Urteil des VG Köln vom 23.04.2008

VG Köln: aufschiebende wirkung, verwaltungsakt, behörde, datum, bekanntgabe, auflage, anfechtungsklage, abnahme, widerspruchsverfahren, bestätigung

Verwaltungsgericht Köln, 23 L 370/08
Datum:
23.04.2008
Gericht:
Verwaltungsgericht Köln
Spruchkörper:
23. Kammer
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
23 L 370/08
Tenor:
1. Der Antrag wird abgelehnt. Der Antragsteller trägt die Kosten des
Verfahrens. 2. Der Streitwert wird auf 169,85 Euro festgesetzt.
Gründe
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Der vom Antragsteller gestellte Antrag,
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dem Antragsgegner im Wege einer einstweiligen Anordnung nach § 123 VwGO
aufzugeben, das von ihm betriebene Zwangsvollstreckungsverfahren beim Amtsgericht
Köln (Az.: 92 K 267/04) bis auf weiteres einzustellen,
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ist bereits unzulässig, weil nicht statthaft. Statthaft wäre vorliegend nämlich allein ein
gegenüber dem gestellten Antrag nach § 123 VwGO vorrangiger (vgl. § 123 Abs. 5
VwGO) Antrag auf Aussetzung der Vollziehung nach § 80 Abs. 5 S. 1 VwGO. Dies ergibt
sich insbesondere aus folgenden Erwägungen: Nach § 80 Abs. 1 VwGO haben
Widerspruch und Anfechtungsklage gegen Verwaltungsakte aufschiebende Wirkung.
Der vom Antragsgegner an das Amtsgericht Köln gerichtete Antrag vom 13. Dezember
2007, in der angeführten Zwangsvollstreckungssache gegen den Antragsteller gemäß §
51 Abs. 1 VwVG NRW den Beitritt zu diesem Zwangsversteigerungsverfahren
zuzulassen, stellt im Verhältnis zum Antragsteller als Vollstreckungsschuldner einen
derartigen Verwaltungsakt (vgl. § 35 S. 1 VwVfG NRW) dar. Nach der ständigen - und
überzeugenden - Rechtsprechung des Bundesfinanzhofes (BFH),
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Urteil vom 16. November 1965 - VII 176/60 U - (BStBl. 1965, 735), Beschluss vom 29.
Oktober 1985 - VII B 69/85 - (BStBl. 1986, 236), Beschluss vom 25. Januar 1988 - VII B
85/87 - (BStBl. 1988, 566) und Urteil vom 17. Oktober 1989 - VII R 77/88 - (BStBl. 1990,
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der die beschließende Kammer namentlich zur Gewährleistung eines effektiven
Rechtsschutzes (vgl. Art. 19 Abs. 4 GG) für den Vollstreckungsschuldner folgt, ist die
Verfügung der Vollstreckungsbehörde, mit der u.a. - wie hier - die Zulassung des
Beitritts zur Zwangsversteigerung beantragt wird, zumindest dann ein
aussetzungsfähiger Verwaltungsakt, wenn sie die Feststellung enthält, dass die
gesetzlichen Voraussetzungen für die Vollstreckung vorliegen. Eine solche Feststellung
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enthält der Antrag des Antragsgegners vom 13. Dezember 2007, weil darin ausdrücklich
die Vollstreckbarkeit der angeführten Forderungen bestätigt wird. Der gegenteiligen
Ansicht, wonach die in Rede stehenden Anträge der Vollstreckungsbehörde keine
Verwaltungsakte, sondern lediglich zwischenbehördliche Akte sein sollen,
vgl. Tipke/Kruse, AO/FGO, § 322 AO Rn 34 mwN,
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vermag die beschließende Kammer namentlich aus den vom BFH im bereits
angeführten Beschluss vom 25. Januar 1988 ausführlich und überzeugend dargelegten
Gründen nicht zu folgen. Auch das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG)
vom 18. November 1960 - BVerwG VII C 184/57 - (NJW 1961, 332), in dem das BVerwG
das an das Amtsgericht gerichtete Ersuchen der Behörde auf Abnahme des
Offenbarungseides nicht als Verwaltungsakt angesehen hat, rechtfertigt keine andere
Beurteilung. Es kann nämlich nicht davon ausgegangen werden, dass dieses Ersuchen
eine (förmliche) Bestätigung des Vorliegens der gesetzlichen Voraussetzungen für die
Vollstreckung enthielt.
