Urteil des VG Köln vom 01.03.2007

VG Köln: markt, post, behörde, beurteilungsspielraum, unternehmen, kommission, zusammenschaltung, aufschiebende bedingung, veröffentlichung, betreiber

Verwaltungsgericht Köln, 1 K 3928/06
Datum:
01.03.2007
Gericht:
Verwaltungsgericht Köln
Spruchkörper:
1. Kammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
1 K 3928/06
Tenor:
Ziffer I. 3 des Bescheides der Bundesnetzagentur vom 29. August 2006
wird aufgehoben.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens tragen die Klägerin und die Beklagte je zur
Hälfte.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand:
1
Die Klägerin betreibt ein digitales zellulares Mobilfunknetz nach dem GSM- Standard
und dem UMTS-Standard.
2
Mit Bescheid vom 29. August 2006 ( ), zugestellt am 30. August 2006, entschied die
Bundesnetzagentur für Elektrizität, Gas, Telekommunikation, Post und Eisenbahnen
(Bundesnetzagentur - BNetzA) zum einen, dass - aufgrund der Festlegung durch ihre
Präsidentenkammer - die als "Betroffene" bezeichnete Klägerin auf dem bundesweiten
(Großkunden-)Markt für Anrufzustellungen in ihr Mobiltelefonnetz (D2-Netz) über
beträchtliche Marktmacht verfüge. Zum anderen beschloss die BNetzA:
3
"I.
4
R e g u l i e r u n g s v e r f ü g u n g
5
1. Die Betroffene wird dazu verpflichtet, Betreibern von öffentlichen Telefonnetzen
6
1.1 die Zusammenschaltung mit ihrem öffentlichen Mobiltelefonnetz am
Vermittlungsstandort der Betroffenen zu ermöglichen,
7
1.2 über die Zusammenschaltung Verbindungen in ihr Netz zu terminieren und
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1.3 zum Zwecke des Zugangs gemäß Ziffern 1.1 und 1.2 Kollokation sowie im Rahmen
dessen Nachfragern bzw. deren Beauftragten jederzeit Zutritt zu diesen Einrichtungen
zu gewähren.
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2. Die Betroffene wird dazu verpflichtet, dass Vereinbarungen über Zugänge nach Ziffer
1 auf objektiven Maßstäben beruhen, nachvollziehbar sind, einen gleichwertigen
Zugang gewähren und den Geboten der Chancengleichheit und Billigkeit genügen.
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3. Die Entgelte für die Gewährung des Zugangs und der Kollokation gemäß Ziffer 1
unterliegen der Genehmigung nach Maßgabe des § 31 TKG.
11
II.
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Der Betroffenen wird auferlegt, ein Standardangebot für Zugangsleistungen, zu deren
Angebot sie durch die in dieser Entscheidung ergangene(n) Regulierungsverfügung
verpflichtet worden ist und für die eine allgemeine Nachfrage besteht, innerhalb von drei
Monaten nach Bekanntgabe dieser Entscheidung zu veröffentlichen. Die Angaben zu
den Standorten des Zugangs bzw. der Kollokation müssen nicht veröffentlicht werden,
sie müssen nur auf Nachfrage interessierten Unternehmen zugänglich gemacht
werden."
13
Zur Begründung führte die BNetzA aus:
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Die sachlich relevanten Märkte entsprächen der von der EU-Kommission
ausgesprochenen Empfehlung für Markt 16 ("Anrufzustellung in einzelnen
Mobilfunktelefonnetzen"). Es handele sich mithin um die bundesweiten GSM- und
UMTS- Mobilfunknetze von U. , der Klägerin, F. und P. . Auf diesen
regulierungsbedürftigen relevanten Märkten für Anrufzustellung in das jeweilige
Mobiltelefonnetz verfüge das jeweilige Unternehmen über beträchtliche Marktmacht im
Sinne des § 11 TKG.
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Die Zusammenschaltungs- und Terminierungsverpflichtung seien der Klägerin nach §
21 Abs. 3 Nr. 2, Abs. 2 Nr. 1 TKG auferlegt worden. Ein Absehen von letzterer
Verpflichtung wäre den Interessen der Endnutzer zuwidergelaufen. Die Auferlegung der
Verpflichtung sei gerechtfertigt und stehe in einem angemessenen Verhältnis zu den
Regulierungszielen des § 2 Abs. 2 TKG. Die Kollokationsverpflichtung erfolge auf der
Grundlage von § 21 Abs. 3 Nr. 4 TKG. Sie sei geeignet, erforderlich und unter
Berücksichtigung des Kriterienkatalogs des § 21 Abs. 1 Satz 2 Nrn. 1 bis 7 TKG auch
angemessen. Rechtliche Grundlagen für das Diskriminierungsverbot seien die §§ 9 Abs.
2, 13 und 19 TKG.
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Die Entgelte für die auferlegten Zugangsverpflichtungen seien gemäß § 30 Abs.1 Satz 1
TKG der Vorabregulierung zu unterwerfen gewesen, weil die in § 30 Abs. 1 Satz 2 TKG
aufgeführten Voraussetzungen für ein Abweichen vom Genehmigungs- erfordernis nach
Satz 1 nicht vorlägen. Die nachträgliche Regulierung sei nämlich nicht ausreichend, um
die Regulierungsziele "Wahrung der Verbraucherinteressen" und "Sicherstellung eines
chancengleichen Wettbewerbs" (bezogen auf den Endkundenmarkt für
Mobilfunkdienste) zu erreichen. Die Verbraucherinteressen würden mittelbar durch die
Entgelte der Klägerin berührt, wenn diese überhöht seien, was dann der Fall sei, wenn
sie sich nicht an den Kosten der effizienten Leistungsbereitstellung (KeL) orientierten.
Durch eine nachträgliche Regulierung gemäß § 38 TKG könne die gebotene
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Kostenorientierung nicht ausreichend sichergestellt werden, weil insoweit nur eine
Missbrauchskontrolle dahin stattfinde, ob die Entgelte maßlos seien. Es sei auch nicht
ausreichend, dass die vereinbarten Entgelte voraussichtlich deutlich unter dem
Durchschnitt der regulierten Entgelte in der EU lägen. Denn die Spanne der regulierten
Entgelte sei zu groß. Der Umstand, dass die Entgelte bislang nicht beanstandet worden
seien, spreche nicht gegen die Auferlegung der Vorabregulierungspflicht. Die
Verbraucherinteressen würden durch die Entgelte der Klägerin auch deshalb wesentlich
betroffen, weil ein Netzbetreiber die Terminierung in das Netz der Klägerin einkaufen
müsse, um Verbindungen in das Mobilfunknetz der Klägerin anbieten zu können. Das
Terminierungsentgelt sei ein Teil seiner Kosten, die er - zumindest teilweise - an seine
Endkunden weitergebe. Erfahrungsgemäß führten spürbare Absenkungen der
(Vorleistungs-)Entgelte zu durchschnittlich niedrigeren Endkundenentgelten. Eine
Übergangsfrist zur Einführung der ex-ante-Regulierung sei nicht vorzusehen gewesen.
Die zehnwöchige Antragsfrist nach § 31 Abs. 5 TKG diene nicht dem Schutz des
regulierten Unternehmens, sondern demjenigen der Nachfrager. Ohnehin könne durch
eine vorläufige Anordnung gemäß § 130 TKG sichergestellt werden, dass die Klägerin
durch die sofortige Einführung der Genehmigungspflicht nicht um ihren Entgeltanspruch
gebracht werde. Zudem sei der Klägerin schon seit Februar 2006 bekannt, dass die
Einführung einer Genehmigungspflicht erwogen werde, weshalb sie hinreichend Zeit
zur Vorbereitung ihres Genehmigungsantrages gehabt habe. Die Pflicht zur Einräumung
einer Übergangsfrist folge auch nicht aus § 13 Abs. 1 Satz 1 TKG, der lediglich den
Widerruf einer Verpflichtung, nicht aber deren erstmalige Auferlegung regele.
Die Auferlegung der Verpflichtung zur Erstellung eines Standardangebotes folge aus §
23 Abs. 1 TKG.
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Die Klägerin hat am 31. August 2006 Klage erhoben. Sie trägt vor:
19
Die Klage sei insgesamt als Anfechtungsklage zulässig, da sämtliche Anordnungen der
Regulierungsverfügung sowie der Marktdefinition und -analyse Verwaltungsaktsqualität
hätten.
