Urteil des VG Köln vom 21.01.2004

VG Köln: behörde, hauptsache, genehmigung, schutz der gesundheit, bestimmungsort, europäischer gerichtshof, verwertung, sicherheit, durchfuhr, erlass

Verwaltungsgericht Köln, 13 L 3149/03
Datum:
21.01.2004
Gericht:
Verwaltungsgericht Köln
Spruchkörper:
13. Kammer
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
13 L 3149/03
Tenor:
1. Der Antrag wird abgelehnt. Die Kosten des Verfahrens - mit
Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen, die diese
selbst zu tragen hat, - trägt die Antragstelle- rin.
2. Der Streitwert wird auf 1.701.000,00 EUR festgesetzt.
3. Dieser Beschluss soll den Beteiligten vorab per Telefax
bekanntgegeben werden.
G r ü n d e
1
Der Antrag der Antragstellerin,
2
"die Antragsgegnerin im Wege einer einstweiligen An- ordnung nach § 123 Abs. 1 Satz
2 VwGO zu verpflichten, der Antragstellerin für die grenzüberschreitende Verbrin- gung
von gemischten Siedlungsabfällen von Italien nach Deutschland (Notifizierungs-Nr. IT
000000) die gemäß Art. 5 Abs. 1 EG-Abfallverbringungsverordnung erforderliche
Genehmigung zu erteilen",
3
hat keinen Erfolg.
4
Der Antrag ist zulässig, insbesondere statthaft. Die Antragstellerin begehrt aus- weislich
des von ihr gestellten Antrages die Verpflichtung zur einstweiligen Erteilung der für die
von ihr beabsichtigte Abfallverbringung erforderlichen Genehmigung der zuständigen
Behörde am Bestimmungsort gemäß Art. 5 Abs. 1 der Verordnung (EWG) Nr. 259/93
des Rates vom 1. Februar 1993 zur Überwachung und Kontrolle der Verbringung von
Abfällen in der, in die und aus der Europäischen Gemeinschaft (ABl. EG 1993, L 30, S.
1, ber. ABl. EG 1995, L 18, S. 38), zuletzt geändert durch VO EG Nr. 2557/2001 v.
28.12.2001 (ABl. EG 2001, L 349, S. 1) [AbfVerbrVO]. Die Ge- nehmigung nach Art. 5
Abs. 1 AbfVerbrVO bedarf - anders als die Genehmigung gemäß Art. 8 Abs. 1 Satz 1
AbfVerbrVO, die auch stillschweigend erteilt werden kann - der ausdrücklichen
Erteilung. Dem Notifizierungsverfahren liegt ein präventives Verbot mit
Erlaubnisvorbehalt zugrunde. Allein mit einem Vorgehen gegen den von der
Antragsgegnerin erhobenen Einwand im Wege einer Anfechtungsklage bzw. im
5
vorläufigen Rechtsschutz nach § 80 Abs. 5 der Verwaltungsgerichtsordnung [VwGO]
kann die Antragstellerin ihr Ziel einer erlaubten Abfallverbringung nicht erreichen, zumal
ein Rechtsmittel gegen den Einwand grundsätzlich keine aufschiebende Wir- kung
entfaltet.
Vgl. Bundesverwaltungsgericht (BVerwG), Urteil vom 6. No- vember 2003 - 7 C 2.03 - für
Art. 6 ff. AbfVerbrVO.
6
Damit zielt der entsprechende Rechtsbehelf in der Hauptsache jedenfalls nicht
ausschließlich auf die Anfechtung eines belastenden Verwaltungsaktes, so dass § 123
Abs. 5 VwGO der Gewährung von Rechtsschutz nach § 123 Abs. 1 bis 4 VwGO nicht
entgegensteht.
7
Der Antrag ist jedoch unbegründet.
