Urteil des VG Köln vom 15.05.2009

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Verwaltungsgericht Köln, 18 K 43/06
Datum:
15.05.2009
Gericht:
Verwaltungsgericht Köln
Spruchkörper:
18. Kammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
18 K 43/06
Tenor:
Die Klage wird abgewiesen. Die Klägerin trägt die Kosten des
Verfahrens.
Tatbestand
1
Die Klägerin begehrt die Verlängerung der Zulasssung (Nachzulassung) für das
Arzneimittel U. -H. mit den arzneilich wirksamen Bestandteilen
Oxytetracyclinhydrochlorid und einem Destillat aus einer Mischung von rektifiziertem
Eucalyptusöl, rektifiziertem Süßorangenschalenöl, rektifiziertem Zitronenöl und
rektifiziertem Myrtenöl im Verhältnis 66:32:1:1. Das Anwendungsgebiet lautet „Akute
Bronchitis und Entzündung der Nasennebenhöhen (Sinusistis), sofern sie durch
oxytetracyclinempfindliche Erreger verursacht sind."
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Am 02.05.1978 zeigte die Klägerin das Arzneimittel nach Artikel 3 § 7 Abs. 2 Satz 1 des
Gesetzes zur Neuordnung des Arzneimittelrechts vom 24.08.1976 (AMNG) bei dem
Bundesgesundheitsamt an. Als arzneilich wirksame Bestandteile gab sie Myrtol und
Oxytetracyclin HCl an.
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Am 15.12.1989 stellte sie den Antrag auf Verlängerung der Zulassung. Die Angaben zu
dem arzneilich wirksamen Bestandteil Myrtol lauten nunmehr: Myrtol standardisiert,
mindestens 20 mg Alpha-Pinen, 75 mg Limonen, 75 mg Cineol.
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Am 05.08.1993 stellte sie den sogenannten Langantrag. Mit Schreiben vom 18. 03.1994
übersandte sie eine Änderungsanzeige, die eine Umformulierung des
Anwendungsgebietes von „Entzündung der Nebenhöhlen (Sinusitis)" in „Entzündung
der Nasennebenhöhlen (Sinusitis)" zum Gegenstand hatte.
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Mit Schreiben vom 10.07.1997 schlug das Bundesinstitut für Arzneimittel und
Medizinprodukte (BfArM) der Klägerin vor, das Destillat wie folgt zu deklarieren:
„Mischdestillat aus Eucalyptusöl, Orangenschalenöl, Zitronenöl und Myrtenöl
(66:32:1:1)."
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Mit Schreiben vom 28.10.1997 machte das BfArM die Klägerin auf die Notwendigkeit
eines pharmakologisch-toxikologischen Gutachtens aufmerksam.
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Am 29.01.2001 legte die Klägerin die Erklärung zum Einreichen der Unterlagen gemäß
dem 10. Änderungsgesetz zum AMG vor. Dabei wies die Klägerin darauf hin, dass sie
hinsichtlich der pharmakologischen, toxikologischen und/oder klinischen Unterlagen
gemäß § 22 Abs. 3 AMG auf anderes wissenschaftliches Erkenntnismaterial Bezug
nehme.
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Mit Schreiben vom 11.06.2004 übersandte das BfArM die medizinische Stellungnahme
zur Klinik. In der Stellungnahme führte das BfArM u.a. aus:
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Bei der Zusammensetzung von Myrtol standardisiert handele es sich um eine
Arzneimittelkombination aus Eucalyptusöl, Orangenschalenöl, Zitronenöl und Myrtenöl.
Es sei nicht erkennbar, ob die beiden arzneilich wirksamen Bestandteile Zitronenöl und
Myrtenöl einen Beitrag zur positiven Beurteilung des Arzneimittel leisteten. Zur näheren
Begründung verwies das BfArM auf eine beigefügte Stellungnahme zu dem Arzneimittel
H. forte.
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Die Kombinationsbegründung für die Verwendung von Myrtol standardisiert und
Oxytetracyclin sei nicht akzeptabel. Es komme zu keiner Verbesserung der
Nutzen/Risiko-Beurteilung durch das Kombinationspräparat. Eine Verbesserung der
Patienten-Compliance reiche als Begründung nicht aus. Es fehle eine Studie, die einen
Vorteil der Anwendung der Kombination im Vergleich zu den einzelnen Substanzen
aufzeige. Der Nachweis, dass die Verflüssigung des Sekrets durch Myrtol standardisiert
die Penetration des Antibiotikums in das zu behandelnde Gewebe erleichtere, werde
nicht erbracht.
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Das BfArM gab der Klägerin Gelegenheit, den Mängeln binnen 12 Monaten nach
Zugang des Schreibens abzuhelfen. Das Mängelschreiben wurde der Klägerin am
16.06. 2004 zugestellt.
