies darauf hin, dass der Verstorbene nie Unterhalt für
sie oder die Klägerin gezahlt habe. Auch nachdem die Klägerin ihren Vater auf eigene
Initiative hin kennengelernt habe, habe dieser keine weiteren Kontaktversuche
unternommen. Deshalb sei ihre Tochter nicht bereit, für die Bestattungskosten
aufzukommen.
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Den Widerspruch der Klägerin wies die Bezirksregierung Köln mit
Widerspruchsbescheid vom 23. Januar 2008 zurück. Daraufhin beantragte die Klägerin
erfolglos beim Beklagten, die Kosten aus Billigkeitsgründen niederzuschlagen.
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Die Klägerin hat am 14. Februar 2008 Klage gegen den Kostenbescheid erhoben. Zu
deren Begründung führt sie aus: Der Beklagte habe sich nicht ausreichend bemüht,
rechtzeitig ihre Adresse in Erfahrung zu bringen. Zudem sei ihre Inanspruchnahme
unbillig. Sie habe mitbekommen, wie ihr Vater ihre Mutter krankenhausreif geschlagen
habe. Der Vater habe sie, die Klägerin, noch während die Mutter im Krankenhaus
gewesen sei, entführt. Man habe sie erst 2 Tage später gefunden und ihrer Mutter
übergeben. Wegen dieser Erlebnisse sei sie seit 1973 jahrelang in
psychotherapeutischer Behandlung gewesen. Auch habe der Verstorbene nie Unterhalt
für sie gezahlt, sondern sich seiner Unterhaltspflicht durch ständigen Wechsel des
Aufenthaltsortes und des Arbeitsplatzes entzogen. Alle Zwangsvollstreckungsversuche
in diesem Zusammenhang seien im Sand verlaufen. Ob der Verstorbene zum
damaligen Zeitpunkt konkret leistungsfähig gewesen sei, wisse sie nicht. Sie habe
nunmehr einen Antrag nach § 74 SGB XII beim Beklagten gestellt.
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Die Klägerin beantragt,
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den Bescheid des Beklagten vom 04. April 2006 in der Gestalt des
Widerspruchsbescheides vom 23. Januar 2008 aufzuheben.
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Der Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Zur Begründung führt er aus: Er habe die Klägerin innerhalb der Bestattungsfrist von 8
Tagen nicht ermitteln können, weil er keine Personenstandsurkunden gehabt habe und
der Recherchezeitraum aufgrund der nachfolgenden Feiertage eingeschränkt gewesen
sei. Im Übrigen hätte auch eine frühere Information der Klägerin am Geschehensablauf
nichts geändert, da sie zur Bestattung ihres Vaters nicht bereit gewesen und eine
kostengünstigere Bestattung des Vaters auch nicht möglich gewesen sei. Es sei auch
keine unbillige Härte, die Klägerin zu den Bestattungskosten heranzuziehen. Die
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öffentlich-rechtliche Bestattungspflicht der Angehörigen bestehe unter dem
Gesichtspunkt der Gefahrenabwehr grundsätzlich uneingeschränkt. Für
Billigkeitserwägungen, die über die ordnungsbehördlichen Regelungen hinausgingen,
sei daher kein Raum. Daher könne grundsätzlich nicht berücksichtigt werden, dass
zwischen dem Verstorbenen und dem Bestattungspflichtigen keine familiäre
Verbundenheit bestanden habe oder dass der Verstorbene seine Unterhaltspflichten
verletzt habe. § 8 BestG NRW stelle lediglich auf den Status als Angehöriger ab, nicht
aber auf die Qualität der persönlichen Beziehungen der Verwandten zueinander. Die
Pflicht zur Erstattung der Bestattungskosten könne daher allenfalls in Ausnahmefällen,
etwa bei schweren Straftaten des Verstorbenen gegenüber dem Bestattungspflichtigen,
entfallen, wozu aber Unterhaltspflichtverletzungen regelmäßig nicht gehörten. Im
Übrigen bedeute die nur beschränkte Berücksichtigung von Zumutbarkeitserwägungen
im Rahmen der Kostenerstattungspflicht nicht, dass der kostenpflichtige Angehörige die
Kosten in jedem Fall zu tragen habe. Er habe die Möglichkeit, sich gemäß § 74 SGB XII
an den Sozialhilfeträger zu halten, wenn ihm nicht zugemutet werden könne, die
Bestattungskosten zu übernehmen. Im Rahmen der Zumutbarkeitsentscheidung seien
neben wirtschaftlichen Umständen auch persönliche Gründe zu berücksichtigen. Im
Übrigen setze eine Verletzung der Unterhaltspflicht voraus, dass der Verpflichtete im
maßgeblichen Zeitpunkt leistungsfähig gewesen sei. Dafür sei hier nichts ersichtlich.