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Die Festlegungen zur Marktdefinition und -analyse des Marktes Nr. 16 seien bereits
rechtswidrig. Gegen die angewandte Marktabgrenzungsmethodik, die zur Festlegung
der einzelnen GSM- und UMTS-Mobilfunknetze der in Deutschland tätigen
Mobilfunknetzbetreiber als jeweils individuell sachlich relevante Märkte führe,
bestünden grundsätzliche Einwände; die besonderen Charakteristika der Nachfrage
nach Terminierungsleistungen würden nicht berücksichtigt. Schon aufgrund der
Reziprozitätsbeziehung beim Einkauf von Terminierungsleistungen unterscheide sich
die Situation bei der Verhandlung von Zusammenschaltungsverträgen fundamental von
derjenigen beim Abschluss herkömmlicher Austauschverträge. Der Anbieter der
Terminierungsleistung sei selbst zugleich Abnehmer der Terminierungsleistung seines
Zusammenschaltungspartners. Die undifferenzierte Heranziehung der Märkte-
Empfehlung der EU-Kommission für den Markt Nr. 16 sei daher
regulierungsökonomisch verfehlt. Richtigerweise hätte die Beklagte einen einheitlichen
Markt für Mobilfunkdienstleistungen gegenüber Endkunden abgrenzen müssen, auf dem
die Anrufzustellung in Mobilfunknetze eine von mehreren Dienstleistungen auf dem
selben sachlichen Markt darstelle und ein einzelnes Netz nicht automatisch einen vom
Netzbetreiber beherrschten Markt darstelle. Der Nachfrage nach
Terminierungsleistungen durch den Zusammenschaltungspartner komme keine
Bedeutung zu, weil im Ergebnis hierüber nicht er, sondern der Endkunde disponiere.
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Zudem könne bei Anwendung der "Ein Netz - Ein Markt"- Theorie niemals wirksamer
Wettbewerb auf den von der Beklagten definierten Märkten entstehen, da immer nur der
jeweilige Netzbetreiber auf dem jeweiligen Markt tätig werden könne. Des Weiteren
habe sich die Beklagte zu stark an die Märkte-Empfehlung gebunden gesehen. Das
einheitliche, nicht betreiberbezogene Vorgehen gegen alle vier Mobilfunknetzbetreiber
stehe in Widerspruch zu der getroffenen Feststellung, es lägen - etwa im Hinblick auf
Netzgröße und den Zeitpunkt der Aufnahme der Geschäftstätigkeit - keine homogenen
Wettbewerbsbedingungen zwischen ihnen vor. Der "Drei-Kriterien-Test" des § 10 Abs. 2
Satz 1 TKG sei schematisch und damit fehlerhaft durchgeführt worden; insbesondere sei
nicht hinreichend auf die spezifischen Besonderheiten der von der Beklagten
abgegrenzten sachlichen Märkte eingegangen worden. Auch habe die Beklagte den
abwägungsrelevanten Umstand übergangen, dass die Terminierungsentgelte der
Klägerin seit Jahren auf freiwilliger Basis marktkonform abgesenkt worden seien. Die
vorgenannten Monita könne das Gericht trotz der Tatsache, dass der Behörde insoweit
ein Beurteilungsspielraum eingeräumt sei, überprüfen.
Auch bei der Marktanalyse habe die Beklagte die vorbeschriebene Reziprozität
verkannt. Die spezifischen Besonderheiten der Terminierungsmärkte gegenüber
herkömmlichen Märkten seien derart komplex, dass sie sich der herkömmlichen
Wettbewerbsanalyse entzögen. Diesbezüglich seien empirische Analysen vonnöten
gewesen; deren Nichtdurchführung führe auf einen Abwägungsausfall. Sie sei
entgegengerichteter Marktmacht durch die E. sowie alternativer Festnetz- und
Mobilfunknetzbetreiber ausgesetzt. Auch habe die Beklagte übersehen, dass es im
Endkundenbereich zunehmend Substitutionsmöglichkeiten durch "Homezone"-
Produkte gebe, die es der anrufenden Partei ermöglichten, geringere
Verbindungsentgelte zahlen zu müssen, was auf der Vorleistungsebene mit niedrigeren
Terminierungsentgelten verbunden sei. Die Prüfung der beträchtlichen Marktmacht sei
anhand zu weniger Einzelkriterien durchgeführt worden. Im Rahmen der Marktanalyse
komme der Regulierungsbehörde kein Beurteilungsspielraum zu, was zu einer vollen
gerichtlichen Überprüfbarkeit führe.
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Die Regulierungsverfügung sei bereits deshalb formell rechtswidrig, weil das
Konsultations- und Konsolidierungsverfahren fehlerhaft durchgeführt und die
Ankündigungsfrist des § 13 Abs. 1 Satz 2 TKG, die generell Ausdruck des
gemeinschaftsrechtlichen Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes sei, nicht eingehalten
worden sei. So sei sie - die Klägerin - zum Entwurf der Regulierungsverfügung nicht
ordnungsgemäß angehört worden. Insbesondere die alleinige Veröffentlichung des an
U. gerichteten Entwurfs einer Regulierungsverfügung und die hierzu durchgeführte
Anhörung sei nicht ausreichend gewesen. Eine Heilung der Verfahrensfehler nach § 45
Abs. 1 Nr. 3 VwVfG scheitere an dessen Unanwendbarkeit. Auch seien die
Verfahrensfehler nicht unbeachtlich im Sinne des § 46 VwVfG. Die genannten Fehler
verletzten sie auch in ihren Rechten.
23
Die Regulierungsverfügung sei auch materiell rechtswidrig, dies insbesondere im
Hinblick auf die Anordnung der ex-ante-Entgeltgenehmigungspflicht. Die Behörde habe
die Vorgaben des § 30 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 TKG, der der Behörde keinen
Beurteilungsspielraum einräume, verkannt. Allein rechtmäßig sei nach der Soll-
Vorschrift des § 30 Abs. 1 Satz 2 TKG die Anordnung einer ex-post-Regulierung, deren
Prüfungstiefe die BNetzA verkannt habe, gewesen. Unzutreffend sei insbesondere die
Erwägung der BNetzA, dem Schutz der Verbraucherinteressen, die vorliegend ohnehin
nur mittelbar betroffen seien, sei nur gedient, wenn sich Terminierungsentgelte an KeL
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orientierten, was wiederum durch eine nachträgliche Regulierung nicht sichergestellt
werden könne. Die Behörde verkenne, dass der Gesetzgeber die nachträgliche
Regulierung sowohl bei verschiedenen Vorleistungs- als auch insbesondere bei
Endnutzerentgelten - welche Verbraucherinteressen unmittelbar berührten - als
Regelfall angesehen habe. Die pauschale Feststellung, dass das strengere
Regulierungsinstrument das wirksamere sei, genüge den Anforderungen an eine
Verhältnismäßigkeitsprüfung nicht, da sie keinen Einzelfallbezug aufweise. Ein
Fundamentalfehler des Abwägungsvorgangs liege in der Relevanz, die die BNetzA
einem freiwilligen Absenkungspfad der Mobilfunknetzbetreiber eingeräumt habe. Zudem
hätten einseitig verbindliche Absenkungsverpflichtungen der Klägerin ausgereicht, die
Abwägungsziele der Behörde zu erreichen, ohne ihr, der Klägerin, aufzubürden,
außerhalb ihrer Einflusssphäre liegende Zustimmungen von Wettbewerbern hierzu
einholen zu müssen. Auch hätten die jeweiligen Absenkungspfade der einzelnen
Mobilfunknetzbetreiber unabhängig voneinander beurteilt werden müssen.
Fehlerhafterweise sei ihr, der Klägerin, die Weigerung von F. , ihrem Absenkungspfad
zuzustimmen, zugerechnet worden. Des Weiteren sei das Ergebnis, der
Absenkungspfad der Klägerin sei nicht angemessen, um die Regulierungsziele des § 2
Abs. 2 TKG zu erreichen, in fehlerhafter, weil abschätzender und nicht den gesetzlichen
Vorgaben entsprechender Weise gewonnen worden. Jedenfalls habe eine
aufschiebende Befristung hinsichtlich der ex-ante-Genehmigungspflicht angeordnet
werden müssen. Die Rechtswidrigkeit der Auferlegung der ex-ante-
Genehmigungspflicht führe zur Rechtswidrigkeit der gesamten Regulierungsverfügung,
da eine Teilaufhebung mangels Teilbarkeit nicht möglich sei.
Auch die Anordnung der Zusammenschaltungs- und Kollokationsverpflichtung, der
Gleichbehandlungsverpflichtung sowie der Verpflichtung zur Vorlage eines
Standardangebotes seien rechtswidrig.
25
Die Klägerin beantragt,
26
den Bescheid der Bundesnetzagentur vom 29. August 2006 aufzuheben.
27
Die Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen.
29
Sie verteidigt den angefochtenen Bescheid.