8
Die Antragstellerin hat die nach § 123 Abs. 3 VwGO, § 920 Abs. 2, § 294 der Zi-
vilprozessordnung [ZPO] erforderlichen Voraussetzungen für den Erlass einer einst-
weiligen Anordnung nicht glaubhaft gemacht. Der Antrag ist auf eine - hier - im Er-
gebnis unzulässige Vorwegnahme der Hauptsache, nämlich die endgültige Erteilung
der Genehmigung gemäß Art. 5 Abs. 1 AbfVerbrVO, gerichtet. Selbst wenn man den von
der anwaltlich vertretenen Antragstellerin gestellten Antrag dahingehend auslegt, dass
mit ihm lediglich die vorläufige Erteilung der begehrten Verbringungsgenehmi- gung bis
zum Abschluss des Hauptsacheverfahrens erstritten werden soll, ändert dies in der
Sache nichts daran, dass eine solche Entscheidung jedenfalls zeitweise die
Hauptsache vorwegnähme. Abgesehen davon, dass der Begriff der Vorwegnah- me der
Hauptsache auch die vorläufige und teilweise Verurteilung in der Hauptsache
miteinschließt, ergibt sich dies hier bereits daraus, dass eine Rückgängigmachung der
aufgrund vorläufig erteilter Genehmigung durchgeführten Abfallverbringungen und -
deponierung faktisch nicht in Betracht kommt.
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Dem Wesen und dem Zweck der einstweiligen Anordnung entsprechend darf das
Gericht im Verfahren nach § 123 VwGO nur vorläufige Regelungen treffen und dem
Antragsteller nicht das gewähren, was er nur im Hauptsacheverfahren erreichen kann.
Die einstweilige Anordnung dient nämlich nur der Sicherung von Rechten, nicht aber
ihrer Befriedigung.
10
Im Hinblick auf die Gewährung effektiven Rechtsschutzes durch Art. 19 Abs. 4 des
Grundgesetzes [GG] gilt dieses Verbot der Vorwegnahme der Hauptsache aller- dings
nicht ausnahmslos. Daher ist allgemein anerkannt, dass der die Hauptsache
vorwegnehmende Erlass einer einstweiligen Anordnung in Betracht kommt, wenn dies
zur Gewährung effektiven Rechtsschutzes notwendig ist. Das ist etwa der Fall, wenn ein
Abwarten der Hauptsacheentscheidung ohne den Erlass der einstweiligen Anordnung
zu (schlechterdings) unzumutbaren Nachteilen für die Antragsteller füh- ren würde, die
auch bei einem Erfolg im Hauptsacheverfahren nicht mehr zu beseiti- gen wären.
11
Die Antragstellerin hat bereits keinen die Vorwegnahme der Hauptsache rechtfer-
tigenden Anordnungsgrund glaubhaft gemacht. Die in der Antragsschrift einzig ange-
führten "erheblichen wirtschaftlichen Nachteile" sind weder wenigstens ansatzweise
ihrem Ausmaß nach umrissen, noch auch nur grob in ihren Folgen für die Antragstel-
lerin gekennzeichnet worden. Für die Beurteilung der Zumutbarkeit dieser behaupte- ten
Nachteile für die Antragstellerin fehlt es mithin an tragfähigen Anhaltspunk- ten.
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Auch abgesehen hiervon bleibt dem gestellten Antrag der Erfolg versagt. Als weitere
Voraussetzung für den Erlass einer die Hauptsache vorwegnehmenden einstweiligen
Anordnung muss nämlich ein hoher Grad an Wahrscheinlichkeit für einen Erfolg im
Hauptsacheverfahren hinzukommen. Dieser ist nur dann gegeben, wenn zum Zeitpunkt
der Entscheidung über den Anordnungsantrag mit überwiegender Wahrscheinlichkeit
damit gerechnet werden kann, dass der Antragsteller auch im Hauptsacheverfahren
obsiegen wird, dieses mithin aller Voraussicht nach erfolgreich für ihn abgeschlossen
werden wird.
13
Daran fehlt es hier nach der in Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes allein
möglichen und zulässigen summarischen Überprüfung der Sach- und Rechtslage.