Der nach Erlass des Widerspruchsbescheides vorgetragene neue Sachverhalt sei nach
der Rechtsprechung des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen im
vorliegenden Verfahren nicht mehr berücksichtigungsfähig.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der
Gerichtsakte und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge Bezug genommen.
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E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
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Die zulässige Anfechtungsklage ist begründet.
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Der Leistungsbescheid des Beklagten vom 04. April 2006 in der Fassung des
Widerspruchsbescheides der Bezirksregierung Köln vom 23. Januar 2008 ist
rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1
Verwaltungsgerichtsordnung -VwGO).
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Der Beklagte ist nicht berechtigt, von der Klägerin die Kosten für die von ihm am 29.
Dezember 2003 veranlasste Einäscherung ihres verstorbenen Vaters und Bestattung
der Urne in einem Urnenfeld auf dem Nordfriedhof in Köln durch Leistungsbescheid zu
fordern.
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Als Rechtsgrundlage für den angefochtenen Leistungsbescheid kommt allein § 77 Abs.
1 Satz 1 Verwaltungsvollstreckungsgesetz für das Land Nordrhein-Westfalen (VwVG
NRW) in Betracht, wonach für Amtshandlungen nach dem
Verwaltungsvollstreckungsgesetz nach näherer Bestimmung einer Kostenordnung
(KostO) von dem Vollstreckungsschuldner oder Pflichtigen Kosten (Gebühren und
Auslagen) erhoben werden. Zu den Auslagen gehören nach § 11 Abs. 2 Satz 2 Nr. 7
KostO die Beträge, die unter anderem bei der Ersatzvornahme an Beauftragte oder
Hilfspersonen zu zahlen sind, sowie Kosten, die der Vollzugsbehörde durch die
Ersatzvornahme entstanden sind.
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Die Inanspruchnahme der Klägerin für die aufgewendeten Kosten gemäß § 77 Abs. 1
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Satz 1 VwVG NRW setzt nach ständiger Rechtsprechung voraus, dass die hier ohne
vorausgegangenen vollziehbaren Verwaltungsakt durchgeführte Ersatzvornahme
rechtmäßig war. Hieran fehlt es vorliegend.
Die tatbestandlichen Voraussetzungen für die Bestattung des Verstorbenen im Wege
der Ersatzvornahme ohne vorausgehenden Erlass eines Verwaltungsakts gem. § 55
Abs. 2, § 59 Abs. 1, § 63 Abs. 1 Satz 3, § 64 Satz 2 VwVG NRW lagen im Zeitpunkt der
ordnungsbehördlichen Beauftragung des Bestattungsunternehmers am 29. Dezember
2003 nicht vor. Nach diesen gesetzlichen Vorgaben können Zwangsmittel auch ohne
vorausgegangenen Verwaltungsakt angewendet werden, wenn das zur Abwehr einer
gegenwärtigen Gefahr notwendig ist und die Vollzugsbehörde hierbei innerhalb ihrer
gesetzlichen Befugnisse handelt. Eine Behörde handelt im Sinn des § 55 Abs. 2 VwVG
NRW innerhalb ihrer Befugnisse, wenn sie, sofern die sofortige Ausführung zur
Gefahrenbeseitigung nicht erforderlich gewesen wäre, die konkrete Maßnahme dem
Adressaten des Kostenbescheides durch Ordnungsverfügung rechtmäßig hätte
aufgeben können.
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Als mögliche Rechtsgrundlage, der Klägerin am 29. Dezember 2003 die Bestattung
ihres Vaters aufzugeben, kommt allein § 14 Abs. 1 OBG NRW i.V.m. § 8 Abs. 1 BestG
NRW in Betracht.
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Vgl. Urteil der Kammer vom heutigen Tag - 27 K 5617/07 -, n.v.
