Urteil des VG Köln vom 16.12.2003

VG Köln: umdeutung, gemeinde, widerspruchsverfahren, grundstück, fälligkeit, form, verwaltungsakt, vermessung, zelle, grundbuch

Verwaltungsgericht Köln, 17 K 3469/01
Datum:
16.12.2003
Gericht:
Verwaltungsgericht Köln
Spruchkörper:
17. Kammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
17 K 3469/01
Tenor:
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens hat die Klägerin zu tragen.
T a t b e s t a n d
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Die Klägerin war Eigentümerin des Grundstücks in der Gemarkung C. , Flur 0, Flurstück
0000 (590 m²) und Flur 0, Flurstück 0000 (109 m²). Die Parzelle 0000 liegt an der Straße
C2. ; nördlich schließt sich die Parzelle 0000 an, welche ihrerseits an die Straße G.
grenzt, die in dem hier interessierenden Be- reich in etwa parallel zur Straße C2.
verläuft. Im Laufe des Klageverfah- rens wurde eine andere Person als Eigentümerin der
Parzelle 0000 im Grundbuch eingetragen. Ein Bebauungsplan existiert für das Gebiet
nicht, wohl aber eine Ortsla- genabgrenzungssatzung aus dem Jahre 1993.
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Ausgebaut wurden in der Gemarkung C. zeitgleich mehrere Straßen, nach- dem der
Ortsteil 1990 mit einer Mischwasserkanalisation versehen worden war. Der Ausbau der
Straßen war Mitte 1993 im wesentlichen abgeschlossen. Der Beklagte war zunächst
davon ausgegangen, dass die Trasse sich vollständig in seinem Eigen- tum befinde. Im
Zuge der Vermessung stellte sich jedoch heraus, dass der Ur- Kataster fehlerhaft war,
so dass sowohl eine neue Vermessung als auch Straßen- landerwerb erforderlich
wurden. Im Oktober 1998 wurde die Straße G. noch einmal um etwa 20 m bis zur
Grenze der Ortslagenabgrenzungssatzung ver- längert. Die Abnahme dieser
Bauleistung erfolgte am 2. November 1998. Weil der Entschluss zur Bauausführung und
die Planung vor Baubeginn vom Bauausschuss stammten, und der Beklagte dies nicht
für korrekt hielt, stellte er am 5. Juni 2000 fest, dass der Ausbau den Vorgaben des §
125 BauGB entspreche und billigte den tatsächlichen Ausbau der Straße einschließlich
der zuletzt vorgenommenen Verlän- gerung.
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Mit Bescheid vom 12. November 1997 zog der Beklagte die Klägerin zu einem
Erschließungsbeitrag in Höhe von 23.680,06 DM heran. Die Klägerin erhob gegen die
Heranziehung rechtzeitig Widerspruch, welcher damit begründet wurde, die Par- zelle
0000 werde nicht durch die Straße G. erschlossen. Für die Parzelle 0000 seien ihres
Wissens bereits erhebliche Erschließungskosten beglichen worden, die anzurechnen
seien. Selbst wenn man von einem Erschlossensein der Parzelle 0000 ausgehen
wollte, müsse jedoch eine Eckgrundstücksvergünstigung gewährt werden. Mit
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Widerspruchsbescheid vom 30. März 2001 wies der Beklagte den Wi- derspruch der
Klägerin mit der Begründung zurück, die Parzelle 0000 sei als Anlie- gergrundstück
beitragspflichtig. Außerdem bestehe eine Zuwegung über diese Par- zelle auf die
angrenzende Parzelle 0000. Deshalb, und weil beide Parzellen der Klä- gerin gehörten,
sei die Parzelle 0000 als Hinterliegergrundstück beitragspflichtig. Es sei zwar richtig,
dass in dem Baugebiet in den 70-er Jahren ein Erschließungsvertrag zwischen der
Gemeinde und verschiedenen Grundstückseigentümern geschlossen worden sei.