14
Bei summarischer Prüfung kann nicht mit hinreichender Sicherheit festgestellt werden,
dass die erstrebte Genehmigung der Antragstellerin zwingend zu erteilen sein wird, weil
sie darauf einen Anspruch hätte. Es ist derzeit vielmehr nicht ausgeschlossen, dass der
Antragstellerin die Abfallverbringungsgenehmigung rechtmäßig versagt werden kann,
so dass der Ausgang des (anhängigen) Hauptsacheverfahrens nicht mit einer die
Vorwegnahme der Hauptsache rechtfertigenden Wahrscheinlichkeit gewiss ist.
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Eine rechtmäßige Versagung der Genehmigung kann sich bei summarischer Prüfung
allerdings nicht auf den von der Antragsgegnerin erhobenen Einwand nach Art. 4 Abs. 3
lit. c) erster Spiegelstrich AbfVerbrVO stützen, dass also die Verbringung nicht gemäß
den einzelstaatlichen Rechts- und Verwaltungsvorschriften zum Schutz der Umwelt, zur
Wahrung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung oder zum Schutz der Gesundheit
erfolge. Dem steht - unabhängig von der tatsächlichen Beschaffenheit der
abzulagernden Abfälle - bereits entgegen, dass dem Landrat des Kreises E. für die zur
Ablagerung in Aussicht genommene Deponie I. aufgrund des (soweit ersichtlich
bestandskräftigen) Bescheides der Antragsgegnerin vom 28. November 2002 für den
hier in Rede stehenden Verbringungszeitraum auch für die "Ablagerung von Abfällen
mit hohen organischen Anteilen, die die Anforderungen an Abfälle gemäß Anhang 1
und Anhang 2 der Ablagerungsverordnung nicht erfüllen", die Zulassung erteilt worden
ist. Einschränkungen betreffend die Herkunft des Abfalles o.ä. lassen sich dem
Bescheid nicht entnehmen. Ist aber die Abfallablagerung auf dieser Deponie in der
vorgesehenen Weise - offenbar gestützt auf Art. 6 Abs. 2 der Verordnung über die
umweltverträgliche Ablagerung von Siedlungsabfällen vom 20. Februar 2001 (BGBl. I S.
305), zuletzt geändert durch Verordnung vom 24. Juli 2002 (BGBl. I S. 2807) [AbfAblVO]
- nach wie vor zugelassen, so kann bei summarischer Prüfung ein Verstoß gegen die in
Art. 4 Abs. 3 lit. c) erstem Spiegelstrich AbfVerbrVO genannten Vorschriften nicht
festgestellt werden. Dahingestellt bleiben kann deshalb, ob Einwände auf diese
Vorschrift ohnehin nur dann gestützt werden können, wenn und soweit - anders als hier -
der Verstoß gegen transportbezogene Vorschriften, nicht aber solche bezüglich der Art
der Beseitigung, in Rede steht.
16
So etwa Dieckmann, in: Fluck, Jürgen [Hrsg.], Kreislaufwirt- schafts-, Abfall- und
Bodenschutzrecht, Kommentar (Stand: 47. Ergänzungslieferung, November 2003), Art. 4
AbfVerbrVO, Rn. 96 sowie - für Art. 7 Abs. 4 lit. a) zweiter Spiegelstrich Abf- VerbrVO -
Verwaltungsgericht (VG) Magdeburg, Beschluss vom 18. Juli 1997 - B 1 K 440/97 -,
NVwZ 1998, 1214, 1215. Anders freilich der von der LAGA-Vollversammlung im
September 1995 den Ländern zur Einführung empfohlene "Entwurf einer Muster-
verwaltungsvorschrift zum Abfallverbringungsgesetz und zur AbfVerbrVO", 2.2.7.
17
Bei summarischer Prüfung kann ungeachtet dessen jedoch nicht mit einer die
Vorwegnahme der Hauptsache rechtfertigenden Sicherheit angenommen werden, dass
die Antragstellerin einen Anspruch auf die begehrte Genehmigung hat.