30
Die Festlegung zur Marktdefinition und -analyse sei rechtmäßig. Insoweit stehe der
BNetzA ein Beurteilungsspielraum zu, dessen Grenzen sie nicht überschritten habe. Der
Wunsch der Klägerin nach einem abweichenden Entscheidungsergebnis reiche für die
Annahme einer solchen Überschreitung nicht aus. Das methodische Vorgehen der
BNetzA bei der Marktabgrenzung sei nicht zu beanstanden; die Einzelnetzbetrachtung
sei rechtmäßig. Sie entspreche zudem dem Ansatz der Märkteempfehlung der
Kommission, die sie weitestgehend zu berücksichtigen habe. Insoweit sei auch kein zu
strenger Maßstab angelegt worden. Die Terminierungsleistungen des einen
Teilnehmernetzbetreibers seien nicht mit denjenigen des jeweils anderen austauschbar;
insoweit spiele die Nachfragemacht bei der Marktdefinition keine Rolle. Die von der
Klägerin angeführte Reziprozitätsbeziehung bestehe aber auch weitgehend nicht; so
seien z.B. Verbindungsnetzbetreiber nur Nachfrager von Terminierungsleistungen, nicht
aber Anbieter. Das Argument, bei einer Einzelnetzbetrachtung könne niemals wirksamer
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Wettbewerb entstehen, sei deshalb nicht stichhaltig, weil das TKG nicht die Herstellung
märktebezogen wirksamen Wettbewerbs anstrebe. Auch die Prüfung des § 10 Abs. 2
Satz 1 TKG sei richtig anhand einer abstrakt-typisierenden Prüfung der
Marktgegebenheiten durchgeführt worden. Eine konkret-individualisierende Prüfung
habe erst auf der nächsten Stufe der Regulierungsinstrumente zu erfolgen. Eine andere
Beurteilung sei insbesondere nicht durch die von der Klägerin aufgezeigte bisherige
Entwicklung der Terminierungsentgelte bedingt. Die erreichten Absenkungen seien
auch nicht etwa aufgrund der Nachfragemacht der E. zustande gekommen, sondern zur
Abwendung behördlichen Einschreitens erfolgt. Etwaige Substitutionsmöglichkeiten der
Anrufer seien von der BNetzA zutreffend gewürdigt worden.
Auch die Regulierungsverfügung sei rechtmäßig. Dies gelte zunächst in formeller
Hinsicht. Die insoweit behaupteten Fehler des Konsultations- und
Konsolidierungsverfahrens verletzten die Klägerin ohnehin nicht in ihren Rechten. Die
Vorschriften über das Konsultationsverfahren stellten gegenüber dem
Verfügungsadressaten reine Ordnungsvorschriften dar; daneben stehe die Anhörung
nach § 38 VwVfG, § 135 Abs. 1 TKG. Etwaige Fehler führten nicht zu einem materiell-
rechtlichen Beseitigungsanspruch. Jedenfalls seien etwaige Fehler geheilt worden oder
unbeachtlich. Der Einhaltung einer Ankündigungsfrist nach § 13 Abs. 1 Satz 2 TKG
habe es nicht bedurft.
32
Die Regulierungsverfügung sei auch materiell rechtmäßig. Aus § 30 Abs. 1 Satz 2 TKG
ergebe sich nicht, dass die nachträgliche Entgeltregulierung den gesetzlichen Regelfall
darstelle. Für die nach § 30 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 TKG zu treffende Entscheidung sei keine
positive Feststellung erforderlich gewesen, dass die zu regulierenden Entgelte
tatsächlich überhöht seien. Eine solche habe sie auch nicht getroffen; sie habe lediglich
festgestellt, dass derartige Überhöhungen die Regulierungsziele gefährden würden
bzw. dass es keine belastbaren Hinweise dafür gebe, dass die Terminierungsentgelte
der Klägerin nicht überhöht seien. Auch sei keine Vergleichsmarktbetrachtung
durchgeführt worden, die eine Methode der - vorliegend noch nicht anstehenden -
Entgeltregulierung sei. Bei der Gewinnung des Abwägungsmaterials auf der
vorgelagerten Stufe sei sie nicht auf das gesetzliche Instrumentarium der
Entgeltregulierung beschränkt. Jede noch so ferne Erreichung der Regulierungsziele sei
nicht ausreichend im Sinne des § 30 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 TKG, bei dessen Anwendung
ihr ein Beurteilungsspielraum eingeräumt sei. Vielmehr könne auch die unterschiedliche
Geeignetheit dazu führen, eine auf lange Sicht zur Zielerreichung evtl. durchaus
geeignete Maßnahme als nicht ausreichend einzustufen. Auch sei nicht fehlerhaft
gewesen, die Abwägung auf die entscheidungserheblichen Regulierungsziele zu
beschränken. Aus der Bezugnahme auf Vereinbarungen über den Absenkungspfad
ergebe sich kein Abwägungsfehler, da die Behörde ihre Entscheidung nicht konditional
mit der Fortführung desselben verknüpft habe. Selbst wenn man die vorgenommene
Abwägung für rechtswidrig hielte und vom Vorliegen der Tatbestandsvoraussetzungen
des § 30 Abs. 1 Satz 2 Nrn. 1 - 3 TKG ausginge, eröffnete die Norm ihr ein
Dispensermessen, das jedenfalls nicht auf Null im Sinne der Unterwerfung unter eine
nachträgliche Entgeltregulierung reduziert wäre. Auch habe keine aufschiebende
Bedingung bzw. eine Übergangsfrist hinsichtlich des Inkrafttretens der
Genehmigungspflicht vorgesehen werden müssen. Insbesondere seien rückwirkende
Entgeltanordnungen rechtlich zulässig. Selbst bei anderer Sichtweise hätte die Klägerin
es in der Hand gehabt, eine Verpflichtung zu unentgeltlicher Leistungserbringung zu
vermeiden, etwa indem sie rechtzeitig einen Genehmigungsantrag gestellt hätte. Auch
die Auferlegung der übrigen regulatorischen Verpflichtungen sei rechtmäßigerweise
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erfolgt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der
Gerichtsakte sowie der beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Bundesnetzagentur
verwiesen.
34
Entscheidungsgründe:
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Die zulässige Klage hat nur in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang Erfolg.
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Der angefochtene Bescheid der BNetzA vom 29. August 2006 ist insoweit rechtswidrig
und verletzt die Klägerin insofern in ihren Rechten, § 113 Abs. 1 der
Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO), als ihre Zugangs- und Kollokationsentgelte in
Ziffer I. 3. der Genehmigung nach Maßgabe des § 31 TKG unterworfen worden sind. Im
Übrigen ist der angefochtene Bescheid rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in
ihren Rechten.
37
Dabei ist maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit des
angefochtenen Bescheides der Zeitpunkt der Entscheidung der BNetzA,
38
vgl. Urteile der Kammer vom 05. November 1998 - 1 K 5929/97 - und vom 20. Oktober
2005 -1 K 6724/02-; Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen (OVG
NRW) Urteil vom 07. Februar 2000 - 13 A 180/99 -; Bundesverwaltungsgericht
(BVerwG), Urteile vom 25. April 2001 - 6 C 6.00 -, NVwZ 2001,1399 (UA 12) und vom
03. Dezember 2003 - 6 C 20.02 - (UA 13).
39
Zunächst ist die vorgenommene Festlegung nach §§ 10 und 11 TKG in der hier
maßgeblichen Fassung vom 22. Juni 2004 (BGBl. I 2004, 1190) rechtmäßig. Dies gilt
zunächst für die in diesem Zusammenhang durchgeführte Marktdefinition und
Marktanalyse.
40
Nach § 10 Abs. 1 TKG legt die Regulierungsbehörde im Rahmen der Marktdefinition die
sachlich und räumlich relevanten Telekommunikationsmärkte fest, die für eine
Regulierung nach den Vorschriften des Teiles 2 des TKG in Betracht kommen. Bei
dieser Marktabgrenzung ist gemäß § 10 Abs. 2 Satz 3 TKG die Empfehlung der
Kommission vom 11. Februar 2003 (ABl. EG Nr. L 114 S. 45 - Märkteempfehlung -)
weitestgehend zu berücksichtigen. Diese hat den Markt 16 - Anrufzustellung in
einzelnen Mobiltelefonnetzen - als potentiell regulierungsbedürftig eingestuft und damit
wiederum Anhang I Ziffer 2 zur Rahmenrichtlinie (Richtlinie 2002/21/EG des
Europäischen Parlaments und des Rates vom 07. März 2002 über einen gemeinsamen
Rechtsrahmen für elektronische Kommunikationsnetze und -dienste, ABl. EG Nr. L 108,
S. 33 - RRL -), der den Markt für Anrufzustellung in öffentlichen Mobilfunknetzen als
einen der Märkte benannte, die in die erste Empfehlung der Kommission über die
relevanten Produkt- und Dienstmärkte aufzunehmen waren, umgesetzt. Aus dem
Umstand, dass der Gesetzgeber auf diese Weise die Märkteempfehlung zum
Tatbestandsmerkmal des § 10 TKG erhoben hat, ergibt sich, dass eine Abweichung von
ihr nur ausnahmsweise aufgrund nationaler Besonderheiten gerechtfertigt sein kann,
41
vgl. auch: Urteil der Kammer vom 17. November 2005 - 1 K 2924/05 -.