Dieser Vertrag habe sich jedoch - abgesehen von der Herstellung eines
Abwasserkanals - nur auf den Ausbau der Straßen C2. und I. be- zogen. Es seien zwar
dort auch Beitragsbefreiungen ausgesprochen worden, diese bezögen sich jedoch nur
auf Beiträge, die für die Herstellung der genannten Straßen einmal hätten anfallen
können. Die Straße G. gehöre nicht dazu, so dass insoweit auch keine Anrechnung
möglich sei. Diese von der Gemeinde allein angelegte Straße biete dem Grundstück der
Klägerin eine zusätzliche Erschließung zu der bereits vorhandenen und sei als
sogenannte Zweiterschließung beitragspflich- tig. Da die Straße C2. nicht von der
Gemeinde hergestellt worden sei und deshalb auch keine Erschließungsbeiträge
erhoben worden seien, greife auch die Regelung über die
Eckgrundstücksvergünstigung der Erschließungsbeitragssatzung nicht ein. Schließlich
führte der Beklagte zum einen aus, der tatsächliche Ausbau der Straße weiche
erheblich von dem ersten Bauprogramm ab, welches deshalb nach- träglich habe
geändert werden müssen; dies habe der Rat mit seinem Beschluss vom 19. Juni 2000
getan, indem er den tatsächlichen Ausbau nachträglich gebilligt habe. Außerdem sei die
Straße G. entgegen seiner ursprünglichen An- nahme noch nicht endgültig abrechenbar,
weil sich herausgestellt habe, dass der Grunderwerb noch nicht abgeschlossen sei. Aus
diesem Grunde deute er seinen Heranziehungsbescheid - unter Neufestsetzung der
Fälligkeit - in einen Vorausleis- tungsbescheid um, die Höhe des Beitrages bleibe
unverändert. Er weise allerdings darauf hin, dass die Straße bis zum letzten zum
Innenbereich gehörigen Grundstück verlängert worden sei, und dass diese Kosten bei
einer endgültigen Abrechnung e- benso wie die noch anfallenden Vermessungskosten
noch auf die Anlieger umgelegt würden.
Die Klägerin hat rechtzeitig Klage erhoben, welche sie damit begründet, die Umdeutung
des endgültigen Heranziehungsbescheides durch den Widerspruchsbescheid in einen
Vorausleistungsbescheid sei unzulässig.
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Sie beantragt,
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den Heranziehungsbescheid des Beklagten vom 12. November 1997 in der Ge-stalt des
Widerspruchsbescheides vom 30. März 2001 aufzuheben.
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Der Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Er ist der Ansicht, die Heranziehung sei zu Recht erfolgt, und führt über das im
Widerspruchsbescheid bereits Vorgetragene hinaus aus, es sei ohne weiteres möglich,
den ursprünglichen Verwaltungsakt durch den Widerspruchsbescheid zu verändern; die
Umstellung auf eine Vorausleistung sei deshalb zulässig. Auch eine Umdeutung, wie
sie hier geschehen sei, sei grundsätzlich rechtmäßig.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird Bezug genommen
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auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie der beigezogenen Verwaltungsvorgänge des
Beklagten.
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
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Die zulässige Klage ist nicht begründet. Der Heranziehungsbescheid ist in der Form, die
er durch den Widerspruchsbescheid erhalten hat (§ 79 Abs. 1 Nr. 1 VwGO), rechtmäßig
und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 VwGO).
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Die sich aus den §§ 125 ff. des Baugesetzbuches -BauGB- in Verbindung mit den
Vorschriften der Erschließungsbeitragssatzung der Gemeinde Rösrath vom 27.
September 1995 -EBS- ergebenden rechtlichen Voraussetzungen für die Heranziehung
der Klägerin zu Vorausleistungen für die erstmalige Herstellung der Straße G. sind
erfüllt.
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Da der Grunderwerb im Zeitpunkt des Erlasses des Widerspruchsbescheides noch nicht
abgeschlossen war, konnten bis dahin die endgültigen sachlichen Beitragspflichten
noch nicht entstehen, so dass allein die Erhebung einer Vorausleistung in der Form der
Herstellungsalternative zulässig war. Die hierfür erforderlichen Ermessenserwägungen
hat der Beklagte angesichts seiner Ausführungen im Widerspruchsbescheid erkennbar
vorgenommen, indem er ausgeführt hat, die Erhebung von Vorausleistungen mindere
den später abzurechnenden Umfang der Fremdkapitalkosten und damit den gesamten
beitragsfähigen Aufwand.