18
Das kann zunächst nicht daraus geschlossen werden, dass die Antragsgegnerin
"Einwände" nur auf der Grundlage von Art. 4 Abs. 3 lit. c) erster Spiegelstrich
AbfVerbrVO erhoben hat. Diese Beschränkung der Begründung der Genehmigungs-
versagung führt hier nicht zu einem Ausschluss anderer Versagungsgründe, so dass mit
der nach summarischer Prüfung für das vorläufige Verfahren erfolgten gerichtlichen
Ausräumung des erhobenen Einwands nicht etwa schon der Erfolg der Antragstellerin
im Hauptsacheverfahren feststünde bzw. mit einer die Vorwegnahme der Hauptsache
rechtfertigenden Wahrscheinlichkeit vorherzusagen wäre.
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Hierbei soll dahingestellt bleiben, ob sich insoweit Auswirkungen daraus ergeben, dass
die Antragsgegnerin ausweislich ihres Bescheides vom 10. November 2003
"Einwände" (also Plural) erhoben hat, die sie freilich näher bestimmt und damit wohl
auch eingegrenzt hat durch Angabe nur einer einzigen Rechtsgrundlage für nur einen
Einwand, nämlich Art. 4 Abs. 3 lit. c) erster Spiegelstrich AbfVerbrVO, abgesehen
davon, dass die Einwände nach Art. 4 Abs. 3 AbfVerbrVO auch mit Gründen zu
versehen sind.
20
Aus der Beschränkung auf einen Einwand, der sich später als rechtswidrig herausstellt,
folgt unabhängig von diesem eher formalen Gesichtspunkt der Erhebung von
"Einwänden" nicht, dass die Antragsgegnerin mit weiteren Einwänden ausgeschlossen
wäre. Das ergibt sich - ungeachtet der Frage, ob durch die Einwandserhebung und den
Versuch der Antragstellerin, den erhobenen Einwand auszuräumen, ohnehin die 30-
Tage-Frist gehemmt worden ist - aus folgendem:
21
Die Antragstellerin hat bei summarischer Prüfung eine Verbringung von Abfällen zur
Beseitigung notifiziert; dies ist bislang von den Beteiligten auch übereinstimmend so
gesehen worden.
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Hieran könnten freilich Zweifel deshalb bestehen, weil auf dem Notifizierungsbogen (Bl.
41 im Verwaltungsvorgang der Antragsgegnerin) sub 3 B ii "operazione di recupero"
(Verwertung) - und konsequent auch C - angekreuzt worden ist. Dieser Erklärung durch
Ankreuzen, eine Verbringung zur Verwertung notifizieren zu wollen, widerspricht jedoch
die explizite Angabe sub 9, wo mit "D 8" ein Beseitigungsverfahren benannt wird. Bei
summarischer Prüfung spricht jedoch - ungeachtet der zutreffenden Rechtsauffassung,
dass grundsätzlich eine "Korrektur" des von der notifizierenden Person gewählten
Verfahrens durch eine zuständige Behörde nicht in Betracht kommt (vgl.
Verwaltungsgerichtshof (VGH) Baden-Württemberg, Urteil vom 25. Januar 2001 - 10 S
822/99 -) - mehr dafür als dagegen, maßgeblich auf die Angabe des Verfahrens
abzustellen und hinsichtlich der hierzu in Widerspruch stehenden Erklärung unter Punkt
3 des Notifizierungsbogens von einem "Inhaltsirrtum" auszugehen. Hier soll deshalb
dahingestellt bleiben, ob die Antragsgegnerin noch rechtmäßig etwa den sogenannten
Einwand des falschen Verfahrens erheben könnte (insoweit ablehnend Europäischer
Gerichtshof (EuGH), Urteil vom 27. Februar 2002, Rs. C-6/00, Sammlung der
Rechtsprechung des Gerichtshofes und des Gerichts erster Instanz (Slg.), 2002, I-1986,
2004, Rn. 49).
23
Für eine Verbringung von Abfällen zur Beseitigung finden die Regelungen der Art. 3 bis
5 AbfVerbrVO Anwendung. Einwände gegen und Auflagen für die Verbringung müssen
sich gemäß Art. 4 Abs. 2 lit. c) AbfVerbrVO nach Abs. 3 dieser Vorschrift richten.