42
Im Regelfall hat die BNetzA damit im Rahmen der Marktabgrenzung - lediglich - die
43
räumliche Tragweite des relevanten Marktes zu bestimmen,
vgl. Ziff. 36 der Leitlinien der Kommission zur Marktanalyse und Ermittlung beträchtlicher
Marktmacht nach dem gemeinsamen Rechtsrahmen für elektronische
Kommunikationsnetze und -dienste (ABl. EG Nr. C 165 Seite 6 - Leitlinien -).
44
Des Weiteren ist zu berücksichtigen, dass die BNetzA im Rahmen der Marktdefinition
über einen Beurteilungsspielraum verfügt, wie sich aus § 10 Abs. 2 Satz 2 TKG ergibt.
45
Dies führt dazu, dass das Verwaltungsgericht - lediglich - zu prüfen hat, ob die BNetzA
46
(1) etwaige Verfahrensbestimmungen eingehalten,
47
(2) ihrer Entscheidung einen zutreffenden und vollständig ermittelten Sachverhalt
zugrunde gelegt,
48
(3) sich an allgemeingültige Bewertungsgrundsätze und -maßstäbe gehalten,
49
(4) bei ihrer Entscheidung die konkurrierenden Belange nicht krass, d.h. in einer zur
objektiven Gewichtigkeit dieser Belange außer Verhältnis stehenden Weise
fehlgewichtet,
50
(5) objektive Kriterien zugrunde gelegt und das Willkürverbot nicht verletzt,
51
(6) und die Beurteilung so ausführlich begründet hat, dass dem Gericht die ihm
obliegende beschränkte inhaltliche Kontrolle (Punkte 2 bis 5) möglich wird.
52
In Anwendung dieser Grundsätze ist zunächst gegen die erfolgte Marktabgrenzung
rechtlich nichts zu erinnern. Die BNetzA hat unter zutreffender Zugrundelegung des
Regel-Ausnahme- Verhältnisses zwischen Märkteempfehlung und etwaiger
Abweichung (vgl. Festlegung Seiten 20, 40 und 42) in Anwendung des "Ein-Netz-Ein-
Markt"-Konzepts das nationale Mobiltelefonnetz der Klägerin als relevanten Markt
abgegrenzt, da sie Anlass für eine Abweichung von der Märkteempfehlung nicht sah.
Ihrer Prüfung der Erforderlichkeit eines Abweichens von der Märkteempfehlung hat sie
in angängiger Weise das Bedarfsmarktkonzept (vgl. Festlegung Seiten 29 ff.)
zugrundegelegt,
53
vgl. BVerwG, Urteil vom 25. April 2001 - 6 C 6/00 -, NVwZ 2001, 1399 (1402); Ziffern 38
- 54 Leitlinien,
54
demzufolge es wesentlich auf die funktionelle Austauschbarkeit der Produkte und
Dienstleistungen aus Sicht der Nachfrager ankommt und der sachlich relevante Markt
somit durch sämtliche Produkte oder Dienstleistungen, die von den Verbrauchern
hinsichtlich ihrer Eigenschaften, Preislage und ihres vorgesehenen
Verwendungszwecks als austauschbar angesehen werden, bestimmt wird,
55
vgl. u.a.: BGH, Beschlüsse vom 12. Dezember 1978, BGHZ 73, 65 (72), und vom 24.
Oktober 1995, BGHZ 131,107 (110),
56
wobei die tatsächliche Anschauung des verständigen Abnehmers maßgebend ist,
57
vgl.: BGH, Beschluss vom 26. Mai 1987, BGHZ 101, 100 (103).
58
Hiervon ausgehend ist die BNetzA zu dem Schluss gelangt, dass jeder Netzbetreiber in
seinem Netz alleiniger Anbieter ist, da derzeit keine Möglichkeit der Substitution der
Leistung der Anrufzustellung zu einem bestimmten Anschluss durch einen andern
Netzbetreiber besteht. In diesem Zusammenhang hat die BNetzA ausführlich untersucht,
ob etwaige Substitute Einfluss auf die vorzunehmende Marktabgrenzung haben konnten
(vgl. Festlegung Seiten 31 - 37). Dabei hat sie insbesondere Produkte wie "H. " (als
Beispiel eines Home-Zone-Produktes), SMS, Voice-over-IP (VoIP) und Rückruf
eingehend gewürdigt. Es ist nicht zu erkennen, dass die BNetzA bei dieser
ausführlichen Würdigung der verschiedenen Substitutionsmöglichkeiten ihren
Beurteilungsspielraum (siehe oben S. 12) verletzt hätte. Ebenso ist die BNetzA auf die
Reziprozitätsbeziehungen zwischen den Mobilfunknetzbetreibern - wenn auch im
Kontext des § 11 TKG - eingegangen (vgl. Festlegung Seite 59).
59
Nach alledem hat die BNetzA bei der erfolgten Marktabgrenzung unter Zugrundelegung
des "Ein-Netz-Ein-Markt"-Konzepts die Grenzen ihres Beurteilungs- spielraumes (siehe
oben S. 12) unter weitestgehender Berücksichtigung der Märkteempfehlung nicht
überschritten.
60
Des Weiteren ist auch die Durchführung des so genannten Drei-Kriterien-Tests nach §
10 Abs. 2 Satz 1 TKG rechtlich nicht zu beanstanden. Nach dieser Vorschrift kommen
für eine Regulierung Märkte in Betracht, die (1) durch beträchtliche und anhaltende
strukturell oder rechtlich bedingte Marktzutrittsschranken gekennzeichnet sind, (2)
längerfristig nicht zu wirksamem Wettbewerb tendieren und auf denen (3) die
Anwendung des allgemeinen Wettbewerbsrechts allein nicht ausreicht, um dem
betreffenden Marktversagen entgegenzuwirken.
61
Auch insoweit ist wiederum die Verpflichtung der BNetzA zur weitestgehenden
Berücksichtigung der Märkteempfehlung mit den oben dargelegten Konsequenzen zu
beachten.
62
Ausgehend von dem geschilderten Regel-Ausnahme-Verhältnis bezüglich
Märkteempfehlung und Abweichung hiervon ist gegen die diesbezüglichen
Ausführungen der BNetzA auf Seiten 44/45 der Festlegung - insbesondere diejenigen
hinsichtlich des 3. Kriteriums des Ausreichens des allgemeinen Wettbewerbsrechts -
nichts zu erinnern. Es ist nicht erkennbar, dass die Behörde mit ihren - mit dem
Bundeskartellamt gemäß § 123 Abs. 1 Satz 1 TKG abgestimmten - Darlegungen dazu,
das allgemeine Wettbewerbsrecht ermögliche nur ein punktuelles Eingreifen,
erforderlich seien aber wesentlich detailliertere Befugnisse, zudem ermögliche das TKG
ein schnelleres Einschreiten, ihren Beurteilungsspielraum (siehe oben S. 12) verletzt
hätte. Vielmehr sind diese Erwägungen - auch mit Blick auf das Begründungserfordernis
- ausreichend.
63
Soweit die Klägerin in diesem Zusammenhang rügt, die Behörde habe § 21 Abs. 1 Nr. 7
TKG verletzt, indem sie nicht dem Umstand Rechnung getragen habe, dass die
Terminierungsentgelte der Klägerin seit Jahren marktkonform abgesenkt worden seien,
ist darauf zu verweisen, dass die genannte Norm auf der hier in Rede stehenden Ebene
der Marktdefinition noch nicht zur Anwendung kommt, sondern erst bei der
nachgelagerten Frage der etwaigen Auferlegung von Zugangsverpflichtungen eine
Rolle spielt.