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Der Rechtmäßigkeit der Vorausleistungserhebung steht nicht entgegen, dass der
zunächst erlassene Bescheid eine endgültige Heranziehung zum Gegenstand hatte.
Der Beklagte hat, nachdem er die Rechtswidrigkeit dieser Entscheidung im
Widerspruchsverfahren erkannt hatte, diesen Rechtsmangel durch seinen
Widerspruchsbescheid beseitigt. Hierin ist nicht etwa eine (unzulässige) Umdeutung zu
sehen sondern das nicht zu beanstandende Ergebnis einer dem Sinn und Zweck des
Widerspruchsverfahrens entsprechenden Ausübung der Selbstkontrolle der Verwaltung
im Sinne des § 68 Abs.1 Satz 1 VwGO.
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Das Widerspruchsverfahren im Sinne des § 68 VwGO dient der Entlastung der Gerichte.
Bevor der Adressat eines Verwaltungsaktes gerichtliche Hilfe durch Anfechtung einer
behördlichen Entscheidung in Anspruch nehmen kann, soll der Verwaltung Gelegenheit
gegeben werden, ihre eigene Entscheidung nachzuprüfen und gegebenenfalls deren
rechtliche Defizite beseitigen. Hierzu kann die Widerspruchsbehörde entweder dem
Widerspruch (teilweise) stattgeben oder den ursprünglichen Verwaltungsakt ändern,
wobei allerdings dessen Wesen nicht verändert werden darf.
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Nichts anderes ist hier geschehen. Die Änderung der rechtswidrigen endgültigen
Heranziehung in eine Vorausleistung ist zulässig, weil sie das Wesen des
ursprünglichen Verwaltungsaktes nicht berührt hat. Weder hat sich dessen Inhalt
geändert - abgesehen von der Festsetzung einer neuen, der Klägerin günstigeren
Fälligkeit - noch der Ausspruch. So liegt dem Widerspruchsbescheid derselbe
Sachverhalt zugrunde wie dem Ausgangsbescheid, nämlich die erstmalige Herstellung
der Straße G. . Ebenso unverändert geblieben ist der Ausspruch des
Heranziehungsbescheides, nämlich, dass hierfür Erschließungsbeiträge zu zahlen sind.
Auch die Beitragssumme ist dieselbe. Schließlich scheitert die Umstellung auch nicht
daran, dass der Beklagte eine gebundene Entscheidung in eine
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Ermessensentscheidung verändert hat. Denn die Refinanzierung einer
Straßenbaumaßnahme ist sowohl für den endgültigen Beitrag als auch für die
Vorausleistung Hauptzweck, wohingegen die mit der Erhebung einer Vorausleistung
verbundene Verminderung von Zinszahlungen lediglich ein Nebeneffekt ist, der auch
bei der Erhebung eines endgültigen Beitrages kurz nach dem Entstehen der sachlichen
Beitragspflichten eintreten oder sogar völlig entfallen kann, wenn kein fremdes Kapital
eingesetzt werden muss - eine unzulässige Wesensänderung ist auch hierin nicht zu
sehen;
vgl. OVG NRW, Urteil vom 31. Januar 2003 - 3 A 835/00 -, KStZ 2003, 134; gegen VGH
München, Beschluss vom 29. Juni 1993 - 6 B 93.784 -, NVwZ-RR 1994, 176.
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Ein Fall der Umdeutung lag mithin nicht vor, da der Beklagte bis zum Erlass des
Widerspruchsbescheides seine Entscheidung auch noch in der Weise, wie geschehen,
verändern durfte. Die Kammer vermag deshalb ebenso wenig wie das OVG NRW dem
Bayerischen VGH in der genannten Entscheidung zu folgen, zumal es sich in dieser
Entscheidung nicht um einen Widerspruchsbescheid, sondern eine bloße
Umdeutungserklärung handelte, die nach Ansicht des VGH nicht einmal
Verwaltungsaktsqualität hatte.
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Zu den übrigen von der Klägerin im Widerspruchsverfahren vorgetragenen Monita hat
der Beklagte in seinem Widerspruchsbescheid zutreffend Stellung genommen, so dass
die Kammer zwecks Vermeidung von Wiederholungen hierauf Bezug nimmt. (§ 117
Abs. 5 VwGO).
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.
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