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Der zuständigen Behörde am Versandort und der für die Durchfuhr zuständigen
Behörde setzt Abs. 2 lit. b) der Vorschrift eine explizite zeitliche Grenze ("... können
innerhalb von 20 Tagen nach Absendung der Empfangsbestätigung Einwände
erheben.") Für die zuständige Behörde am Bestimmungsort - wie hier die
Antragsgegnerin - statuiert Abs. 2 lit. a) der Vorschrift "nur", dass sie "innerhalb einer
Frist von 30 Tagen nach der Absendung der Empfangsbestätigung entscheiden (muss),
ob sie die Verbringung mit oder ohne Auflagen genehmigt, oder die Genehmigung
verweigert." Damit wird der zuständigen Behörde am Bestimmungsort eine
Entscheidungsfrist gesetzt, der notifizierenden Person ein Anspruch auf Entscheidung
innerhalb dieser Frist gegeben. Die Verknüpfung der von der zuständigen Behörde am
Bestimmungsort zu treffenden Entscheidung mit dem System der Einwände folgt aus
Art. 4 Abs. 2 lit. a) Satz 3 AbfVerbrVO, wo es heißt: "Sie erteilt die Genehmigung nur,
sofern keine Einwände ihrerseits oder von seiten der anderen zuständigen Behörden
bestehen." Schon nach dem Wortlaut kommt es für die Genehmigungsverweigerung
entscheidend darauf an, dass Einwände "bestehen", nicht etwa darauf, dass sie
erhoben worden sind. Wie soeben dargestellt, wird der zuständigen Behörde am
Versandort und der für die Durchfuhr zuständigen Behörde eine Frist zur Erhebung
bestehender Einwände gesetzt, nicht aber der zuständigen Behörde am
Bestimmungsort, die innerhalb der ihr gesetzten Frist "lediglich" über die
Genehmigungserteilung entscheiden muss, wobei sie ihre Entscheidung auf
bestehende (also von den anderen Behörden erhobene oder bei ihr selbst im
Entscheidungszeitpunkt bestehende) Einwände zu stützen hat. Nicht ersichtlich ist, dass
die zuständige Behörde am Bestimmungsort hierbei rechtlich gezwungen wäre, ihre
Ablehnung ausdrücklich auf sämtliche bestehenden Einwände zu stützen. Auch die
nach Abs. 4 der Vorschrift der notifizierenden Person gewährte Möglichkeit, erhobene
Einwände auszuräumen, steht dieser Auslegung nicht entgegen, wenngleich die
Formulierung "bestehen" auch darauf zurückzuführen sein dürfte, dass im Laufe des
Verfahrens erhobene aber ausgeräumte Einwände der Genehmigungserteilung eben
nicht entgegenstehen sollten. Aus Abs. 4 der Vorschrift ergibt sich nämlich keine
rechtliche Verpflichtung der zuständigen Behörde am Bestimmungsort, der
notifizierenden Person bestehende Einwände in jedem Fall vorab "zur Ausräumung"
mitzuteilen. Dies folgt daraus, dass der Verordnungsgeber für Auflagen
25
- N.B.: für Auflagen der zuständigen Behörden am Versandort und der für die Durchfuhr
zuständigen Behörden, wie sich aus der sprachlichen Verknüpfung "diese" in Art. 4 Abs.
2 lit. d) Satz 2 AbfVerbrVO ergibt -
26
in Art. 4 Abs. 2 lit. d) Satz 2 AbfVerbrVO eine entsprechende Regelung getroffen hat und
eine solche Anordnung in Abs. 4 der Vorschrift fehlt.
27
Differenzierend Dieckmann, in: Fluck, Jürgen [Hrsg.], Kreislaufwirtschafts-, Abfall- und
Bodenschutzrecht, Kommentar (Stand: 47. Ergänzungslieferung, November 2003), Art. 4
AbfVerbrVO, Rn. 30.