64
Auch die Marktanalyse gemäß § 11 TKG ist nicht zu beanstanden. Nach § 11 Abs. 1
TKG prüft die Regulierungsbehörde im Rahmen der Festlegung nach § 10, ob auf dem
untersuchten Markt wirksamer Wettbewerb besteht. Wirksamer Wettbewerb besteht
nicht, wenn ein oder mehrere Unternehmen auf diesem Markt über beträchtliche
Marktmacht verfügen. Ein Unternehmen gilt als Unternehmen mit beträchtlicher
Marktmacht, wenn es entweder allein oder gemeinsam mit anderen eine der
Beherrschung gleichkommende Stellung einnimmt, das heißt eine wirtschaftlich starke
Stellung, die es ihm gestattet, sich in beträchtlichem Umfang unabhängig von
Wettbewerbern und Endnutzern zu verhalten. Dabei berücksichtigt die Behörde
weitestgehend die von der Kommission aufgestellten Kriterien, niedergelegt in den
Leitlinien.
65
Aus letzterem Satz folgt, dass der BNetzA auch hinsichtlich der Marktanalyse ein
Beurteilungsspielraum zukommt. Denn die so inkorporierten Leitlinien sehen wiederum
in Ziffern 22 und 71 vor, dass die Regulierungsbehörden bei der Ausübung ihrer
Befugnisse gemäß Artt. 15 und 16 RRL aufgrund der komplizierten
ineinandergreifenden Faktoren (wirtschaftlicher, sachlicher und rechtlicher Art), die bei
der Definition relevanter Märkte und bei der Ermittlung von Unternehmen mit
beträchtlicher Marktmacht gewürdigt werden müssen, über einen weitreichenden
Ermessensspielraum (was, da vorliegend die tatbestandliche Seite in Rede steht, nach
deutschem Sprachgebrauch einen Beurteilungsspielraum meint) verfügen. Es ist nicht
ersichtlich, dass die BNetzA bei ihrer Einschätzung, die Klägerin verfüge auf ihrem
Markt für Anrufzustellung in ihr Mobiltelefonnetz über beträchtliche Marktmacht, ihren
Beurteilungsspielraum (siehe oben S. 12) verletzt hätte. Insoweit ist zunächst
festzustellen, dass die BNetzA in ihrer Festlegung ausdrücklich den von der Klägerin
hervorgehobenen Aspekt, dass die Feststellung eines Marktanteiles von 100 % noch
nicht die Feststellung einer beträchtlichen Marktmacht bedeute, teilt (vgl. Festlegung
Seiten 47 und 70).
66
Die von der Klägerin erhobenen Rügen gegen das methodische Vorgehen der BNetzA
im Rahmen der Marktanalyse greifen nicht durch:
67
Insbesondere hat die BNetzA untersucht, ob die Mobilfunkanbieter in unterschiedlichem
Maße über ansehnliche Marktmacht verfügen und inwieweit eine gegenseitige
Abhängigkeit der Mobilfunkanbieter voneinander bestehe (vgl. Festlegung Seiten 47 f.
und 58 f.). Des Weiteren hat sie ausführlich das Bestehen einer etwaigen
entgegengerichteten Nachfragemacht der E. (vgl. Festlegung Seiten 50 - 55) gewürdigt
und ist in diesem Zusammenhang auch auf die Auswirkungen der Festnetzregulierung
eingegangen. Im Folgenden hat die Behörde das Bestehen einer Nachfragemacht
alternativer Festnetzbetreiber (vgl. Festlegung Seiten 55 - 58) geprüft. Im Rahmen der
Untersuchung einer entgegengerichteten indirekten Nachfragemacht durch Endkunden
(vgl. Festlegung Seiten 61 - 69) ist auch Substitutionsmöglichkeiten nachgegangen
worden.
68
Dass die BNetzA insoweit ihren Beurteilungsspielraum (siehe oben S. 12) verletzt hätte,
ist nicht zu erkennen. Dies gilt auch insoweit, als die BNetzA einige der in Ziffer 78 der
Leitlinien aufgeführten Kriterien für vorliegend belanglos erachtet hat (vgl. Festlegung
Seite 70).
69
Soweit die Klägerin schließlich in der mündlichen Verhandlung gerügt hat, die auf Seite
70
72 der Festlegung getroffene conclusio sei unbestimmt, greift dies nicht durch. Aus dem
Gesamtzusammenhang - auch und gerade mit der Regulierungsverfügung - ergibt sich
vielmehr eindeutig, dass die vier genannten Unternehmen auf dem Markt für
Anrufzustellung in ihr jeweiliges Netz als marktmächtig eingestuft worden sind. Nach
alledem ist die Festlegung nach §§ 10 und 11 TKG rechtmäßig erfolgt.
Auch die Regulierungsverfügung ist - mit Ausnahme ihrer Regelung unter Ziffer I. 3 -
rechtmäßig.
71
Zunächst liegen die von der Klägerin gerügten Fehler bei der Durchführung des
Konsultations- und Konsolidierungsverfahrens nicht vor. Insbesondere genügte die
Veröffentlichung des U. -Konsultationsentwurfes den Anforderungen der §§ 12 Abs. 1
Satz 1, 13 Abs. 1 Satz 1 TKG.
72
Nach § 12 Abs. 1 Satz 1 TKG gibt die Regulierungsbehörde den interessierten Kreisen
Gelegenheit, zu dem Entwurf der Ergebnisse nach den §§ 10 und 11 Stellung zu
nehmen. Dies gilt gemäß § 13 Abs. 1 Satz 1 TKG entsprechend, wenn die
Regulierungsbehörde - wie vorliegend - auf Grund einer Marktanalyse nach § 11
Verpflichtungen u.a. nach den §§ 19, 20, 21, 24, 30 auferlegt, sofern die Maßnahme
Auswirkungen auf den Handel zwischen den Mitgliedstaaten hat.
73
Den Anforderungen der genannten Vorschriften genügt es, jeweils nur den Tenor des
Entscheidungsentwurfs zu Konsultation zu stellen. Dies ergibt sich aus einem Vergleich
der Absätze 1 und 2 des § 12 TKG, in denen der Gesetzgeber zwischen dem bloßen
Entwurf einerseits und einem begründeten Entwurf andererseits unterscheidet. Denn
während in § 12 Abs. 1 TKG (wie auch in Art. 6 Abs. 1 RRL, deren Umsetzung § 12 TKG
dient), lediglich vom Entwurf der Ergebnisse die Rede ist, sieht § 12 Abs. 2 Nr. 1 TKG
(entsprechend der zugrundeliegenden Vorschrift des Art. 7 Abs. 3 RRL) vor, dass nach
Durchführung des Verfahrens nach Absatz 1, der Entwurf der Ergebnisse mit einer
Begründung der Kommission und den anderen nationalen Regulierungsbehörden zur
Verfügung gestellt wird. Eine andere Vorgehensweise wäre auch insofern nicht
sachgerecht, als sie dazu führen würde, dass jede beabsichtigte Änderung der
Begründung des Entwurfes eine erneute Konsultationspflicht auslöste.
74
Über den in Bezug auf ihr Unternehmen beabsichtigten Tenor aber war die Klägerin
auch durch die Veröffentlichung des Konsultationsentwurfes bezüglich des
Unternehmens U. mit dem Zusatz, dass im Wesentlichen identische Beschlusskonzepte
gegenüber allen vier Mobilfunknetzbetreibern vorlägen, informiert. Dies gilt auch in
Ansehung des Umstandes, dass sich in mehreren Fußnoten der Zusatz
75
"Dies wäre anders zu beurteilen, wenn die Betroffene den Absenkungspfad freiwillig
fortsetzen würde, also entsprechende Vereinbarungen schließen würde. In diesem Fall
könnte die Beschränkung auf eine nachträgliche Entgeltkontrolle zur Erreichung der
Regulierungsziele ausreichen, weil die Betroffene an den Absenkungspfad gebunden
wäre."
76
befand.
77
Diese Anmerkung relativierte nicht den beabsichtigten Tenor, sondern räumte der
Klägerin lediglich die Möglichkeit ein, weiter gegen die beabsichtigte Auferlegung der
ex-ante-Regulierung vorzutragen.
78
Aus dem Umstand, dass für die Konsultation die Veröffentlichung des Tenors
ausreichend war und erst im Konsolidierungsverfahren der Entwurf mit Begründung zur
Verfügung zu stellen war, folgt zugleich, dass die weitere Rüge der Klägerin, die
BNetzA habe die tragende Begründung bezüglich der Entgeltregulierung zwischen
Konsultations- und Konsolidierungsentwurf komplett ausgetauscht, indem sie im
Konsolidierungsentwurf erstmals nicht mehr auf den Absenkungspfad als mögliche
Rechtfertigung für eine ex-post-Regulierung abgestellt habe, unerheblich ist.
79
Auch ist die Regulierungsverfügung - mit Ausnahme ihrer Regelung unter Ziffer I. 3 -
materiell rechtmäßig.
80
Dies gilt zunächst für die Auferlegung der Zusammenschaltungs- und
Terminierungsverpflichtung.
