Urteil des VG Köln vom 30.06.2005

VG Köln: ausführung, bwl, hauptsache, befreiung, erlass, anfechtungsklage, geldersatz, original, bundespolizei, kostenersatz

Verwaltungsgericht Köln, 20 K 490/04
Datum:
30.06.2005
Gericht:
Verwaltungsgericht Köln
Spruchkörper:
20. Kammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
20 K 490/04
Tenor:
Soweit der Rechtsstreit übereinstimmend für in der Hauptsache erledigt
erklärt worden ist, wird das Verfahren eingestellt. Im Übrigen wird der
Leistungsbescheid des Grenzschutzpräsidiums West vom 14. Juli 2003
in der Gestalt seines Widerspruchsbescheides vom 13. September 2004
hinsichtlich der dort unter Ziffern 1) und 2) aufgeführten
Kostenpositionen aufgeho- ben.
Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.
T a t b e s t a n d Am 13. November 2002, in der Zeit von 11.00 Uhr bis 13.15 Uhr hatte
sich der Klä- ger gemeinsam mit Herrn T. (dem Kläger des Verfahrens 20 K 3167/04) im
Raum M. -E. , Bahnkilometer 000,0, zum Zwecke der Behinderung eines "Castor-
Transportes" durch Anketten mit dem Bahngleis verbunden.
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Durch Leistungsbescheid vom 14. Juli 2003 - zugestellt gegen Postzustellungs- urkunde
am 16. Juli 2003 - machte die Beklagte für den Einsatz von Polizeivollzugs- beamten
und Material insgesamt 1.582,15 Euro gegenüber dem Kläger geltend. We- gen der
Einzelheiten wird auf Bl. 31 ff. der Beiakte 1 Bezug genommen. Als Rechts- grundlage
bezog sich die Beklagte auf § 19 Abs. 2 des Bundesgrenzschutzgesetzes (BGSG)
sowie die "Bestimmungen über wirtschaftliche Leistungen des Bundes- grenzschutzes
zugunsten Dritter (BWL-BGS)".
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Am 18. August 2003 legte der Kläger Widerspruch ein, den er damit begründete, dass
es sich bei den Kosten um solche handele, die durch die Aufrechterhaltung und
Unterhaltung der Polizeiorganisation bedingt seien. Nennenswerte Mehrkosten, die
nicht allgemeine Polizeikosten wären, seien nicht geltend gemacht worden.
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Durch Widerspruchsbescheid vom 15. Dezember 2003 - zugestellt gegen Post-
zustellungsurkunde am 17. Dezember 2003 - wies die Beklagte den Widerspruch als
unzulässig, da verfristet, zurück.
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Am 19. Januar 2004 hat der Kläger Klage erhoben.
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Zur Begründung trägt er vor: Angesichts der Tatsache, dass er und sein Mitde-
monstrant an einer Versammlung teilgenommen hätten, die vor dem Tätigwerden der
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Beklagten nicht aufgelöst worden sei, aber angesichts des Schutzes der Versamm- lung
aus Artikel 8 GG zunächst hätte aufgelöst werden müssen, stelle sich bereits das
Einschreiten der Beklagten und dementsprechend auch die darauf gestützte
Kostenerhebung als rechtswidrig dar. Abgesehen davon bestehe der geltend ge-
machte Erstattungsanspruch der Beklagten dem Grunde nach nicht, weil kein An-
wendungsfall des § 19 Abs. 2 BGSG gegeben sei. Dieser rechtfertige nämlich nur das
In-Rechnung-Stellen solcher Kosten, die als Fremdkosten zusätzlich auf die Be- hörde
zugekommen seien und nicht solcher Kosten, die anlässlich der schlichten
Dienstausübung der Polizeivollzugsbeamten im Einsatz entstünden. Diese Personal-
kosten der Beamten seien nämlich nicht durch den Einsatz bedingt, sondern durch die
Tatsache, dass die Beamten aufgrund ihres Dienstverhältnisses einen öffentlich-
rechtlichen Alimentationsanspruch gegen die Anstellungskörperschaft hätten. Eigen-
aufwendungen der öffentlichen Verwaltung könnten nur über den Weg von Gebüh-
renansprüchen überbürdet werden. Dafür bedürfe es jedoch einer Gebührenordnung, in
der gebührenpflichtige Handlung und Gebührenanspruch genau bezeichnet wer- den