28
Es ergibt sich des weiteren auch im Umkehrschluss aus Art. 4 Abs. 2 lit. b) Satz 3
AbfVerbrVO, der bezogen auf die von der zuständigen Behörde am Versandort und von
der für die Durchfuhr zuständige Behörde erhobenen Einwände ausdrücklich anordnet,
29
dass diese der notifizierenden Person schriftlich mitgeteilt werden.
Vgl. zudem Art. 24 Abs. 4 Satz 2 AbfVerbrVO.
30
Entscheidende Stütze erfährt die hier vorgenommene Auslegung durch Art. 7 Abs. 2
AbfVerbrVO, also durch den Vergleich mit dem System für Abfälle zur Verwertung. Die
einschlägige Vorschrift lautet: "Die zuständige Behörde am Bestimmungsort und am
Versandort und die für die Durchfuhr zuständige Behörde können innerhalb einer Frist
von 30 Tagen nach der Absendung der Empfangsbestätigung Einwände gegen die
Verbringung erheben." Diese Ausgestaltung steht ersichtlich im Zusammenhang mit Art.
8 Abs. 1 Satz 1 AbfVerbrVO, der eine stillschweigende Genehmigung vorsieht: "Die
Verbringung darf nach Ablauf der 30tägigen Frist erfolgen, wenn keine Einwände
erhoben worden sind." Diese von Art. 3 bis 5 AbfVerbVO abweichende rechtliche
Konstruktion ist auf den die Abfallverbringung zur Verwertung mit größerem Gewicht
prägenden Grundsatz der Warenverkehrsfreiheit, Art. 28 f. Vertrag zur Gründung der
Europäi- schen Gemeinschaft [EG], zurückzuführen. Die prinzipiell unterschiedliche
Ausgestal- tung der Verfahren betreffend Abfälle zur Beseitigung einerseits und Abfälle
zur Verwertung andererseits lässt es in der Folge nicht zu, die einen Ausschluss
weiterer Einwände nach Fristablauf grundsätzlich bejahende Rechtsprechung
betreffend Abfälle zur Verwertung
31
vgl. etwa BVerwG, Urteil vom 13. März 2003 - 7 C 1.02 - und VGH Baden Württemberg,
Urteil vom 24. Juli 2001 - 10 S 2294/99 -,
32
auf die Fälle der beabsichtigten Verbringung von Abfällen zur Beseitigung zu
übertragen. Der vor allem durch Art. 8 Abs. 1 Satz 1 AbfVerbrVO begründete
Vertrauensschutz dahingehend, dass nach Ablauf einer 30-Tage-Frist keine Einwände
mehr gegen die Abfallverbringung erhoben werden können, besteht bezogen auf das
Verfahren bei der Notifizierung von Abfällen zur Beseitigung nicht. Bei diesem
Verfahren darf die notifizierende Person lediglich auf das Ergehen einer Entscheidung
überhaupt innerhalb der angeordneten Frist, nicht auf den Inhalt der Entscheidung
vertrauen. Ist also die Erteilung der Genehmigung abgelehnt worden, weil (überhaupt
irgendein) Einwand besteht bzw. erhoben worden ist, so ist damit das Vertrauen der
notifizierenden Person in eine (positive) Entscheidung zerstört.
33
A.A. - wenngleich ohne nähere Begründung und ohne ausdrückliche Behandlung des
Falles, dass von der zuständigen Behörde am Bestimmungsort ein Einwand erhoben
wird, der sich später als unzutreffend erweist und andere Einwände von derselben
Behörde hätten erhoben werden können - von Köller, Henning/Klett, Wolfgang/Konzak,
Olaf, EG- Abfallverbringungsverordnung, Berlin 1994, S. 83 f., Rn. 3.
34
Das Fristensystem der Notifizierungsvorschriften garantiert der notifizierenden Person
eben (nur), dass ihr Verbringungsvorhaben innerhalb der entsprechenden Fristen
geprüft wird und dass sie spätestens bei Fristablauf darüber unterrichtet wird, ob und
ggf. unter welchen Auflagen die Verbringung durchgeführt werden kann.