81
Rechtsgrundlage für diese Maßnahmen sind die §§ 9 Abs. 2,13 Abs. 3 und § 21 Abs. 3
Nr. 2 TKG. Nach den genannten Vorschriften soll die Regulierungsbehörde Betreibern
öffentlicher Telekommunikationsnetze, die - wie die Klägerin - über beträchtliche
Marktmacht verfügen, die Verpflichtung auferlegen, die Zusammenschaltung von
Telekommunikationsnetzen zu ermöglichen. Dabei erfasst der Begriff der
"Zusammenschaltung" in §§ 3 Nr. 34, 21 Abs. 3 Nr. 2 TKG auch die Terminierung. Dies
ergibt sich aus Anhang I Nr. 2 zur RRL, die, da das TKG u.a. ihrer Umsetzung dient,
82
vgl. u.a.: BR-Drucksachen 755/03, Seite 1, 75 und 200/04, Seite 1; BT-Drucksache
15/2674, Seite 5,
83
zur Auslegung heranzuziehen war. Dort wird nämlich unter dem Begriff der
Zusammenschaltung u.a. die Anrufzustellung genannt.
84
Die Fassung des § 21 Abs. 3 TKG als Soll-Vorschrift führt zu einer Einschränkung des
Ermessensspielraums der Behörde insofern, als die in Absatz 3 genannten
Verpflichtungen in der Regel auferlegt werden müssen und nur in atypischen
Sonderfällen hiervon abgesehen werden kann. Nach Absatz 3 soll die
Regulierungsbehörde die dort genannten Verpflichtungen "nach Absatz 1" auferlegen.
Aus der sprachlichen Differenzierung zur Formulierung des Absatzes 2, wonach die
Behörde "unter Beachtung von Absatz 1" bestimmte Verpflichtungen auferlegen kann,
folgt, dass im Rahmen des Absatzes 3 eine Prüfung der Kriterien nach Absatz 1 Nrn. 1
bis 7 unterbleibt. Vielmehr ist davon auszugehen, dass der Gesetzgeber durch den
Verweis auf Absatz 1 in Absatz 3 zum Ausdruck bringen wollte, dass er die in Absatz 1
genannten Zielvorgaben im Regelfall durch eine Anordnung nach Absatz 3 als erfüllt
ansieht,
85
vgl.: Thomaschki in: Berliner Kommentar zum TKG, § 21 Rdn. 142;
Piepenbrock/Attendorn in: Beck´scher TKG Kommentar, 03. Auflage, § 21 Rdn. 258.
86
Ein atypischer Sonderfall, der die BNetzA zum Absehen von der Auferlegung der
Zusammenschaltungs- bzw. Terminierungsverpflichtung hätte berechtigen können, liegt
nicht vor. Ein solcher ist insbesondere nicht in dem Umstand zu sehen, dass die
Klägerin angibt, freiwillige Zusammenschaltungen lägen schon in ihrem Eigeninteresse.
Angesichts der überragenden Wichtigkeit der Zusammenschaltung, auf die die
Marktteilnehmer angewiesen sind, um überhaupt auf dem Markt auftreten zu können, ist
87
die abstrakte Gefahr, dass das freiwillige Angebot zurückgezogen und damit ein
Scheitern der Zusammenschaltung provoziert wird, ausreichend für die Auferlegung der
Zusammenschaltungsverpflichtung.
Soweit die Klägerin im Zusammenhang mit der Terminierungsverpflichtung der Ansicht
ist, diese sei zu weit gefasst bzw. unbestimmt, weil sie mehr als Sprachverbindungen
(insbesondere Datenverbindungen) erfasse, während der festgelegte Markt nur
Sprachverbindungen erfasse, kann sie hiermit nicht durchdringen. Denn ausweislich der
Festlegung, die gemäß § 13 Abs. 3 TKG mit der Regulierungsverfügung als einheitlicher
Verwaltungsakt ergangen ist, handelt es sich bei der Terminierungsleistung des Marktes
16 - im Einklang mit der Legaldefinition des § 3 Nr. 1 TKG, die den Begriff "Anruf" als
Echtzeitkommunikation begreift - ausschließlich um die Zustellung von Sprache, nicht
um Datendienste (vgl. Festlegung Seite 22). Da die BNetzA an die Festlegung ihrer
Präsidentenkammer gebunden ist,
88
vgl. Urteil der Kammer vom 17. November 2005 - 1 K 2924/05 -,
89
besteht kein Anlass zu der Annahme, sie habe der Klägerin eine weitergehende
Terminierungsverpflichtung auferlegen wollen. Im Lichte der Festlegung ist die
Auferlegung der Terminierungsverpflichtung damit hinreichend bestimmt.
90
Des Weiteren hat die BNetzA der Klägerin zu Recht die Kollokationsverpflichtung nach
der Soll-Vorschrift des § 21 Abs. 3 Nr. 4 TKG auferlegt. Hinsichtlich des diesbezüglich
wiederum vorgebrachten Einwandes der Klägerin, sie sei freiwillig zur Gewährung der
Kollokation bereit, gilt das oben zur Zusammenschaltungsverpflichtung Ausgeführte.
91
Auch die Auferlegung der Gleichbehandlungsverpflichtung ist rechtlich nicht zu
beanstanden.
92
Nach den Vorschriften der §§ 9 Abs. 2, 13 Abs. 3, 19 TKG kann die
Regulierungsbehörde einen Betreiber eines öffentlichen Telekommunikationsnetzes mit
beträchtlicher Marktmacht - wie die Klägerin - dazu verpflichten, dass Vereinbarungen
über Zugänge auf objektiven Maßstäben beruhen, nachvollziehbar sein, einen
gleichwertigen Zugang gewähren und den Geboten der Chancengleichheit und
Billigkeit genügen müssen.
93
Die BNetzA hat die Auferlegung der Gleichbehandlungsverpflichtung u.a. auf den
Umstand gestützt, dass die Klägerin vertikal integriert sei und somit grundsätzlich eine
Gefahr des internen Einräumens von günstigeren Konditionen bestehe;
Ausnahmegründe seien vorliegend nicht ersichtlich.
94
Diese Ermessenserwägungen sind nicht zu beanstanden.
95
Denn allgemein wird es als grundsätzlich geboten betrachtet, in wettbewerbsdefizitären
Märkten gegenüber den marktmächtigen Unternehmen die
telekommunikationsrechtliche Gleichbehandlungsverpflichtung anzuordnen,
insbesondere dann, wenn Unternehmen mit Marktmacht - wie die Klägerin - vertikal
integriert sind und Dienste für andere Anbieter erbringen, mit denen sie auf dem
nachgelagerten Markt in Wettbewerb stehen,
96
vgl. Piepenbrock/Attendorn, Beck´scher TKG Kommentar, 03. Auflage, § 19 Rdn. 19
97
sowie Erwägungsgrund 17 der ZRL; ferner: Nolte in: Berliner Kommentar zum TKG, § 19
Rdn. 18, m.w.N., der in einer solchen Fallkonstellation sogar eine
Ermessensreduzierung auf Null annimmt.
Schließlich ist auch die Verpflichtung zur Veröffentlichung eines Standardangebotes
rechtmäßig.
98
Nach der insoweit von der BNetzA herangezogenen Ermächtigungsgrundlage des § 23
Abs. 1 TKG soll die Regulierungsbehörde einen Betreiber eines öffentlichen
Telekommunikationsnetzes, der - wie die Klägerin - über beträchtliche Marktmacht
verfügt und einer Zugangsverpflichtung nach § 21 TKG unterliegt, verpflichten, ein
Standardangebot für die Zugangsleistung zu veröffentlichen, für die eine allgemeine
Nachfrage besteht.
99
Aus der Ausgestaltung der Norm als Soll-Vorschrift ergibt sich, dass im Regelfall im
Rahmen jeder Zugangsverpflichtung nach § 21 TKG für die jeweils umfassten
Leistungen eine Verpflichtung zur Abgabe eines Standardangebotes aufzuerlegen ist.
100
Soweit die Klägerin das Fehlen eines rechtmäßigen Marktdefinitions- und -
analyseverfahrens sowie einer rechtmäßigen Zugangsverpflichtung rügt, geht dies fehl;
an beidem fehlt es nach dem oben Gesagten gerade nicht. Der weiter erhobene
Einwand, die Auferlegung der Verpflichtung zur Veröffentlichung eines
Standardangebotes sei unverhältnismäßig, da individuelle Kontrollen ausreichend
seien, reicht nicht aus, um das Vorliegen eines atypischen Sonderfalls darzutun.