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Am 31.01.2005 legte die Klägerin eine Anwendungsbeobachtung vor. Am 15.06.2005
übersandte die Klägerin ihre Stellungnahme zu dem Mängelschreiben. Dabei wies sie
darauf hin, dass sie die arzneilich wirksamen Bestandteile nunmehr wie folgt deklariere:
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„250 mg Oxytetracyclinhydrochlorid und 300 mg Destillat aus einer Mischung von
rektifiziertem Eucalyptusöl, rektifiziertem süßen Orangenöl, rektifiziertem Myrtenöl und
rektifiziertem Zitronenöl (66:32:1:1)".
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Mit Bescheid vom 05.12.2005, der Klägerin zugestellt am 07.12.2005, wies das BfArM
den Antrag auf Verlängerung der Zulassung zurück. Die Klägerin habe die
therapeutische Wirksamkeit unzureichend begründet und es fehle eine ausreichende
Begründung, dass jeder Wirkstoff einen Beitrag zur positiven Beurteilung des
Arzneimittels leiste.
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Die Kombinationsbegründungen für das Gemisch der ätherischen Öle sowie für Myrtol
und Oxytetracyclin seien auch unter Berücksichtigung der Anwendungsbeobachtung
unzureichend. Insbesondere der Zusammenhang zwischen Myrtol und einer
Verbesserung der Pharmakokinetik des Antibiotikums sei nicht ausreichend
nachgewiesen. Für die Kombination seien überdies vermehrt Nebenwirkungen zu
erwarten. Auch unabhängig von der Kombinationsbegründung sei die
Gesamtarzneistoffbewertung negativ, u.a. weil eine Oxytetracyclintherapie nicht mehr
zeitgerecht sei.
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Am 03.01.2006 hat die Klägerin Klage erhoben.
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Zur Begründung der Klage führt die Klägerin im Wesentlichen aus:
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Es liege eine ausreichende Kombinationsbegründung vor. Eine Vorlage kontrollierter
klinischer Studien sei nicht zwingend erforderlich. Hier liege eine Kombination zweier,
jeweils für sich allein gesehen wirksamer Substanzen vor. Die Kombination sei sinnvoll,
da das Antibiotikum die „Nachschubwege" der Erreger unterbreche und das
Mukosekretolytikum die oxidativen Zellschädigungen korrigiere.
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Sie habe den Nachweis erbracht, dass jeder arzneilich wirksame Bestandteil einen
positiven Beitrag leiste. Für Myrtol standardisiert verweist die Klägerin auf die
vorgelegten Unterlagen zu H. und zu H. forte. Oxytetracyclin sei ebenfalls therapeutisch
wirksam. Dies ergebe sich aus den Stellungnahmen von Prof. Dr. Lode und Ehmen und
aus den vorgelegten wissenschaftlichen Publikationen. Die Sinnhaftigkeit der
Kombination werde durch das Gutachten de Mey belegt.
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Die Klägerin beantragt,
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die Beklagte unter Aufhebung des Versagungsbescheids vom 05.12.2005 zu
verpflichten, den von ihr zu der Eingangsnummer 0004995 (ONR 0014974) beantragten
Zulassungsverlängerungsbescheid für das Arzneimittel U. -H. antragsgemäß zu erteilen,
insbesondere mit den Anwendungsgebieten „bei akuter Bronchitis und Entzündung der
Nasennebenhöhlen (Sinusitis), sofern sie durch Oxytetraclin-empfindliche Erreger
verursacht sind",
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hilfsweise,
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die Beklagte unter Aufhebung des Versagungsbescheids vom 5.12.2005 zu verpflichten,
über den von ihr zu der Eingangsnummer 0004995 (ONR 0014974) gestellten
Zulassungsverlängerungsantrag für das Arzneimittel U. -H. unter Beachtung der
Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu entscheiden.
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Die Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den sonstigen
Inhalt der Gerichtsakte, der Verfahrensakten 18 K 407/06, 18 K 408/06, 18 K 4947/06, 18
K 4965/06, der in diesen Verfahren von der Beklagten vorgelegten
Verwaltungsvorgänge sowie der in diesen Verfahren von der Klägerin vorgelegten
Unterlagen Bezug genommen.
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E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
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Die Klage ist zulässig, jedoch sowohl mit dem Hauptantrag als auch mit dem Hilfsantrag
unbegründet.
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Der Bescheid vom 5.12.2005 ist rechtmäßig. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf
Nachzulassung des Arzneimittels U. -H. und auch keinen Anspruch auf eine
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diesbezügliche Neubescheidung entsprechend ihrem Hilfsantrag (§ 113 Abs. 5 S. 1
VwGO und § 113 Abs. 5 S. 2 VwGO).
Einem Nachzulassungsanspruch der Klägerin steht der Versagungsgrund des § 105
Abs. 5 S. 2 AMG entgegen. Nach dieser Vorschrift ist die (Verlängerung der) Zulassung
zu versagen, wenn Beanstandungen des BfArM nicht innerhalb der gesetzten Frist von
höchstens zwölf Monaten (§ 105 Abs. 5 S.1 AMG) abgeholfen wird. Dies ist vorliegend
der Fall. Die Klägerin hat jedenfalls den mit Mängelschreiben des BfArM vom 11.06.