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Nach der polizeilichen Generalklausel des § 14 Abs. 1 OBG NRW können die
Ordnungsbehörden die notwendigen Maßnahmen treffen, um eine im einzelnen Fall
bestehende Gefahr für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung abzuwenden. Das
danach der Ordnungsbehörde grundsätzlich zustehende Entschließungsermessen, d.h.
das Ermessen, ob sie ordnungsbehördlich einschreiten und die notwendigen
Maßnahmen treffen will, ist im Fall des Auffindens eines Leichnams jedoch durch das
Subsidiaritätsprinzip in § 8 Abs. 1 Satz 2 BestG NRW eingeschränkt. Die örtliche
Ordnungsbehörde der Gemeinde, auf deren Gebiet der Tod eingetreten oder der Tote
gefunden worden ist, hat die Bestattung nur zu veranlassen, wenn die in § 8 Abs. 1 Satz
1 BestG NRW genannten Bestattungspflichtigen ihrer Pflicht nicht oder nicht rechtzeitig
nachkommen. Dies bedeutet zum Einen, dass die Gemeinde die Bestattung eines
aufgefundenen Toten erst dann veranlassen darf, wenn die vorrangig zur Bestattung
verpflichteten Angehörigen ihrer Bestattungspflicht nicht nachkommen. Zum anderen
bedeutet dies aber auch, dass sie vorher nicht als Ordnungsbehörde tätig werden und
den Angehörigen die Bestattung durch eine Ordnungsverfügung aufgeben darf. Das aus
der Menschenwürde (Art. 1 Abs. 1 GG) abgeleitete Recht des Verstorbenen auf eine
würdige Bestattung, die seinen etwaigen Wünschen zu Art und Ort der Bestattung
möglichst Rechnung trägt, als auch das Recht der Angehörigen auf Totenfürsorge aus
Art. 2 Abs. 1 GG haben in materieller Hinsicht zur Folge, dass der Staat erst dann mit
den Mitteln des Ordnungsrechts zum Zwecke der Gefahrenabwehr einschreiten darf,
wenn keine Angehörige vorhanden sind oder diese nicht rechtzeitig für die Bestattung
sorgen. Ob dies der Fall ist, lässt sich jedoch nur feststellen, wenn die Behörde im Fall
des Auffindens einer (identifizierten) Leiche alle im Einzelfall möglichen und
zumutbaren Maßnahmen ergreift, um etwaige nahe Angehörige des Verstorbenen zu
ermitteln und mit diesen möglichst umgehend in Kontakt tritt; dies gilt jedenfalls dann,
wenn eine kurzfristige Kontaktaufnahme mit vorhandenen nahen Verwandten nicht von
vorneherein aussichtslos erscheint.
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So zum Ganzen Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein- Westfalen (OVG
NRW), Urteil vom 29. April 2008 - 19 A 3665/06 -, nachgewiesen bei juris, Rz. 24-37
(NWVBl. 2008, 398-400)
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Dieser Verpflichtung ist der Beklagte nicht nachgekommen. Es lässt sich den
Verwaltungsvorgängen nicht entnehmen, dass er zeitnah irgendwelche Ermittlungen
angestellt hat, um Angehörige des Verstorbenen zu ermitteln. Er ist über den Sterbefall
ausweislich des handschriftlichen Vermerks auf S. 2 des Verwaltungsvorgangs am 22.
Dezember 2003 - einen Tag nach dem Versterben - über ein Bestattungsunternehmen
informiert worden. Noch am selben Tag wurden bei der Eigentumssicherung des
Verstorbenen in einem Alten- und Pflegeheim durch Außendienstmitarbeiter des
Beklagten zwar keine Personenstandsurkunden mit Hinweisen auf Angehörige
gefunden, aber u.a. ein psychiatrisches Gutachten aus dem Jahr 1999 sichergestellt, in
dem sich an zwei Stellen (S. 3, 11) Hinweise auf die Schwester des Verstorbenen und
deren Telefonnummer befanden. Ebenso waren dem Beklagten bei der Meldung des
Sterbefalles Name und Telefonnummer eines Betreuers des Verstorbenen mitgeteilt
worden. Damit hatte er bereits an diesem Tag genügend Ansatzpunkte, um weitere
Ermittlungen zur Frage möglicher Angehöriger und Bestattungspflichtiger anstellen zu
können. So kam zumindest die Schwester des Verstorbenen als vorrangige
Bestattungspflichtige gemäß § 8 Abs. 1 Satz 1 BestG in Betracht. Diese wohnte auch
innerhalb des Stadtgebiets Köln und war telefonisch erreichbar. Dem Beklagten war es
daher möglich und zumutbar, die Schwester telefonisch oder schriftlich um Auskunft
über mögliche Bestattungspflichtige und - willige zu bitten. Ein derartiger Kontakt hätte
sicherlich noch innerhalb der Bestattungsfrist - trotz der dazwischenliegenden
Weihnachtsfeiertage - zu einem Hinweis auf die Existenz und den möglichen
Aufenthaltsort der Klägerin geführt. Der Beklagte hat aber die Schwester des Klägers -
soweit aus der Akte ersichtlich - überhaupt erstmals im Rahmen der beabsichtigten
Kostenheranziehung im Mai 2005 schriftlich kontaktiert. Erst ihren Hinweis darauf, dass
eine Tochter des Verstorbenen in Düsseldorf und ein nichtehelicher Sohn in Köln
lebten, hat der Beklagte zum Anlass genommen, den Sachverhalt weiter aufzuklären
und erstmals im April 2006 u.a. eine Melderegisterauskunft in Düsseldorf einzuholen.