101
Rechtswidrig ist die Regulierungsverfügung allerdings insoweit, als die BNetzA in Ziffer
I. 3 die Entgelte der Klägerin für Zugangsgewährung und Kollokation der
Entgeltregulierung nach § 31 TKG unterworfen hat; insoweit war sie aufzuheben.
102
Nach dem als Ermächtigungsgrundlage herangezogenen § 30 Abs. 1 Satz 1 TKG
unterliegen Entgelte eines Betreibers eines öffentlichen Telekommunikationsnetzes, der
- wie die Klägerin - über beträchtliche Marktmacht verfügt, für nach § 21 auferlegte
Zugangsleistungen einer Genehmigung nach Maßgabe des § 31. Gemäß § 30 Abs. 1
Satz 2 TKG soll die Regulierungsbehörde abweichend von Satz 1 solche Entgelte dann
einer nachträglichen Regulierung nach § 38 Abs. 2 bis 4 unterwerfen, wenn
103
1. der Betreiber nicht gleichzeitig auch auf dem Markt für Endkundenleistungen, auf dem
der Betreiber tätig ist, über beträchtliche Marktmacht verfügt,
104
2. nach Inkrafttreten des Gesetzes beträchtliche Marktmacht festgestellt worden ist, ohne
dass der Betreiber zuvor auf dem relevanten Markt von der Regulierungsbehörde als
marktbeherrschend eingestuft wurde und
105
3. diese Maßnahme zur Erreichung der Regulierungsziele nach § 2 Abs. 2 ausreicht.
106
Die Voraussetzungen dieser Soll-Vorschrift - von denen lediglich die Ziffer 3 umstritten
ist - lagen im maßgeblichen Zeitpunkt vor. Dies ergibt sich aus Folgendem:
107
Die Regelung des Satzes 2 des § 30 Abs. 1 TKG soll dem
Verhältnismäßigkeitsgrundsatz Rechnung tragen; ex-ante-Genehmigungsprozeduren
sollen auf das erforderliche Maß beschränkt werden,
108
vgl. zu § 28 TKGE: BT-Drucksache 15/2679, Seite 14.
109
Ebenso betonen die europarechtlichen Vorgaben, dass die jeweils auferlegten
Verpflichtungen angemessen, gerechtfertigt und erforderlich bzw. verhältnismäßig sein
müssen, vgl. Art. 8 Abs. 2 und 4 der Richtlinie 2002/19/EG des Europäischen
Parlaments und des Rates vom 07. März 2002 über den Zugang zu elektronischen
Kommunikationsnetzen und zugehörigen Einrichtungen sowie deren
Zusammenschaltung, ABl. EG Nr. L 108, S. 7 - ZRL -, Ziffern 117 und 118 der Leitlinien.
Ziffer 118 der Leitlinien lautet:
110
"...Das Verhältnismäßigkeitsprinzip ist im Gemeinschaftsrecht fest verankert. Es besagt
im Wesentlichen, dass die Mittel, die zur Erreichung eines bestimmten Zwecks
eingesetzt werden, nicht über das hinausgehen sollten, was zur Erreichung dieses
Zwecks angemessen und erforderlich ist.... Die Mittel, die zur Erreichung dieses Ziels
eingesetzt werden, müssen notwendig sein, sollten aber keine unzumutbare Belastung
darstellen, d.h. bei den ergriffenen Maßnahmen sollte es sich um das Minimum handeln,
was zur Erreichung des in Frage stehenden Ziels erforderlich ist."
111
Ausgehend von diesen Vorgaben ergibt sich, dass die Behörde das eingriffstärkere
Mittel der ex-ante-Regulierung erst anwenden darf, wenn feststeht, dass eine ex-post-
Regulierung nach Maßgabe des § 38 Abs. 2 bis 4 TKG nicht ausreichend ist.
112
Bei dieser Prüfung ist zum einen zu berücksichtigen, dass gemäß § 30 Abs. 1 Satz 2
Ziffer 3 TKG die ex-post-Regulierung lediglich zur Erreichung der Regulierungsziele
ausreichen muss, d.h. eine optimale Zielerreichung nicht gefordert ist. Zum anderen ist
zu berücksichtigen, dass auch die ex-post-Regulierung eine Art der Entgeltregulierung
ist, welche ebenfalls der Wahrung der Ziele des § 2 Abs. 2 TKG und erst recht dem in §
27 Abs. 1 TKG normierten speziellen Ziel der Entgeltregulierung dient. Sie wird daher
vom Gesetzgeber grundsätzlich als ebenso geeignetes Mittel der Preiskontrolle
angesehen wie die Genehmigungspflicht. Bei Endkundenleistungen, die die vorliegend
in Rede stehenden Verbraucherinteressen unmittelbarer berühren als
Vorleistungsentgelte, reicht nach der Vorstellung des Gesetzgebers die ex-post-
Kontrolle sogar in der Regel aus, § 39 Abs. 3 Satz 1 TKG. Zudem kann auch im
Rahmen der ex-post-Regulierung in der Form von § 38 Abs. 2 bis 4 TKG unter den
Voraussetzungen des § 38 Abs. 2 Satz 3 TKG eine Kostenprüfung anhand von
Kostenunterlagen in Betracht kommen. Dabei kann die Behörde nicht nur
missbräuchlich hohe Entgelte untersagen, sondern den Maßstäben des § 28 TKG
genügende Entgelte anordnen, § 38 Abs. 4 Satz 2 TKG.
113
Einer gerichtlichen Überprüfung anhand dieser Grundsätze hält die vorgenommene
Auferlegung der Vorabregulierung in der angefochtenen Regulierungsverfügung nicht
stand. Dabei hat das Gericht die nach § 30 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 TKG getroffene
Abwägungsentscheidung voll zu überprüfen; ein Beurteilungsspielraum ist der Behörde
insoweit nicht eingeräumt. Gegen die im Lichte des Art. 19 Abs. 4 GG als Ausnahme
anzusehende Einräumung eines Beurteilungsspielraumes spricht insofern zunächst,
dass weder der Gesetzes- wortlaut - anders als in § 10 Abs. 2 Satz 2 TKG - noch die
Gesetzesbegründung hierfür etwas hergeben. Auch ist nicht erkennbar, dass -
abweichend vom Normalfall - vorliegend etwa der gerichtliche Rechtsschutz an seine
Funktionsgrenzen stieße. Denn für die Überprüfung der behördlichen Auslegung des
Tatbestandsmerkmals "ausreicht" im dargelegten Sinne unter Wahrung des
114
Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit stehen hinreichend klare Kriterien zur Verfügung.
Dies gilt zumal, da das Gericht bei der Würdigung des in § 2 Abs. 2 TKG definierten
Abwägungsprogramms gegebenenfalls externen Sachverstand in Anspruch nehmen
kann.
Die BNetzA hat die Zugangs- und Kollokationsentgelte nach § 30 Abs. 1 Satz 1 TKG der
ex-ante-Regulierung unterworfen, da die Voraussetzungen für eine Abweichung vom
Genehmigungserfordernis des Satzes 1 nicht vorlägen; die nachträgliche Regulierung
sei nämlich nicht ausreichend, um die Regulierungsziele der "Wahrung der
Verbraucherinteressen" und "Sicherstellung eines chancengleichen Wettbewerbs" zu
erreichen (§ 30 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 TKG). Die Verbraucherinteressen würden mittelbar
durch überhöhte Entgelte der Klägerin betroffen. Überhöht seien Entgelte grundsätzlich
dann, wenn sie sich nicht an KeL orientierten. Die gebotene enge Kostenorientierung
der Entgelte könne durch eine nachträgliche Regulierung gemäß § 38 TKG nicht
ausreichend sichergestellt werden. Auch für die Sicherstellung des chancengleichen
Wettbewerbs auf dem Endkunden- markt für Mobilfunkdienste sei eine nachträgliche
Entgeltkontrolle nicht ausreichend, da mit ihr überhöhte Terminierungsentgelte nicht zu
vermeiden seien.
115
Der Ansatz der BNetzA, Entgelte seien dann überhöht, wenn sie sich nicht an KeL
orientierten, ist unzutreffend. Auch Entgelte, die nicht gegen den Missbrauchsmaßstab
des § 28 TKG verstoßen, können nicht überhöht sein. Der KeL-Maßstab des § 31 Abs. 1
und 2 TKG kann erst relevant werden, nachdem feststeht, dass Entgelte der ex-ante-
Regulierung unterworfen sind; er kann aber nicht schon bei der Klärung der Frage
herangezogen werden, ob die ex-ante- oder die ex- post-Regulierung einschlägig sein
soll. Die übrigen Ausführungen der BNetzA dazu, weshalb die ex-post-Regulierung
nicht ausreichend zur Wahrung der Verbraucherinteressen und Sicherstellung eines
chan- cengleichen Wettbewerbs sei, erschöpfen sich in abstrakten, nicht an Tatsachen
bzw. konkreten Zahlen belegten Ausführungen und Vermutungen ohne Einzelfallbezug.