2004 genannten, die Versagung der Nachzulassung rechtfertigenden Mangel der nicht
ausreichenden Kombinationsbegründung hinsichtlich des Zitronenöls in der
Arzneimittelkombination von Eucalyptusöl, Orangenschalenöl, Zitronenöl und Myrtenöl
nicht beseitigt. Wegen der näheren Einzelheiten der diesbezüglichen Begründung wird
auf das Urteil der Kammer vom heutigen Tage in dem Verfahren 18 K 4965/06 bezüglich
H. Bezug genommen. Den Nachweis, dass auch das Zitronenöl einen Beitrag zur
positiven Beurteilung des Arzneimittels leistet, hat die Klägerin auch hier nicht erbracht.
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Die Kammer war auch im vorliegenden Verfahren nicht gehalten, im Hinblick auf die
Beweisanträge der Klägerin Beweis zu erheben. Soweit die Klägerin mit dem
Beweisantrag zu 3.2 beantragt hat, Beweis über ihre Behauptung zu erheben, „dass H.
und H. forte Monoarzneimittel sind", brauchte die Kammer dem auch hier nicht
nachzugehen. Denn entscheidungserheblich ist letztlich nicht, wie das Begriffspaar
Kombinationarzneimittel/ Monoarzneimittel in der Fachwelt verwendet wird, sondern ob
es sich um eine Mehrzahl von Wirkstoffen im Sinne von §§ 22 Abs. 3a, 25 Abs. 2 Nr. 5a
AMG handelt. Dies ist eine Rechtsfrage, die dem Beweis nicht zugänglich, sondern vom
Gericht zu entscheiden ist.
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Im Übrigen gilt hinsichtlich der von der Klägerin gestellten Beweisanträge folgendes:
Den Beweisantrag zu 1.1 hat die Kammer abgelehnt, weil er zum ganz überwiegenden
Teil Rechtsfragen zum Gegenstand hat. Soweit der Beweisantrag dahin verstanden
werden könnte, dass er auch - hier entscheidungserhebliche - Tatsachenfragen betrifft,
verfügt die Kammer angesichts ihrer umfangreichen Erfahrung in arzneimittelrechtlichen
Verfahren über ausreichende eigene Sachkunde.
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Den Beweisanträgen zu 2.1 brauchte die Kammer nicht nachzugehen, weil die dort
angesprochenen Fragen für die Entscheidung des vorliegenden Verfahrens entweder
unerheblich sind oder - soweit sie sich auf die Kombinationsbegründung beziehen - das
Gericht über ausreichend eigene Sachkunde verfügt. Gleiches gilt auch für die
Beweisanträge zu 4.6 und zu 4.7.
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Den übrigen in der mündlichen Verhandlung vom 15.5.2009 gestellten Beweisanträgen
zu 1.2, 1.3, 1.4, 1.5, 1.6, 1.7, 1.8, 1.9, 2.3, 2.4, 4.1, 4.2, 4.3, 4.4, 4.5 und 4.8 hat die
Kammer nicht entsprochen, weil die Tatsachenbehauptungen, die dadurch bewiesen
werden sollen, für die Entscheidung des vorliegenden Rechtsstreits zur Überzeugung
der Kammer unerheblich sind. Hinsichtlich des Beweisantrages zu 4.8 ergibt sich dies
daraus, dass dieser Beweisantrag nicht Fragen der Kombinationsbegründung bezogen
auf den Wirkstoff Zitronenöl in dem Gemisch der ätherischen Öle, sondern vielmehr
Fragen der Kombinationsbegründung bezogen auf Oxytetracyclin einerseits und Myrtol
andererseits zum Gegenstand hat, die nach Auffassung der Kammer nicht
entscheidungungserheblich sind. Soweit sich die ersten beiden Punkte des
Beweisantrages zu 4.8 auch auf die Kombinationsbegründung für das Zitronenöl in dem
Gemisch der ätherischen Öle beziehen sollten, sind diese Fragen ebenfalls unerheblich.
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Da sich bereits aus den eigenen Einlassungen der Klägerin unzweifelhaft ergibt, dass
eine Kombinationsbegründung für Zitronenöl hier nicht vorliegt, bedurfte es keiner
Beweiserhebung über die Frage, welche allgemeinen Anforderungen an den Nachweis
einer Kombinationsbegründung zu stellen sind.
Der von der Klägerin aufgeworfenen Frage, ob die Präklusionsregelung des § 105 Abs.
5 S. 2 AMG europarechtskonform ist, brauchte ebenfalls nicht nachgegangen zu
werden, weil die Klägerin auch im Klageverfahren keine Erkenntnisse des Inhalts
vorgelegt hat, dass Zitronenöl hier einen Beitrag zur positiven Beurteilung des
Arzneimittels leistet.
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Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.
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