müsse. Eine solche Gebührenordnung existiere für den Bundesgrenzschutz je- doch
nicht und werde auch nicht durch die BWL-BGS ersetzt. Hinsichtlich etwaiger
Sachkosten sei der Leistungsbescheid nicht nachvollziehbar. Soweit der Beklagten
Fremdkosten entstanden seien, habe sie im Rahmen des ihr durch § 19 Abs. 2 BGSG
eingeräumten Ermessens zunächst zu prüfen, ob und inwieweit sie diese bei einem
möglichen Verursacher geltend machen solle. Hierbei sei Art. 8 GG unzurei- chend
berücksichtigt worden. Hilfsweise werde die Höhe der geltend gemachten
Personalkosten bestritten, da tatsächlich nur zwei oder drei Beamte mit den techni-
schen Verrichtungen beschäftigt und auch nur abwechselnd in der Nähe des Klägers
gewesen seien. Außerdem sei der Kläger im Ergebnis nicht von Einsatzkräften der
Beklagten, sondern durch Bahnmitarbeiter von der Schiene entfernt worden. Das von
den Beamten der Beklagten eingesetzte Mittel, nämlich das Aufschneiden der Schie-
ne, um den Kläger unter der angehobenen Schiene auszufädeln, sei unnötig auf-
wändig gewesen.
Durch Widerspruchsbescheid vom 13. September 2004 hat die Beklagte den Wi-
derspruchsbescheid des Grenzschutzpräsidums West vom 15. Dezember 2003 auf-
gehoben und den Widerspruch des Klägers vom 14. August 2003 als unbegründet
zurückgewiesen. Wegen der Einzelheiten wird auf Blatt 43 ff. der Gerichtsakte Bezug
genommen.
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In der mündlichen Verhandlung haben die Beteiligten den Rechtsstreit hinsichtlich der
Positionen 3 und 4 des angefochtenen Leistungsbescheides übereinstimmend für in der
Hauptsache erledigt erklärt.
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Der Kläger beantragt,
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den Leistungsbescheid des Grenzschutzpräsidums West vom 14. Juli 2003 in der
Gestalt seines Widerspruchsbescheides vom 13. Sep- tember 2004 aufzuheben.
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Die Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Sie vertritt die Auffassung, der Kläger, als Verantwortlicher im Sinne des § 17 BGSG,
habe nach § 19 Abs. 2 BGSG die Kosten der unmittelbaren Ausführung der Maßnahme
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des Bundesgrenzschutzes am 13. November 2002 zu leisten. Die Art der Trennung von
dem Bahngleis habe sich deshalb als zwingend dargestellt, weil die Angaben des
Klägers sowie von Herrn T. , in der Armröhre befinde sich eine brennbare Flüssigkeit,
durch Untersuchung mittels Endoskop sich nicht habe entkräften lassen. Die
Gleisstrangöffnung sei durch Polizeivollzugsbeamte der Beklagten durchgeführt
worden, die hinzugezogenen Mitarbeiter der Deutschen Bahn seien lediglich zur
fachlichen Beratung und Unterstützung benötigt worden. Die Kosten seien
entsprechend der vorgelegten Auflistung entstanden. Der Einsatz der Beamten in dieser
Zahl sei auch notwendig gewesen, um die Maßnahme sachgerecht und zügig
durchführen zu können. Es handele sich um Personalmehr- kosten, da bei Unterbleiben
der Störaktion durch den Kläger die Spezialkräfte des Bundesgrenzschutzes nicht
hätten herangezogen werden müssen. Der Gesichts- punkt, dass die Beamten
unabhängig von ihrer Tätigkeit am Tag des Einsatzes hätten entlohnt werden müssen,
sei rechtlich nicht erheblich, da die Beklagte ohne die Störung durch den Kläger die
Beamten zu anderen Dienstleistungen hätten einsetzen können. Berücksichtigt werden
müsse auch, dass eine Befreiung des Klägers durch externe Kräfte voraussichtlich
erheblich teurer gewesen wäre.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird ergänzend auf den
Inhalt der von der Beklagten vorgelegten Verwaltungsvorgänge im hiesigen Verfahren
sowie im Verfahren 20 K 3167/04 und die entsprechenden Gerichtsakten Bezug
genommen.