Wollte man diese Art der Begründung genügen lassen, wäre eine ex-post-Regulierung
zur Wahrung der - nicht nur der Wahrung von Verbraucherinteressen und Sicherstellung
eines chancengleichen Wettbewerbs dienenden - Ziele des § 2 Abs. 2 TKG praktisch
nie ausreichend.
116
Mit diesen - wie dargelegt - von einer unrichtigen Prämisse getragenen abstrakten
Überlegungen ist die BNetzA dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit bzw. dem
dargelegten Stufenverhältnis zwischen ex-post- und ex-ante-Regulierung nicht gerecht
geworden.
117
Vgl. insoweit auch den von der BNetzA herangezogenen Gutachter König, demzufolge
die Nachteile einer ex-ante-Regulierung (u.a. die Gefahr des Übermaßes der
Regulierung) so gravierend seien, dass sie, als intensivste Regulierungsform, bei
Mobilfunkterminierungsentgelten erst zum Einsatz kommen solle, nachdem sich andere
weniger eingriffsintensive Instrumente als ungeeignet erwiesen hätten (Gutachten Seite
66 f.).
118
Da hiernach die BNetzA als mit besonderem Sachverstand ausgestattete,
wissenschaftlich unterstützte Fachbehörde (vgl. § 125 TKG) nicht belastbar und
ausreichend darlegen konnte, dass eine Regulierung nach § 38 Abs. 2 bis 4 TKG zur
Erreichung der Regulierungsziele nach § 2 Abs. 2 TKG nicht ausreicht, geht das Gericht
mangels anderweitiger gewichtiger Anhaltspunkte davon aus, dass im Gegenteil die
119
Voraussetzungen de § 30 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 TKG im maßgeblichen Zeitpunkt vorlagen.
Dies gilt umso mehr, als zum einen nach den Feststellungen der Monopolkommission
die Mobilfunkterminierungsentgelte in Deutschland unterhalb des EU-Durchschnitts
liegen,
Sondergutachten 39 (2003), Rdn. 210 ff., 213 ff,
120
und zum anderen die BNetzA im angefochtenen Bescheid selbst ausführt, dass die
Terminierungsentgelte voraussichtlich deutlich unter dem Durchschnitt der regulierten
Entgelte in der EU lägen.
121
Da auch die beiden übrigen Voraussetzungen des § 30 Abs. 1 Satz 2 TKG -
unproblematisch - erfüllt sind, liegen die tatbestandlichen Voraussetzungen der Soll-
Vorschrift des Satzes 2 des § 30 Abs. 1 TKG insgesamt vor. Damit mussten - außer bei
atypischen Umständen - die Entgelte der nachträglichen Regulierung unterworfen
werden. Für das Vorliegen eines atypischen Sonderfalls ist indes nichts ersichtlich.
Insbesondere die insofern im Klageverfahren von der BNetzA angeführte Befürchtung
eines Vertragsverletzungsverfahrens gibt hierfür nichts her.
122
Die Aufhebung von Ziffer I. 3 der Regulierungsverfügung führt allerdings nicht zu deren
Aufhebung insgesamt. Soweit die Klägerin meint, die Regulierungsverfügung sei infolge
der Rechtswidrigkeit der Auferlegung der ex-ante-Genehmigungspflicht in toto wegen
fehlender Teilbarkeit aufzuheben, ist dem nicht zu folgen. Ein Verwaltungsakt kann nur
dann teilweise aufgehoben werden, wenn der aufzuhebende Teil nicht mit den übrigen
Teilen des angefochtenen Verwaltungsaktes in einem untrennbaren inneren
Zusammenhang steht. Ein solcher untrennbarer innerer Zusammenhang ist dann
gegeben, wenn der nach einer Teilaufhebung verbleibende Teil des Verwaltungsaktes
ohne Änderung seines Inhaltes rechtmäßiger- und sinnvollerweise nicht selbstständig
bestehen bleiben kann oder so nicht erlassen worden wäre,
123
so für das Telekommunikationsrecht: BVerwG, Beschluss vom 02. Mai 2005 - 6 B 6.05 -
m.w.N.; Be- schluss der Kammer vom 07. Juni 2005 - 1 L 624/05 -.
124
Danach ist vorliegend eine isolierte Aufhebung von Teilen des angefochtenen
Bescheides möglich, da nicht etwa lediglich ein "Torso" zurückbliebe, der seinerseits
rechtswidrig wäre und daher nach den oben genannten Grundsätzen für sich
genommen keinen Bestand haben könnte.
125
Denn zunächst trifft nicht zu, dass die BNetzA bei isolierter Aufhebung der Anordnung
der ex-ante-Genehmigungspflicht keine gesetzlich zulässigen Handlungsmöglichkeiten
zur Erfüllung ihres Regulierungsauftrages mehr hätte. Vielmehr ist die BNetzA dann
gehalten, gemäß § 30 Abs. 1 Satz 2 TKG die ex-post- Entgeltregulierung anzuordnen.
Auch ist unzutreffend, dass die Verpflichtung zur Zugangsgewährung und zur Abgabe
eines Standardangebotes undurchführbar würden, da die Festsetzung zulässiger
Entgelte hierfür zwingende Voraussetzung wäre. Vielmehr ist die Klägerin nicht
gehindert, nach ihren Vorstellungen ein Standardangebot zu entwickeln und Preise für
die Zugangsgewährung zu erheben. Dabei ist sie freilich der Gefahr ausgesetzt, dass
die BNetzA - nach Auferlegung der ex-post-Regulierung - ggf. nach § 38 Abs. 2 bis 4
TKG einschreitet. Jedenfalls muss die Klägerin auch nicht die geplanten Entgelte zuvor
der BNetzA gemäß § 38 Abs. 1 TKG vorlegen; denn die anstehende ex-post-
Regulierung nach § 30 Abs. 1 Satz 2 TKG ist nur eine solche nach § 38 Abs. 2 bis 4
126
TKG.
Dies gilt auch angesichts des Umstandes, dass § 23 Abs. 4 Satz 5 TKG vorsieht, dass
für die Regulierung der Entgelte die §§ 27 bis 37 - mithin nicht § 38 TKG - gelten. Nach
Sinn und Zweck des Regulierungsregimes kann sich dies nur auf
Standardangebotsleistungen beziehen, deren Entgelte gar keiner Regulierung
unterworfen sind. Es gäbe keinen Sinn, etwa ex-ante-regulierungsbedürftige Entgelte
nach Durchführung des Genehmigungsverfahrens nochmals anlässlich des
Standardangebotes einer weiteren ex-ante-Prüfung zu unterziehen. Bezogen auf die -
hier einschlägige - ex-post-Regulierung dürfte die Norm teleologisch dahin auszulegen
sein, dass nicht etwa qua Auferlegung der Verpflichtung zur Veröffentlichung eines
Standardangebotes doch eine ex-ante-Prüfung stattfinden muss,
127
vgl. hierzu: von Graevenitz in: Wissmann, TK- Recht, Kap. 4 Rdn. 65.
128
Vielmehr ist davon auszugehen, dass der Gesetzgeber den Ausnahmefall der ex- post
regulierten Zugangsverpflichtung im Rahmen des § 23 TKG gar nicht in den Blick
genommen hat. Die Regelung ist danach so auszulegen, dass ex-post regulierte
Entgelte im Standardangebot nicht gesondert zu überprüfen sind, sondern lediglich
wenn Anhaltspunkte für eine solche Überprüfung vorliegen, wie dies für die übrigen ex-
post zu regulierenden Entgelte auch gilt,
129
vgl. Thomaschki in: Berliner Kommentar zum TKG, § 23 Rdn. 75; wohl auch:
Piepenbrock/Attendorn in: Beck´scher TKG Kommentar, 03. Auflage, § 23 Rdn. 60, die §
23 Abs. 4 Satz 5 als Rechtsgrundverweisung und die Vorschriften der
Entgeltregulierung als vorrangig ansehen; im Ergebnis auch: von Graevenitz, a.a.O., der
bereits aus der Erfassung des § 30 TKG in § 23 Abs. 4 Satz 5 TKG schließt, dass auf
diesem Umwege auf die ex-post-Vorschriften des § 38 TKG verwiesen werde.
130
Die Kostenentscheidung folgt aus § 155 Abs. 1 Satz 1 VwGO.
131
Die Revision ist wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache gemäß § 135 Satz
3 i.V.m. § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO zuzulassen.
132