35
Vgl. EuGH, Urteil vom 13. Dezember 2001, Rs. C-324/99, Slg. 2001, I-9918, 9939, Rn.
70.
36
Die gegenteilige Auffassung würde auch für die Fälle der beabsichtigten Verbringung
von Abfällen zur Beseitigung zu dem Ergebnis führen, dass im Falle der Untätigkeit der
37
zuständigen Behörde am Bestimmungsort, wenn diese also innerhalb der 30-Tage-Frist
keine Entscheidung trifft, die Verbringungsgenehmigung zwingend - ungeachtet
etwaiger, gegebenenfalls auch offensichtlicher Versagungsgründe - zu erteilen wäre.
Eine derart einschneidende Rechtsfolge bedürfte ausdrücklicher gesetzlicher
Anordnung und würde letztlich zum gleichen Ergebnis führen wie die
"Verschweigensfiktion" des Art. 8 Abs. 1 Satz 1 AbfVerbrVO, so dass der Sinn der
unterschiedlichen rechtlichen Regelung nicht mehr verständlich wäre.
Es ist deshalb derzeit bei summarischer Prüfung nicht mit einer die Vorwegnahme der
Hauptsache rechtfertigenden Gewissheit auszuschließen, dass der Antragstellerin die
Abfallverbringungsgenehmigung noch rechtmäßig versagt werden kann.
38
In Betracht kommt etwa ein Einwandsgrund gemäß Art. 4 Abs. 3 lit. b) AbfVerbrVO. Da
das Berufen auf diese Einwandsgründe in das Ermessen der zuständigen Behörde
(hier) am Bestimmungsort gestellt ist, kann im vorläufigen Verfahren nicht mit die
Vorwegnahme der Hauptsache rechtfertigender Sicherheit ausgeschlossen werden,
dass derartige, durch verschiedentliche Bezugnahme auf Art. 5 AbfRRl bereits
angedeutete Einwände auch formal noch rechtmäßig erhoben werden. Es kann nämlich
bei summarischer Prüfung nicht festgestellt werden, dass das rechtmäßige Berufen auf
einen der in Art. 4 Abs. 3 lit. b) AbfVerbrVO genannten Einwandsgründe aller
Voraussicht nach ausgeschlossen ist, so dass die Antragsgegnerin die beantragte
Genehmigung zwingend zu erteilen hätte.
39
Nicht mit einer die Vorwegnahme der Hauptsache rechtfertigenden Sicherheit
auszuschließen ist hier etwa die Berufung auf das Prinzip der "Entsorgungsautarkie"
gemäß Art. 4 Abs. 3 lit. b) i) AbfVerbrVO. Voraussetzung für diesen Behördeneinwand
ist, dass die Verbringung nicht gemäß der Richtlinie 75/442/EWG -
Abfallrahmenrichtlinie [AbfRRl] -, insbesondere den Art. 5 und 7, erfolgt. Nach Art. 5 Abs.
2 AbfRRl muss das nach Abs. 1 dieser Vorschrift zu schaffende Netz von
Beseitigungsanlagen so beschaffen sein, dass Abfälle in einer der am nächsten
gelegenen geeigneten Entsorgungsanlagen beseitigt werden. Bedenken insoweit - die
eine die Hauptsache vorwegnehmende Entscheidung im vorläufigen Verfahren nicht
zulassen - ergeben sich vorliegend bereits daraus, dass die Antragstellerin unter dem
13. Oktober 2003 erklärt hat, die neue Entsorgungsanlage in Mailand werde
voraussichtlich nicht vor Juni/September 2004 fertiggestellt sein, jedoch einen
beabsichtigten Verbringungszeitraum bis zum 14. November 2004 notifiziert hat. Somit
kann nicht ausgeschlossen werden, dass eine Verbringung von Abfällen über den
Zeitpunkt hinaus beabsichtigt ist, zu dem der vorübergehende Ausfall der
entsprechenden Mailänder Entsorgungseinrichtung bereits beendet ist. Überdies und
vor allem ist nicht geltend gemacht, dass andere Entsorgungsmöglichkeiten im
Herkunftsgebiet nicht bestehen. Vor diesem Hintergrund wird die Antragsgegnerin im
Hauptsacheverfahren die Frage aufwerfen dürfen, ob eine Verbringung von 400 t
Hausmüll täglich von Südeuropa nach Westeuropa über eine Entfernung von 860 bzw.