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E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
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Soweit die Beteiligten den Rechtsstreit für in der Hauptsache erledigt erklärt haben, ist
das Verfahren in entsprechender Anwendung des § 92 Abs. 3 Satz 1 VwGO
einzustellen.
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Im übrigen ist die - auch im Hinblick auf die erfolgte Klageänderung - zulässige
Anfechtungsklage (§ 42 Abs. 1 Satz 1 Alternative 1 VwGO) begründet.
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Soweit nach der teilweisen übereinstimmenden Erklärung des Rechtsstreits in der
Hauptsache für erledigt noch über die Rechtmäßigkeit des Leistungsbescheides des
Grenzschutzpräsidiums West vom 14. Juli 2003 in der Gestalt seines
Widerspruchsbescheides vom 13. September 2004 zu entscheiden war, nämlich
hinsichtlich der Positionen 1 und 2, ist dieser rechtswidrig und verletzt den Kläger in
seinen Rechten, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO. § 19 Abs. 2 BGSG, auf den die Beklagte
die angefochtenen Verwaltungsakte allein gestützt hat, ist keine
Ermächtigungsgrundlage zur Geltendmachung der in den Punkten 1 und 2 des
angefochtenen Leistungsbescheides aufgeführten Kostenpositionen des
Bundesgrenzschutzes (heute: Bundespolizei, im Folgenden: BGS) gegenüber dem
Kläger.
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Nach § 19 Abs. 2 Satz 1 BGSG besteht eine Ersatzverpflichtung für dem BGS durch die
unmittelbare Ausführung einer Maßnahme entstandene Kosten. Diese Vorschrift
statuiert nach ihrem eindeutigen Wortlaut ("entstehen ... durch die unmittelbare
Ausführung einer Maßnahme Kosten...." - Hervorhebungen nicht im Original), dass sich
die ersatzfähigen Kosten aus der konkreten unmittelbaren Ausführung ergeben müssen.
Sie formuliert damit den Grundgedanken, dass (nur) die durch die konkrete
Gefahrenabwehr entstandenen Mehrkosten des BGS geltend gemacht werden können.
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Geschuldet wird danach etwa Geldersatz für verbrauchtes Material, Kostenersatz für die
Beauftragung eines Dritten etc. Der BGS kann unter Umständen sogar seine
Personalmehrkosten - z.B. für Überstunden - geltend machen.
So etwa Heesen/Hönle/Peilert, BGSG, Kommentar, 4. Aufl. 2002, § 19, Rn. 11; vgl. auch
Lisken/Denninger, Polizeirecht, 3. Auflage, S. 1067.
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Um solche Mehrkosten handelt es sich bei denen in Punkt 1 und 2 des
Leistungsbescheides aufgeführten Positionen indes nicht. Begrifflich kann es sich bei
Mehrkosten nur um solche Kosten handeln, die bei "normalem Dienstbetrieb" nicht
ohnehin angefallen wären. Die hier geltend gemachten Kosten sind aber nicht konkret
durch die "Befreiung" des Klägers entstanden, sondern aufgrund der Vorhaltung des
Beamtenapparates. Zumindest hat die Beklagte nicht substantiiert dartun können, dass
etwa Überstundenvergütungen angefallen oder eine kostenmäßig gesondert
ausweisbare Expertenheranziehung erforderlich gewesen wäre. Vielmehr war das zum
Einsatz gekommene Personal des BGS ohnehin in der Nähe des Einsatzortes, so dass
es sich bei den geltend gemachten Kosten um "Sowieso-Kosten" handelt. Daran ändert
nach Auffassung des Gerichts auch nichts, dass die Einsatzleitung des BGS im Hinblick
auf Erfahrungen mit vorangegangenen "Castor-Transporten" das entsprechende
Personal ("Technischer Einsatzdienst (schwer)") bereits zuvor aus taktischen
Erwägungen nahe des späteren Einsatzortes zusammengezogen hatte. Dies belegt
vielmehr, dass die entsprechenden Kosten dem BGS auch ohne einen späteren Einsatz
der Beamten zur Befreiung des Klägers entstanden wären.