Dort war und ist die Klägerin seit Jahren unter der heute noch aktuellen Anschrift
gemeldet.
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Auch anderen naheliegenden Aufklärungsmöglichkeiten über mögliche Angehörige und
vorrangig Bestattungspflichtige ist der Beklagte bis zum Ablauf der Bestattungsfrist am
29. Dezember 2003 und der Beauftragung des Bestattungsunternehmens nicht weiter
nachgegangen. So hat er intern weder mit dem Sozialamt noch dem Standesamt
zeitnah Kontakt aufgenommen, um näheres über die familiären Verhältnisse des
Verstorbenen zu erfahren. Ein Kontakt mit dem Sozialamt hätte mit großer
Wahrscheinlichkeit die Existenz und den Wohnort der Klägerin zu Tage gebracht, da sie
im Jahr 1994 von diesem angeschrieben und aufgefordert worden war, für den
Verstorbenen monatlich Unterhalt zu zahlen. Mit dem Betreuer scheint er überhaupt
keinen Kontakt aufgenommen zu haben.
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Nach alledem hat sich der Beklagte am 29. Dezember 2003 für die ordnungsrechtliche
Veranlassung der umgehenden Bestattung des Verstorbenen entschieden, ohne die
Möglichkeit in Betracht zu ziehen, dass bestattungspflichtige Angehörige des
Verstorbenen die Bestattung kurzfristig vornehmen. Er hat insofern sein
Entschließungsermessen auf einer unzureichenden bzw. falschen Tatsachengrundlage
und damit fehlerhaft ausgeübt.
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Es gibt auch keine Anhaltspunkte dafür, dass die Klägerin für den Fall einer zeitnahen
Unterrichtung über den Todesfall die Bestattung nicht oder nicht rechtzeitig hätte
durchführen lassen, der Ermessensfehler des Beklagten also nicht kausal für die
fehlerhafte Entscheidung über das Tätigwerden geworden ist. Die Klägerin hat vielmehr
durchgehend im gesamten Verwaltungsverfahren gegen die Kostentragungspflicht
eingewandt, dass sie keine Gelegenheit gehabt habe, ihrer Bestattungspflicht
nachzukommen, während mögliche Unbilligkeitsgründe zunächst nur von ihrer Mutter
an den Beklagten herangetragen wurden. Es ist daher nicht auszuschließen, dass sie
im Fall ihrer rechtzeitigen Benachrichtigung eine unverzügliche Beisetzung ihres Vaters
veranlasst hätte.
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Der Beklagte wäre daher nicht gemäß § 14 Abs. 1 OBG NRW befugt gewesen, der
Klägerin die Bestattung des Verstorbenen durch eine Ordnungsverfügung aufzugeben,
so dass bereits aus diesem Grund die Kostenerstattungspflicht der Klägerin dem Grunde
nach ausscheidet.
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Daher bedarf die Frage, ob Härtegründe vorliegen, die die Bestattungspflicht
ausnahmsweise entfallen lassen bzw. die Heranziehung zu den Kosten der
Notbestattung als unbillig erscheinen lassen, hier keiner Entscheidung.
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Vgl. dazu Urteile der Kammer vom 20. März 2009 - 27 k 5617/07 und 27 K 183/08.
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Mangels einer rechtmäßigen Ersatzvornahme ist der angefochtene Bescheid auch
hinsichtlich der festgesetzten Verwaltungsgebühr rechtswidrig. Aus diesen Gründen ist
der Klage stattzugeben mit der Folge, dass der Beklagte gemäß § 154 Abs. 1 VwGO die
Kosten des Verfahrens zu tragen hat.
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Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit des Urteils hinsichtlich der
Kosten folgt aus § 167 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 11, § 711 ZPO.
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