1.200 km mit dem Grundsatz der Entsorgungsautarkie vereinbar ist.
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Offenbleiben kann in diesem Zusammenhang, ob mit ähnlichen Erwägungen auch die
Berufung auf das "Näheprinzip" im Hauptsacheverfahren rechtmäßig der erstrebten
Verbringungsgenehmigung entgegengesetzt werden können wird.
41
Ablehnend etwa von Köller, Henning/Klett, Wolfgang/Konzak, Olaf, EG-
Abfallverbringungsverordnung, Berlin 1994, S. 88, Rn. 17, mit weiteren Nachweisen
42
auch zur Gegenauffassung; vgl. des weiteren Dieckmann, in: Fluck, Jürgen [Hrsg.],
Kreislaufwirtschafts-, Abfall- und Bodenschutzrecht, Kommentar (Stand: 47.
Ergänzungslieferung, November 2003), Art. 4 AbfVerbrVO, Rn. 76 ff., 84 ff.
Eine die Hauptsache vorwegnehmende einstweilige Erteilung der beantragten
Verbringungsgenehmigung durch das Gericht kommt überdies auch deshalb nicht in
Betracht, weil bei der im vorliegenden Verfahren nur gebotenen und zulässigen
summarischen Prüfung nicht geklärt werden kann, ob und welche Auflagen mit der
Genehmigung zu verknüpfen sind. Nach dem vorgelegten Verwaltungsvorgang der
Antragsgegnerin hatte diese insoweit beispielsweise - nicht mit einer die Vorwegnahme
der Hauptsache rechtfertigenden Sicherheit als unrechtmäßig zu wertende -
Überlegungen hinsichtlich der Beschränkung auf nur einen Transportweg unter
Berufung auf Art. 28 AbfVerbrVO angestellt, wobei hier dahingestellt bleiben soll, ob und
wie eine diesen Gedanken aufnehmende Auflage mit Art. 4 Abs. 2 lit. c) AbfVerbrVO in
Einklang gebracht werden kann.
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Angesichts der aufgezeigten Bedenken kann gegenwärtig jedenfalls nicht festgestellt
werden, dass die Antragstellerin einen Anspruch auf die begehrte Genehmigung hat
und ihre Klage aller Voraussicht nach Erfolg haben wird.
44
Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 154 Abs. 1 und 3, 162 Abs. 3 VwGO. Es entspricht
nicht billigem Ermessen, die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen für
erstattungsfähig zu erklären, da diese keinen Sachantrag gestellt und sich damit auch
nicht einem eigenen Kostenrisiko ausgesetzt hat.
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Die Entscheidung über den Streitwert beruht auf §§ 20 Abs. 3, 13 Abs. 1 Satz 1 GKG.
Danach war zunächst zugrundezulegen, dass die Antragstellerin gemäß Schreiben der
Azienda milanese servizi ambientali s.p.a. vom 25. Februar 2003 (Bl. 49 f. im
Verwaltungsvorgang der Antragsgegnerin) EUR 121,50 pro Tonne eingesammelten,
verbrachten und entsorgten Abfalles erhält. Für die notifizierten 70.000 Tonnen ergibt
sich dementsprechend ein Betrag von EUR 8.505.000,00. Mangels anderer
Anhaltspunkte schätzt das Gericht das letztliche wirtschaftliche Interesse der
Antragstellerin auf einen abzüglich sämtlicher Unkosten etc. verbleibenden Nettogewinn
von ungefähr 20 vom Hundert. Daraus ergibt sich der festgesetzte Betrag von EUR
1.701.000,00. Da der Antrag auf eine Vorwegnahme der Hauptsache gerichtet war,
bestand für eine Reduzierung wegen des vorläufigen Charakters des vorliegenden
Verfahrens kein Anlass.
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