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Zu keinem anderen Ergebnis führt, dass unter den Begriff der "Kosten" im Sinne des §
19 Abs. 2 BGSG auch die Kosten im Sinne des Kostenrechts (also Gebühren und
Auslagen, vgl. § 1 Abs. 1 VwKostG) fallen dürften.
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So etwa Heesen/Hönle/Peilert, a.a.O., § 19 Rn. 11.
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Für die hier allein in Betracht kommenden Gebühren müssen nach § 4 VwKostG feste
Sätze oder Rahmensätze etwa in einer Gebührenordnung festgelegt sein. An einer
derartigen Kostenordnung fehlt es jedoch vorliegend.
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Anders als in dem von der Beklagten vorgelegten Fall einer Abschleppmaßnahme im
Wege der Ersatzvornahme, der der Entscheidung des Hamburgischen
Oberverwaltungsgerichts vom 29. Mai 1986 - II 6/86 - zugrundelag.
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Die von der Beklagten vorgelegten BWL-BGS vermögen weder von ihrer Rechtsnatur,
noch von ihrer Zielsetzung her eine Kostenordnung zu ersetzen. Bei den BWL-BGS
handelt es sich nämlich um einen Erlass des Bundesministeriums des Innern, in dem
lediglich eine Kostenerstattung für die Überlassung von Material und Personal des BGS
an Dritte für Einsätze außerhalb des engeren gesetzlich bestimmten Aufgabenrahmens
des BGS geregelt ist.
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Vgl. etwa Grundsätze 1.2, 2.2 und 5.2.2 der BWL-BGS. Vgl. insgesamt auch VG
Bremen, NVwZ-RR 1996, 29, 31 sowie Karsten Fehn, Probleme bei der
Geltendmachung von Polizeikosten, insbesondere durch den Bundesgrenzschutz,
vorgelegt vom Prozessbevollmächtigten des Klägers, veröffentlicht in: Polizeijournal
2001, 11 ff.
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Rechtlich ohne Auswirkung bleibt, dass die Beklagte wohl zutreffend darauf verweist,
dass die (Mehr-)Kosten einer Befreiung des Klägers durch einen Dritten höher
ausgefallen wären, denn diese Überlegung vermag weder eine Kostenordnung für den
BGS zu ersetzen, noch ändert sie etwas daran, dass die Personalkosten des BGS
sowieso entstanden wären.
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Andere Anspruchsgrundlagen hat die Beklagte nicht angeführt. Abgesehen da- von ist
auch keine Rechtsgrundlage ersichtlich, auf die der angefochtene Bescheid -
unabhängig von der dann weiter zu prüfenden Frage der Rechtmäßigkeit der
unmittelbaren Ausführung - gestützt werden könnte, zumal alles dafür spricht, dass § 19
Abs. 2 BGSG insoweit als abschließende Spezialnorm zu verstehen ist.
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Auf die Frage, ob die Maßnahme des BGS auch unter Berücksichtigung der
Erfordernisse aus Art. 8 GG rechtmäßig gewesen ist und auf die Frage, ob die
Zuständigkeit des Grenzschutzpräsidiums West für den Erlass des angefochtenen
Leistungsbescheides gegeben war, kam es sonach nicht mehr entscheidungserheblich
an.
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Die Kostenentscheidung beruht - soweit das Gericht in der Sache zu entscheiden hatte -
auf § 154 Abs. 1 VwGO. Soweit die Beteiligten den Rechtsstreit übereinstimmend in der
Hauptsache für erledigt erklärt hatten, entsprach es billigem Ermessen im Sinne von §
161 Abs. 2 VwGO, grundsätzlich den Kläger mit den Kosten zu belasten, da er sich
insoweit freiwillig in die Rolle des Unterlegenen begeben hat, indem er sich dazu bereit
erklärt hat, die Kostenpositionen 3 und 4 im angefochtenen Leistungsbescheid zu
begleichen. In Anwendung der Vorschrift des § 155 Abs. 1 Satz 3 VwGO konnte das
Gericht jedoch die Beklagte allein zur Kostentragung verpflichten.
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