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BFH, Beschluss vom 29. Oktober 1985 aaO.
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Der nach alledem einen Verwaltungsakt darstellende Antrag des Antragsgegners vom
13. Dezember 2007 ist gegenüber dem Antragsteller auch wirksam geworden (vgl. § 43
Abs. 1 S. 1 VwVfG NRW). Allerdings ist dieser Verwaltungsakt dem Antragsteller durch
den Antragsgegner selbst nicht bekannt gegeben worden. Eine Bekanntgabe (vgl. § 41
VwVfG NRW) setzt den Willen der Behörde zu einer Eröffnung des Verwaltungsaktes an
den Adressaten oder den Betroffenen voraus.
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Vgl. Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 6. Auflage 2001, § 41 Rn 4 mwN; Kopp/Ramsauer,
VwVfG, 10. Auflage 2008, § 41 Rn 7.
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An einem derartigen Bekanntgabewillen des Antragsgegners fehlt es hier vor allem
deshalb, weil dieser selbst - wenn auch rechtsirrig - die Auffassung vertritt, dass es sich
bei seinem Antrag vom 13. Dezember 2007 nicht um einen Verwaltungsakt handelt, es
demzufolge auch keiner Bekanntgabe bedarf. Dieser Bekanntgabemangel ist indessen
geheilt worden. In entsprechender Anwendung des § 8 des
Verwaltungszustellungsgesetzes für das Land Nordrhein-Westfalen
(Landeszustellungsgesetz - LZG - ) ist ein Bekanntgabemangel zu dem Zeitpunkt
geheilt, zu dem der Empfangsberechtigte das zuzustellende Schriftstück nachweislich
erhalten hat.
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Vgl. Kopp/Ramsauer, aaO, § 41 Rn 28 mwN.
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Hier hat der Antragsteller den Antrag des Antragsgegners vom 13. Dezember 2007
nachweislich spätestens am 16. Februar 2008 erhalten, da der Antragsteller unter
diesem Datum seinen Widerspruch gegen den Antrag des Antragsgegners vom 13.
Dezember 2007 gefertigt hat, den er im Übrigen offenbar selbst als Verwaltungsakt
angesehen hat.
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Weiterhin ist die in § 80 Abs. 1 VwGO vorgesehene aufschiebende Wirkung der
genannten Rechtsbehelfe hier nach § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO i.V.m. § 8 AG VwGO
NRW entfallen, weil nach der letztgenannten Vorschrift Rechtsbehelfe, die sich - wie
hier - gegen Maßnahmen der Vollstreckungsbehörden richten, keine aufschiebende
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Wirkung haben.
Einen danach statthaften Antrag nach § 80 Abs. 5 S. 1 VwGO auf Anordnung der
aufschiebenden Wirkung hat der Antragsteller indessen nicht gestellt. Der von ihm
gestellte Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung nach § 123 VwGO kann auch
nicht entsprechend §§ 86 Abs. 3, 88 VwGO in einen Antrag nach § 80 Abs. 5 S. 1 VwGO
ausgelegt bzw. umgedeutet werden. Dem steht entgegen, dass durch das Zweite
Gesetz zum Bürokratieabbau (Bürokratieabbaugesetz II) vom 09. Oktober 2007 (GV
NRW, S. 393) das bisher einer Anfechtungsklage vorgeschaltete
Widerspruchsverfahren bei der Behörde seit dem 01. November 2007 weggefallen ist
(vgl. § 6 Abs. 1 Satz 1 AGVwGO NRW). Gleichwohl hat der Antragsteller gegen den
Antrag des Antragsgegners vom 13. Dezember 2007 mit dem vorgenannten Schreiben
vom 16. Februar 2008, beim Antragsgegner eingegangen am 20. Februar 2008,
Widerspruch eingelegt und nicht direkt beim Verwaltungsgericht Klage erhoben. Eines
richterlichen Hinweises hierzu bedurfte es nicht, da der Antragsteller offensichtlich
selbst hinreichend rechtskundig ist oder jedenfalls ausreichend beraten wird.
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Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 1 VwGO.
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Die Streitwertfestsetzung folgt aus § 53 Abs. 3 Nr. 2 i.V.m. § 52 Abs. 3 GKG.
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Es entspricht ständiger Rechtsprechung, in Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes
ein Viertel der streitigen Abgabenforderung (hier: 679,40 EUR) anzusetzen.
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